Bevor der Nahe Osten um die Mitte des 20. Jahrhunderts seine reale Unabhängigkeit von den europäischen Kolonialmächten erlangte, hatte es dort mehrheitlich Monarchien gegeben. Republiken bestanden eher vereinzelt und vor allem in den französischen Mandatsgebieten, wie etwa im Libanon. Im Kampf um die Unabhängigkeit wurden viele Monarchen gestürzt und Republiken gegründet, sodass die Region heute fast zu gleichen Teilen aus Monarchien und Republiken besteht (siehe auch
Als die arabischen Staaten im ersten Nahostkrieg 1948 dem israelischen Militär unterlagen, löste dieser Schock eine Welle von Unruhen aus. Denn die Gründung des Staates Israel wurde als Versuch der Europäer gedeutet, ihre Einflussnahme in der Region wieder zu beleben. Als Reaktion kam es zu einer Reihe von politischen Umstürzen durch das Militär, wie zum Beispiel 1952 in Ägypten oder 1958 im Irak. Die dortigen Könige wurden gestürzt, Republiken ausgerufen, und es wurde die vollständige Unabhängigkeit von den Kolonialmächten erlangt. Die neue politische Eigenständigkeit war mit großen Hoffnungen verbunden. Das Militär galt in der Bevölkerung als modernisierende Kraft, die neuen Wohlstand und politische Selbstbestimmung für die arabischen Staaten erreichen sollte.
Andere Staaten des Nahen Ostens wiederum erlangten ihre Souveränität ohne republikanische Umstürze und blieben Monarchien. Die Vereinigten Arabischen Emirate, Oman und Bahrain beispielsweise wurden 1971 ohne eigenes Zutun von den Briten in die Unabhängigkeit entlassen. Dies geschah vor allem aus innenpolitischen Beweggründen: Großbritannien wäre mit einer Verteidigung seiner Protektorate am Golf im Ernstfall personell und finanziell überfordert gewesen.
Die Republiken
Die neuen Republiken begriffen sich als Avantgarde der arabischen Unabhängigkeitsbewegung, getragen von der Ideologie des arabischen Nationalismus. Vom Atlantik bis zum Golf versprach er Prosperität und Stärke für alle arabischen Staaten. Mit wirtschaftlicher Entwicklung und Modernisierung sollte die arabische Welt ihre Schwäche der Kolonialzeit überwinden und den Menschen ein höherer Lebensstandard geboten werden.
Populistischer Autoritarismus
Dementsprechend erklärten die neuen Republiken eine massive und schnelle wirtschaftliche Entwicklung zur obersten Priorität. Sie sollte durch eine staatlich gelenkte Industrialisierung erreicht werden. Für das politische System hatte dies zwei Konsequenzen: Zum einen wurden vorzugsweise Technokraten, beispielsweise Ingenieure oder Wirtschaftswissenschaftler, in die Regierung berufen, und auch die neuen Präsidenten – selbst wenn sie ursprünglich dem Militär entstammten – gaben sich fortan technokratisch und tauschten mit dem Amtsantritt ihre Uniformen gegen zivile Kleidung. Zum anderen entwickelte sich ein "starker Staat", der auch die Wirtschaft und die Gesellschaft dominierte. Das Individuum und Vorstellungen von Bürgerrechten wurden als weniger bedeutsam angesehen – Faktoren, die die Grundlage für die Errichtung autoritärer Systeme schufen.
Diese autoritären Systeme unterschieden sich grundlegend von Demokratien: Letztere sind maßgeblich durch Gewaltenteilung gekennzeichnet. In Demokratien kontrollieren sich Exekutive (Regierung und die Bürokratie als ausübende Gewalt), Legislative (das Parlament als beschließende und gesetzgebende Gewalt) und Judikative (die Gerichte als rechtsprechende Gewalt) gegenseitig. Diese Gewaltenteilung soll Machtmissbrauch vorbeugen. In regelmäßigen freien Wahlen legitimiert das Volk das Parlament und den Regierungschef.
In den autoritären Regimen der arabischen Welt waren die Regierungen dagegen durch Putsche und nicht durch freie Wahlen zustande gekommen. Und auch dort, wo es Parlamente gab, waren deren Abgeordnete nicht vom Volk gewählt worden. Stattdessen wurden in den Republiken Einheitsparteien gegründet, die direkt dem Präsidenten unterstanden. Alternativen standen nicht zur Wahl, alle weiteren Parteien wurden verboten. Ins Parlament gelangten so nur regierungskonforme Abgeordnete.
Auch gab es keine wechselseitige Kontrolle der Gewalten. Vielmehr dominierte die Regierung, bestehend aus dem Staatspräsidenten und seinem Kabinett, massiv über Legislative und Judikative. Das Parlament war an der Gesetzgebung inhaltlich nicht beteiligt. Es hatte nur die Gesetzesentwürfe der Regierung "abzunicken" und besaß kein Recht, sie zu kontrollieren. Auch das Gerichtswesen war ein loyaler Erfüllungsgehilfe des Regimes. Unabhängige bzw. nicht regimetreue Richter wurden entlassen und nicht selten verhaftet. In vielen Ländern sorgten Sondergerichtshöfe und Militärgerichte dafür, dass unliebsamen Zivilisten, politischen Aktivisten sowie nicht linientreuen Intellektuellen schnelle Verfahren drohten.
