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Akteure der Wirtschaftspolitik | Staat und Wirtschaft | bpb.de

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Akteure der Wirtschaftspolitik

Hans-Jürgen Schlösser

/ 12 Minuten zu lesen

Angela Merkel bei der Haushaltsdebatte im Bundestag. (© AP)

Einleitung

Die wichtigsten Akteure der Wirtschaftspolitik sind im inländischen Bereich das Parlament und die Regierung, die Verwaltung und die Interessenverbände. Immer wichtiger aber werden für die moderne Wirtschaftspolitik ausländische, internationale und supranationale Akteure wie die Europäische Union, der ihre Mitgliedstaaten Souveränitätsrechte übertragen haben. Supranationale wirtschaftspolitische Akteure der EU sind der Rat der Europäischen Union (Ministerrat), die Europäische Kommission sowie die Europäische Zentralbank (EZB).

Nationale Akteure

Parlament

Die Organisation des Deutschen Bundestages

Das Parlament bildet zusammen mit der Regierung, der Verwaltung und der Rechtsprechung die staatlichen Gewalten. Als Verfassungs- und Gesetzgeber bestimmt das Parlament den Rahmen, innerhalb dessen sich die Wirtschaftspolitik bewegen kann. Deshalb ist das Parlament, das heißt in der Bundesrepublik Deutschland der Deutsche Bundestag der oberste Träger der Wirtschaftspolitik.

In den Ausschüssen des Deutschen Bundestages bereiten Abgeordnete aller Fraktionen Gesetzesvorhaben für die Verabschiedung im Plenum vor. Seine wichtigsten Ausschüsse für die Wirtschaftspolitik sind

  • Arbeit und Soziales,

  • Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz,

  • Finanzen,

  • Haushalt,

  • Verkehr, Bau und Stadtentwicklung,

  • Wirtschaft und Technologie,

  • Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

Die Belastung durch die ständig wachsende Gesetzgebungsarbeit hat allerdings die Parlamente im Lauf der Zeit dazu veranlasst, den Regierungen und Ministerien immer mehr Entscheidungsbefugnisse zu übertragen. Auch haben sich die Aufgaben der Wirtschafts- und Sozialpolitik so verkompliziert, dass die Abgeordneten zunehmend außerstande sind, alle wirtschaftspolitischen Sachprobleme selbst zu bearbeiten und zu beurteilen. Sie konzentrieren sich deshalb verstärkt auf die formellen Funktionen der Gesetzgebung und auf ihre Kontrollfunktionen.

Das demokratisch gewählte Parlament soll die Beziehung zwischen dem Wählerwillen und den wirtschaftspolitischen Maßnahmen sicherstellen. Allerdings kann auch ein demokratisches System mit seinen Wahlen und parlamentarischen Abstimmungen nicht immer gewährleisten, dass der Wille der Wählerinnen und Wähler repräsentiert wird: So kann schon allein das Wahlsystem zu Verzerrungen führen, wenn beispielsweise ein reines Mehrheitswahlrecht besteht und zur Folge hat, dass eine Partei extrem überrepräsentiert wird, während der Wille einer großen Minderheit nicht zur Geltung kommt.

Die Tatsache, dass jede Person eine Stimme hat, entspricht dem demokratischen Ideal der Gleichheit vor dem Gesetz. Aus diesem Grunde werden demokratische Entscheidungen oft für legitimer befunden als die Entscheidungen des Marktes, denn auf Märkten entspricht die Anzahl der Stimmen der ungleich verteilten Kaufkraft von Marktteilnehmern. Die demokratische Legitimation wächst mit dem Grad der Beteiligung. So sollten möglichst viele Individuen eines Gemeinwesens zu Abstimmungen zugelassen werden bzw. Zugang zu demokratischen Mitbestimmungsrechten haben.

