Nach den Erfahrungen zweier Weltkriege unterzeichnen 50 Staaten im Juni 1945 in San Francisco die UN-Charta, einen völkerrechtlich bindenden Vertrag – Geburtsstunde der UNO. (© picture-alliance / dpa)
Recht ist in unserem Alltag allgegenwärtig, verschiedenste Bereiche unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens werden durch Recht geregelt. Dies veranschaulicht das Beispiel Straßenverkehr: Klare und gleiche Regeln für alle, die am Straßenverkehr teilnehmen, sollen ein konfliktfreies Miteinander garantieren. Es wird kontrolliert, ob diese Regeln eingehalten werden; kommt es zu einem Regelbruch, wird er bestraft. Auch auf internationaler Ebene beobachten wir Formen von Rechtsstaatlichkeit, die die Zusammenarbeit zwischen Akteuren regulieren. Globalisierungsprozesse haben den zwischenstaatlichen Regelungsbedarf erheblich vergrößert, Verrechtlichung bildete eine politische Antwort auf diese neuen Herausforderungen.
Folglich hat die Verrechtlichung der internationalen Beziehungen mit Voranschreiten der Globalisierung seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges an Bedeutung gewonnen. Stand bis Mitte des letzten Jahrhunderts noch internationales Recht in den Bereichen Sicherheit und territoriale Hoheitsansprüche im Fokus, hat es sich zunehmend auf andere Bereiche wie Wirtschaft, Umwelt und Soziales ausgebreitet. Heute erstreckt sich Völkerrecht von der Nutzung des Meeresbodens bis hin zur Haftbarkeit für Weltraumschrott, von Rüstungsbeschränkungen über Handelszölle bis hin zu Quoten für Treibhausgasemissionen. Dabei betrifft Völkerrecht nicht nur zwischenstaatliche Kooperation, sondern hat auch zunehmend direkten Einfluss auf nichtstaatliche Akteure. Es reicht bis in den innerstaatlichen Rechtsraum hinein, da viele Politikfelder, die früher ausschließlich nationalstaatlicher Regulierung unterlagen, nun zumindest teilweise völkerrechtlich reguliert werden.
Das Gewaltverbot im Völkerrecht (© Bergmoser + Höller Verlag AG, Zahlenbild 615490)
Merkmale und Wirkung
Allgemein formuliert beschreibt internationale Verrechtlichung einen Prozess, in dem internationale Kooperation zunehmend rechtsstaatlichen Prinzipien unterworfen ist. Wenngleich sich bislang keine einheitliche internationale Rechtsordnung im Rahmen eines Weltstaates herausgebildet hat, finden sich jedoch Ansätze zu Rechtsstaatlichkeit.
Verbindlichkeit
Recht ist im Gegensatz zu anderen sozialen Normen wie moralischen Geboten, Sitten oder Bräuchen bindend und einklagbar. Rechtliche Verbindlichkeit kann nur von bestimmten Gesetzgebungskörpern geschaffen werden. Diese Befugnis wird international von den verantwortlichen Staaten übernommen. Grundsätzlich besitzen Staaten in Abstimmungen zu Vertragstexten formal ein gleiches Stimmgewicht. So haben Länder wie China und Indien mit mehr als einer Milliarde Menschen genauso eine Stimme wie Liechtenstein oder Nauru mit weniger als 40.000 Einwohnern. Dahinter steckt das Gebot der Rechtsgleichheit. So wie innerhalb von Rechtsstaaten Bürgerinnen und Bürger vor dem Gesetz und vor Gericht gleich sind, erkennen sich auch Staaten wechselseitig als formal gleiche und souveräne Rechtspartner im Völkerrecht an. Formal werden dadurch militärisch oder wirtschaftlich unterschiedliche Machtpositionen ausgeschaltet, und somit wird das Recht des Stärkeren überwunden.
