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Grundlagen der Außenpolitik | Japan | bpb.de

Japan Zu diesem Heft Japan auf dem Weg ins 21. Jahrhundert Land und Leute Historische Entwicklung Geschichte und Einfluß des Kaiserhauses Aufbau des politischen Systems Gesellschaft und Kultur Wirtschaftliche Strukturen Grundlagen der Außenpolitik Literaturhinweise Redaktion

Grundlagen der Außenpolitik

Miriam Rohde

/ 19 Minuten zu lesen

Der japanische Regierungschef Yoshihiko Noda und US-Präsident Barack Obama 2011 in Haiti. (© picture-alliance/AP)

Einleitung

Die Außenpolitik Japans seit 1945 orientierte sich im wesentlichen an den USA als einzigem militärischen Bündnis- und wichtigstem Wirtschaftspartner. Die Rolle der USA als Schutzmacht ist um so bedeutender für die japanische Sicherheit, als sich das Land in Artikel 9 seiner Verfassung nur Selbstverteidigungskräfte mit geringer personeller und materieller Ausstattung zugesteht. Die Ablehnung der Herstellung und Stationierung von Atomwaffen gehört nach den Atombombenabwürfen von Hiroshima und Nagasaki ebenfalls zu den ehernen Grundsätzen der japanischen Außenpolitik. Gegenüber den mit Atomsprengköpfen ausgerüsteten Armeen der kommunistischen Nachbarstaaten China, Nordkorea und der Sowjetunion war der nukleare Schutzschirm der USA insbesondere während des Kalten Krieges daher für die japanische Sicherheit unentbehrlich.

Die Stationierung amerikanischer Streitkräfte auf japanischem Territorium sowie die Begrenzung der japanischen Streitkräfte erfüllen auch nach dem Ende des Kalten Krieges noch eine wichtige Funktion. Sie signalisieren und garantieren den asiatischen Nachbarstaaten, die während des Pazifischen Krieges unter japanischer Besatzung zu leiden hatten, daß von der größten Wirtschaftsmacht der Region heute keine militärische Bedrohung mehr ausgeht. Für die USA ist der Verteidigungspakt mit Japan das Rückgrat ihrer Asienpolitik.

Neben dem militärischen Bündnis mit den USA gehört ein von Japan entwickeltes Konzept "umfassender Sicherheit" zu den Grundlagen der Außenpolitik. Es basiert auf der Überzeugung, daß Staaten mit engen wirtschaftlichen Verflechtungen nicht in kriegerische Auseinandersetzungen miteinander treten, weil sie beide zu hohe Verluste davontragen würden. Wichtigstes Mittel dieser umfassenden Sicherheitspolitik sind die Gelder der staatlichen Entwicklungshilfe (ODA: Official Development Assistance, Öffentliche Entwicklungshilfe). Auch die Gründung der APEC (Asia-Pacific Economic Cooperation, Asiatisch-Pazifische Wirtschaftskooperation), an der Japan maßgeblich beteiligt war, unterstützt dieses Konzept.

Internationale Verantwortung

Nach dem Ende des Kalten Krieges ist die japanische Außenpolitik bemüht, eine neue, weniger an amerikanischen Zielvorgaben orientierte und eigenständigere Außenpolitik zu formulieren und durchzusetzen. Zu den wichtigsten Aufgaben, die sich Japan dabei gestellt hat, gehören die internationale Friedenssicherung, die Förderung des weltweiten Wohlstands durch wirtschaftlichen Fortschritt und die Liberalisierung des Welthandels sowie Maßnahmen zum globalen Umweltschutz.

Japan ist zudem seit Beginn der neunziger Jahre bemüht, eine stärkere Rolle bei der Förderung regionaler Kooperationen im asiatisch-pazifischen Raum zu übernehmen und das eigene Engagement in internationalen Organisationen, insbesondere der UNO, zu erhöhen. So ist der Einsatz der japanischen Selbstverteidigungskräfte zu friedenssichernden Maßnahmen der UNO inzwischen selbstverständlich. Japans finanzielles Engagement für internationale Organisationen war in der ersten Hälfte der neunziger Jahre größer als das jedes anderen Staates der Erde und legitimiert zusammen mit den friedenssichernden Maßnahmen die Bewerbung des Landes um einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat.

Entwicklungshilfe

Die staatliche Entwicklungshilfe, ODA, gehört zu den wichtigsten Instrumenten der japanischen Außenpolitik. Seit 1991 ist das Land in absoluten Zahlen größter staatlicher Entwicklungshilfegeber der Welt. 1995 beliefen sich die hierfür bereitgestellten Mittel auf mehr als 14 Milliarden US-Dollar. Gemäß der 1992 verabschiedeten ODA-Charta werden mit den Geldern zur technischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern folgende Ziele verfolgt:

  • Globale Abrüstung: Keine Unterstützung von Rüstungsexporten oder Vergabe von Entwicklungshilfemitteln an Staaten mit einem hohen Rüstungsetat.

  • Koordination von Umweltschutz und wirtschaftlicher Entwicklung.

  • Förderung der freien Marktwirtschaft.

  • Förderung von Demokratie und Menschenrechten.

