Parteien sind Mitgliederorganisationen. Sie bestehen aus vielfältigen Teileinheiten, die nur lose miteinander verbunden sowie vertikal und horizontal ausdifferenziert sind. Wo liegen die Macht- und Entscheidungszentren in einer Partei? Und welche Mitwirkungsmöglichkeiten bietet sie ihren Mitgliedern?
Aufbau und Struktur
Wenn man sich den Aufbau einer Partei vorstellt, sollte man besser nicht von einem menschlichen Körper ausgehen, bei dem eine Schaltzentrale, also ein Kopf, alle Muskeln und Körperpartien kontrollieren kann; Parteien haben zwar eine Schaltzentrale, also Kopf und Hirn, doch wirkt – um bei dem Bild zu bleiben – der Rest des Parteikörpers wie von einem unkontrollierbaren Zucken befallen, bei dem das rechte Bein schon mal einen Schritt nach vorne machen kann, während das linke einen Fuß nach hinten setzt und damit einen unfreiwilligen Spagat auslöst.
Diesen Befund versucht das Stratarchie-Konzept (von lat.: stratum, Lage) zu beschreiben. Es versteht Parteien als vertikal und horizontal verschränkte und zerklüftete Organisationen, die sich in verschiedene Teilorganisationen (wie etwa Gruppen, Vereinigungen, Flügel oder Ortsvereine) untergliedern, und als solche unterschiedliche, im Extremfall sogar widersprüchliche Handlungen vollziehen können. Die Möglichkeit, beide Beine wechselweise in einem gleichmäßigen Takt nach vorne zu bewegen und damit laufen zu können, erhält die Partei nur, wenn ihre verschiedenen Teilorganisationen an einem Strang ziehen, Kompromisse schließen und sich auf eine einheitliche Richtung verständigen. Dies ist jedoch nicht selten ein schwierig zu bewerkstelligender Prozess. Daher sprechen Parteienforscher mit Blick auf diese Organisationsstrukturen auch gern von "lose verkoppelten Anarchien", um damit zu verdeutlichen, dass Parteien keine Hierarchie ausbilden, in der strikt von oben nach unten "herunterregiert" werden kann. Gemäß dieser Anschauung sind Parteien eher eine Sammlung von Teilen, "lose verbundene Fragmente", so die deutschen Politikwissenschaftler Peter Lösche und Franz Walter, und weisen nur selten interne Geschlossenheit auf.
Die formale Organisationsstruktur von Parteien gliedert sich in Bundes-, Landes-, Regional- und Kommunalverbände, die zwar jeweils innerhalb der einzelnen Partei ein gewisses Maß an Unabhängigkeit haben, aber auch zusammenwirken. Auf der untersten Ebene stehen die Ortsverbände, die auch Stadt- und Gemeindeverbände (bei der CDU) oder Ortsvereine (bei der SPD) genannt werden. Hier findet Parteiarbeit in einem lokal eng begrenzten Gebiet statt; die Parteimitglieder organisieren nicht nur Wahlkämpfe, sondern treffen sich auch zu ehrenamtlichen Aktionen, die von einem einfachen Beisammensein über die Veranstaltung kleinerer Feste bis zur gemeinsamen Reinigung von Stadtteilen reichen können.
Über diesen Ortsverbänden stehen den Stadt- und Landkreisen entsprechende Kreisverbände (bei der SPD heißen diese "Unterbezirke"). Eine Stufe über diesen Kreisverbänden befindet sich dann der Landesverband, der eine wichtige Scharnierposition wahrnimmt: Kommunikation und Konsens sowohl in als auch zwischen den Landesverbänden sind häufig auch für Entscheidungen auf der Bundesebene tonangebend. Entscheidungen auf Bundesparteitagen werden gelegentlich von Landesverbänden vorbereitet, und auch Absprachen finden nicht selten bereits im Vorfeld statt. Weiterhin relevant sind die Landesverbände bei der Besetzung von Ämtern und Mandaten auf der Bundesebene sowohl in der Partei wie bei der Besetzung von Positionen in Parlamenten und in der Bundesregierung. So gibt es beispielsweise innerhalb der Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und SPD Landesgruppen mit eigenen Statuten. Besonders Landesverbände mit hohen Mitgliederzahlen haben innerhalb der Parteien erheblichen Einfluss. Der Bundesverband einer Partei umfasst alle bestehenden Landesverbände, bestimmt die Parteiführung (Bundesvorstand, Präsidium) und unterhält eine Bundesgeschäftsstelle in Berlin.
Höchstes Organ und damit formal zentrales Entscheidungsgremium einer Partei ist der Parteitag. Parteitage finden auf allen Ebenen (Kreis, Land, Bund) statt, wobei die Delegierten der jeweiligen Parteitage immer auf den Parteitagen der jeweils darunter liegenden Ebene gewählt werden. Parteitage müssen nicht auf Vertreter, also Delegierte, beschränkt sein, sondern können auch als für alle Mitglieder offen zugängliche Mitgliederversammlungen abgehalten werden. Aus Gründen der Organisation und Logistik (alleine bei der CDU könnten potenziell auf Bundesparteitagen 476.000 Mitglieder erscheinen) überwiegt auf Landes- und Bundesebene jedoch die Delegiertenversammlung, während die unteren Ebenen häufiger Mitgliederversammlungen veranstalten. Die etablierten Parteien sind – bis auf die FDP – dazu übergegangen, zwischen den jährlich oder alle zwei Jahre stattfindenden ordentlichen Parteitagen "Kleine Parteitage" einzuberufen, da die thematische Breite, der sich Parteien stellen müssen, nicht mehr im Rahmen der ordentlichen Parteitage bewältigt werden kann.
Ein weiteres wesentliches Organ bilden die Vorstände, die vor allem auf Bundesebene den schon erwähnten Parteiapparat benötigen, um die ihnen zugewiesenen Aufgaben der "Geschäftsführung" erfüllen zu können. Zur effektiveren Organisation bilden diese Vorstände Präsidien aus, die als enger Zirkel entscheidungs- und leistungsfähig sein sollen und den organisatorischen Kern der Vorstände bilden.
Zusammenfassend kann man die Parteitage als eine Art "Legislativorgan" begreifen, also als diejenige Instanz, die über grundsätzliche Fragen beschließt und diese Beschlüsse verbindlich für die Partei verabschiedet, während die Vorstände und vor allem die Präsidien als "Exekutive" die Beschlüsse der Parteitage ausführen. Vorstand und Präsidium leiten die Partei im Alltagsgeschäft der Politik.
Informelle und formelle Parteigremien
Im Vorfeld zur Bundestagswahl 2013 war häufig die Rede von sogenannten Regionalkonferenzen, auf denen sich die Vorsitzenden der Parteien zeigten. Diese Regionalkonferenzen sind in der Regel nicht in den Parteiensatzungen verankert und haben somit auch keine Entscheidungskompetenzen. Sie dienen den Delegierten vielmehr dazu, Präsenz vor den Parteimitgliedern zu zeigen und geben den Mitgliedern an der Parteibasis die Möglichkeit, mit Parteiprominenten zu diskutieren. Auf diese Weise gelingt es den Vorsitzenden der Parteien vor allem in Wahlkampfzeiten, Mitglieder für sich zu begeistern und zu mobilisieren sowie kontroverse Themen im direkten Kontakt zu besprechen.
Doch nicht nur Vorsitzende können die Regionalkonferenzen für sich nutzen: So veranstaltete Angela Merkel als damalige Generalsekretärin der CDU im Jahr 2000 sieben Regionalkonferenzen der CDU-Landesverbände und machte sich damit breiten Parteikreisen bekannt, bevor der amtierende Fraktions- und Parteivorsitzende Wolfgang Schäuble zurücktrat. Mit der gewonnenen Unterstützung der Basis konnte Angela Merkel im April 2000 dann zur Parteivorsitzenden gewählt werden.
