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Editorial | Sozialpolitik | bpb.de

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Editorial

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Christine Hesse (© bpb)

Was entspricht Ihrer Vorstellung von sozialer Gerechtigkeit? Laut einer Umfrage vom Februar 2015 gilt es für 90 Prozent der Befragten als sozial gerecht, dass der Staat für eine Grundsicherung seiner Bürgerinnen und Bürger sorgt. Diese soziale Verpflichtung spiegelt unter anderem Artikel 20 (1) des Grundgesetzes wider: "Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat."

Die im Grundgesetz angelegte Kombination aus Sozialstaat, Rechtsstaat und Demokratie ist in Deutschland kaum noch umstritten – im Gegensatz zu der individuellen Nützlichkeit der sozialpolitischen Maßnahmen, die immer auch Gegenstand von Interessenkonflikten sind. Hier zeigt die Sozialpolitik ihr "Doppelgesicht": Sie "ist ein Problemlöser und ein Problemerzeuger, ein Nutzenstifter und ein Kostenverursacher, ein Lastenträger und eine Bürde", so der Politikwissenschaftler Manfred G. Schmidt.

Womit legitimiert sich Sozialpolitik, worin liegt ihr kollektiver Nutzen? In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung beantwortete der Soziologe Franz-Xaver Kaufmann im Februar 2014 diese Frage folgendermaßen:

  • Sozialstaatliche Politik mildert gesellschaftliche Interessengegensätze und Konflikte.

  • Sie sichert Individuen gegen existenzielle Risiken ab.

  • Sie versucht, Menschen, die unter erschwerten Lebensbedingungen leiden, gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen, mildert damit soziale Ausgrenzung und sorgt für politische Stabilität.

  • Sie fördert Modernisierungsprozesse und mildert negative Folgen technischen Fortschritts.

Tatsache ist aber auch, dass fortschreitende Entwicklungen immer wieder Anpassungsbedarf aufwerfen, auf welchen die Sozialpolitik reagieren muss. Nur in einem Miteinander von staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren, Institutionen, gesellschaftlichen Initiativen und viel freiwilligem Engagement sind die komplexen Anforderungen zu bewältigen.

In der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland hat die Sozialpolitik manche Herausforderung bestanden – die Eingliederung der Vertriebenen und Flüchtlinge nach 1945, die Wiedervereinigung Deutschlands mit der Integration zweier unterschiedlicher Sozialsysteme, den Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft mit ihren Verwerfungen in der Arbeitswelt, Phasen der Massenarbeitslosigkeit und den Umbau der Gesundheits- und Pflegesysteme im Zuge der demografischen Entwicklung. Das ist sicher ein Grund, auf das Erreichte stolz zu sein, doch kein Anlass zum Ausruhen. Gerade die demografische Entwicklung und die verstärkte Zuwanderung aus Krisengebieten stellen die Sozialpolitik in Deutschland vor neue Aufgaben. Sie muss sich in europäische und internationale Zusammenhänge einordnen.

Das Themenheft versteht sich als Einladung, sich mit einem komplexen Politikfeld auseinanderzusetzen, das für jede und jeden von alltagsrelevanter Bedeutung ist.

Christine Hesse