Hinzu kamen zwei Mechanismen der Herrschaftssicherung, die die Funktionsweisen der politischen Institutionen maßgeblich bestimmten: Kooptation und Repression.
Kooptation: Nach der Verstaatlichung der Wirtschaft bewirkte die staatlich gelenkte Industrialisierung in den 1950er- und frühen 1960er-Jahren zunächst, wie erhofft, einen wirtschaftlichen Aufschwung. Er erlaubte es den Regimen, gestaltend in die gesellschaftlichen Strukturen einzugreifen und sich eine eigene Machtbasis in der Bevölkerung aufzubauen. Ehemals dominante Bevölkerungsschichten, wie zum Beispiel einflussreiche Großgrundbesitzer, die mit den Kolonialmächten kollaboriert hatten, wurden zurückgedrängt und zu großen Teilen enteignet. Ihr Besitz wurde an eine breitere Schicht des Volkes umverteilt, namentlich an die Unterschicht und die unteren Mittelschichten, die als neue Machtbasis fungieren sollten. Großzügige staatliche Wohlfahrtsleistungen, wie massive Subventionen von Grundnahrungsmitteln und Energie oder niedrige Mieten, sollten auch ärmeren Menschen einen besseren Lebensstandard ermöglichen und dem Staat ihre Loyalität sichern. Diese Konzentration auf das Volk kann als staatlicher Populismus (lat.: populus; dt.: Volk) betrachtet werden. Da die neuen Regime die Besitzverhältnisse in der Gesellschaft änderten, können sie auch als sozialrevolutionär angesehen werden.
Zentrale Einrichtungen, wie das Parlament, die Bürokratie und die Einheitspartei, hatten in den populistisch-autoritären Republiken nun die Funktion, die Anbindung der Unter- und Mittelschichten an den Staat zu institutionalisieren und zu zementieren. Sie wurden massiv erweitert – insbesondere der bürokratische Apparat –, um immer mehr Menschen einbinden zu können. Letztere erhielten materielle Anreize in Form von Gehältern, Pensionen und allerlei Vergünstigungen und wurden dadurch vom Staat abhängig gemacht sowie zu politischer Loyalität verpflichtet. Dieser Mechanismus – der auch als Tauschhandel beschrieben werden kann, bei dem materielle Anreize gegen politische Loyalität eingetauscht werden – wird in der politikwissenschaftlichen Literatur oft als "Kooptation" bezeichnet (so z. B. in Nazih N. Ayubi "Over-stating the Arab State").
Repression: Personen oder Gruppen, die gegen die Tauschregeln der Kooptation verstießen und politische Kritik wagten oder einer dem Regime unliebsamen sozialen Gruppe angehörten (wie zum Beispiel ehemalige Eliten), begegnete der Staat mit direkter Unterdrückung (Repression). Dabei bediente er sich eines repressiven Apparates, der im Wesentlichen aus dem Militär und den Geheim- bzw. Sicherheitsdiensten bestand und kontinuierlich ausgebaut wurde. Schließlich entstanden Polizeistaaten, in denen die Geheimdienste und die Polizei das Alltagsleben der Menschen überwachten.
Klassische Beispiele für solch populistisch-autoritäre Republiken sind das Syrien der 1950er- sowie das Ägypten der 1960er-Jahre. In beiden Ländern fanden Militärputsche statt, und neue Republiken wurden gegründet. Diese neuen Regime griffen massiv in das gesellschaftliche und politische Leben ihres Landes ein, in Syrien noch radikaler als in Ägypten. Die Wirtschaft wurde verstaatlicht und eine staatlich gelenkte Industrialisierung auf den Weg gebracht. Der daraus anfänglich entstehende wirtschaftliche Erfolg rief in der Bevölkerung eine gewisse Bewunderung und Wertschätzung für die neuen Regime hervor, die durch das Charisma der jeweiligen Präsidenten noch erhöht wurde.
Insbesondere in Ägypten verehrte das Volk seinen Präsidenten Gamal Abdel Nasser, der in mitreißenden Reden den Aufschwung, die Stärke und die Unabhängigkeit Ägyptens sowie der ganzen arabischen Welt beschwor. Viele Menschen brachten die Entstehung des Polizeistaats und die damit verbundene Unterdrückung zunächst nicht in direkten Zusammenhang mit dem Präsidenten und dem "neuen" Regime, das dahinter stand. Zahlreiche politische Gefangene, die in den Gefängnissen unter menschenunwürdigen Bedingungen vegetierten und Folter ausgesetzt waren, glaubten nach eigenem Bekunden vielmehr, dass lediglich die unteren Bediensteten der Polizeiapparate diese Verbrechen zu verantworten hatten.
Die populistischen Regime genossen somit, trotz der undemokratischen Systeme, die sie errichtet hatten, zunächst eine gewisse Legitimation und Glaubwürdigkeit im Volk. Dies galt jedoch nur bis in die 1970er-Jahre.