QuellentextSchaukämpfer der Politik – die Generalsektretäre
[…] Die Planstelle Generalsekretär hat bei CDU, CSU, SPD und FDP Tradition, die Stelleninhaber bilden den Fachbereich Attacke der deutschen Politik. Sie müssen ständig reden, selbst dann, wenn sie nichts zu sagen haben. Sie müssen immer irgendwen beschimpfen, selbst wenn es gerade mal keiner verdient. Für Generalsekretäre ist jeder Tag politischer Aschermittwoch. Zumindest war das bisher so.
[…] Der Generalsekretär, vormals "Bundesgeschäftsführer", ist ja eine legendäre Gattung der Bonner und Berliner Fauna, ihn umweht ein Hauch von Freiheit und Abenteuer, das bezeugen alternative Jobtitel wie "Wadlbeißer", "Minenhund" oder "Bulldogge". Nach außen ist er der zweite Mann einer Partei, der sich viel mehr erlauben kann als der erste; nach innen ist er Verwaltungschef und Wahlkampfleiter, Seelenstreichler und Zuchtmeister. Und im besten Fall auch Vordenker.
In der FDP hat einst Karl-Hermann Flach die sozial-liberale Koalition vorgedacht, in der SPD verströmten Egon Bahr oder Peter Glotz programmatische Kraft. Franz Müntefering packte kompakte Gedanken in noch kompaktere Sätze: "Opposition ist Mist." Die CDU hatte in Kurt Biedenkopf und Heiner Geißler Generäle von natürlicher Autorität. In der CSU prägten der Parteireformer Gerold Tandler und das "blonde Fallbeil" Edmund Stoiber den Posten […]. Lieber wäre Stoiber 1978 ja Hintersasse im Kabinett geworden, aber Franz Josef Strauß lockte ihn mit simpler Mathematik: "Staatssekretäre gibt es zum Saufuttern, Generalsekretär nur einen."
[…] Die Generalsekretäre waren stets die Schaukämpfer der Politik, sie teilten aus und steckten ein. […] Generalsekretäre können sich die lyrische Versicherung sparen, sie wollten Deutschland dienen. Sie dienen ganz ungeniert ihrer Partei. Im Dienen liegt freilich eine Gefahr: Der General, so hat das Strauß verfügt, müsse seinen Kopf auch da hinhalten, wo es ihn kosten kann. […] Im Dienen liegt aber vor allem eine Chance, Angela Merkel war CDU-Generalsekretärin und hat im Anschluss Karriere gemacht. Das hat auch Markus Söder, von dem der Satz stammt, Beliebtheit gehöre nicht zur Stellenbeschreibung. […]
Lautsprecher zu sein ist im Internet-Zeitalter leichter geworden, weil jeder Wortfetzen irgendwo registriert wird. Aber auch schwerer, weil es nun so viele Wortfetzen sind. […] Ja, viele Wähler dürften reflexhaften Streit wirklich satthaben. Aber es gibt auch weiterhin eine Sehnsucht nach lebhafter Auseinandersetzung. Wahrscheinlich ist es so: Wer es leise mag, dem sind die Generalsekretäre zu laut; wer es laut mag, dem sind sie zu leise.
Die Generalsekretäre sind heute, frei nach Geißler, weniger einflussreich und viel zahmer. Man kann diesen Wandel auch positiv deuten: Die Debatte ist zivilisierter geworden, die Teilnehmer sind bunter. Sie sind vielleicht nicht mehr die klassischen Gesichter ihrer Partei, aber sie sind moderne Gesichter […].
Roman Deininger, "Bulldogge gesucht", in: Süddeutsche Zeitung vom 7. November 2015
Wenngleich die Strukturen und Funktionen einer Parteiorganisation recht eindeutig beschreibbar scheinen, war doch lange unklar, wie Parteizentralen konkret arbeiten. So ist es gerade Aufgabe der hauptamtlichen Parteimitarbeiter in den Geschäftsstellen der Parteien (party in central office), die Zahnräder der Parteiarbeit ineinander greifen zu lassen und das "Getriebe instand zu halten". Sie erledigen die bürokratischen Arbeiten, welche die innerparteiliche Infrastruktur gewährleisten und organisieren nicht nur Parteikampagnen, sondern verwalten auch die Parteimitglieder, drucken und versenden Informationsmaterial und sind meist eng verzahnt mit der Partei "vor Ort". Zum größten Teil sind die bezahlten Geschäftsstellenmitarbeiter Mitglieder der jeweiligen Partei und engagieren sich zusätzlich bei der örtlichen Parteiarbeit; wer morgens noch in der Geschäftsstelle vor dem Rechner sitzt und die Mitgliederkarteien verwaltet, der sitzt oft abends im örtlichen Gemeinde-, Bezirks- oder Stadtrat.
Ein weiteres Element der Organisationsstruktur von Parteien sind die Parteischiedsgerichte. Diese können bei Satzungsstreitigkeiten angerufen werden, Entscheidungen bei Wahlanfechtungen treffen und Sanktionsmaßnahmen verhängen. Sie können auch Parteimitglieder aus der Partei ausschließen, wobei allerdings hohe Hürden gesetzt sind.
Beachtung verdienen auch die sogenannten Kollateralorganisationen und Arbeitsgemeinschaften der Parteien, bei der SPD vor allem die Jungsozialist(inn)en (Jusos), bei der CDU die Junge Union (JU). Die Jugendorganisationen der Parteien ermöglichen eine Mitgliedschaft jedoch nur bis zu einem gewissen Alter. Darüber hinaus gibt es innerparteiliche Organisationen für einzelne gesellschaftliche Gruppen wie beispielsweise Frauen, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Schwule und Lesben, Senioren, Christen und Christinnen oder Menschen mit Zuwanderungsgeschichte.
Zudem gibt es innerhalb der Parteien Zusammenschlüsse, die sich bestimmten Interessengebieten zuordnen, wie beispielsweise Wirtschaft, Ökologie, Verkehr oder Tierschutz. Diese Arbeitsgemeinschaften, die auch unter anderen Bezeichnungen wie "Themenforen" (SPD) oder "Vereinigungen" und "Sonderorganisationen" (CDU) auftreten können, bieten Parteimitgliedern die Möglichkeit, ein Thema gezielt mit anderen Parteimitgliedern zu bearbeiten.
Davon zu unterscheiden sind jedoch Expertengremien, die von den Vorständen eingesetzt werden und ihnen inhaltlich zuarbeiten sollen. Diese heißen beispielsweise auch "Fachausschüsse" (FDP) oder auch "Beiräte" (so z. B. der "Koordinierungsbeirat Medienpolitik" bei den Bündnisgrünen) und können zeitlich befristet sein.
Eher informell existieren in Parteien sogenannte Flügel, denen sich vor allem Delegierte und Mandatsträger ideologisch zuordnen. Diese Zuordnung kann offen oder verdeckt erscheinen. Im letzten Fall sind nur die führenden Akteure der Flügel bekannt, weitere Mitglieder bleiben jedoch verborgen. Diese Flügel bilden informelle Netzwerke, die untereinander um die ideologische Ausrichtung der Partei ringen. Gelegentlich provozieren sie Konflikte, die nach außen sichtbar werden und damit das Bild einer intern zerstrittenen Partei vermitteln können.