Bringt eine Abstimmung eine klare Mehrheit für eine der beiden Seiten, dann wird die Minderheit in der Regel diese Entscheidung akzeptieren. Wenn das Abstimmungsergebnis sehr knapp ausfällt, ist das aber schon weniger zu erwarten. Um dennoch die Legitimität wichtiger Entscheidungen sicherzustellen, wird daher oft eine absolute Mehrheit oder sogar eine Zwei-Drittel-Mehrheit gefordert. Letzteres gilt insbesondere für Verfassungsänderungen, also für sehr fundamentale ordnungspolitische Entscheidungen.

Ein großer Vorteil der Demokratie ist, dass sich Abstimmungen zumindest in kleinen Gruppen ohne großen Aufwand durchführen lassen. Komplikationen treten erst dann auf, wenn zwischen mehr als zwei Optionen zu entscheiden ist. In diesem Fall muss festgelegt werden, ob die einfache oder die absolute Mehrheit gelten soll. Dabei kann es unter Umständen zu dem Dilemma kommen, dass eine einfache Mehrheitsentscheidung als nicht ausreichend legitim empfunden wird, während sich eine absolute Mehrheit für keines der zur Wahl gestellten Ergebnisse findet und so der Status quo erhalten bleibt.

Bei aller Komplexität der Entscheidungsfindung bleibt jedoch ein wesentlicher Vorteil der Demokratie gegenüber nicht-demokratischen Herrschaftsformen die Tatsache, dass die Bundestagsabgeordneten aus demokratischen Wahlen hervorgehen und in ihren Wahlkreisen mit den Anliegen der Bürgerinnen und Bürger konfrontiert werden. So besteht noch die größte Gewähr, dass deren Wünsche Gehör finden.

Regierung

Die Regierung, bestehend aus Bundeskanzler(in) und Minister(inne)n, ist für die Durchführung und Ausgestaltung der Wirtschaftspolitik verantwortlich. Sie schlägt dem Parlament ihre wirtschaftspolitischen Konzepte vor und trifft bei der Durchführung der Wirtschaftspolitik die Entscheidungen. Die Regierung ist die oberste Instanz im politisch-adminstrativen Bereich und damit der wichtigste Träger faktischer Macht bei der Entscheidung über wirtschaftspolitische Maßnahmen. Bei diesen Entscheidungen muss sie folgende Bedingungen berücksichtigen:

  • Die Regierung muss sich an die Gesetze und Vorschriften halten.

  • Die Globalisierung oder supranationale Akteure wie die EU begrenzen die nationalen wirtschaftspolitischen Handlungsmöglichkeiten.

  • Die Regierung strebt die Wiederwahl an und muss daher auf die Wählerwünsche eingehen.

Nicht außer Acht bleiben sollte natürlich auch das Bewusstsein, dass die Mitglieder der Regierung nebenher eigene Ziele verfolgen - ideologische, immaterielle und materielle. Sie wollen beispielsweise persönliches Ansehen erlangen, die Wirtschaft und Gesellschaft nach ihren jeweiligen Auffassungen gestalten, eher konservative, liberale oder sozialistische Werthaltungen durchsetzen oder bestimmte gesellschaftliche Gruppen fördern.

Eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass Parlament und Regierung sich in der Wirtschaftspolitik an den Wünschen und Wertvorstellungen der Menschen orientieren, ist der Wettbewerb zwischen den politischen Parteien aus denen die Parlaments- und Regierungsvertreter in ihrer überwiegenden Mehrheit hervorgehen. Die Parteien bündeln gesellschaftliche Interessen und verdichten sie in ihren Parteiprogrammen, sodass die Wählenden Alternativen vorfinden. Eine Wertung dieser Alternativen durch die Bürgerinnen und Bürger ist allerdings nur möglich, wenn ihnen unabhängige Informationen zur Wirtschaftspolitik zur Verfügung gestellt werden.

