Bei einer repräsentativen Online-Studie des Marktforschungsunternehmens GfK in 20 Industrie- und Schwellenländern 2014, die seit 2005 das Image von 50 Nationen anhand verschiedener Indikatoren misst, liegt Deutschland an erster Stelle und erzielt u. a. im Bereich "soziale Gleichheit" Spitzenwerte. Werden die Deutschen gefragt, so sehen sie sich im internationalen Vergleich an zweiter Stelle hinter Schweden, was die Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit angeht.
Im 65. Jahr ihres Bestehens präsentiert sich die Bundesrepublik Deutschland als politisch stabile und wirtschaftlich starke Nation. Dieser Wohlstand, verbunden mit durch das Grundgesetz garantierten Freiheits- und Gleichheitsrechten sowie einer hohen Rechtssicherheit, trägt zur hohen Attraktivität auch für Außenstehende bei. So gehörte – neben einer beispiellosen innerdeutschen Wanderung – insbesondere Westdeutschland immer schon zu den wichtigen Einwanderungsländern. Heute beträgt der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund fast 20 Prozent der Gesamtbevölkerung.
Trotz der fortdauernden Herausforderungen des Vereinigungsprozesses konnten Strukturschwächen wie die hohe Arbeitslosigkeit in den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts durch Reformen relativ rasch behoben werden. Zudem hat Deutschland die Finanzkrise 2008/2009 weitgehend unbeschadet überstanden. Im Land herrscht sozialer Frieden.
Doch bei genauerer Betrachtung bekommt das Bild Risse: Befragt man die Deutschen zur Situation im eigenen Land, so glauben 64 Prozent, fast zwei Drittel, dass in den vergangenen Jahren die soziale Gerechtigkeit abgenommen hat. Die Wohlstandsschere hat sich nachweislich weiter geöffnet. Immer größere Teile der Gesellschaft fühlen sich abgekoppelt. Betrachtet man die Armutsquote, ist Deutschland im vergangenen Jahrzehnt ins europäische Mittelfeld zurückgefallen.
Die Zahl der Arbeitslosen ist zwar zurückgegangen, aber die Zahl der prekären Arbeitsverhältnisse hat zugenommen. Der Aufstieg insbesondere für die Unterschichten ist schwieriger geworden. Daran hat auch die Bildungsexpansion nur wenig ändern können.
Auch die Integration der Migrantinnen und Migranten bleibt eine Daueraufgabe der Gesellschaft. Und trotz aller Anstrengungen klafft noch immer nicht nur eine Wohlstandslücke zwischen Ost- und Westdeutschland. Der demografische Wandel stellt die Gesellschaft vor zusätzliche Herausforderungen.
Dieses Heft untersucht, gestützt auf eine Fülle von empirischen Daten und veranschaulicht durch zahlreiche Tabellen und Grafiken, den sozialen Wandel in Deutschland seit 1945 und geht dabei auf die Entwicklungen in Ost- und Westdeutschland ein. Denn – so der Autor – "man kann die Gesellschaft von heute besser verstehen, wenn man weiß, wie sie geworden ist". Anhand der aktuellen Bestandsaufnahme der deutschen Gesellschaft wird deutlich, welche Zukunftsaufgaben zu bewältigen sind.
Jutta Klaeren
Editorial
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