Die Parteimitglieder
Parteien in Deutschland sind formell als Mitgliederparteien zu charakterisieren. Welche Rechte die einzelnen Mitglieder haben, ist im Parteiengesetz grundsätzlich festgehalten, dennoch können die Satzungen der Parteien diese Rechte entweder stärker oder schwächer ausgestalten. Problematisch für die deutschen Parteien ist der kontinuierliche Mitgliederschwund, der hauptsächlich mit einer sinkenden Zahl an Beitrittswilligen zu erklären ist. Die Rolle der Parteimitglieder und ihre Arbeit variieren erheblich: Sie reichen von Menschen, die Politik zum Beruf machen, über solche, die aktiv Parteiämter übernehmen, bis zu denen, die lediglich Beiträge zahlen, aber wenig an aktiver Parteiarbeit interessiert sind. Besonders tritt die Differenz zwischen den ständig Politik betreibenden professionellen Akteuren in Parlamenten und Regierungen von Bund und Ländern und den Mitgliedern, die sich ehrenamtlich mit Politik beschäftigen zutage. Einzelne Parteienforscher sprechen in diesem Kontext von einer Kluft zwischen den eher wählerorientierten Berufspolitikern und den Amateuren an der Parteibasis.
Rechtliche Regelungen
Wie schon erwähnt, gibt Art. 21 GG vor, dass der interne Aufbau der Parteien demokratischen Grundsätzen entsprechen muss. Das Parteiengesetz kennt sogar einen eigenen Paragraphen, der die Rechte der Mitglieder definiert: So haben die Mitglieder – wie auch die Wählerinnen und Wähler allgemein – gleiches Stimmrecht, welches jedoch eingeschränkt werden kann, wenn ein Mitglied seinen Beitrag nicht entrichtet. Der Entzug der individuellen Mitgliedschaft ist nur nach Anrufung und auf Entscheidung des Parteischiedsgerichtes möglich. Ein Entzug der Mitgliedschaft ist rechtens, wenn das Mitglied "vorsätzlich gegen die Satzung oder erheblich gegen Grundsätze oder Ordnung der Partei verstößt und ihr damit schweren Schaden zufügt". Die Möglichkeit des freiwilligen Austrittes vonseiten des individuellen Mitgliedes ist demgegenüber immer gegeben. Inwieweit Mitgliederbeteiligung zugelassen, welche Beiträge erhoben und wie diese gestaffelt werden, obliegt den Parteien und ist in ihren Statuten bzw. Finanz-/Beitragsordnungen geregelt. Parteien müssen übrigens nicht jedes beitrittswillige Mitglied aufnehmen, sie können Aufnahmeanträge ablehnen. Beispielsweise gilt in fast allen Parteien das Unvereinbarkeitsgebot, das heißt, dass eine Mitgliedschaft in der einen unvereinbar mit einer Mitgliedschaft in einer anderen Partei ist.
QuellentextParteiengesetz § 10: Rechte der Mitglieder
(1) Die zuständigen Organe der Partei entscheiden nach näherer Bestimmung der Satzung frei über die Aufnahme von Mitgliedern.
Die Ablehnung eines Aufnahmeantrages braucht nicht begründet zu werden. Allgemeine, auch befristete Aufnahmesperren sind nicht zulässig. Personen, die infolge Richterspruchs die Wählbarkeit oder das Wahlrecht nicht besitzen, können nicht Mitglieder einer Partei sein.
(2) Die Mitglieder der Partei und die Vertreter in den Parteiorganen haben gleiches Stimmrecht. Die Ausübung des Stimmrechts kann nach näherer Bestimmung der Satzung davon abhängig gemacht werden, dass das Mitglied seine Beitragspflicht erfüllt hat. Das Mitglied ist jederzeit zum sofortigen Austritt aus der Partei berechtigt.
(3) In der Satzung sind Bestimmungen zu treffen über
die zulässigen Ordnungsmaßnahmen gegen Mitglieder,
die Gründe, die zu Ordnungsmaßnahmen berechtigen,
die Parteiorgane, die Ordnungsmaßnahmen anordnen können. Im Falle der Enthebung von Parteiämtern oder der Aberkennung der Fähigkeit zu ihrer Bekleidung ist der Beschluss zu begründen.
(4) Ein Mitglied kann nur dann aus der Partei ausgeschlossen werden, wenn es vorsätzlich gegen die Satzung oder erheblich gegen Grundsätze oder Ordnung der Partei verstößt und ihr damit schweren Schaden zufügt.
(5) Über den Ausschluss entscheidet das nach der Schiedsgerichtsordnung zuständige Schiedsgericht. Die Berufung an ein Schiedsgericht höherer Stufe ist zu gewährleisten. Die Entscheidungen sind schriftlich zu begründen. In dringenden und schwerwiegenden Fällen, die sofortiges Eingreifen erfordern, kann der Vorstand der Partei oder eines Gebietsverbandes ein Mitglied von der Ausübung seiner Rechte bis zur Entscheidung des Schiedsgerichts ausschließen.
Parteiengesetz, Novelle vom 23. August 2011, Bundesgesetzblatt (BGBl.) I, S. 1748
Entwicklung der Parteimitgliedschaften
Die Parteimitgliedschaften sind im Rückgang begriffen. Dass das nicht immer so war, zeigt der Blick auf die Entwicklung seit der Gründung der Bundesrepublik 1949. So stiegen die Parteimitgliedschaften in den 1970er-Jahren auf ein Niveau an, das heute nicht mehr erreichbar scheint (alleine die SPD hatte 1976 und 1977 mehr als eine Million Mitglieder). Die Vereinigung Deutschlands im Jahr 1990 konnte zwar einigen Parteien ein Kurzzeithoch der Mitgliederzahlen bescheren, doch zeigte sich im Laufe der Jahre, dass die Parteien weiterhin mehr Austritte als Eintritte verzeichnen mussten.
Mitglieder der Parteien in Deutschland (bpb, Oskar Niedermayer, Parteimitglieder in Deutschland, Version 2015, Arbeitshefte aus dem Otto-Stammer-Zentrum, Nr. 25, Berlin 2015; Link siehe Literaturhinweise) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
Woran liegt es, dass Mitglieder aus Parteien ausscheiden? Als Erklärungsansätze gibt es
die demografische Begründung: Parteimitglieder sind im Durchschnitt relativ alt. So lag 2012 das Durchschnittsalter der Mitglieder von Bündnis 90/Die Grünen bei 48 Jahren, womit diese noch die "jüngste" aller Parteien ist. Bei der FDP betrug das Durchschnittsalter 53 Jahre, bei CDU, CSU und SPD 59 Jahre und bei der Linken sogar 60 Jahre. Der Verlust an Parteimitgliedern lässt sich also mit dem durch Ableben bedingten Ausscheiden erklären.
die mitgliederbezogene Begründung: Ausgetretene Parteimitglieder geben zu einem Drittel an, aus privaten Gründen eine Partei verlassen zu haben. Für 13 Prozent spielen persönliche politische Gründe eine Rolle, Politikverdrossenheit, aber auch veränderte politische Einstellungen und das Nichterreichen eigener politischer Ziele.
In Bezug auf die Erreichbarkeit von Zielen wird von Wirksamkeit gesprochen, die sich in interne und externe unterteilen lässt: Interne Wirksamkeit liegt vor, wenn die Bürgerinnen und Bürger sich zutrauen, politische Vorgänge verstehen zu können. Externe Wirksamkeit erweist sich mit dem Ausmaß, in dem Bürgerinnen und Bürger dem politischen System bescheinigen, ihre politischen Handlungen bzw. Willensbekundungen aufzunehmen und in Entscheidungen umzuwandeln
die parteibezogene Begründung: Hierunter fallen alle Austrittsgründe, die in der Partei selbst zu suchen sind. Dies sind beispielsweise Sachentscheidungen der Parteien, mit denen Mitglieder regelrecht "verprellt" werden können. Auch politische Richtungsänderungen der Partei können einen Austrittsgrund darstellen, genauso wie Konflikte, Skandale oder die allgemeine Unzufriedenheit des ausgetretenen Mitglieds mit der Arbeit seiner Partei.