Post-Populismus
Im Verlauf der 1970er-Jahre brach der wirtschaftliche Anfangserfolg der staatlich gelenkten Volkswirtschaften ein. Damit waren die immensen Wohlfahrtsleistungen für das Volk, wie Subventionen für Grundnahrungsmittel, Strom und Gas, immer schwerer zu finanzieren, sie mussten somit für viele schmerzlich spürbar zurückgefahren werden. Der Tauschhandel "Wohlfahrt gegen Loyalität" mit den Unterschichten und unteren Mittelschichten wurde schrittweise aufgegeben. Stattdessen suchten die autoritären Regime eine neue Machtbasis in gesellschaftlichen Gruppen, die über privates Kapital verfügten. Deren Anbindung wurde erreicht, indem man die verstaatlichte Wirtschaft allmählich wieder für private Unternehmer öffnete, eine Entwicklung, die auch auf Druck der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF), der Kreditgeber für in Finanznot geratene Staaten, zustande kam.
Die wirtschaftliche Öffnung glich aber nicht einer Wirtschaftsliberalisierung im westlichen Sinne, in der zu großen Teilen der freie Markt die Wirtschaft lenken soll. Die Regime hielten diesen Prozess der Öffnung vielmehr fest in der Hand und kontrollierten ihn gemäß den eigenen Interessen. Wirtschaftlich tätig sein konnten nur Unternehmer, die das Wohlwollen der Machthaber besaßen und sich loyal verhielten. Wer besonders loyal und gut vernetzt war, bekam zum Beispiel die Möglichkeit, verstaatlichtes Land oder Fabriken aus staatlichem Besitz preiswert zu erwerben und gewinnbringend zu bewirtschaften. Viele Geschäftsleute kamen so mithilfe des Staates zu erheblichem Wohlstand. Es entstand eine neue Schicht von privaten Unternehmern, die sich um das jeweilige Regime gruppierte und von ihm abhängig war, indem sie materielle Bevorteilung in Anspruch nahm und somit dem Regime politische Loyalität schuldete. Aber auch die Politiker, die an diesen Verteilungsprozessen beteiligt waren, konnten sich selbst bereichern und über das Verteilen von Marktzugängen an eigene, illegale Provisionen kommen. Die Folge war ein explosionsartiger Anstieg der Korruption.
Während eine kleine Schicht privater Unternehmer zu immer mehr Wohlstand gelangte, war die ehemalige Machtbasis der Regime – die Unterschichten und unteren Mittelschichten, die die Mehrheit der Bevölkerung bildeten – mit einer Verschlechterung ihrer Lebensumstände konfrontiert, denn der Staat zog sich aus sozialen Dienstleistungen immer weiter zurück. Stattdessen kontrollierten Polizei und Geheimdienste zunehmend das Alltagsleben der Menschen, und Polizeiwillkür nahm drastisch zu. Folter stand auf der Tagesordnung und wurde sogar bei minderen zivilen Vergehen angewendet. Oft wurde sie zur Einschüchterung der Bevölkerung genutzt. Ein Fall, der Aufsehen erregte, war die Folter und Vergewaltigung eines Minibusfahrers in einem Kairoer Gefängnis 2006. Er hatte bei einem Streit zwischen Polizisten und seinem Cousin interveniert und war unter dem Vorwurf des Widerstands gegen die Staatsgewalt inhaftiert worden.
QuellentextOrt des Schreckens
[…] Tadmor, über 200 Kilometer nordöstlich von Damaskus in der syrischen Wüste gelegen, ist eine Stadt mit zwei Gesichtern. Die Welt kennt sie unter dem Namen Palmyra, ein Sehnsuchtsort aus römischen Zeiten, der vom "Islamischen Staat" erobert wurde, um hier Massenexekutionen durchzuführen und Teile des Weltkulturerbes zu zerstören. Syrer und viele Libanesen kennen Palmyra unter dem Namen Tadmor, und das heißt: als einen Ort des Schreckens. Hier, in einem Militärgefängnis, richtete Hafis al-Assad 1971 das schlimmste Folterzentrum des Landes ein. […]
[…] "Das Königreich des Todes und des Wahnsinns" – so hat der syrische Dichter Faradsch Bairakdar das Gefängnis beschrieben, der ebenfalls mehrere Jahre dort einsaß. In Tadmor wurde nicht verhört, es gab nichts mehr zu gestehen. Es war ein Ort der Qualen. Neuankömmlinge wurden mit einer "Willkommensparty" empfangen: 300, manchmal 500 Schlägen, meist auf die Fußsohlen. Manche starben wenig später an den Wunden. Die meisten Häftlinge wurden in Sammelzellen mit mehr als 200 Insassen eingepfercht. Es gab keine Bücher, nichts zu schreiben, keine Tische, kein Essgeschirr. Wärter anzusehen oder anzusprechen, nach oben durch das Gitter zu blicken, sich nachts zu bewegen oder aufs Klo zu gehen – all das war verboten.