Als ein Beispiel für die Anwendung der Vergabe von Entwicklungshilfe als Mittel gegen atomare Aufrüstung kann das Einfrieren eines Teiles der für die VR China bestimmten Mittel 1994 als Reaktion auf chinesische Atombombenversuche genannt werden. Die Bekämpfung von Armut, AIDS, Maßnahmen zur Geburtenkontrolle und der weltweite Umweltschutz gehören zudem gegenwärtig zu den größten Herausforderungen, denen sich die japanische Entwicklungshilfepolitik gegenübersieht.

Mehr als 80 Prozent der japanischen Mittel flossen bisher in die ostasiatischen Nachbarstaaten, wobei erhebliche Summen für den Ausbau der Infrastruktur aufgewendet wurden. Insgesamt wurden bis 1994 mit japanischer Entwicklungshilfe finanziert:

  • Indonesien

    • 12 % des Eisenbahnsystems.

    • 15 % aller Schnellstraßen.

    • 30 % aller Elektrizitätsgeneratoren.

  • Philippinen

    • 5 % aller Elektrizitätsgeneratoren.

    • 10 % aller ganzjährig befahrbaren Nationalstraßen.

    • 11 % aller Telefonschaltkreise außerhalb Manilas.

  • Thailand

    • 16 % der installierten Elektrizität.

    • Ein hoher Prozentsatz des Transportsystems, einschließlich des Bangkok International Airport und acht zentraler Brücken.

    • 5 % aller Telefonschaltkreise in der Hauptstadt.

  • Malaysia

    • 46 % aller Elektrizitätskapazitäten auf der malaysischen Halbinsel.

    • 92 % aller Elektrizitätskapazitäten im Bundesstaat Saba.

    • 98 % aller Elektrizitätskapazitäten im Bundesstaat Sarawak.

    • 20 % aller Schnellstraßen.

Nach japanischer Einschätzung haben diese Investitionen wesentlich zur raschen wirtschaftlichen Entwicklung der Region beigetragen. Sie zogen häufig auch die Ansiedlung ausländischer Unternehmen - insbesondere aus Japan - nach sich, die wiederum maßgeblich zur Industrialisierung beitrugen. In Folge dieses konzertierten Engagements der staatlichen Entwicklungshilfe und der Privatindustrie sei eine dauerhafte Anhebung des Bildungsstandes und der Lebensbedingungen in den Staaten erzielt worden. Da nun aber das Entwicklungsziel in dieser Region weitgehend erreicht ist, bemüht sich die japanische Entwicklungshilfepolitik um ein stärkeres Engagement in anderen Regionen der Welt, insbesondere in Afrika und Lateinamerika.

Von anderen Entwicklungshilfegeberstaaten und von nichtstaatlichen Entwicklungshilfeorganisationen ist die japanische Entwicklungshilfepolitik in der Vergangenheit häufig kritisiert worden, weil sie einer Reihe international anerkannter Standards nur unzureichend Rechnung trägt. So fließt nur ein geringer Teil der Mittel an die ärmsten Staaten der Erde. Das Gros der japanischen Mittel wird in Form von Krediten zu Niedrigzinsen vergeben, so daß der Anteil der Schenkungen erheblich unter dem der meisten anderen Geberstaaten liegt. Die technische Hilfe, die vor allem auch die Ausbildung von Fachkräften in Entwicklungsländern umfaßt und daher als langfristig besonders wertvoll eingestuft wird, hat bei der japanischen ODA traditionell ebenfalls einen geringeren Stellenwert als etwa bei europäischen Entwicklungshilfegebern.

Der Schwerpunkt der japanischen Entwicklungshilfezusammenarbeit lag demgegenüber auf der Finanzierung von Großprojekten. Dies hat historische und wirtschaftliche Ursachen. Als Beginn der wirtschaftlichen Zusammenarbeit Japans mit seinen ostasiatischen Nachbarstaaten werden die während der fünfziger Jahre geleisteten Reparationen angesehen. Diese wurden in Form von Warenlieferungen gezahlt, die von der japanischen Industrie auf Staatskosten hergestellt worden waren.

Nach dem gleichen Muster wurde die Entwicklungshilfe organisiert. Sie wirkte stimulierend auf die japanische Wirtschaft und sicherte zudem die für die industrielle Weiterentwicklung Japans dringend notwendige Rohstoffversorgung. Die staatliche Entwicklungshilfe in Japan gründete sich somit von Anfang an auf ein starkes wirtschaftliches Eigeninteresse, das man mit den Entwicklungsambitionen der Empfängerstaaten zu verbinden suchte. Das System der Mittelvergabe in Japan fußte dabei auf einer engen Kooperation zwischen Staat und Wirtschaft.

Seither haben sich die internationalen wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen erheblich verändert, und auch die japanische Entwicklungshilfepolitik ist heute bemüht, die internationalen Qualitätsmaßstäbe und die 1992 formulierten Zielsetzungen zu erfüllen.