Bei fehlendem oder unzureichendem Wettbewerb zwischen den Parteien besteht die Gefahr, dass sich sowohl die Parlamentarier als auch die Regierungsmitglieder dem Wählerwillen entziehen, einseitig bestimmte organisierte Interessengruppen wie beispielsweise die Gewerkschaften oder die Arbeitgeberverbände bevorzugen oder wirtschaftspolitische Maßnahmen veranlassen, deren Nutzen besonders gut, deren Kosten aber nur wenig sichtbar sind und übergeordnete Perspektiven vermissen lassen.

Schulden und Investitionen des Bundes

Da eine Regierung immer auch ihre Wiederwahl sichern will, kann sie verschiedenen Versuchungen unterliegen, zum Beispiel kurz vor den Wahlen die Staatsausgaben zu erhöhen, um so die Einkommen der Bürgerinnen und Bürger oder bevorzugter Wählergruppen kurzfristig zu steigern. Die daraus folgenden Schwankungen der Wirtschaftstä-tigkeit werden als "politischer Konjunkturzyklus" bezeichnet. Die kurzen Legislaturperioden und die dichte Folge von Wahlen im föderalistischen System der Bundesrepublik Deutschland sind zudem geeignet, solche Tendenzen zu kurzfristig angelegter Wirtschaftspolitik zu verstärken, da auch die Machtverteilung im Bundesrat die Durchsetzbarkeit politischer Entscheidungen der Bundesregierung beeinflusst.

QuellentextVerschuldung nach dem Grundgesetz

Die Defizitkontrolle des Grundgesetzes ist recht unverbindlich. Das zeigt die steigende Verschuldung des Bundes. Seit 1970 kennt die Entwicklung nur eine Richtung: Sie geht nach oben. Artikel 115 Grundgesetz begrenzt die Nettokreditaufnahme auf die Investitionsausgaben. Was als Grenze gedacht war, ist zunehmend als Rahmen, der ausgeschöpft werden sollte, missverstanden worden. Zudem macht der Artikel eine entscheidende Ausnahme: Zur Abwehr einer gesamtwirtschaftlichen Störung darf es auch mehr sein. Sie wurde nicht nur für den Haushalt 2004 in Anspruch genommen. Doch anders als in vergleichbaren Fällen ist seinerzeit die Opposition dagegen nach Karlsruhe gezogen.
In den Ländern sieht es nicht viel anders aus. Dort gelten vergleichbare Regeln. Auch dort ist der Verstoß zum Normalfall geworden. Im September 2005 sprach der damalige Bundesfinanzminister Eichel (SPD) von elf verfassungswidrigen Länderhaushalten. Dank Sparbeschlüssen und Steuererhöhungen erfüllen zu Beginn dieses Jahres die meisten Länder die Minimalanforderung an die Haushaltsführung. Nur noch das Saarland, Schleswig-Holstein und Bremen haben verfassungswidrige Haushalte. Der Bund hat im Jahr 2007 seine Nettokreditaufnahme unter die Investitionsausgaben gedrückt. Zuvor war das im Jahr 2001 der Fall gewesen.
Der Bundesrechnungshof kritisiert die "unzureichende Begrenzungswirkung" von Artikel 115. Er verweist auf die Entwicklung der jährlichen Nettokreditaufnahme. "Im Zeitraum von 1983 bis heute war die Summe der Nettokreditaufnahme mit 614 Milliarden Euro fast ebenso hoch wie die Summe der in demselben Zeitraum geleisteten Investitionsausgaben mit 619 Milliarden Euro", heißt es in der Stellungnahme für die mündliche Verhandlung. "Die Regelkreditgrenze wurde also über diesen gesamten Zeitraum vollständig ausgeschöpft, obwohl die Gesamtwirtschaft in den letzten 25 Jahren durchschnittlich rund 2,1 Prozent pro Jahr real wuchs", stellt der Präsident des Rechnungshofes Engels fest. "In elf dieser 25 Haushaltsjahre wurde die Regelkreditgrenze zum Teil erheblich überschritten, vor allem in den Haushaltsjahren 2002 bis 2006." Ursprünglich sollte die Kreditbegrenzung dafür sorgen, dass nachfolgende Generationen nicht übermäßig unter der Ausgabenfreude ihrer Vorgänger zu leiden haben. Indem man den neuen Krediten reale Investitionen gegenüberstellte, sollte eine faire Lastenverteilung erreicht werden - schließlich wird eine Autobahn länger als ein Jahr genutzt. Den Schulden steht in dieser Betrachtung ein realer Vermögensaufbau gegenüber.
Mehrere Entwicklungen haben diese Rechnung nicht aufgehen lassen. Erstens sind alte Kredite nur umgeschuldet, aber nie getilgt worden (große Ausnahme waren die Erlöse aus der UMTS-Versteigerung), so dass Zins und Zinseszins den Schuldenberg weiter anwachsen ließen. Zweitens sind nach einer gewissen Zeit weitere Investitionen zum Erhalt der Straßen und Gebäude notwendig. Drittens ist in jüngerer Zeit hinzugekommen, dass der Staat Vermögen in erheblichem Umfang verkauft hat. Viertens hat die starke Inanspruchnahme der Ausnahmeklausel zum Anstieg des Schuldenbergs beigetragen. Ende dieses Jahres wird er bei 938 Milliarden Euro gesehen.
[...] Folge der permanenten Kreditaufnahme und des damit verbundenen Schuldenanstiegs sind wachsende Zinsausgaben. "Seit 1990 verdoppelte sich die jährliche Zinslast von 17,5 Milliarden Euro auf 41,1 Milliarden Euro im Jahre 1999", hebt der Rechnungshof hervor. Seitdem seien die Zinsausgaben aufgrund des Zinsniveaus an den Finanzmärkten zwar leicht rückläufig, aber auch im Haushalt 2007 bildeten die Zinsen mit 39,3 Milliarden Euro den zweitgrößten Ausgabenblock. Sie sind damit deutlich höher als die neuen Kredite und die Investitionsausgaben.
Die Finanzminister können offenbar den Ausgabenwünschen der Fachpolitiker zu wenig entgegensetzen. Daran hat auch der in den neunziger Jahren hinzugekommene Stabilitätspakt nichts Wesentliches geändert. [...]