Jeder tatsächliche oder vermeintliche Verstoß wurde bestraft: durch den Befehl, Kakerlaken zu essen, durch Peitschenschläge auf Kopf und Hände, und immer wieder mit dem "Reifen". Der Häftling wurde mit Händen und Füßen in einen Autoreifen gezwungen, dann auf den Rücken gelegt, und musste die 200 oder 300 Schläge auf die Fußsohlen zählen. Entwich ihm ein Schmerzensschrei, begann die Tortur von vorn.
[…] Nach Recherchen von Amnesty International sind in Syrien seit Beginn der Proteste 2011 mehr als 17.000 Menschen in Haftanstalten an Folter, Krankheit und Unterernährung gestorben. Tadmor – oder Palmyra – ist [nach der Befreiung vom IS] seit dem März dieses Jahres wieder unter der Kontrolle von Assads Armee. Das Zentrum des Gefängnisapparates liegt inzwischen in Sednaya in der Nähe von Damaskus. Berichte ehemaliger Häftlinge von dort decken sich mit denen von Raymond Bouban, Moussa Saab oder Saad Saifeddine [ehemaligen Häftlingen in Tadmor]. Das "Königreich des Todes und des Wahnsinns" besteht weiter. Es ist nur umgezogen.
Andrea Böhm, "Aus einem Trauma wird Kino", in: Die Zeit Nr. 42 vom 6. Oktober 2016
Externer Link: www.zeit.de/2016/42/tadmor-film-palmyra-syrien-krieg-monika-borgmann-lokman-slim
Gepaart mit der wirtschaftlichen Öffnung für Privatunternehmer, die auch Investoren und Kapital aus dem westlichen Ausland anziehen sollte, wurden politische Reformen vorgenommen. Dies sollte westlichen Hilfsgeldgebern, wie den USA, dem IWF und der Weltbank, sowie Investoren entgegenkommen, aber auch dem Legitimitätsverlust der Machthaber bei breiten Teilen der arabischen Bevölkerung entgegenwirken, die vermehrt unter Armut und verschärfter staatlicher Unterdrückung litten. Die Liberalisierung der politischen Strukturen fand allerdings nur vordergründig statt. So gestaltete man das Einparteiensystem zu einem Mehrparteiensystem um, schränkte jedoch durch eine entsprechende Gesetzgebung alle Parteien außer der Regierungspartei stark in ihren Handlungsmöglichkeiten ein. Beispielsweise durften sie kaum auf kommunaler Ebene aktiv sein, damit sie möglichst keine Anhängerschaft in der Bevölkerung aufbauen konnten. Gruppierungen, die nicht als legale Parteien agierten, wie zum Beispiel die ägyptische Muslimbruderschaft, waren dagegen an diese Auflagen nicht gebunden. Ihr kommunales Engagement sicherte ihnen eine breite Basis in der Bevölkerung.
Die legalen Oppositionsparteien wurden zusätzlich geschwächt, indem die autokratischen Machthaber ihre Führungsleute kooptierten und korrumpierten. Somit verloren diese jegliche Glaubwürdigkeit in der Bevölkerung und galten für viele "als Teil des autoritären Systems". Bei den Parlamentswahlen sorgten Wahlfälschung und der Einsatz von Gewalt in Wahllokalen dafür, dass die Oppositionsparteien – aufgrund prozentual meist nur einstelliger Wahlergebnisse – stets mit nur sehr wenigen Sitzen im Parlament vertreten blieben. Auch die Zivilgesellschaft ließen die Regime nur scheinbar gewähren: Nichtregierungsorganisationen/NRO (engl.: Non-Governmental Organization/NGO) zum Beispiel durften nur innerhalb eng gezogener Grenzen tätig werden, finanziell und thematisch blieben sie stark eingeschränkt. Interessenverbände wie Gewerkschaften und Berufsverbände wurden staatlich kontrolliert und konnten daher nur sehr begrenzt die Belange ihrer Mitglieder bündeln und vertreten. Und die Presse bekam ebenfalls nur vordergründig Spielraum: Die Oppositionsparteien durften zwar Parteiblätter herausgeben, und einige wenige andere, nicht regierungsnahe Zeitungen durften erscheinen. Jedoch sorgten Zensur, Einschüchterung und Inhaftierung von Journalisten dafür, dass die Pressefreiheit stark eingeschränkt blieb.
Die Rolle des Militärs
Nachdem das Militär sein Ansehen als Modernisierer mit dem Ende des wirtschaftlichen Aufschwungs und den darauffolgenden Krisen spätestens zu Beginn der 1970er-Jahre eingebüßt hatte, begann es sich aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen. Hinter den Kulissen blieb es jedoch eine gewichtige Instanz. In Syrien, Iran und Ägypten konnte es Wirtschaftsimperien aufbauen, die sich bis heute jeglicher ziviler Kontrolle entziehen. Auch in politischer Hinsicht wahrte das Militär einen maßgeblichen Einfluss. So war der Hohe Militärrat in Ägypten, in dem die militärischen Führer des Landes vertreten sind, stets an der politischen Entscheidungsfindung beteiligt, auch wenn er vor dem Sturz Hosni Mubaraks 2011 nicht in der Öffentlichkeit aufgetreten war. Erst wenn die politischen und wirtschaftlichen Vorrechte, die sich das Militär in den verschiedenen arabischen Staaten hat aufbauen können, zurückgedrängt werden und der Einfluss des Militärs verändert werden kann, wird es möglich sein, den Autoritarismus in der Region zu überwinden.