Die Gefahr, dass Parteimitglieder aus Parteien austreten, ist also immer gegeben und kann mehrere Gründe haben. Parteien schwimmen deswegen – gerade was ihre Mitglieder angeht – in sehr seichtem Fahrwasser, in dem sie leicht auf Grund laufen können. Doch selbst wenn voraussichtlich weitere Mitglieder-Flutwellen ausbleiben, verheißt ein Anteil von 40 Prozent relativ fest an die Partei gebundener Mitglieder, dass die Parteischiffe auch in Zukunft weiter segeln können. Dennoch müssen die deutschen Parteien ihre eigenen Mitgliederwerbekampagnen immer wieder kritisch überprüfen und neu konzipieren. Wie im nächsten Abschnitt gezeigt wird, gibt es allerhand Eintrittsmotive für Bürgerinnen und Bürger, die geneigt sind, einer Partei beizutreten. An diesen können Parteien ansetzen, um neue Mitglieder zu rekrutieren.
QuellentextZerreißprobe Agenda 2010
[…] Die Reaktionen auf die Hartz-IV-Gesetze, mit welchen Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammengelegt und die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes gekürzt wurden, sind ein exemplarischer Anschauungsfall für den […] Sachverhalt, dass wertbezogene Konfliktlinien die Gesellschaft durchziehen, die Parteianhängerschaften spalten und zu innerparteilichen Machtkämpfen führen können. Im Umfeld von Volksparteien, die unterschiedliche soziale Gruppen in ihren Reihen haben, werden dabei unter Mitgliedern und Anhängern größere innerparteiliche Spannungen und erheblich stärkere interne Fliehkräfte ausgelöst als in Kleinparteien oder gar Ein-Themen-Parteien. Die SPD, welche die Hartz-IV-Gesetzgebung als Regierungspartei verantwortete, geriet darüber in eine Zerreißprobe, die sich schon während der rot-grünen Regierungszeit anbahnte, sich jedoch auf dem Wählermarkt erst bei den nächstfolgenden Wahlen von 2009 voll auswirkte.
Der Prozess der Entfremdung zwischen regierender SPD und dem sozialdemokratischen Traditionsflügel, auf dessen Seite auch die DGB-Gewerkschaften standen, die dann zeitweise zur SPD-Führung auf Konfrontationskurs gingen, entfaltete sich im zeitlichen Vorfeld der vorgezogenen Bundestagswahl des 18. September 2005. Wie stets, so stellten auch bei diesem Streitfall die gesamtstaatlichen Problemlagen – die Massenarbeitslosigkeit, die wirtschaftliche Rezession, die Staatsverschuldung und eben die Schieflage der sozialen Sicherungssysteme – belastende Rahmenbedingungen dar, die ein steuerndes Handeln der politischen Akteure einforderten, aber dieses nicht völlig fremdbestimmten.
Die Agenda 2010, mit welcher Gerhard Schröder den Paradigmenwechsel in der Sozialpolitik im März 2003 ankündigte, war eine bewusste, strategisch angelegte und ebenso riskante politische Entscheidung. An den Sicherheitsgarantien des herkömmlichen Sozialstaates und entsprechenden Erwartungen des Gros sozialdemokratischer Arbeitnehmerwähler gemessen, stellten Riesterrente, Nachhaltigkeitsfaktor bei Altersbezügen und Hartz IV merkliche Pfadabweichungen dar. Der darob bei der SPD-Gefolgschaft eintretende Vertrauensverlust und das schließliche Scheitern der Kanzlerschaft Schröders waren folglich nicht das Erzeugnis einer "ehernen" Logik "der Verhältnisse", sondern die Konsequenz einer bewusst riskierten Richtungsentscheidung, mit welcher Schröder exekutive Führerschaft demonstrierte.
Das Projekt der Agenda 2010 mit Hartz IV als Kernstück hat in der SPD den innerparteilichen Gegensatz zwischen Gegnern und Befürwortern der Reform entlang der Konfliktachse sozial–neoliberal vertieft. Dass die SPD dabei von innen und außen als Steigbügelhalterin des "Sozialabbaus" hart kritisiert wurde, wog doppelt schwer. Denn zum einen wurde der seit jeher enge Schulterschluss zwischen Gewerkschaftsbewegung und Sozialdemokratie nachhaltig erschüttert. Zum anderen war der Pol des Sozialen, von dem sich die offizielle Partei- und Regierungslinie mit der Agenda-Politik wegbewegte, in der langen Geschichte der Partei das unumstrittene ideelle Gravitationszentrum gewesen, an dem sich die Mehrzahl der Mitglieder und Wähler ausgerichtet hatte.
Die Wahrnehmung, dass die SPD die Partei sei, die "für soziale Gerechtigkeit sorge", wurde nun bei der eigenen Anhängerschaft erschüttert. Seit etwa August 2005 konnte die PDS/Linke in Umfragen bei der Parteikompetenz der sozialen Gerechtigkeit gleichfalls punkten. Im Laufe der "Agenda-Jahre" 2003 und 2004 büßte die SPD mit rund 100.000 Abgängen besonders viele Mitglieder ein. Ersichtlich war: Der Agent SPD hatte sich zum Ende seiner Regierungszeit hin von den Erwartungen und Aufträgen des altsozialdemokratischen Prinzipals weit entfernt […].
Everhard Holtmann, Der Parteienstaat in Deutschland, (bpb-Schriftenreihe Bd. 1289), Bonn 2012, S. 128 f.
Beitrittsneigung und Parteibeitritt
Ob eine Person einer Partei beitritt, hängt an vielerlei Faktoren. Die Parteienforschung unterscheidet sogenannte expressive und instrumentelle Bindungsmotive. Unter expressiven Bindungsmotiven werden solche wie Gesinnung, Freundschaft oder Identifikation mit den Zielen und Werten einer Partei verstanden. Hierbei steht das Gemeinschaftserlebnis im Vordergrund und manifestiert sich im Besuch von Parteiversammlungen, aber auch in der Teilnahme an Festen und geselligen Runden. Diese Seite der Parteiorganisation hat einen Vereinscharakter und kann daher als die Vereinsseite des Parteilebens bezeichnet werden.
Instrumentelle Bindungsmotive liegen vor, wenn die Mitgliedschaft als Instrument zur Erreichung bestimmter individueller Zwecke und Ziele dient, wobei diese in politisch-instrumentelle und materielle zu unterscheiden sind. Von materiellen kann dann gesprochen werden, wenn der/die Einzelne mit der Parteibindung eigene materielle Vorteile verbindet. Politisch-instrumentelle Bindungsmotive sind auf Ziele und Prozesse des politischen Systems bezogen. Zielbezogen ist eine Parteibindung, wenn sie genutzt wird, um allgemein politische Anliegen gesellschaftlicher Interessen zu unterstützen bzw. durchzusetzen. Die entsprechende Person will mit ihrem Engagement deutlich machen, welche gesellschaftlichen Zielverwirklichungen sie als zentral ansieht und versucht, ihren Beitrag zur Lösung der Probleme einzubringen. Wer aus zielbezogenen politisch-instrumentellen Bindungsmotiven einer Partei beitritt, der hat konkret Mitwirkung an der Politikgestaltung im Sinn. Wer eher prozessbezogene Bindungsmotive hat, der will Politik verarbeiten und sucht nach Information, Einsicht und bloßer Teilhabe am politischen Willensbildungsprozess. Die politisch-instrumentellen Bindungsmotive zielen insgesamt auf Teilhabe ab, auf die Übernahme politischer Ämter inner- und außerhalb der Partei, auf den Wunsch nach Mitwirkung bei politischen Entscheidungen, generell nach Gestaltung von Politik.