Asienpolitik

Seit Japans Öffnung gegenüber dem Westen Mitte des 19. Jahrhunderts hat die Frage, ob Japan ein Teil des Westens oder ein Teil Asiens ist, einen zentralen Punkt in der Diskussion über die nationale Identität des Landes gebildet. Die Antwort auf diese Frage fiel dabei dem zeitgeschichtlichen Kontext entsprechend jeweils recht unterschiedlich aus: Die Meiji-Reformer der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts sahen Europa und die USA als ihre Modernisierungsmodelle an. Ihre Haltung kam in dem weit verbreiteten Slogan "aus Asien heraus, nach Europa hinein" zum Ausdruck. Die Gegenwelle folgte in den dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts, als Ultranationalisten und Militärs die vermeintliche Unterwerfung unter den Westen brandmarkten und eine Besinnung Japans auf seine asiatischen Wurzeln forderten. Allerdings blieb es nicht bei der Besinnung allein; ihre Vision von einer "Großostasiatischen Wohlstandssphäre" unter japanischer Führung brachte den asiatischen Nachbarstaaten des Landes vor und während des Pazifischen Krieges (dem asiatischen Teil des Zweiten Weltkrieges) Unterdrückung und Gewalt in Form von japanischer Kolonialherrschaft oder Besatzung.

Nach der Niederlage im Pazifischen Krieg und der anschließenden amerikanischen Besatzung wurde die Ausrichtung auf Asien in Japan als ein fataler Irrweg angesehen. Fortan bildete die Identifizierung mit dem Westen im allgemeinen und den USA im besonderen den zentralen geostrategischen Orientierungspunkt des Landes. Erst mit dem Ende des Kalten Krieges, dem Entstehen einer dritten dynamischen Wachstumsregion in Ostasien und der damit einhergehenden raschen Zunahme der wirtschaftlichen Verflechtung zwischen Japan und der Region wurde die Frage der "asiatischen Seite" der japanischen Identität wieder aktuell. Weitgehend unstrittig ist dabei mittlerweile zumindest, daß Japan sowohl ein Teil des Westens als auch Asiens ist. Debattiert wird aber darüber, wohin das Schwergewicht gelegt werden soll. Trotz deutlich zunehmenden Interesses Japans an den asiatischen Nachbarstaaten seit Anfang der neunziger Jahre ist dabei klar, daß Japan als global agierendes Land teilweise andere Interessen verfolgt als viele seiner eher regional orientierten Nachbarstaaten.

Infolge der starken Anlehnung der japanischen Außen- und Sicherheitspolitik an die der USA waren Japans Beziehungen zu anderen Ländern der Region lange Zeit von den Strukturen des Kalten Krieges überlagert. Dies hatte insbesondere Auswirkungen auf das Verhältnis zu den kommunistischen Nachbarstaaten China und Rußland. So nahm Tokyo erst 1972 vor dem Hintergrund der amerikanisch-chinesischen Annäherung diplomatische Beziehungen mit Beijing auf. Bis dahin hatte es die Führung auf Taiwan als einzig legitime Vertretung Chinas angesehen. 1978 wurden die Beziehungen zwischen Japan und der Volksrepublik China durch den sogenannten Friedens- und Freundschaftsvertrag ausgebaut.

Derartige Fortschritte lassen bis heute im Verhältnis zu Rußland auf sich warten. Aufgrund eines Territorialkonfliktes um die Kurilen-Inseln existiert bislang nicht einmal ein formeller Friedensvertrag zwischen Tokyo und Moskau. Wenn sich auch die Beziehungen zwischen Tokyo und Moskau seit dem Ende des Kalten Krieges entkrampft und eine Reihe von Treffen auf der obersten Staatsebene stattgefunden haben, konnte ein wirklich freundschaftliches oder vertrauensvolles Verhältnis bisher nicht aufgebaut werden. Gutnachbarschaftliche Beziehungen im Sinne eines intensiven politischen Dialoges, zahlreicher Kontakte auf der Ebene der menschlichen Beziehungen beider Länder sowie ausgedehnte wirtschaftliche Kontakte sind - wenn überhaupt - erst für die Zeit nach einer Lösung des Kurilen-Problems zu erwarten.

Auf der Grundlage ihrer geostrategischen Interessenlage förderten die USA in den fünfziger und frühen sechziger Jahren aktiv die Wiederaufnahme diplomatischer und wirtschaftlicher Beziehungen Japans mit Südkorea und den Staaten Südostasiens. Hauptanliegen der USA war es dabei, Japans Wirtschaft angesichts des Verlustes des traditionellen Hinterlandes (China, Mandschurei, nördliches Korea) zu stabilisieren, um Japan als Bollwerk gegen den Kommunismus in der Region zu sichern. Das Vermächtnis von Japans Vergangenheit als Kolonial- oder Besatzungsmacht in Ostasien sowie die in den Augen der Nachbarländer nur unvollständig geleistete Vergangenheitsbewältigung in Japan haben eine völlige Normalisierung der Beziehungen aber bisher verhindert. Am wenigsten problembeladen sind dabei noch die Beziehungen zum südostasiatischen Staatenverbund ASEAN (Association of South East Asian Nations; 1967 gegründete Vereinigung südostasiatischer Staaten), dem 1996 Indonesien, Malaysia, die Philippinen, Singapur, Thailand, Brunei und Vietnam angehörten. Noch Anfang der siebziger Jahre wurde eine Reise des damaligen japanischen Regierungschefs in die ASEAN von Demonstrationen aufgebrachter Studenten begleitet. Mittlerweile dominiert jedoch eine pragmatische Haltung in der Subregion, wobei Japan vor allem in seiner Funktion als wichtige Stütze des industriellen Entwicklungsprozesses in Südostasien gesehen wird.