Am bedeutendsten ist heutzutage das Vertragsrecht, da die Mehrheit rechtlicher Normen schriftlich fixiert wird. Zwischen 1945 und 2000 sind über 55.000 internationale Verträge geschlossen worden. Internationale Organisationen dienen dabei meist als institutioneller Rahmen, um die Erfüllung der Verträge zu unterstützen. Sie bieten zudem eine Plattform, um in neuen Verhandlungsrunden die Kooperation in dem jeweiligen Gebiet voranzutreiben. Die Zahl zwischenstaatlicher Organisationen ist von knapp 40 seit Beginn des 20. Jahrhunderts auf fast 7700 im Jahre 2012 gestiegen. Zu den ältesten internationalen Organisationen zählen die Zentralkommission für Rheinschifffahrt (1815), Sitz in Straßburg, die Internationale Fernmeldeunion (1865), Sitz in Genf, und der Weltpostverein (1874) in Bern, Schweiz. Jedoch sind nicht alle Beschlüsse von Staaten rechtlich verbindlich, sondern teilweise lediglich Empfehlungen oder Absichtserklärungen.
Darüber hinaus können (inter)nationale Gerichte durch ihre Auslegung Gesetzeslücken im Völkerrecht schließen. Weiterhin bleibt auch das Völkergewohnheitsrecht als älteste Völkerrechtsquelle bestehen. Die Voraussetzungen hierfür sind erfüllt, wenn eine entscheidende Mehrheit von Staaten einem bestimmten Verhalten folgt (Staatenpraxis) in der Überzeugung, dass dieses rechtlich verpflichtend ist (opinio juris). Im Gegensatz zum Vertragsrecht gilt Gewohnheitsrecht nicht nur bei expliziter Zustimmung, sondern in der Regel für die gesamte Staatengemeinschaft. Völkergewohnheitsrecht ist heute insbesondere in Feldern von Bedeutung, die (noch) nicht durch Verträge reguliert sind oder wenn die diesbezüglichen Verträge nicht universell ratifiziert wurden. Beispiele sind staatliche Souveränität und Menschenrechte.
Verfahren und Gerichte
Doch Verrechtlichung beinhaltet mehr als eine rein zahlenmäßige Zunahme an internationalen Gesetzen, sprich eine Verregelung. Darüber hinaus existieren Verfahrensregeln, welche die Rechtssetzung, -durchsetzung und -auslegung unter Einhaltung wichtiger rechtsstaatlicher Prinzipien festschreiben. Beispielsweise wird im Falle der internationalen Gesetzgebung vorab reglementiert, welche Mehrheiten für bestimmte Entscheidungen erforderlich sind. Daneben werden die Mechanismen bestimmt, mit denen die Regeleinhaltung überprüft werden soll.
Internationale Gerichte (© Bergmoser + Höller Verlag AG, Zahlenbild 615520)
Das augenscheinlichste Anzeichen für internationale Verrechtlichung ist jedoch eine wachsende Zahl an internationalen Gerichten bzw. gerichtsähnlichen Streitbeilegungsinstanzen. Als ein Grundpfeiler von Rechtsstaatlichkeit sorgt im Idealfall eine unabhängige Judikative für eine faire und unparteiische Konfliktregulierung mit rechtlich verbindlichen Urteilen. Gerade weil durch Globalisierung die Komplexität der Regelwerke steigt, werden richterliche Entscheidungen immer bedeutsamer. Während es Mitte der 1980er-Jahre sechs permanente internationale Gerichte gab, sind es heute mindestens 24, unterstützt durch mehr als 100 ad hoc errichtete Gerichte oder gerichtsähnliche Spruchkörper. Zu den bedeutendsten zählt der Internationale Gerichtshof (IGH). Er wurde 1945 als eines der sechs permanenten UN-Hauptorgane gegründet und nahm im April 1946 seine Arbeit auf. Aufgrund seines allumfassenden Zuständigkeitsbereichs (universelle Rechtsprechung) kann er alle zwischenstaatlichen Streitigkeiten über bestehendes Völkerrecht behandeln. Voraussetzung hierfür ist, dass sich die betroffenen Parteien eines Rechtsstreites der Zuständigkeit des Gerichtshofes unterworfen haben.