Immer wieder wird beim Thema Parteimitgliedschaften auf die Politik- und hier spezieller auf die Parteienverdrossenheit der Bevölkerung hingewiesen. In der Tat: Parteien genießen keinen allzu guten Ruf in der Bevölkerung. So ergab beispielsweise eine Befragung der Bertelsmann Stiftung im Jahr 2014, dass Parteien auf einer Skala von +5 (absolutes Lob) bis -5 (absoluter Tadel) lediglich einen Wert von -0,8 erhalten. Die Parteienforschung steht der Behauptung, dass dies auf eine grundsätzliche Parteienverdrossenheit schließen lasse, skeptisch gegenüber: Der Anteil der Bürgerinnen und Bürger, die den Parteien wohlwollend oder gar begeistert gegenüberstehen, hat sich in den letzten Jahren eher erhöht, der Anteil der Verdrossenen, also derer, die alle Parteien im Parteienspektrum ablehnen, bleibt dagegen auf einem relativ niedrigen Niveau.
Schöpfen können die Parteien aus einem Pool von Personen, die prinzipiell bereit sind, einer Partei beizutreten, dies jedoch aufgrund gewisser Hemmnisse (noch) nicht tun. Diese Personen, die zum Parteibeitritt bereit sind, machen circa 15 Prozent der Wahlberechtigten in Deutschland aus.
Parteimitglieder, sowohl langjährige als auch Neuzugänge, zeichnen sich dadurch aus, dass sie zumeist männlich und im Alter zwischen 50 und 64 Jahren sind, einen höheren Bildungsabschluss als der Bevölkerungsdurchschnitt haben ("Akademisierung") und häufiger als Beamte oder Angestellte im Öffentlichen Dienst arbeiten – in einem Berufsumfeld, das ihnen nach landläufiger Meinung den notwendigen Freiraum gewährt und ein natürliches Interesse nahelegt, sich in der eigenen Freizeit Parteiaktivitäten zu widmen.
Anteil der Frauen an den Parteimitgliedschaften (Oskar Niedermayer, Parteimitglieder in Deutschland, Version 2015, Arbeitshefte aus dem Otto-Stammer-Zentrum, Nr. 25, Berlin 2015; Link siehe Literaturhinweise) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
Zusätzlich ist die schon oben angesprochene Wirksamkeit ein ausschlaggebender Faktor zum Eintritt in eine Partei: Wenn bestehenden Mitgliedern dieses Gefühl der eigenen Wirksamkeit verloren geht, treten sie aus einer Partei aus; wenn Menschen jedoch das Gefühl eigener politischer Wirksamkeit gar nicht erst entwickeln, dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr gering, dass sie einer Partei überhaupt erst beitreten. Umgekehrt ist die Wahrscheinlichkeit des Beitritts hoch, wenn Bürgerinnen und Bürger das Gefühl haben, sie könnten politisch wirksam sein. Entscheidend für den Beitritt sind politisches Interesse und der formale Bildungsabschluss; je höher beides ausfällt, umso wahrscheinlicher wird die Beitrittswilligkeit.
Parteimitgliedertypen
Die Parteiforschung unterscheidet vier Formen der Parteimitgliedschaft
die korporative Mitgliedschaft: Hier treten Parteimitglieder gar nicht aktiv ein, sondern treten einer Partei über eine Mitgliedschaft in anderen Organisationen bei, wie z. B. einer Gewerkschaft. Korporative Mitglieder haben häufig jedoch andere Rechte und Pflichten als "ordentliche Parteimitglieder".
die Mitgliedschaft in Unterorganisationen: Hier treten Mitglieder einer Unterorganisation der Partei bei, die relativ autonom ist, der Partei aber dennoch nahesteht. Die Unterscheidung zur direkten Mitgliedschaft fällt schwer, weil die Mitgliedschaft in Unterorganisationen meist untrennbar mit der Mitgliedschaft in der "Mutterpartei" verbunden ist.
die direkte Mitgliedschaft: Dies ist der Parteibeitritt in "Reinform". Mitglieder treten der Partei direkt bei, indem sie den Aufnahmeantrag ausfüllen und abschicken. Heutzutage ist dies auch online möglich, was das bürokratische Hemmnis, einer Partei beizutreten, vermindern soll.
Zudem kann man das Aktivitätsniveau der Parteimitglieder unterscheiden, wie es in der Deutschen Parteimitgliederstudie von 2009 erfolgte: So ist der Teil der Mitglieder, die sich selbst als sehr aktiv beschreiben, bei allen Parteien recht gering, wobei der Gesamtwert bei sechs Prozent liegt (berücksichtigt wurden CDU, CSU, SPD, FDP, Linke, Bündnis 90/Die Grünen). Mitglieder der CSU sind dabei seltener sehr aktiv (4 Prozent), Mitglieder der FDP sind häufiger sehr aktiv (10 Prozent). Die Spanne der ziemlich aktiven Mitglieder reicht von 20 Prozent bei der CDU sowie der CSU bis hin zu 28 Prozent bei der Linken und beträgt im Mittel 21 Prozent.
Wenig aktiv ist der Großteil der Mitglieder: Hierunter fallen "nur" 35 Prozent der Grünen, aber 48 Prozent der Linken. Betrachtet man alle untersuchten Parteien, so kann ein Mittelwert von 42 Prozent ausgemacht werden. Auch recht hoch ist damit der Anteil der überhaupt nicht aktiven Parteimitglieder, die bei der Linken nur 16 Prozent, bei den Grünen hingegen 34 Prozent ausmachen und einen Mittelwert von 31 Prozent aller untersuchten Parteien bilden.
Interessant ist der Zusammenhang von Aktivität der Parteimitglieder und den bereits oben beschriebenen Beitrittsanreizen: So sind die meisten aktiven Parteimitglieder dabei, weil ihnen die Parteiarbeit selbst Spaß macht. Dahinter folgen das Gefühl, die Partei stärker machen zu können, sowie der Wunsch nach einem öffentlichen Mandat. Addiert man nun die Zahlen der sehr aktiven und der ziemlich aktiven Parteimitglieder, so zeigt sich, dass diese im Durchschnitt 27 Prozent aller Mitglieder ausmachen.
Aktivitäten, denen Parteimitglieder nachgehen, sind vor allem der Besuch von Parteiversammlungen und von Festen bzw. geselligen Veranstaltungen, aber auch die Übernahme eines Parteiamtes, das Verteilen von Informationsmaterial und das bekannte "Plakate kleben". Bestehende Mitglieder werben zusätzlich neue Mitglieder, verfassen Beiträge in Parteimedien und spenden außerhalb ihrer regelmäßigen Beitragszahlungen Geld an die Partei. All dies zeigt, dass Parteien auf die Arbeit ihrer Mitglieder angewiesen sind; eine Auslagerung all dieser Aufgaben an Drittanbieter, die dafür bezahlt werden müssten, wäre zwar möglich, aber kostspielig.
"Nutzen" und "Schaden" von Parteimitgliedern
Parteimitglieder haben, wie schon in den vorherigen Abschnitten festgehalten, einen großen Nutzen für die Parteien. Sie verursachen jedoch auch Kosten, die nicht unerheblich und nicht nur finanzieller, sondern auch "ideologischer" Natur sind.