Schwieriger gestaltet sich dagegen immer noch das Verhältnis zu den beiden koreanischen Staaten und zur Volksrepublik China, welche die Hauptopfer des japanischen Expansionsdranges vor und während des Zweiten Weltkrieges waren. Allein in China kamen in den Wirren des Krieges mit Japan Millionen von Menschen ums Leben. Auch Japans schonungsloses Kolonialregime in Korea (1910 bis 1945) hinterließ tiefe Narben, wie allein die Tatsache verdeutlicht, daß es trotz amerikanischen Drucks bis zum Jahre 1965 dauerte, um diplomatische Beziehungen zwischen Japan und Südkorea herzustellen. Obwohl das Klima in den offiziellen Beziehungen zwischen Tokyo und Seoul in den neunziger Jahren zunehmend vom Geist der Zusammenarbeit und der Logik gegenseitiger wirtschaftlicher Abhängigkeit bestimmt worden ist, liegen die alten Feindbilder immer noch dicht unter der Oberfläche. Dies zeigte sich etwa Mitte der neunziger Jahre, als zum einen Enthüllungen über das Schicksal koreanischer Frauen, die von der japanischen Armee während des Zweiten Weltkriegs als Zwangsprostituierte mißbraucht wurden, und als zum anderen ein Aufflammen des alten Territorialstreits über die Takeshima-Inseln zu spontanen Demonstrationen in Südkorea führten.

QuellentextVerhältnis zu Nachbarn

Zur Stärkung des gegenseitigen Verständnisses ist es auch wichtig, daß die Traditionen und Kulturen der Nachbarn betrachtet werden. In Zusammenarbeit mit privaten Initiativen möchte ich gerne den Kulturaustausch fördern - vor allem unter jungen Menschen, die die Welt künftig führen werden - und die kulturelle Zusammenarbeit auf einer multilateralen Basis festigen, damit unterschiedliche Kulturen harmonisch leben können. Als konkrete Maßnahme möchte ich vorschlagen, daß ein multinationaler Kulturausschuß unter Einbeziehung von Experten aus Japan und der ASEAN eingerichtet wird, der Empfehlungen für den kulturellen Austausch und die Zusammenarbeit unterbreiten soll. Durch diesen Austausch und diese Zusammenarbeit wird, wie ich hoffe, ein Gefühl der Gemeinschaft im ganzen asiatisch-pazifischen Raum gefördert.

[…]

Aufgrund der Situation, daß sowohl Japan als auch die ASEAN in zunehmendem Maß globale Rollen übernehmen, würden ihre gemeinsamen Initiativen, um Aufgaben des 21. Jahrhunderts wie Terrorismus, Umwelt, die Verbesserung der Gesundheitssysteme und des Wohlstandes, das Vorgehen gegen Nahrungsmittel- und Energieengpässe, Bevölkerungswachstum, AIDS, das Drogenproblem und die Stärkung der Rechtssysteme in Angriff zu nehmen, sicherlich die Beziehung zwischen Japan und der ASEAN erweitern und vertiefen. […]

Die Umwelt ist ein Thema von weltweiter Bedeutung. In der Zeit seines hohen wirtschaftlichen Wachstums hat Japan Erfahrungen mit ernster industrieller Verschmutzung der Luft sowie des Wassers gemacht […] und dieses Problem mit Hilfe gemeinsamer Anstrengungen der Regierung und des privaten Sektors behoben, während zeitgleich neue Produkte und Industrien entstanden. In den letzten Jahren war Japan mit Engagement an der Lösung neuer Arten von Umweltproblemen beteiligt; hierzu zählen die Müllbeseitigung und die globale Erwärmung, die ein Resultat der Massenproduktion und des Massenkonsums ist - und in der sich die Verstädterung und Veränderungen im Lebensstil widerspiegeln. Ich hoffe, daß Japan mit den ASEAN-Ländern, die nun ein spektakuläres Wachstum genießen, seine Erfahrungen und Technologien zur Reduzierung der Umweltbelastung sowie zur effizienten Nutzung der Energie teilt - nicht nur seine Erfolge, sondern auch Fehler und Schwierigkeiten der Vergangenheit, damit ihnen nicht dieselben Fehler unterlaufen.

Ministerpräsident Ryutaro Hashimoto in Südostasien; Grundsatzrede in Singapur zu Japans Außenpolitik, in: Archiv der Gegenwart vom 14. Januar 1997.

