Wie konnte es zum Zerfall der Sowjetunion kommen? Im Zeitraum von 1953 bis 1991, der im Schwerpunkt dieses Heftes steht, befindet sie sich als Supermacht neben den USA auf dem Höhepunkt ihrer Macht und Weltgeltung.
Anknüpfend an das Vorgängerheft, das vom Aufstieg der Sowjetunion handelt, beschreibt das Autorinnenteam unter Federführung der Historikerin Susanne Schattenberg nun die Entwicklung in der zweiten Jahrhunderthälfte.
Ergänzt durch zahlreiche Illustrationen und Quellentexte sowie durch einen Kartenteil wird anschaulich dargestellt, wie das Konkurrenzverhältnis der beiden Mächte die Staaten der Erde im Zeichen des Ost-West-Konflikts in zwei ideologisch verfeindete Lager spaltet, die sich durch wechselseitige atomare Abschreckung in einem labilen Gleichgewicht halten.
Während die Sowjetunion Befreiungsbewegungen auf anderen Kontinenten unterstützt, werden im eigenen Machtbereich Bestrebungen nach individueller Freiheit, nach Demokratie sowie nach größerer Autonomie der Völker und Staaten gewaltsam unterdrückt.
Stattdessen sollen punktuelle Reformen, Kampagnen und eine Steigerung des Lebensstandards die Loyalität der Bevölkerung sichern und an den revolutionären Elan der Frühzeit anknüpfen. Ziel ist auch, den eklatanten wirtschaftlichen Rückstand zum Westen zu verringern und so die langfristige Überlegenheit des Sozialismus unter Beweis zu stellen.
Doch diesen Bemühungen stehen die Beharrungskräfte des zunehmend versteinernden Systems entgegen. Der Wettstreit mit den USA wirkt auf Dauer kräftezehrend, und wirtschaftliche Erfolge bleiben aus.
In dieser Situation ruft der Versuch Michail Gorbatschows, durch mehr Freiheit und demokratische Teilhabe der Gesellschaft das System zu öffnen und zu reformieren, ungeahnte Folgewirkungen hervor. Unter anderem setzt es Fliehkräfte in dem durch Zwang zusammengehaltenen Vielvölkerreich frei, Staaten in Mittel- und Osteuropa fordern ihre Souveränität ein, und Deutschland wird die Wiedervereinigung ermöglicht.
Am Ende steht der Zerfall der Sowjetunion, der auch das (vorläufige) Ende des Ost-West-Konflikts bedeutet und viele Staaten aus der Union in die Autonomie entlässt.
Doch das Ende des Sowjetimperiums bringt nicht nur Gewinner hervor. Im Schlusskapitel skizziert der Politikwissenschaftler Heiko Pleines die Entwicklung nach 1991, die in vielen postsowjetischen Staaten gekennzeichnet ist von sozialer und sicherheitspolitischer Destabilisierung und von den Schmerzen des gesellschaftlichen Umbruchs. Vor allem die wirtschaftliche Entwicklung enttäuscht Hoffnungen, die mit dem Neuanfang verbunden waren, und Russland trauert um den verlorenen Weltmachtstatus. Wird es künftig seine regionale Hegemonie und seine Rolle als Großmacht behaupten können? Und wenn ja, zu welchem Preis? Fragen, die mit der Krise um die Ukraine eine unerwartete Aktualität gewonnen und das internationale System erschüttert haben.
Christine Hesse
Editorial
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