QuellentextDie Hüter ihres Staates: die Militärs und ihre Herrschaft in Ägypten
Unter Führung des charismatischen Leutnants Gamal Abdel Nasser putschte sich im Juli 1952 in Ägypten eine Gruppe "Freier Offiziere" an die Macht. Ihre selbst ausgerufene Revolution, die sich gegen die Monarchie und die britische Fremdherrschaft richtete, führte indes nicht nur zur Ausrufung der Republik (1953). Der Staatsstreich begründete auch die Herrschaft des Militärs, das nicht zuletzt die Kriege gegen Israel nutzte, um sich als Hüter des Staates darzustellen und dabei einen eigenen Staat im Staate aufzubauen.
Nach der Übernahme des Präsidentenamtes 1956 verdrängte Nasser potenzielle Konkurrenten, wie die islamistische Muslimbruderschaft, aus dem politischen System und besetzte wichtige Posten in Ministerien und der öffentlichen Verwaltung mit Militärs. Durch eine Landreform und die Verstaatlichung der Wirtschaft erlangten die Streitkräfte zudem die Kontrolle über Grund und Boden sowie zahlreiche Unternehmen.
Nach Nassers Tod 1970 übernahm mit Anwar al-Sadat ein weiteres ehemaliges Mitglied der "Freien Offiziere" das Präsidentenamt. Sadat leitete einen wirtschaftlichen Öffnungsprozess des Landes ein, ließ die ökonomischen Aktivitäten des Militärs aber unangetastet. Diese waren umso wichtiger geworden, da die Aufgabe der Landesverteidigung durch den 1979 erfolgten Friedensschluss mit Israel an Bedeutung verloren hatte und die Streitkräfte ein neues Betätigungsfeld brauchten.
Entsprechend expandierte auch in der 30-jährigen Amtszeit von Sadats Nachfolger, dem ehemaligen Luftwaffenchef Hosni Mubarak, das militärische Wirtschaftsimperium. Den Streitkräften kam hierbei die enge Sicherheitspartnerschaft mit den USA entgegen, die der ägyptisch-israelischen Annäherung gefolgt war. Seit den 1980er-Jahren wurden bis zu 80 Prozent der ägyptischen Rüstungsausgaben durch US-amerikanische Militärhilfen (jährlich ca. 1,3 Milliarden US-Dollar) finanziert, wodurch mehr Mittel zum Ausbau ziviler Wirtschaftsaktivitäten blieben.
Heute betreibt das Militär nicht nur Hühnerfarmen und produziert Konsumgüter wie Kühlschränke, sondern stellt auch landesweit Infrastruktur wie Straßen und Telefonleitungen bereit. Ein wichtiger Vorteil gegenüber der Privatwirtschaft besteht in der billigen Arbeitskraft von Wehrdienstleistenden. Die allgemeine Wehrpflicht ist allerdings nicht nur von wirtschaftlicher Bedeutung für die Streitkräfte. Durch sie kommt dem Militär auch eine wichtige Rolle bei der Sozialisierung junger Männer zu. Dabei ist für viele von ihnen das Militär auch nach dem Wehrdienst ein attraktiver Arbeitgeber.
So verspricht der Eintritt in die Streitkräfte noch immer ein finanziell abgesichertes Leben, das allerdings weitestgehend in einer auch wirtschaftlich geschlossenen Parallelwelt stattfindet. Militärangehörige leben in eigenen Städten, in denen sie Zugang zu vergünstigtem Wohnraum, Autos, Freizeit- und Urlaubseinrichtungen sowie Konsumgütern haben. Gleichzeitig sind die Streitkräfte durch ihre Nahrungsmittelproduktion auch an der Versorgung ärmerer Bevölkerungsschichten beteiligt und steigern hierüber ihr Ansehen innerhalb der ägyptischen Gesellschaft.
Die Popularität des Militärs in Teilen der Bevölkerung kam 2011 eindrücklich in dem während des Januar-Aufstandes skandierten Slogan "Die Armee und das Volk gehen Hand in Hand" zum Ausdruck. Die Militärs, angeführt von dem als unpolitisch geltenden damaligen Verteidigungsminister Mohammed Tantawi, verhielten sich während der Massenproteste gegen Präsident Mubarak zunächst neutral. Sie fürchteten nicht nur die internationalen Konsequenzen einer gewaltsamen Niederschlagung des Aufstands; viele Offiziere sympathisierten sogar mit der Protestbewegung, da sie einen Vater-Sohn-Wechsel im Präsidentenamt ablehnten, der sich unter Mubarak angedeutet hatte.