Verhältnis zu China

Das wohl wichtigste bilaterale Verhältnis in Ostasien ist das zwischen Japan und der Volksrepublik China. Die Beziehung ist von elementarer Bedeutung für Sicherheit, Stabilität und wirtschaftliche Zusammenarbeit in der Region. Das Verhältnis zwischen Tokyo und Beijing stellt somit eine der Herausforderungen für die Zeit nach dem Ende des Kalten Krieges dar. Nach der Normalisierung der diplomatischen Beziehungen 1972 gelang es Japan und der Volksrepublik China im großen und ganzen gutnachbarschaftliche Beziehungen aufzubauen. Zeitweilig wurden die Beziehungen jedoch immer wieder durch Äußerungen erzkonservativer japanischer Politiker gestört, die eine Verantwortung Japans für die Aggressionen während des Pazifischen Krieges ableugneten. Andererseits führten aber auch zuweilen Ereignisse in der Volksrepublik China, wie etwa die wiederholten Atomtests des Landes, zu Verstimmungen in Tokyo. Untermauert wurde das Verhältnis zwischen Tokyo und Beijing wie auch die sino-amerikanischen und die japanisch-amerikanischen Beziehungen dagegen angesichts der gemeinsamen Bedrohung durch die Sowjetunion.

Die wirtschaftliche Reform und außenwirtschaftliche Öffnung der Volksrepublik China seit den späten siebziger Jahren fügte der Beziehung zwischen den beiden Staaten eine neue Dimension hinzu. Japan sah Chinas Reformpolitik als förderlich für die Stabilität Ostasiens an und unterstützte daher die Öffnung des Landes. Die Volksrepublik China wiederum sah in Japan ein Modell für ihren wirtschaftlichen Modernisierungsprozeß. Zudem wird Japan in China als wichtige Quelle von Kapital, Technologie und Managementfähigkeiten betrachtet, während Japan die Volksrepublik China zunehmend als einen Exportmarkt und Basis für Fertigung im Ausland nutzt. Der Auf- und Ausbau kooperativer Beziehungen hat mithin insgesamt die politischen und wirtschaftlichen Interessen beider Länder widergespiegelt.

QuellentextKonfuzianismus in Japan

Der Konfuzianismus ist keine Religion, sondern eine Staats- und Morallehre aus dem chinesischen Kaiserreich mit dem Ziel einer festgefügten Gesellschaftsordnung. Seine wichtigsten Prinzipien betreffen die Beziehungen des Volks zum Herrscher, des Schülers zum Lehrer und der Freunde, Mitschüler oder Kollegen untereinander. Vom Einzelnen wird nicht in erster Linie gefordert, die Person des Konfuzius zu verehren, sondern sich mit allen Kräften der eigenen Erziehung zum guten und nützlichen Staatsbürger zu widmen. Jeder hat die Pflicht, fleißig zu lernen, Lehrer zu respektieren und das Wohl des Staates, der Gruppe und der Familie vor das eigene zu stellen.

Als im 19. Jahrhundert das Kaisertum in Japan als Staatsform wieder stabilisiert werden sollte, wurde auch eine Bildungsreform durchgeführt. Einer möglichst breiten Bevölkerungsschicht sollten die zur Modernisierung notwendigen Kenntnisse, militärische Disziplin und absoluter Gehorsam gegen die Eltern und den Kaiser vermittelt werden. Dazu wurde aus den Überlieferungen des Shinto und den Lehren des Konfuzianismus eine religionsähnliche Staatsideologie aufgebaut. "Die Strategie der Meiji-Regierung bestand darin, die politische Ideologie des Tenno-Staates als das einzige kulturelle Erbe Japans unter dem Volk zu verbreiten. "Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden unter dem Einfluß der amerikanischen Besatzung die Leitlinien des Erziehungssystems völlig umgestellt. Die Werte Demokratie, Frieden und Grundrechte für das Individuum sollten von nun an vermittelt werden. Der herkömmliche Moralkundeunterricht an den Schulen wurde zunächst völlig abgeschafft, da er vor dem Krieg zur ideologischen Aufrüstung gebraucht worden war. In den siebziger Jahren wurde die Moralerziehung jedoch wieder eingeführt, weil man inzwischen glaubte, traditionellen japanischen Werten dadurch wieder mehr Bedeutung zu geben.

"Die konkret benannten Lernziele für die drei Schulstufen, Grund-, Mittel- und Oberschulen, sehen wie folgt aus: Bei den Grundschulen: 1. grundlegende Lebensgewohnheiten, 2. Harmonie mit Geschwistern und Freunden und gegenseitige Hilfeleistung, 3. Achtung vor Lehrern und Eltern, 4. Achtung vor der eigenen Klasse. Bei den Mittelschulen: 1. Einhaltung der gesellschaftlichen Normen im Alltag. 2. Vertrauen und Achtung vor Freunden, 3. Liebe zur eigenen Schule, zur eigenen Region und zur eigenen Nation. Bei den Oberschulen: 1. Einhaltung der öffentlichen Tugenden, 2. Dienst an der Gesellschaft, 3. Rücksichtnahme gegenüber den anderen, 4. Achtung vor der japanischen Kultur und Tradition."

Petra Plate, Hamburg, (Zitate nach Mikiko Eswein, Erziehung zwischen Konfuzianismus und Bismarck, Duisburg 1996, S. 7 und 19.).