Manfred Schäfers, "Der missbrauchte Artikel 115", in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 15. Februar 2007

Die Verschuldung des Bundes

Staatsausgaben, die im Moment den Bürgerinnen und Bürgern Gutes tun und so kurzfristig populäre Wirkungen zeigen, können aber Folgen nach sich ziehen, die verdeckt oder verzögert zum Tragen kommen, etwa eine wachsende Staatsverschuldung. So kann eine amtierende Regierung mit ihren Wohltaten ein Budgetdefizit aufbauen, dass die Nachfolgeregierung, die eventuell von der Opposition gebildet wird, vor die unbequeme Wahl stellt, entweder sparsamer und damit unpopulärer zu sein oder die Verschuldungsspirale weiter anzutreiben.

Verwaltung

Die Regierung ist nur handlungsfähig, wenn sie über einen entsprechenden Verwaltungsapparat verfügt.An der Spitze der Verwaltung im Bund stehen die Bundesministerien (Ressorts), ihnen folgen Bundesbehörden, beispielsweise die Finanzverwaltung. Verwaltungen existieren im föderalistischen System der Bundesrepublik Deutschland außerdem auf der Ebene der Länder und der Kommunen. Der Bundestag entscheidet über den Bundeshaushalt, doch die entsprechende Durchführung der finanzpolitischen Maßnahmen obliegt dem Finanzministerium. Auch die Zentralbank hat ihre eigene Verwaltung, welche die Geldpolitik durchführt.