Im Februar 2011 zwang die Militärführung Mubarak schließlich zum Rücktritt und leitete einen politischen Transformationsprozess ein. Proteste in den Folgemonaten wurden durch eine Mischung aus Zugeständnissen und brutaler Repression geschickt kontrolliert. Im Juni 2012 machten die Generäle schließlich den Weg für Präsidentschaftswahlen frei, die der Muslimbruder und Zivilist Mohammed Mursi gewann. Allerdings unterstützten sie die Bruderschaft in ihren Auseinandersetzungen mit Gegnern im Staatsapparat und in der Judikative nicht. Vielmehr nutzten sie, angeführt vom neuen Verteidigungsminister Abdel Fatah al-Sisi, im Juni 2013 abermals die Unzufriedenheit in der Bevölkerung, um Mursi abzusetzen.
Seit dem Putsch 2013 ist das Militär darauf bedacht, seine Macht weiter zu festigen – und zwar mit allen Mitteln. In einer neuen Verfassung wurde die bis dahin eher informelle Rolle als Staat im Staate weitgehend formalisiert. Und mit der undemokratischen Wahl al-Sisis in das Präsidentenamt steht seit Juni 2014 wieder ein ehemaliger Militär an der Staatsspitze. Vor allem aber gehen die Streitkräfte mit aller Härte gegen Opposition und kritische Zivilgesellschaft vor. Militärgerichte urteilen Zivilisten in Schnellverfahren ab, und die Militärpolizei unterstützt Polizei und Staatssicherheit bei der gewaltsamen Niederschlagung von Protesten. Ohne Rücksicht auf zivile Opfer führen die Streitkräfte zudem eine bislang wenig erfolgreiche Anti-Terror-Kampagne gegen dschihadistische Gruppierungen auf der Sinai-Halbinsel.
Auch die militärischen Wirtschaftsaktivitäten wurden weiter ausgebaut. Lukrative Aufträge, insbesondere für große Infrastrukturprojekte wie den Ausbau des Suezkanals, gingen an die Streitkräfte. Und während Ägypten seine Zahlungsfähigkeit nur durch Kredite und Zuwendungen aus den Golfstaaten aufrechterhalten konnte, wurden die Militärausgaben deutlich gesteigert. Dabei dürften die rund fünf Milliarden US-Dollar, die 2015 aus der Staatskasse überwiesen wurden, nur einen Teil des Militärhaushalts ausmachen. Darauf deutet auch die kostspielige Aufrüstungspolitik hin, die unter Präsident al-Sisi betrieben wird.
Anders als in der Mubarak-Ära werden Rüstungsgüter nun nicht mehr weitgehend exklusiv über die USA gekauft. Vielmehr wurden seit 2014 Waffengeschäfte in Höhe von Milliarden US-Dollar auch mit anderen Staaten, allen voran Frankreich und Russland, getätigt. Offenkundig soll durch die Aufrüstung dem regionalen Bedeutungsverlust begegnet werden, den Ägypten trotz der Größe seiner Streitkräfte (rund 440.000 Soldaten und über 470.000 Reservisten) in den vergangenen Jahrzehnten erfahren hat. Zukünftig könnte das Militär daher nicht nur innen-, sondern auch außenpolitisch eine noch gewichtigere Rolle spielen. In jedem Fall sind Veränderungsprozesse in Ägypten gegen den Willen der Generäle kaum vorstellbar.
Stephan Roll / Jessica Noll
Dr. Stephan Roll ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Jessica Noll Forschungsassistentin in der Forschungsgruppe Naher/Mittlerer Osten und Afrika bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (swp) in Berlin.
Die konservativen Monarchien
Als Mitte des 20. Jahrhunderts die ersten Staaten der arabischen Welt ihre Unabhängigkeit erlangten, galten diejenigen Staaten, die Monarchien blieben, als konservativ, ja "altmodisch". Der anfänglichen Strahlkraft der neuen Republiken konnten die Monarchien nur drei zentrale Merkmale entgegensetzen, die ihre Herrschaft sichern und legitimieren sollten: Ölreichtum, "Stammesstrukturen" und konservativer Islam. Doch auch auf dieser Basis bildeten sich schließlich dieselben Herrschaftsformen heraus wie in den Republiken: Kooptation und Repression.
Die meisten arabischen Monarchien, wie Saudi-Arabien, Katar, Bahrain, Kuwait oder Oman, befinden sich am Persischen Golf und verfügen über große Ölvorkommen. Ausnahmen sind lediglich Marokko und Jordanien. Mit der drastisch wachsenden Nachfrage nach Erdöl und dem rasanten Anstieg des Erdölpreises gelangten die Golfmonarchien zu großem Reichtum. Dieser wird – ähnlich wie zunächst in den populistischen autoritären Republiken – auch dazu verwendet, um breite Teile der Bevölkerung durch großzügige staatliche Wohlfahrtsleistungen an das Herrscherhaus zu binden.
