Migration definiert der Migrationsforscher Jochen Oltmer als eine "auf einen längerfristigen Aufenthalt angelegte [räumliche] Verlagerung des Lebensmittelpunktes". Eine der größten Zuwanderungsgruppen in Deutschland, die diese grundlegende Erfahrung auf sich genommen hat, sind die (Spät-)Aussiedler. Mehr als 4,5 Millionen Menschen mit diesem für deutsche Staatsangehörige und "Volkszugehörige" aus Osteuropa reservierten Status kamen seit 1950 nach Westdeutschland und ins wiedervereinigte Deutschland. Sie und ihre Nachkommen sind längst ein fester Bestandteil unserer Gesellschaft geworden.
Ihre Zuwanderung wurde von Seiten der Bundesrepublik aktiv unterstützt. Diese fühlte sich verantwortlich für diejenigen, die infolge der grausamen deutschen Besatzungs- und Vernichtungspolitik in Osteuropa wegen ihrer Herkunft als Deutsche unter Diskriminierung, Unterdrückung und Zwangsumsiedlung zu leiden gehabt hatten. Der Zuzug von Menschen, die sich Deutschland aufgrund ihrer Wurzeln zugehörig fühlten, wurde als Gewinn für die Aufnahmegesellschaft gesehen.
Allerdings waren die Ankömmlinge keineswegs eine homogene Gruppe, sondern brachten höchst unterschiedliche Lebenserfahrungen mit. So bedeutete es eine häufig ungeahnt große Herausforderung für die aufnehmende Gesellschaft, Menschen mit diesen unterschiedlichen Voraussetzungen zu integrieren. Für die Neuankömmlinge hingegen war es oft schwer, sich in einer neuen Umgebung einzugewöhnen und zu behaupten, die sie als "fremd" empfand und die ihnen nicht selten skeptisch bis ablehnend begegnete.
"Gemessen an ihrer Zahl und dem hohen prozentualen Anteil unter Migranten ab den späten 1980er-Jahren sind die Aussiedler unsichtbar geblieben", konstatiert der Historiker Jan Plamper. Dies könnte als Beleg für gelungene Integration gelten; doch bliebe eine solche Interpretation an der Oberfläche und würde den Betroffenen kaum gerecht. Deshalb will diese Darstellung die Aufmerksamkeit auf einen oft wenig sichtbaren Teil der deutschen Gesellschaft lenken. Gleichzeitig soll deutlich werden, dass die (Spät-)Aussiedler im größeren Zusammenhang einer modernen Migrationsgesellschaft stehen, deren Mitglieder ihr Deutsch-sein mit weiteren kulturellen und emotionalen Zugehörigkeiten verknüpfen.
Im Blickpunkt steht zunächst der historische Kontext, in den die Geschichte der Deutschen in Osteuropa eingebettet ist, wobei der Bogen vom Mittelalter bis in die Gegenwart reicht. Anschließend liegt der Schwerpunkt auf Begrifflichkeiten sowie auf rechtlichen wie theoretischen Sachverhalten, die im Kontext von Migration im Allgemeinen und (Spät-)Aussiedlern im Besonderen bedeutsam sind. Damit bieten die ersten beiden Kapitel die Grundlage für die eingehendere Betrachtung der drei zahlenmäßig größten Aussiedlergruppen aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion, aus Polen und aus Rumänien.
Im Wesentlichen handelt es sich bei der Zuwanderung der "(Spät-)Aussiedler um eine "Erfolgsstory", in der "unglaubliche Hindernisse überwunden und viel erreicht" wurde (Jan Plamper). Und sie bietet – so Jannis Panagiotidis – einen reichen Erfahrungsschatz für künftige migrationspolitische Herausforderungen eines Staates, der es sich lange nicht eingestehen wollte, längst ein "Einwanderungsland" geworden zu sein.