Die Aufgabe der Verwaltung besteht darin, die in Wahlen, Parlament und Regierung gefallenen Entscheidungen der demokratischen Willensbildung praktisch umzusetzen. Verwaltung vollzieht und konkretisiert Gesetze, die zentrale Handlungsform der Verwaltung ist der Verwaltungsakt. Zu den Verwaltungsaufgaben gehören Planung, zum Beispiel die Planung von Verkehrswegen, die Verwaltung von Leistungen, etwa die Gewährung von Arbeitslosengeld, Eingriffe, zum Beispiel das Verbot, an einem bestimmten Ort ein bestimmtes Gewerbe auszuüben und die Abgabenverwaltung, also der Einzug von Steuern durch die Finanzämter.

Je größer die Bevölkerung und je höher der wirtschaftliche Entwicklungsstand eines Landes ist, desto zahlreicher sind generell die Aufgaben der öffentlichen Hand und die zu ihrer Lösung erforderlichen Verwaltungsorgane. Im Föderalismus werden zudem auch den Ländern und Gemeinden eigene, wirtschaftspolitisch relevante Entscheidungsbefugnisse übertragen, zum Beispiel über ihre Haushalte. Parallel zur Machtverlagerung vom Parlament zur Regierung lässt sich eine Tendenz zur Ausweitung der Entscheidungsbefugnisse der Verwaltung im Verhältnis zur Regierung beobachten. Die Regierung stützt sich bei der Vorbereitung ihrer Entscheidungen weitgehend auf die Fachkenntnisse der Verwaltung.

In Verwaltungen herrschen meist formalisierte, hierarchische Entscheidungsverfahren vor. Auf diese Weise sind die durchgeführten Maßnahmen besser kontrollierbar. Den Verwaltungsbeamten drohen entsprechend harte Strafen, wenn sie formale Vorschriften nicht einhalten. Die Instrumente, mit denen die Effektivität der behördlichen Maßnahmen gemessen werden, sind demgegenüber nach einer häufig geäußerten Kritik bisher noch weniger entwickelt.

Ebenso wie die Mitglieder von Parlament und Regierung verfolgen auch die Mitglieder der Verwaltung eigene Interessen, die nicht ohne Einfluss darauf sind, ob und wie die Präferenzen der Bürgerinnen und Bürger, aber auch Regierungsbeschlüsse, Parlamentsentscheidungen und Gesetze durch die Verwaltung umgesetzt werden. Beispielsweise wollen auch die Verwaltungsmitglieder ein gutes Einkommen erzielen und ihre Leistung durch Fachwelt, Öffentlichkeit, Vorgesetzte und ihre spezifische Klientel anerkannt sehen.

Die Mitglieder der Verwaltung können diese Interessen aber nur unter Einschränkungen verfolgen. Sie sind an Vorschriften gebunden, sie werden durch ihre Budgets eingeschränkt und sie müssen allzu starke Interessengegensätze zwischen Verwaltung und Regierung, Verbänden, Bevölkerung und Parlament vermeiden.

Von der Größe ihres Budgets ist abhängig, in welchem Maße die Verwaltungsmitglieder ihre Aufgaben erfüllen können. Je größer ihr Budget ist, umso mehr Projekte können sie realisieren. Dies steigert ihre Anerkennung und erhöht in der Regel die Zahl ihrer Mitarbeiter. Außerdem werden auch die Verwendungsspielräume für die finanziellen Mittel größer. Die Regierung hat ihrerseits ein Interesse daran, Mittel für die Verwaltung einzusparen und sie an anderer Stelle zu verwenden, um dadurch zusätzliche Wählerstimmen zu gewinnen.

Die Verwaltungswissenschaft diskutiert folgende Möglichkeiten zur Kontrolle der Verwaltung:

  • mehr Wettbewerb, sowohl zwischen den Verwaltungseinheiten als auch zwischen der Verwaltung und privaten Anbietern von Dienstleistungen,

  • Kontrolle durch die Rechnungshöfe,

  • unabhängige Informationen für die Bürger,

  • die Verwendung bürokratiearmer wirtschaftspolitischer Instrumente als generelle Leitlinie.