QuellentextMärchensultanat Oman
Das "Märchensultanat Oman" hat seit 1970 eine atemberaubende Entwicklung vollzogen. Unter Sultan Qabus konnte sich das Land aus seiner fast vollständigen Isolation lösen und zu einer weithin geachteten, aufstrebenden Nation und zu einem verlässlichen internationalen Partner entwickeln. Die personalisierte Herrschaft des populären Sultans, der Aufstieg des Landes unter seiner Regierung und seine tolerante Religionspolitik gegenüber unterschiedlichen muslimischen und nichtmuslimischen Gruppen haben ein omanisches Nationalgefühl gefördert, in dessen Zentrum der Landesvater steht. Wirtschaftlich ist Oman mit seiner Versorgungspolitik und einem großen Anteil ausländischer Arbeiter ein typischer Rentierstaat der Golfregion, wenngleich in gemäßigterem Ausmaß als die kleineren Golfmonarchien Kuwait, Katar und Vereinigte Arabische Emirate.
Die Proteste des Arabischen Frühlings hat das Sultanat mit einer Kombination aus steigenden Wohlfahrtsausgaben, institutioneller Anpassung und Repression bewältigt. Zentrale strukturelle Probleme blieben dabei allerdings ungelöst: Der aktuelle Rückgang der Weltmarktpreise für Öl und Gas und die dadurch sinkenden Staatseinnahmen verdeutlichen die Abhängigkeit von diesen Sektoren. Oman war der erste Mitgliedstaat des Golfkooperationsrates, der 2015 Schulden aufnehmen musste, und die Eingliederung der Bevölkerung Omans in den Arbeitsmarkt ist ins Stocken geraten.
Das politische System bleibt weiterhin auf die Person des kinderlosen Sultans zugeschnitten, der gesundheitlich angeschlagen ist und wohl nur noch eine beschränkte Herrschaftszeit vor sich hat. Die Regelung seiner Nachfolge ist ungewöhnlich und muss im Kontext der spezifischen Gegebenheiten des Sultanats betrachtet werden. Im omanischen Grundgesetz, dem Basic Law of the State, ist in Artikel 5 bis 7 festgelegt, dass der königliche Familienrat innerhalb von drei Tagen nach dem Ableben des Sultans einen Nachfolger zu bestimmen hat. Wenn ihm das nicht gelingt, ist der nationale Verteidigungsrat zusammen mit den Sprechern der beiden Parlamentskammern sowie dem Vorsitzenden und den beiden ältesten Mitgliedern des Obersten Gerichts beauftragt, einen neuen Sultan einzusetzen. Dessen Name soll in einem bereits vor vielen Jahren von Qabus hinterlegten Brief stehen, den der Verteidigungsrat dann öffnen würde. Mit der seit fast 20 Jahren gültigen Regelung vermied es Qabus, einen Nachfolger öffentlich bekannt zu geben, der ihm irgendwann zum Rivalen hätte werden können. Gleichzeitig zwingt er die königliche Familie, im Falle seines Ablebens zügig eine Einigung herzustellen, da andernfalls Akteure außerhalb der Herrscherfamilie daran beteiligt wären, ein Familienmitglied zum nächsten Sultan zu küren.
Es ist davon auszugehen, dass sich der Nachfolger von Qabus zunächst eigene persönliche Legitimität erarbeiten muss. Für den Übergang wäre es daher vorteilhaft, wenn die politische Entscheidungsfindung bereits weiter institutionalisiert wäre und eine bessere Koordination der Verwaltungsabläufe im Staat bestünde. Denkbar wäre, dass der jetzige Sultan einen Premierminister ernennt, der hilft, die Machtübergabe abzusichern. Weiterhin müsste die Legislative gestärkt werden. Bislang ist nur das Unterhaus vom Volk gewählt, und die Parlamentarier beider Kammern verfügen nur über eingeschränkte Möglichkeiten, um eine von der Regierung unabhängige parlamentarische Arbeit durchzuführen.
Ohne Qabus gäbe es das Sultanat Oman in seiner heutigen Form nicht. Ein Fortbestehen des Landes ohne ihn ist daher für viele Omanis kaum vorstellbar. Andererseits scheinen die politischen Institutionen und Entscheidungsstrukturen sowie der omanische "Way of Life" des multiethnischen Zusammenlebens größtenteils zu funktionieren. Der Test, ob sie auch ohne den Sultan nachhaltig stabil sein können, muss allerdings erst noch erbracht werden.
Thomas Richter
Vgl. für eine ausführlichere Darstellung: GIGA Focus Nahost, 10/2014
Als Verteilungskanäle für diese Wohlfahrtsleistungen werden vor allem Stammesstrukturen genutzt. Arabische Stämme kennzeichnet ein starker innerer Zusammenhalt, jedes Mitglied des Stammes bringt dem Stammesführer absolute Loyalität entgegen. So müssen die Monarchen nur die Stammesführer kooptieren, ihnen und ihren Stämmen Zugang zu materiellen Werten bieten, um sich damit die politische Loyalität des gesamten Stammes zu sichern. Mit der Unterstützung des althergebrachten Stammeswesens geben sich die Monarchien darüber hinaus als "Bewahrer traditioneller Werte".