Die bilaterale Beziehung ist jedoch nach dem Ende des Kalten Krieges in eine Phase der Unsicherheit eingetreten. So hat erstens der Zusammenbruch der Sowjetunion zum Abbau der gemeinsamen Bedrohung für Japan und die Volksrepublik China geführt. Ein neuer strategischer Rahmen ist daher für die Neudefinition der Beziehung nötig. Zweitens ist angesichts des raschen Aufstiegs der Wirtschaft Ostasiens die Führungsrolle der USA in der Asien-Pazifik-Region zurückgegangen. Es stellt sich daher die Frage, ob die Staaten der Region in Zukunft auftretende wirtschaftliche oder sicherheitspolitische Probleme gravierender Art aus eigenen Kräften lösen können. Drittens schließlich hat die chinesische Wirtschaft seit der Öffnung ein rapides Wachstum erlebt, während die japanische Wirtschaft endgültig in die Phase nur noch geringer Zuwächse eingetreten ist. Der unvermeidliche Wandel in der relativen Bedeutung der beiden Volkswirtschaften wird nicht ohne Auswirkungen auf Aushandlungsprozesse zwischen den beiden Ländern bleiben können.

Nach einer Voraussage der OECD (Organization for Economic Cooperation und Development, Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung), soll sich Chinas Anteil an der gesamten Weltproduktion von 11,3 Prozent im Jahre 1990 auf 19,1 Prozent im Jahre 2010 vergrößern. Sollte sich die Entwicklung tatsächlich in dieser Richtung vollziehen, würde noch in der ersten Phase des nächsten Jahrtausends China gegenüber Japan und den USA aufholen oder gar die beiden Länder überholen. Die Anpassung an Chinas Aufstieg wird in jedem Fall zu einer der großen Aufgaben für die internationale Staatengemeinschaft im allgemeinen und Nachbarstaaten wie Japan im besonderen werden. Konkret wird es dabei darum gehen, wie China in die Strukturen und Institutionen der internationalen Wirtschaft integriert werden kann und wie die Probleme in den Bereichen der Energie- und Nahrungsmittelversorgung sowie Umweltzerstörung, die aus dem wirtschaftlichen Wachstum Chinas resultieren, angegangen werden können.

Neben wirtschaftlich bedingten Herausforderungen existiert aber mittel- bis langfristig auch eine Reihe von politischen und strategischen Fragen für das Verhältnis zwischen Tokyo und Beijing. So stellt sich vor dem Hintergrund der gegenwärtig begrenzten Fähigkeit Rußlands, eine zentrale Rolle in Ostasien zu spielen und dem immer wieder angezweifelten Willen der USA, auf lange Sicht die Funktion einer strategischen Ordnungsmacht in der Region zu übernehmen, die Frage: Wird es gelingen, multilaterale Strukturen zur Vertrauensbildung und zur Sicherung von Frieden und Stabilität zu schaffen oder aber wird einer der beiden Kandidaten für eine regionale Führungsrolle, nämlich Japan oder die Volksrepublik China, versuchen, das entstehende Machtvakuum aufzufüllen? Dies würde zu einer deutlichen Erhöhung des Konfliktpotentials in der Region führen. Letztlich geht es also um die Frage, ob sich die Schrecken der Vergangenheit wiederholen werden oder ob die Basis für ein "asiatisches Jahrhundert" in Frieden und Wohlstand geschaffen werden kann.

QuellentextTerritorialkonflikte

Die vier Kurilen-Inseln Etorofu, Kunashiri, Habomai und Shikotan, die nordöstlich von der nördlichen japanischen Hauptinsel Hokkaido liegen, sind zwischen Japan und Rußland umstritten. Die Sowjetunion hatte die Inseln, die in Japan auch als "Nördliche Territorien" bezeichnet werden, am Ende des Zweiten Weltkrieges annektiert, nachdem sie in einem geheimen Zusatz zum Abkommen von Yalta (1944) der Sowjetunion zugeschlagen worden waren. Japan sieht diese Zusatzvereinbarung als illegal an. Während des Kalten Krieges waren auf den Inseln bis zu 10000 sowjetische Soldaten sowie Kampfflugzeug-Geschwader stationiert. Neben ihrem strategischen Wert sind die Inseln auch traditionell wegen der sie umgebenden Fischgründe von Interesse gewesen. Eine Aufteilung der Inseln, in deren Rahmen die kleineren Inseln Habomai und Shikotan an Japan zurückgegeben werden sollten, scheiterte Mitte der fünfziger Jahre mit dem Abbruch der Verhandlungen über einen bilateralen Friedensvertrag zwischen der Sowjetunion und Japan.