Wie in der Tabelle sichtbar wird, steht dem Nutzen der Mitglieder fast immer auch ein möglicher Nachteil gegenüber. Als Humanressource sind Mitglieder für Parteien unverzichtbar, hat doch allein die SPD nach Aussage von Matthias Machnig, dem ehemaligen Bundesgeschäftsführer der SPD, circa 70.000 Funktionen zu besetzen. Man kann vermuten, dass die Größenordnung bei der CDU eine ähnliche sein wird. Insgesamt müssen die Parteien 96 Sitze im Europäischen Parlament, 631 Sitze im Deutschen Bundestag, rund 1850 Landtagssitze und circa 200.000 Kommunalmandate besetzen, wobei vor allem auf kommunaler Ebene auch Kleinparteien und unabhängige Kandidaten eine Rolle bei der Besetzung von Ämtern spielen. Auf der anderen Seite kann eine Vielzahl an Mitgliedern bereits auf lokaler Ebene eher einen Konflikt provozieren, wenn es um die Besetzung von Posten geht, bei der mehrere Kandidierende ein Amt anstreben.
Mitglieder sind wiederum von Nutzen, wenn es bei Wahlen um Rückhalt geht, wählen doch die meisten Parteimitglieder selbstverständlich auch ihre eigene Partei. Andererseits können sich Mitglieder auch frustriert vor Wahlen von ihrer Partei abwenden und ihrem Umfeld von deren Wahl abraten. Ein prominentes Beispiel bildet der ehemalige "Superminister" für Wirtschaft und Arbeit, Wolfgang Clement, der vor der hessischen Landtagswahl 2008 in einem Zeitungsinterview davor warnte, die SPD zu wählen. Es kam danach zu einem Parteiordnungsverfahren, bei dem das Parteischiedsgericht dem ehemaligen Minister eine Rüge erteilte, woraufhin dieser freiwillig aus der Partei austrat.
Neben der Funktion, dass Parteimitglieder selbst meist die eigene Partei wählen, mobilisieren sie vor allem andere Wählerinnen und Wähler durch ihre Arbeit am Wahlstand, das Kleben von Plakaten sowie das Verteilen von Flyern und Werbemitteln ihrer Partei. Andererseits lassen sich auch hitzige Diskussionen zwischen Bürgern und Parteimitgliedern am Wahlstand beobachten, bei denen die Parteimitglieder eine deutlich höhere Ideologisierung artikulieren können, als es der Partei wahlkampfstrategisch lieb ist. Der direkte Kontakt zwischen Bürgerinnen und Bürgern und den Parteimitgliedern eröffnet wiederum einen weiteren Nutzen: Parteimitglieder stellen die Verbindung von der Parteiorganisation zur Gesellschaft her und befördern damit einen gesellschaftlichen Willensbildungsprozess. Parteispitzen können darüber hinaus über moderne Methoden und Ergebnisse verschiedenster Umfrageinstitute gesellschaftliche Meinungen und Ansichten herausfiltern.
Unverzichtbar sind Mitglieder, wenn es um die Legitimierung einer Partei geht: So bezeichnen sich eigentlich alle etablierten deutschen Parteien als Mitgliederparteien, egal ob sie 480.000 oder 20.000 Mitglieder haben. Je höher die Zahl der Mitglieder, umso eher greift das Legitimationsargument, können Parteien mit einer hohen Mitgliederzahl doch immer darauf verweisen, dass sie den hohen Ansprüchen der deutschen Parteiendemokratie genügen. Im Rahmen der seit Jahrzehnten sinkenden Mitgliederzahlen wird es für Parteien jedoch immer beschwerlicher, dieses Argument aufrechtzuerhalten. Auch ist die in den vorherigen Abschnitten bereits besprochene Struktur der Mitglieder problematisch, wenn es darum geht, die Mitgliederbasis einer Partei als Spiegelbild der Gesellschaft zu bezeichnen – dies ist sie nicht.
Dem vorletzten Punkt "Mitglieder als Multiplikatoren" bleibt wenig anzufügen, was nicht in den vorigen Kategorien schon genannt wurde. Interessanter ist hier die gegenteilige Wirkung, die Mitglieder aussenden können: Der "closed-shop"-Charakter, den Ortsverbände ausstrahlen können, das heißt, dass Mitglieder sich eher abschotten wollen und nur ungern neue Mitglieder integrieren, sowie die Zusammensetzung aus überwiegend älteren Mitgliedern wirken vor allem für junge Leute wenig attraktiv.
Zuletzt bleibt anzufügen, dass Mitglieder als Politikinnovatoren gelten können, neue Ideen entwickeln und Vorschläge zur politischen Praxis, aber auch zur Mitgliederwerbung einbringen können. Diese Funktion ist jedoch heute eher in den Hintergrund getreten und nur der Vollständigkeit halber genannt, denn in dieser Rolle herrschen heute meist externe Politikberater und strategische Zentren vor, an denen das "einfache" Mitglied nicht teilnimmt.
Es lässt sich also festhalten: Parteimitglieder generieren weit überwiegend einen Nutzen für ihre Partei, können jedoch auch Nachteile mit sich bringen. Die Ambitionen der Mitglieder, innerhalb von Parteien auch substanziell mitwirken zu können, stellen die Parteispitzen vor neue organisatorische Herausforderungen, die in den nächsten Abschnitten diskutiert werden sollen.
Die Mitgliederpartei
Selbstverständnis und Konzept
Die etablierten Parteien in der Bundesrepublik Deutschland sehen sich in ihrer Selbstzuschreibung allesamt als Mitgliederparteien und sprechen einer breiten Mitgliederbasis eine hohe Bedeutung zu. Damit versuchen die Parteien, den Ansprüchen einer repräsentativen Demokratie gerecht zu werden, die sich der Bürgerbeteiligung nicht verschließen möchte. Sind es doch gerade die Parteien, die als Agenten der Willensbildung ihre Fühler an der Gesellschaft haben sollen. Sie versuchen daher, durch Mitgliederwerbung und Mitgliederkampagnen neue Mitglieder an die Partei zu binden sowie bestehende Mitglieder von einem Austritt abzuhalten.
Eine Definition der Mitgliederpartei, die dies berücksichtigt, gibt der deutsche Parteienforscher Elmar Wiesendahl: Er ordnet Mitgliederparteien einen "festen und dauerhaft organisierten Mitgliederstamm" zu; Mitgliederparteien bedienen sich weiterhin "freiwilliger Mitglieder und der von ihnen bereit gestellten Ressourcen […], um den Parteibetrieb zu unterhalten und um ihre Kernaufgaben zu erfüllen". Mitgliederparteien würden dieser Definition zufolge also dann nicht mehr reibungslos arbeiten können, wenn ihr Mitgliederfundament erodiert.
Problematisch bei der Definition der Mitgliederpartei ist die genaue Bestimmung der Mitgliederzahl, ab der eine Partei schließlich zu einer Mitgliederpartei wird. In der Forschung vorgeschlagen wird ein Anteil von 0,5 Prozent der Wahlberechtigten. Bei einer Zahl von circa 61,9 Millionen wahlberechtigten Deutschen wären dies also 309.500 Mitglieder, eine Zahl, die in Deutschland nur die SPD sowie die CDU aufbringen können. Alle anderen Parteien wären also nur ihrer Selbstzuschreibung zufolge Mitgliederparteien und verfügen nicht über eine Infrastruktur, die enge Mitgliedernetzwerke auch auf der Ortsverbandsebene ermöglicht (wobei auch die "großen" Parteien in den neuen Bundesländern hierbei vor Probleme gestellt sind).