Bis Ende 2011 haben internationale Gerichte mehr als 37.000 rechtlich bindende Urteile erlassen, davon 91 Prozent seit Ende des Kalten Krieges. Am aktivsten von diesen sind mit großem Abstand der Europäische Gerichtshof (EuGH, 18.511 Urteile) und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR, 14940 Urteile), die zusammen fast 90 Prozent der Urteile verkündeten. Sie werden gefolgt von den hierzulande weniger bekannten Gerichten der Andengemeinschaft (ATJ, 2197 Urteile) und der Organisation zur Harmonisierung des Wirtschaftsrechts in Afrika (ODAHA, 569 Urteile). Auch können in Streitschlichtungsverfahren "kleine" gegen "große" Staaten erfolgreich sein. Dies geschah etwa im Fall des Inselstaates Antigua und Barbuda gegen die USA um Onlineglücksspiele in der Welthandelsorganisation (WTO).
Nicht zuletzt verlangt Rechtsdurchsetzung eine Strafe, wenn Regeln nicht eingehalten werden. Die entsprechenden Sanktionen sollten nicht nur von einer unabhängigen Instanz festgesetzt, sondern auch von einem zentralen Organ durchgesetzt werden. Dies ist aufgrund einer fehlenden Weltpolizei einer der Hauptschwachpunkte, die das Entstehen einer internationalen Rechtsordnung behindern.
Insgesamt ist internationale Verrechtlichung nicht als ein kontinuierlicher und unaufhaltsamer Prozess zu verstehen, sondern in einzelnen Politikbereichen unterschiedlich stark ausgeprägt. So sind der internationale Handel und, zu einem geringeren Grad, der Umweltsektor wesentlich stärker international verrechtlicht als die Felder Sicherheit und Finanzen.
Funktionen und Wirkung
Aufgrund ihrer beschriebenen Charakteristika erfüllt eine Rechtsordnung wichtige Funktionen für das gesellschaftliche Zusammenleben. Ziel ist es, durch vorab festgelegte Verfahren Verlässlichkeit und Erwartungssicherheit und damit die Garantie einer friedlichen Konfliktbearbeitung zu schaffen. Akteure können sich an Regeln orientieren und erwarten auch von anderen, dass diese die Regeln einhalten. Die Herausbildung einer Rechtsordnung soll zu Rechtssicherheit und damit zu Stabilität im internationalen Regieren führen.
Herausforderungen und Chancen
Da sich die Ausgangsbedingungen für Rechtsstaatlichkeit auf internationaler Ebene deutlich von denen innerhalb von Staaten unterscheiden, ist die Zukunft von Verrechtlichung umstritten.
Fragmentierung und Kohärenz
Bislang fehlt eine einheitliche internationale Rechtsordnung. Stattdessen finden sich voneinander unabhängige Regelwerke. Dies führt dazu, dass sich Gesetze und richterliche Urteile zwischen Organisationen widersprechen können. Das geschieht vor allem zwischen Politikfeldern mit sehr gegensätzlichen Interessen wie Wirtschaft und Umwelt (Beispiel: Welthandelsorganisation WTO, Artenschutzübereinkommen CITES) oder Rechtssystemen mit unterschiedlicher territorialer Reichweite (Beispiel: WTO, Nordamerikanisches Freihandelsabkommen NAFTA), sodass nationale, regionale und internationale Gesetze voneinander abweichen können. In vielen Situationen fehlen Kollisionsregeln, also Regeln für Fälle, in denen sich Gesetze widersprechen, die regelkonformes Verhalten definieren. Dieser Rechtspluralismus, das heißt die verschiedenen nebeneinander stehenden Rechtssysteme, gefährdet die rechtliche Konsistenz und damit die Rechtssicherheit. Nichtsdestotrotz haben sich in einigen Bereichen höherrangige Ordnungsregeln herausgebildet. So müssen alle völkerrechtlichen Verträge bestimmte Menschenrechte achten. Zu diesen sogenannten ius cogens-Rechten zählen beispielsweise das Verbot von Folter, Sklaverei oder Völkermord (Genozid). Andere Formen der Hierarchie haben sich regional entwickelt. So gilt etwa innerhalb der EU allgemein der Vorrang des EU-Rechts gegenüber nationalem Recht.
Anpassungsfähigkeit
In einer sich globalisierenden Welt verändern sich fortwährend die internationalen Rahmenbedingungen, etwa durch technischen Fortschritt und grenzüberschreitende Ströme von Menschen, Gütern und Kapital.