Japan, die Volksrepublik China und Taiwan erheben Anspruch auf die sieben unbewohnten Senkaku-Inseln (chinesisch: Diaoyu), die sich 170 Kilometer nördlich von Taiwan im Ostchinesischen Meer befinden. Der Streit entstand nach dem Zweiten Weltkrieg als Japan seine Kolonialherrschaft über Taiwan aufgab, aber die Kontrolle über die Inselgruppe behielt. Der Kontroverse zwischen den drei Staaten liegen unter anderem unterschiedliche Interpretationen des Friedensvertrags von Shimonoseki (1885) zwischen Japan und China zugrunde. Eine Klarstellung der Souveränität über die Inseln, in deren Nähe Ölvorkommen vermutet werden, hätte Auswirkungen auf die Frage, wer 40000 Quadratkilometer des dazugehörigen Festlandsockels wirtschaftlich nutzen darf. Die Frage der Hoheit über die Inseln wurde aus dem Friedens- und Freundschaftsvertrag zwischen Japan und der Volksrepublik China ausgeklammert.

Die Liancourt-Felsen, die in Japan Takeshima ("Bambusinseln") und in Korea Tokdo genannt werden, sind zwei winzige felsige Eilande, welche sich 89 Kilometer von der nächsten südkoreanischen und 161 Kilometer nordwestlich von der nächsten japanischen Insel in der Japanischen See (koreanisch: Ostmeer) befinden. Die Kontroverse über die Inseln kam 1952 auf, als Südkorea das Gebiet mit in sein maritimes Hoheitsgebiet einschloß. Sowohl Japan als auch Korea machen historische Gründe für ihren Territorialanspruch geltend. Südkorea unterhält auf den Felsen eine kleine Polizeitruppe und einen Hubschrauberlandeplatz. Souveränität über die Felsen würde einhergehen mit der wirtschaftlichen Nutzung des bis zu 63300 Quadratkilometer umfassenden Festlandsockels.

Beziehungen zu Europa

Seit Mitte der achtziger Jahre kam in Tokyo das Schlagwort von der Asymmetrie der Beziehungen innerhalb der "Triade" (Japan-USA-Europa) auf. Damit war gemeint, daß die Beziehungen Japans zu Europa verglichen mit den europäisch-amerikanischen Beziehungen und den japanisch-amerikanischen sehr schwach entwickelt waren. Zwar wurden globale Themen zwischen den Industriestaaten bereits seit Mitte der siebziger Jahre im Rahmen von jährlichen, regelmäßigen Gipfeltreffen der Regierungs- und Staatsoberhäupter erörtert. Doch ergaben sich immer mehr Bereiche, die bei Europäern wie Japanern den Wunsch nach mehr Kontakten zwischen Japan und der EU und ihren einzelnen Mitgliedsländern aufkommen ließen.

Dazu gehörten Anfang bis Mitte der achtziger Jahre vor allem der wachsende japanische Handelsüberschuß mit den Staaten Europas auf der einen und die europäischen Einigungsbemühungen auf der anderen Seite. Besonders der europäische Einigungsprozeß mit dem Ziel eines gemeinsamen Binnenmarktes führte zu zwischenzeitlichen Befürchtungen auf japanischer Seite, der nach den USA wichtigste Absatzmarkt für japanische Konsumgüter könnte sich künftig stärker nach außen abschließen. Während die japanische Privatwirtschaft insbesondere gegen Ende der achtziger Jahre mit immensen Direktinvestitionen in die Staaten der EU versuchte, möglicherweise kommende Importbeschränkungen durch Montagefabriken innerhalb Europas zu umgehen, bauten die Regierungen in Europa und Japan ihren Dialog über Marktzugang aus.

Aber auch politische Themen wie die Rüstungskontrollverhandlungen in Europa machten ein abgestimmtes Vorgehen aus japanischer Sicht sinnvoll. So befürchtete man in Japan etwa, die von der Sowjetunion mit dem Westen vereinbarte Truppen- und Kernwaffenreduzierung in Europa könnte von einem parallel verlaufenden Truppenaufbau im Fernen Osten begleitet sein. Seit dem Fall der Berliner Mauer und dem Ende des Kalten Krieges ist diese Notwendigkeit zu einer Abstimmung des gemeinsamen Vorgehens gegenüber der Sowjetunion bzw. Rußland sogar noch gewachsen. Dazu gehören so grundsätzliche Fragen, wie die nach Möglichkeiten zur Milderung der aus den Transformationsschwierigkeiten in Rußland entstehenden Probleme.

Hinzu kamen gegen Ende der achtziger Jahre weitere gemeinsame Interessen. Dazu gehören etwa

  • die Verhandlungen im GATT (General Agreement on Tariffs and Trade, Internationales Zoll- und Handelsabkommen) zur Gewährleistung eines freien Welthandels und der Festsetzung der Regeln, nach denen dieser funktionieren soll,

  • die Gestaltung der neuen Welthandelsorganisation WTO,

  • Abkommen zur Rüstungskontrolle und Friedenssicherung,

  • koordiniertes Vorgehen zur Sicherung gemeinsamer Interessen innerhalb der UNO und ihrer Unterorganisationen,

  • Maßnahmen zum weltweiten Umweltschutz,

  • Verhandlungen zwischen regionalen Zusammenschlüssen wie der APEC und der EU.

Zu diesen gemeinsamen Interessen gehören seit Beginn der neunziger Jahre in zunehmendem Maße Themen wie globaler Umweltschutz und Armutsbekämpfung. Hier versucht man durch neue Kooperationen im Rahmen der staatlichen Entwicklungshilfe gemeinsam neue Wege zu gehen und von den bisherigen unterschiedlichen Erfahrungen des jeweils anderen zu profitieren.