Mitgliederparteien sind auf ihre Mitglieder angewiesen, können jedoch in zwei voneinander unterscheidbaren Spielarten auftreten: In der ersten Spielart, der sogenannten demokratischen Mitgliederpartei, stehen drei Prinzipien im Vordergrund:
Mitglieder müssen eine aktive Rolle im innerparteilichen Entscheidungsprozess übernehmen können.
Parteiinterne Ämter sind Mitgliedern vorbehalten, Nichtmitglieder werden von der Besetzung dieser Ämter ausgeschlossen.
Die Parteiführung ist den Mitgliedern für ihr Handeln rechenschaftspflichtig.
Die andere Spielart ist die elektorale Mitgliederpartei: Für diese steht vor allem der Stimmengewinn im Vordergrund, der Wählermarkt ist also das primäre Ziel dieser Parteien, während die innerparteiliche Demokratie sowie die Mitgliederpartizipation eher sekundär sind. Dennoch müssen auch diese Parteien die rechtlichen Vorgaben des demokratischen Aufbaus einhalten und ein Mindestmaß an Teilhabe gewährleisten.
Fraglich bleibt, ob die Mitgliederparteien nach der Unterschreitung eines gewissen kritischen Schwellenwertes in der Lage sind, den Geboten des Grundgesetzes sowie des Parteiengesetzes Folge zu leisten. Während die Parteien gegenwärtig zwar Mitglieder verlieren, so scheinen sie doch noch lange nicht an diesem kritischen Punkt angelangt zu sein.
Innerparteiliche Demokratie
Über das notwendige Ausmaß innerparteilicher Demokratie lässt sich in der Parteienforschung keine einheitliche Position finden. Unbestritten hat oftmals die professionelle Parteiführung eine herausgehobene Bedeutung. Diese wird im Regelfall von den Parteimitgliedern auch nicht in Frage gestellt, sondern bereitwillig akzeptiert. Schließlich ist die Parteiführung durch Wahlen legitimiert, verantwortlich gegenüber der Parteibasis und prägt das Außenbild der Partei wesentlich mit.
Sie kann ihre Position nach innen und außen festigen, wenn es ihr gelingt, ein handlungs- und durchsetzungsfähiges Zentrum zu etablieren, das den Personenkreis umfasst, der strategisch zentrale Positionen in der Parteiorganisation innehat. Idealerweise soll dieses Zentrum nach bisherigen Erkenntnissen der Entscheidungstheorie aus drei bis sechs Personen bestehen.
In den letzten Jahren, vor allem mit dem Aufkommen der Piratenpartei, hat das Wort "Basisdemokratie" wieder an öffentlicher Aufmerksamkeit gewonnen. Darunter sind innerparteilich alle Formen der politischen Beteiligung zu verstehen, bei denen politische Entscheidungen unmittelbar von den Mitgliedern getroffen werden. Die Diskussion um Basisdemokratie in Parteien ist keineswegs neu: So gaben sich beispielsweise die Grünen bei ihrer Gründung 1980 eine Organisationsstruktur, die betont auf basisdemokratische Entscheidungsmechanismen und innerparteiliche Diskussion setzte.
Instrumente basisdemokratischer Entscheidungsmechanismen sind beispielsweise Urwahlen, in denen die Mitglieder über Spitzenposten in der Partei entscheiden, Mitgliederbegehren sowie Mitgliederentscheide, bei denen die Mitglieder ihre Präferenzen bei Sachfragen äußern können, sowie Befragungen in den Gliederungen der Partei. Betrachtet man die Nachfrageseite, also die Mitglieder selbst, so sind insgesamt 66 Prozent aller befragten Parteimitglieder der Meinung, dass Bundestagskandidaten direkt von den Mitgliedern gewählt werden sollten. Die Urwahl des Bundesvorsitzenden der Parteien wird von 58 Prozent der Mitglieder begrüßt, eine Urabstimmung in Sachfragen ebenfalls.
Wenngleich in den letzten Jahren Wahlkreisabgeordnete tendenziell häufiger per Mitgliederentscheid und damit zulasten des Delegierten-, also des Vertreterprinzips, aufgestellt wurden, so stellt innerparteiliche Partizipation für Parteien immer auch einen wesentlichen Kosten- und Verwaltungsfaktor dar. Das Internet eignet sich dabei nur bedingt als Hilfsinstrument, zum einen aus rechtlichen Erwägungen, zum anderen, weil das Durchschnittsalter der Mitglieder jedenfalls zur Zeit auf eine im Vergleich zur jüngeren Bevölkerung geringere Internetaffinität hindeutet; eine Umfrage unter SPD-Mitgliedern ergab zum Beispiel, dass 40 Prozent der Mitglieder auf die Frage, ob eine Meinungsbildung im Web 2.0 verstärkt eingesetzt werden sollte, mit "eher nein" antworteten, fünf Prozent gar mit "auf keinen Fall". Doch selbst in der Piratenpartei, die sich durch ihren niedrigen Altersdurchschnitt und ihre Sympathien für die digitale Welt auszeichnet, erweisen sich die tatsächlichen Beteiligungsraten als überraschend niedrig: Zwar existiert ein "Tool" zur digitalen Meinungsbildung, die Plattform Liquid Feedback, auf der Mitglieder nicht nur über bestehende Anträge abstimmen, sondern auch eigene verfassen können. Doch lediglich ein Zehntel der Parteimitglieder der Piraten hat einmal per Liquid Feedback abgestimmt (2012), auch haben technische Probleme den Einsatz der Software bisher eher erschwert.
QuellentextChancen und Risiken des Mitgliederentscheids
Wenn sie wollten, könnten sie. "Eine Mitgliederbefragung ist auf der Ebene der Bundespartei, der Landes- oder Kreisverbände in Sach- und Personalfragen zulässig", ist in der Satzung der CDU niedergelegt. Heißt: Die CDU-Mitglieder könnten per "Urwahl" über den Kanzlerkandidaten befinden, sie hätten auch per "Mitgliedervotum" über den Koalitionsvertrag mit der SPD entscheiden können. In der Satzung ist zwar nur von einer "Mitgliederbefragung" die Rede. Doch jeder weiß: Das Ergebnis einer solchen Befragung mag die Führung nicht rechtlich binden; in der politischen Wirklichkeit aber kommt sie an deren Ergebnis nicht vorbei. Das Verfahren zur Einleitung einer Mitgliederbefragung in der CDU ist trotz eines niedrigen Quorums nicht einfach: "Sie ist durchzuführen, wenn sie von einem Drittel der jeweils nachgeordneten Gebietsverbände beantragt wird und der Vorstand der übergeordneten Organisationsstufe die Durchführung mit der absoluten Mehrheit seiner stimmberechtigten Mitglieder beschließt." Das bedeutet auch: Laut Satzung kann ein CDU-Vorstand eine Mitgliederbefragung zwar verhindern; er kann sie aber nicht beliebig herbeiführen.
[…] In der Satzung der SPD, die "Organisationsstatut" heißt, wird zwischen "Mitgliederbegehren" und "Mitgliederentscheid" unterschieden. Wie bei der CDU kann der Mitgliederentscheid von der "Basis" her eingeleitet werden. Doch anders als bei der CDU kann auch der Parteivorstand von sich aus mit Dreiviertelmehrheit einen Mitgliederentscheid herbeiführen. […]
Ehedem hatte der Mitgliederentscheid gegen den Ruf zu kämpfen, er dokumentiere allein die Handlungsunfähigkeit einer Parteiführung. 1993 war das noch so, bei der Urmutter aller Mitgliederentscheide in den Parteien. Im Frühjahr 1993 war Björn Engholm, der schleswig-holsteinische Ministerpräsident, auch vom Amt des SPD-Vorsitzenden zurückgetreten. Die Ministerpräsidenten Rudolf Scharping (Rheinland-Pfalz) und Gerhard Schröder (Niedersachsen) waren alsbald zur Kandidatur bereit. Im SPD-Spektrum damals galt Scharping als Vertreter der Mitte und Schröder als Mann der Parteilinken. Die Parteiführung schaffte es nicht, sich wie bis dahin immer auf einen Kandidaten zu verständigen. Der Ausweg: eine "konsultative" Mitgliederbefragung.