Völkerrechtliche Verhandlungen sind jedoch oft langwierig, da Staaten genau prüfen, bevor sie völkerrechtliche Verpflichtungen eingehen. Denn diese sind nicht nur rechtlich einklagbar, sondern auch meist kostenintensiv. Kosten beziehen sich dabei nicht nur auf die finanziellen und administrativen Aufwendungen zur Gesetzesumsetzung. Völkerrecht kann zudem die nationale Souveränität und damit die nationalen politischen Gestaltungsräume erheblich beschneiden. Daher können sich Verhandlungen, wie im Fall des dritten UN-Seerechtsübereinkommens, manchmal sogar über ein Jahrzehnt erstrecken. Im Gegensatz dazu können Regierungen sowie gesellschaftliche und wirtschaftliche Akteure durch informelle Lösungen meist schneller und flexibler agieren und verzichten im Gegenzug teilweise auf den rechtlichen Verpflichtungscharakter ihrer Vereinbarungen. Eine Einigung gestaltet sich hier meist einfacher, da die Ergebnisse nur Empfehlungscharakter haben. Dies betrifft viele umweltpolitische Beschlüsse, um teure und wirtschaftlich nachteilige Verpflichtungen zu vermeiden.
Durchsetzbarkeit und Sanktionen
Da es bislang weder eine Weltregierung, noch eine Weltpolizei oder ein Weltgericht gibt, können internationale Regeln nicht in gleicher Weise wie im Nationalstaat durchgesetzt werden. Daher warnen Skeptiker vor utopischen Erwartungen an das Völkerrecht. Zwar existieren viele internationale Gesetze formal auf dem Papier, sind aber in der Praxis aufgrund fehlender Sanktionsmechanismen nicht immer durchsetzbar. Beispielsweise können Beschlüsse des UN-Sicherheitsrates zu Militäreinsätzen nicht automatisch von einer organisationseigenen Armee ausgeführt werden, sondern Truppen und Gerät, Geld und Organisation müssen von den Mitgliedstaaten gestellt werden. Weiterhin fehlen in den meisten Fällen effektive Überwachungsmechanismen, um Regelbrüche überhaupt festzustellen. Existieren Kontrollverfahren, basieren diese überwiegend auf der Selbstauskunft ihrer Mitglieder, was die Unabhängigkeit und Vollständigkeit der Informationen erheblich beeinträchtigen kann.
Es gibt jedoch "weiche" Sanktionsmechanismen. Staaten und gesellschaftliche Akteure können Rechtsbrüche öffentlich an den Pranger stellen. Durch die öffentliche Ächtung von Menschenrechtsverletzungen kann beispielsweise ein so starker politischer Druck auf Regierungen ausgeübt werden, dass diese ihr regelwidriges Verhalten korrigieren. Da Recht grundsätzlich eine hohe Legitimität genießt und oft als moralische Instanz gilt, möchte kein Staat offen als Völkerrechtsverletzer tituliert werden. Wenngleich Recht stets Interpretationsspielraum zulässt, setzt es dennoch Grenzen, welches Verhalten in einem Meinungsaustausch legitimerweise gerechtfertigt werden kann.
Zudem gibt es Bereiche, in denen Staaten auch ohne strenge Überwachungs- und Sanktionsmechanismen ein Interesse an einer regelkonformen Zusammenarbeit haben. Wenn Wirtschaftsverträge darauf abzielen, die gegenseitigen Beziehungen effizient zu koordinieren, ist ihre Einhaltung im Sinne aller beteiligten Parteien. Allerdings stellt sich bei massiven Menschenrechtsverletzungen eines Staates die Frage, ob nicht doch eine militärische Drohkulisse oder gar ein militärisches Eingreifen geboten sind ("responsibility to protect").