Zentralbank

Die wichtigste Aufgabe der Zentralbank liegt in der Sicherung der Geldwertstabilität. Die meisten Zentralbanken sind zusätzlich zur Unterstützung der staatlichen Wirtschaftspolitik verpflichtet, aber nur, soweit das Ziel der Geldwertstabilität dadurch nicht gefährdet wird. Die Stabilität des Geldwertes hat eine entscheidende Bedeutung für die Funktionsfähigkeit einer Wirtschaftsordnung, die grundsätzlich auf der marktwirtschaftlichen Koordination beruht.

Die Europäische Zentralbank

Die Deutsche Bundesbank ist heute nicht mehr eigenständig, da sie 1999 in das System der Europäischen Zentralbanken integriert wurde. Die Europäische Zentralbank wiederum wurde durch den Vertrag von Maastricht von 1992 auf das Ziel der Geldwertstabilität verpflichtet. Sie ist unabhängig von nationalen Regierungen und EU-Organen und es ist ihr verboten, von diesen Weisungen anzunehmen.

Die Unabhängigkeit einer Zentralbank von Wahlen und Regierungen ist sehr bedeutsam, weil Geldwertstabilität für manche Politiker ein eher unattraktives Ziel ist. Es ist abstrakt, und seine Bedeutung den Bürgerinnen und Bürgern verglichen mit Vollbeschäftigung oder Einkommenssteigerung nur schwer vermitteln. Hinzu tritt, dass zwar die Geldwertstabilität geschätzt wird, nicht jedoch die unpopulären Maßnahmen wie Erhöhungen der Leitzinsen, die oft zu ihrer Erreichung notwendig sind. Aus diesem Grund droht die Geldwertstabilität im politischen Wettbewerb am ehesten beiseite geschoben zu werden, wenn dies Wählerstimmen verspricht. Daher wird auch der Europäischen Zentralbank eine den Gerichten vergleichbare Unabhängigkeit eingeräumt. Gleichzeitig besteht für die Mitglieder der unabhängigen, nur der Geldwertstabilität verpflichteten Zentralbank ein großer Anreiz, dieses Ziel zu verfolgen, denn schließlich sind ihr Ansehen und ihr Einfluss daran gebunden.

Verbände und Interessengruppen

Die Rolle der Interessenverbände

Eine besondere Bedeutung kommt in Demokratien dem Interessengruppenwettbewerb zu. Verschiedene gesellschaftliche Gruppen wie zum Beispiel Industrieverbände, Gewerkschaften, Umweltschutzbünde betreiben Lobby-Arbeit, Werbung und sind beratend tätig mit dem Ziel, die Regierung zu einer stärkeren Berücksichtigung ihrer speziellen Interessen zu veranlassen.

Viele Verbände und Interessengruppen haben ökonomische Anliegen, aber nicht alle sind im wirtschaftlichen Bereich tätig. Es sind Akteure mit gleichen oder ähnlichen Interessen, die miteinander kommunizieren, Weiterbildung organisieren, sich gegenseitig Hilfe und Unterstützung leisten und ihre Positionen gegen-über anderen Akteuren nachaußen vertreten. Sie versuchen, Wählerinnen und Wähler, die Regierung und die öffentliche Verwaltung im Sinne ihrer Interessen zu beeinflussen. Die entscheidenden Voraussetzungen für den Erfolg von Interessengruppen sind Organisationsfähigkeit und Konfliktfähigkeit.

Da Interessengruppenkeinen Zugang zu den Instrumenten der Wirtschaftspolitik wie Steuersätzen,Leitzinsen oder Staatsausgaben haben, aber dennoch versuchen, die übrigen Entscheider in diesem Bereich zu beeinflussen, können wir sie als indirekte Akteure der Wirtschaftspolitik ansehen. Sie verfügen über verschiedene Einflusskanäle: Sie können über die Medien die Öffentlichkeit erreichen; sie versuchen, im vorparlamentarischen Prozess Gesetzgebungsverfahren zu beeinflussen; die Unterstützung von Parteien und Kandidaten erlaubt eine Einwirkung auf das Parlament, und durch Informationsangebote und Verhandlungen kann Einfluss auf die öffentliche Verwaltung ausgeübt werden.