Weil Schröder Favorit war, bewegten Scharpings Freunde Heidemarie Wieczorek-Zeul ebenfalls zur Kandidatur. Die galt auch als "links", und wie gewünscht schwächte sie das Schröder-Lager. Scharping bekam 40 Prozent, Schröder 33 Prozent und Wieczorek-Zeul 26 Prozent. Weil sich die führenden Leute darauf verständigt hatten (oder, wie Schröder, gezwungen waren, das zu akzeptieren), es reiche die einfache Mehrheit, wurde der Sieger Scharping dem Parteitag zur Wahl vorgeschlagen. Er wurde SPD-Vorsitzender und später – ohne "Urwahl" – auch Kanzlerkandidat. Die Personalquerelen aber waren nicht bereinigt. Im Gegenteil: Schröder kämpfte so lange, bis der Makel von 1993 beseitigt und er Bundeskanzler war.
Urmutter aller Mitgliederentscheidungen in der FDP war jene 1995 über den "großen Lauschangriff". Über Jahre hinweg war die Führung in dieser Sache zerstritten und blockiert. Der rechte Flügel war für Kompromisse zum Abhören, der linksliberale Flügel dagegen. Mit deutlicher Mehrheit votierten die FDP-Mitglieder für den "großen Lauschangriff". Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, "linksliberale" Justizministerin schon damals, trat zurück. Der Friede in der Partei war damit nicht hergestellt.
So war es auch, als 2004 die CDU in Baden-Württemberg per "Mitgliederbefragung" entschied, wer auf Ministerpräsident Erwin Teufel folgen solle: Günther Oettinger oder Annette Schavan. Vom Sieg Oettingers hat sich das Gefüge der Südwest-CDU bis heute nicht erholt. […]
Längst haben die Führungen großer und kleiner Landesverbände von CDU und SPD die Chancen der "Befragung" ihrer Mitglieder erkannt. Sie kommen den Forderungen der Untergliederungen und der Mitglieder nach, es müsse mehr Transparenz und Mitwirkungsmöglichkeiten geben. Sie können schwierige Personalfragen "nach unten" delegieren. Sie können einen Wettstreit zwischen Bewerbern organisieren – zur Mobilisierung ihrer Basis und als Ausdruck innerparteilicher Demokratie. Sie können sogar Sachentscheidungen herbeiführen und auf diese Weise die innerparteiliche Minderheit disziplinieren. Einzig eine Basis-Entscheidung über einen Kanzlerkandidaten hat es noch nicht gegeben. Wie lange noch? Die Vorbehalte bröckeln.
Diskutiert wird zudem eine Einbeziehung der Nichtmitglieder in die Parteiarbeit. Doch im Vergleich zu 1998 zeigten die Parteimitglieder 2009 eine geringere Bereitschaft, Nichtmitglieder gleichberechtigt in der Partei mitarbeiten zu lassen (Gesamt: 38 Prozent). Die Kandidatur von Nichtmitgliedern für Parteiämter befürworteten nur 34 Prozent aller Parteimitglieder, was zeigt, dass Parteimitglieder sich selbst eher im Modell der demokratischen Mitgliederpartei sehen; hier sei vor allem noch einmal an den zweiten Punkt erinnert, der diese ausmacht: die Besetzung von innerparteilichen Ämtern durch Mitglieder und der Ausschluss von Nichtmitgliedern bei dieser Ämterbesetzung. Da Mitglieder also immer noch ein eher exklusiveres Mitgliedschaftsverständnis präferieren, Parteien jedoch Neumitglieder rekrutieren wollen, versuchen die Mitgliederparteien mit neuen Formen der Mitgliedschaft wie beispielsweise einer "Mitgliedschaft light", einer Gastmitgliedschaft oder Unterstützermitgliedschaft zu werben, wobei letztere eine Hinwendung zum amerikanischen Sympathisantenmodell anzeigt. Hier existiert dann lediglich eine lose formale Bindung zur Partei, die in der Regel mit einer geringeren Beitragsverpflichtung einhergeht.
Parteiprogrammatik: Arten und Funktionen
Programme spielen im Parteienwettbewerb eine nicht unerhebliche Rolle. Nach innen erfüllen sie die parteiinterne Funktion der Selbstverständigung über Werte, Ansichten, Meinungen und Positionen der Mitglieder und zunehmend, dank stärkerer Einbindung, auch der Sympathisanten einer Partei und geben deren Mehrheitsmeinung wieder. Nach außen, gegenüber der Wählerschaft, dienen sie der Profilbildung und Information und bieten damit Orientierung über politische Ziele und Handlungsabsichten der Parteien. Nicht zu vernachlässigen ist auch die vierte Funktion von Programmen: Sie gelten als Anleitung und Richtschnur für das parlamentarische Handeln der Fraktionen als Parteien im Parlament.
Zu unterscheiden sind Wahlprogramme, welche die Ziele einer Partei für eine Legislaturperiode (4 bis 5 Jahre) definieren, von Grundsatzprogrammen, welche längerfristig Werte, Ziele und Überzeugungen sowie Handlungsanleitungen einer jeweiligen Partei festlegen. Regierungsprogramme formulieren die unmittelbaren inhaltlichen Grundlagen der Regierungsarbeit für eine bestimmte Amtszeit, in Deutschland meist in Form von Koalitionsvereinbarungen. In diese Koalitionsvereinbarungen von Regierungen fließen die Inhalte von Wahlprogrammen ein, die zuvor in den Verhandlungen der beteiligten Parteien festgelegt wurden.
Wahl-, Grundsatz- und erst recht Regierungsprogramme in Form von Koalitionsvereinbarungen stellen immer eine Art Kompromiss dar, etwa zwischen verschiedenen horizontalen und vertikalen Gruppierungen innerhalb der Parteien oder im Falle einer Koalitionsvereinbarung zwischen Parteien. In ihnen spiegeln sich gesellschaftliche Entwicklungslinien wider, welche in Parteien hineinwirken und von diesen aufgenommen werden. Innerparteiliche Entwicklungen und äußere Faktoren des Parteienwettbewerbs durchdringen sich und sind wechselseitig aufeinander bezogen.
In den meisten Parteien sind unterschiedliche Gruppierungen mit jeweils eigenen Interessen, Zielen und programmatischen Vorstellungen zu finden. Diese werden in Programmen durch Kompromisse ausgeglichen oder in Auseinandersetzungen um die Inhalte des Programms ausgetragen.
Uwe Jun ist Professor für "Regierungslehre – Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland" an der Universität Trier, Sprecher des Arbeitskreises "Parteienforschung" der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft (DVPW) sowie Mitglied der DVPW, der Deutschen Vereinigung für Parlamentsfragen (DVParl) und des European Consortium for Political Research. Seine Forschungsschwerpunkte sind: Parteienforschung, Vergleichende Parlamentarismusforschung, Föderalismus, Politische Kommunikation und Koalitionsforschung.
Bei der Konzeption und der Materialrecherche wurde er unterstützt von Isabel Bähr, Sebastian Exner und Simon Jakobs
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