Pazifizierung und Demokratisierung
Optimistischer sind hingegen Kosmopoliten. Sie setzen sich – ausgehend von der Gleichwertigkeit aller Individuen unabhängig von ihrer geografischen und ethnischen Herkunft – für universelle Menschenrechte und demokratische Regierungsstandards ein, zu deren Erfüllung die gesamte Weltgemeinschaft nach ihrer Einschätzung verpflichtet ist. Trotz bestehender Schwierigkeiten sehen Kosmopoliten einen Prozess hin zu einem Weltinnenrecht, das internationale Kooperation nicht nur an universelle Menschen- und Grundrechte bindet, sondern sogar eine internationale Demokratisierung nach sich ziehen könnte. Die UN-Charta könnte dabei als eine Art Weltverfassung dienen. In dieser setzen sich die UN die Wahrung von internationalem Frieden und Sicherheit als Ziel und beschließen ein umfassendes Gewaltverbot. Auch weitere wichtige Grundwerte als Basis einer internationalen Gemeinschaft sind bereits international rechtlich verankert, wie das Kapitel zu Menschenrechten zeigt. Allerdings stehen einer Demokratisierung sowohl der internationalen Beziehungen als auch des Völkerrechts bislang einige Hindernisse im Wege. So existieren mit der Ausnahme des Europäischen Parlaments bislang keine vollwertigen überstaatlichen Parlamente, die in demokratischen Verfahren Gesetze erlassen könnten. Im Gegensatz dazu besitzen im UN-Sicherheitsrat die fünf Vetomächte eine Entscheidungsmacht von enormer Tragweite. Zudem ist der Internationale Gerichtshof nur insofern für Streitfälle zuständig, als Staaten sich dessen Zuständigkeit ausdrücklich unterworfen haben, und es fehlt bislang ein internationaler Gerichtshof für Menschenrechte.
Völkerrecht wird von vielen politischen Akteuren und auch Juristen nicht nur als Pazifizierungsmotor, sondern als fairer Lösungsrahmen für viele Globalisierungsprobleme gesehen, der zu gleichberechtigter Teilhabe, größerer Transparenz und insgesamt zu einem gerechteren Regieren jenseits des Staates führen kann. Jedoch ist Recht nicht immer zugleich gerecht. Gerade viele internationale wirtschaftliche Verträge, die Entwicklungs- und Schwellenländer oft vor schwierige Herausforderungen stellen, zeigen, dass Recht und Moral nicht immer deckungsgleich sind. So zeigte sich im Falle des Abkommens über geistiges Eigentum in der Welthandelsorganisation (TRIPS), dass die Umsetzung dieses Vertrages für einige Entwicklungs- und Schwellenländer die Verfügbarkeit von bezahlbaren wichtigen Medikamenten erschwerte. Erst nachdem durch HIV/AIDS-Epidemien öffentlicher und politischer Druck stiegen, wurde die rechtliche Flexibilität für die betroffenen Länder vergrößert.
Es darf nicht vergessen werden, dass Völkerrecht das Ergebnis politischer Entscheidungen und damit ein Machtinstrument ist. An Verhandlungen nehmen Staaten zwar als formal Gleiche teil, faktisch bleibt jedoch eine ungleiche Machtverteilung bestehen, was wirtschaftliche und militärische Ressourcen betrifft. Mächtige Staaten haben daher oft die Möglichkeit, Vertragsverhandlungen stärker zu beeinflussen, und können schwächere Mitglieder für sie ungünstigeren Regeln unterwerfen.
Auch weist der internationale Rechtssetzungsprozess selbst Demokratiedefizite auf. Zwar schaffen vorab vereinbarte Verfahrensregeln und die schriftliche Fixierung von Vereinbarungen Transparenz. Doch finden entscheidende Verhandlungsphasen oft hinter verschlossenen Türen, nicht selten nur innerhalb einer Kerngruppe von ausgewählten Staaten, statt. Zudem verlangt das demokratische Grundprinzip der Selbstbestimmung, dass die Adressaten von Rechtsnormen zugleich ihre Autoren sind. Obwohl das Völkerrecht auch zunehmend Verpflichtungen für gesellschaftliche Akteure schafft, sieht es weiterhin nur Staaten als Hauptakteure vor.
Trotz der beschriebenen Schwierigkeiten dürfen die Vorzüge des Völkerrechts als effektiver Ordnungsrahmen für Globalisierungsprobleme nicht außer Acht gelassen werden. Im Vergleich zur historischen Entwicklung des nationalen Rechtsstaats steckt das Völkerrecht allerdings in den Kinderschuhen.