Weil kleine Interessengruppen übersichtlich sind und in ihnen der soziale Druck in der Regel hoch ist, lassen sie sich leichter organisieren als große Gruppen. Kleine, einheitliche, homogene Gruppen, zum Beispiel Arbeitgeber und Arbeitnehmer eines Wirtschaftssektors, können oft mehr Einfluss ausüben als große, heterogene, schwer organisierbare Gruppen wie die Verbraucher oder die Steuerzahler. Die Konfliktfähigkeit einer Interessengruppe zeigt sich darin, inwieweit sie in der Lage ist, andere Akteure der Wirtschaftspolitik am Erreichen ihrer Ziele zu hindern. Politische Entscheidungen zugunsten kleiner, konfliktfähiger Gruppen können sehr wahlwirksam sein, weil der Nutzen für die begünstigte Gruppe deutlich spürbar ist.

Wettbewerb zwischen Interessengruppen sorgt dafür, dass die Regierung nicht einseitig informiert bzw. beeinflusst wird. Ein Beispiel stellt die politische Formulierung von Umweltstandards dar. Ausgewogenheit kommt in diesem Fall nur dann zustande, wenn weder die wirtschaftlichen Interessengruppen (Industrieverbände, Gewerkschaften) noch Umweltschutzorganisationen ein Monopol zur Beeinflussung der Regierung haben, aber ihre Argumente vorbringen können. Ihre Spezialkenntnisse bereichern dann die Arbeit in den thematisch befassten Ausschüssen.

Ein wesentlicher Vorteil der Einbindung von Interessengruppen in die Wirtschaftspolitik liegtin der Entlastung des Staates.Sowohl die Regierung als auchdie Verwaltung sind häufig aufInformationen von Interessengruppen angewiesen. Die Risiken bestehen darin, dass sich Politik und Interessengruppen bei anstehenden Reformvorhaben auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen, um Besitzstände der Interessengruppen zu wahren; dass Staat und Gesellschaft unfähig zu Neuerungen werden oder es zu Einigungen auf Kosten Unbeteiligter kommt. Eine hohe Verbandsmacht im Staat wird als Korporatismus bezeichnet. Die Gesellschaft wandelt sich von einer Produktionsgesellschaft zu einer Verteilungsgesellschaft, wenn die in Verbänden zusammengeschlossenen wirtschaftlichen Akteure ihre Ressourcen nicht in erster Linie für die effiziente Produktion von Gütern und Dienstleistungen einsetzen, sondern für die Erlangung und Erhaltung von Privilegien, die ihnen Wettbewerbsvorteile verschaffen. Im Extremfall kämpft dann jede Gruppe nur noch um ein "größeres Stück vom Kuchen", niemand jedoch berücksichtigt das Gemeinwohl. Die gesellschaftlichen Grundwerte werden verfehlt.

Das Ausmaß, mit dem Verbände ihre Interessen geltend machen können, ist allerdings nicht unbeschränkt. Knappe finanzielle Mittel begrenzen beispielsweise die Möglichkeiten der Regierung, Wünsche von Interessengruppen zu erfüllen. Auch müssen Regierungen mit sinkenden Wiederwahlchancen rechnen, wenn sie allzu deutlich den Forderungen einzelner Interessengruppen nachgeben. Schließlich beschränkt die Konkurrenz der Interessengruppen untereinander ihre Macht.

Um die Vorteile von Interessengruppen und Verbänden in demokratischen Gesellschaften nutzen und gleichzeitig die Risiken, die mit der Macht von Interessengruppen verbunden sind, eindämmen zu können, wurden verschiedene Konzepte entwickelt. Dazu gehört die Verpflichtung, die Aktivitäten der Interessengruppen durch Berichte gegenüber der Öffentlichkeit publik zu machen und auch die Beschränkung der Möglichkeiten von Parlamentariern, für Interessengruppen zu arbeiten, zählt dazu. Außerdem wurden Spielregeln für das Verhalten innerhalb von Verbänden entwickelt, zum Beispiel die Verpflichtung auf Satzungen, die eine demokratische Wahl der Verbandsführung gewährleisten.