Das weiterhin hohe Öleinkommen ermöglichte es ihnen, ihre Wohlfahrtsleistungen an das Volk bis in die Gegenwart aufrechtzuerhalten. Sie müssen deshalb tendenziell auch weniger oft und intensiv repressive Mittel einsetzen als die Republiken. Dennoch gibt es auch in den Monarchien Menschenrechtsverletzungen, Folter und Unterdrückung derjenigen, die ihre politische Loyalität verweigern und Kritik an der Regierung üben. Auch hier überwachen repressive Apparate mit gut ausgebauten Geheimdiensten die Bevölkerung.
Genauso verbreitet ist das Phänomen der Korruption, denn wo Kooptation besteht, können Personen mit besonderer politischer Position dieses Gewicht für die eigene Vorteilsnahme einsetzen und sich illegal bereichern.
Für die Legitimierung der Monarchen beim Volk spielt der Islam eine wichtige Rolle. Prinzipiell ist die Golfregion durch eine konservative Auslegung des Islam geprägt. Die Monarchien treten im öffentlichen Leben als seine Bewahrer auf. So müssen zum Beispiel Frauen Kopftuch, Gesichtsschleier und die traditionelle schwarze Abaya, ein dem orientalischen Obergewand des Kaftan ähnliches, bodenlanges Gewand, tragen, obwohl es sich hierbei streng genommen um vorislamische Kleidungsstücke handelt, die zunehmend zu islamischen Symbolen stilisiert werden.
Der jordanische und der marokkanische König beanspruchen für sich, direkte Nachkommen des Propheten Mohammed zu sein, während das saudische Herrscherhaus seine islamische Legitimität und seine herausragende Stellung in der gesamten Region aus seiner Rolle als "Hüter der Heiligen Stätten Mekka und Medina" und aus seiner Verbindung mit dem Wahhabismus bezieht. Eine Moral- und Sittenpolizei, die mutawwa, überwacht die Umsetzung strikter ultrakonservativer religiöser Verhaltensweisen in der Öffentlichkeit: Es gibt eine strenge Trennung von Männern und Frauen im öffentlichen Leben, und die harten Körperstrafen der Scharia, die in kaum einem anderen muslimischen Land durchgesetzt werden, finden in Saudi-Arabien Anwendung. So kann Dieben beispielsweise die Hand abgehackt werden.
Was die formale Organisation der Macht betrifft, gibt es zwei verschiedene Formen von Monarchien: absolute und konstitutionelle (also mit einer Verfassung ausgestattete) Monarchien. In absoluten Monarchien verfügt der König über uneingeschränkte Macht. So regiert König Salman Ibn Abd al-Aziz Al Saud in Saudi-Arabien ohne eine Verfassung, die seine Herrschaft einschränken oder regulieren könnte. Gleichzeitig sind die zentralen politischen Ämter mit Mitgliedern aus der Königsfamilie besetzt.
In den konstitutionellen Monarchien hingegen, wie zum Beispiel in Marokko und Jordanien, existiert eine Verfassung, die ein gewähltes Parlament und neben dem König eine Regierung vorsieht, mit der dieser sich die Macht teilt. Es gibt unterschiedliche Parteien, die bei Parlamentswahlen um Stimmen werben. Obwohl konstitutionelle Monarchien prinzipiell mit freiheitlichen und rechtsstaatlichen Prinzipien vereinbar sein können – wie das Beispiel Großbritannien zeigt –, so sind doch alle Monarchien der arabischen Welt, unabhängig davon, ob absolut oder konstitutionell, von Autoritarismus gekennzeichnet. Auch hier dominieren, ebenso wie in den Republiken, das Staatsoberhaupt und seine engsten Verbündeten die anderen Staatsgewalten, Legislative und Judikative. Und auch hier ist Parteienpluralismus, wenn überhaupt, meist nur formell gegeben. De facto werden Oppositionsparteien in ihren Handlungsmöglichkeiten stark eingeschränkt. Freie Meinungsäußerung und Kritik am Regime, ob in Presse oder Interessengruppen, sind nur begrenzt möglich. Gegen politische Kritiker werden Geheimdienste und Polizei eingesetzt.
Der Arabische Frühling im Jahr 2010/2011 hat den Autoritarismus im Nahen Osten erstmals ins Wanken gebracht. Tunesien, Ägypten, Syrien, Jemen, Libyen und auch Bahrain erlebten massive Proteste breiter Bevölkerungskreise. Die Besonderheit des Arabischen Frühlings war, dass er sich nicht nur gegen die eigentlichen Machthaber richtete, sondern darüber hinaus gegen ihre Prinzipien der Machtausübung – Kooptation und Repression – als solche. "Soziale Gerechtigkeit" wurde gefordert, um der Korruption ein Ende zu bereiten. Und der im Arabischen Frühling oft vernommene Ruf nach "Würde" wollte der willkürlichen Gewalt der Polizei und Geheimdienste ein Ende bereiten. Diese Forderungen finden bei den Bevölkerungen der meisten Länder der Region Widerhall.
Bisher scheint aber nur noch Tunesien Hoffnungsträger des Arabischen Frühlings zu sein, obwohl es auch hier Anfang 2016 zu Protesten gegen soziale Missstände kam.