Internationale Organisationen

Die nationale Wirtschaftspolitik unterliegt dem Einfluss internationaler Institutionen. Besonders bedeutsam ist der Internationale Währungsfonds (IWF), der Kredite an verschuldete Länder vergibt, und die Vergabe dieser Kredite an wirtschaftspolitische Auflagen bindet, zum Beispiel an Verpflichtungen zur Senkung der Staatsausgaben, zum Abbau von Zöllen oder zur Liberalisierung von Märkten. Für die Entwicklungshilfe ist die Weltbank von entsprechend großer Bedeutung.

Aber selbst wenn internationale Organisationen keine Auflagen erteilen und Gelder vergeben, können sie die inländische Wirtschaftspolitik dadurch beeinflussen, dass sie eine Öffentlichkeit schaffen und Regierungen unter Rechtfertigungsdruck setzen. So fordern die Vereinten Nationen (UNO) beispielsweise, dass die Industrieländer sieben Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Maßnahmen der Entwicklungshilfe in benachteiligten Ländern zur Verfügung stellen. Staaten, die diesen Wert erheblich unterschreiten, werden der öffentlichen Kritik ausgesetzt. Internationale Organisationen wie die UNO oder die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) üben Einfluss auf die inländische Wirtschaftspolitik aus, indem sie Empfehlungen geben sowie Analysen und öffentliche Bewertungen der Wirtschaftspolitik veröffentlichen.

Supranationale Institutionen

Die Entscheidungen internationaler Organisationen sind nur dann bindend für ihre Mitglieder, wenn sie von diesen ausdrücklich anerkannt werden. Im Unterschied dazu sind Entscheidungen und Regelungen von supranationalen Organisationen für ihre Mitglieder grundsätzlich verbindlich.

Bestimmte Entscheidungen der EU sind dementsprechend für alle EU-Staaten und die gesamte EU-Bevölkerung verpflichtend. Die Mitgliedsstaaten haben zu diesem Zweck ihre wirtschaftspolitische Souveränität in wichtigen Bereichen auf die EU übertragen.

Die Europäische Zentralbank wacht über die Geldwertstabilität ihrer Mitgliedstaaten. Auch die europäische Handelspolitik und die europäische Agrarpolitik unterliegen supranationalen Akteuren, der Europäischen Kommission und dem Rat der Europäischen Union. Die einzelnen Mitgliedstaaten haben die Handelspolitik der Europäischen Kommission übertragen, die zum Beispiel für die gesamte EU mit der World Trade Organisation (WTO) über Zollsenkungen verhandelt. Beschlüsse der EU zur Agrarpolitik, zum Beispiel zu Agrarmarktordnungen, welche die Preise für landwirtschaftliche Produkte regulieren, sind ebenfalls für alle EU-Mitglieder verbindlich.

Dr. rer. pol. M. Sc. (LSE), Jahrgang 1952, ist Universitätsprofessor für Wirtschaftswissenschaft und Wirtschaftsdidaktik an der Universität Siegen und Leiter des Zentrums für ökonomische Bildung Siegen (ZöBiS). Seine Arbeitsschwerpunkte sind theoretische und empirische Forschungen zur ökonomischen Bildung, das Menschenbild der Ökonomie sowie Ordnungs- und Wettbewerbspolitik. Hans Jürgen Schlösser hat Volkswirtschaftslehre, Erziehungswissenschaft und Philosophie an der Universität Münster, dem Institut für Weltwirtschaft in Kiel und an der London School of Economics studiert. Vor seiner Berufung an die Universität Siegen hielt er Professuren an der TU Chemnitz und an der Universität Koblenz-Landau.

Kontakt: schloesser@wid.wiwi.uni-siegen.de