Ein weiterer Themenkreis, der in den neunziger Jahren auch für die europäisch-japanischen Beziehungen immer mehr an Bedeutung gewonnen hat, ist die globale Friedenssicherung. Hier ist insbesondere das japanische Engagement in Ex-Jugoslawien zu erwähnen. Zum einen wurden die UN-Maßnahmen fast bis zum Ende des Krieges von dem Japaner Yasushi Akashi geleitet, was in Japan wie in Europa symbolisch für die Notwendigkeit gestanden haben mag, derartige Probleme künftig gemeinsam lösen zu müssen, da kriegerische Konflikte in einer immer näher zusammenrückenden Welt alle gleichermaßen angehen sollten. In diesem Sinne hat Japan mehrfach Regierungsdelegationen in die Region entsandt und finanzielle Wiederaufbauhilfe bereitgestellt. Die Möglichkeiten einer europäischen Beteiligung an den Friedensbemühungen auf der koreanischen Halbinsel werden zur Zeit zwischen Japan und Europa durchdacht.

Eine Kooperation zwischen der EU und Japan bei internationalen Wirtschaftsfragen erscheint für beide Seiten zunehmend sinnvoll, stimmen ihre Interessen in vielen Punkten doch mehr miteinander überein, als mit denen des für beide so wichtigen wie mächtigen Handels- und Bündnispartners USA.

Deutsch-japanische Beziehungen

Die Geschichte der deutsch-japanischen Beziehungen begann mit der Episode eines "Technologietransfers": Ein deutscher Geschützbauer goß 1639 den ersten einsatzfähigen Mörser Japans. Damit war die Technik des Geschütz-Gießens in Japan verankert, wenn auch diese "moderne" Technologie noch zwei Jahrhunderte ungenutzt blieb. Während der japanischen Abschließungsepoche vom 17. bis in das 19. Jahrhundert gelangten wenige Deutsche im Dienst der Holländisch-Ostindischen Kompagnie nach Japan; einige von ihnen beschrieben ausführlich und wissenschaftlich präzise Land und Leute. Der berühmteste Deutsche in dieser Zeit war sicher Engelbert Kaempfer aus Lemgo, der im Dienst der Holländisch-Ostindischen Kompagnie als Arzt für die holländische Faktorei auf der Insel Deshima vor Nagasaki wirkte. Von ihm stammen die ersten wirklich wissenschaftlich akribisch erstellten Aufzeichnungen über Japan in deutscher Sprache, die 1777 unter dem Titel "Geschichte und Beschreibung von Japan" erschienen.

Von echten Beziehungen zwischen Deutschland und Japan kann man erst seit 1861 sprechen, als Preußen mit Japan einen Freundschafts- und Handelsvertrag schloß, der wie alle internationalen Verträge jener Zeit, als "ungleicher Vertrag" gelten mußte, das heißt als ein Vertrag, der Japan mehr oder weniger aufgezwungen wurde.

Intensiver wurden die bilateralen Kontakte, seit die Reformregierung der Meiji-Zeit (1868-1912) sich für das kaiserliche Deutschland unter preußischer Vorherrschaft als Vorbild für wissenschaftlich-technische Entwicklung und bei der politischen Neustrukturierung des Meiji-Staates entschied. Der Anstoß für diese Entscheidung kam von Politikern der sogenannten "Iwakura-Mission", die 1873 Berlin besuchte. Die Delegation unter Leitung des Reformpolitikers Iwakura Tomomi hatte verschiedene europäische Länder bereist, um ihre Verfassungen zu studieren. Im autoritären, aber modernen Deutschland sah die Meiji-Führung eher ein Modell als in den demokratischen Staaten Europas; circa 60 Prozent aller Spezialisten, die aus Japan zum Studium ins Ausland entsandt wurden, gingen nach Deutschland. Besonders im Bereich des Staatsrechts war der deutsche Einfluß beträchtlich: Die japanische Verfassung 1889-1945 war in wesentlichen Teilen der deutschen Staatslehre verpflichtet.

Die guten - aber nicht "exklusiven" - Beziehungen zwischen zwei autoritären Systemen, zwei globalen "Spätentwicklern" in der Welt, überlebten sogar die Kriegsgegnerschaft im Ersten Weltkrieg. Japan saß auf seiten der Sieger, aber Japaner spendeten in den zwanziger Jahren großzügig für die Hilfsorganisation "Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft", der Vorgängerin der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Die grundsätzliche Sympathie gegenüber Deutschland in den japanischen Eliten hatte 1895 einen schweren Stoß erhalten, weil Deutschland an der Seite Frankreichs und Rußlands Japan gezwungen hatte, seine Forderungen an China nach dem Sieg im japanisch-chinesischen Krieg zurückzuschrauben.

Ein Interessenabgleich zwischen Deutschland und Japan, die beide in ihrer jeweiligen Region hegemoniale Außenpolitik betrieben, führte sie gemeinsam in die internationale Isolation, und schließlich entschieden sich die Führungen beider Staaten in verhängnisvoller Selbstüberschätzung für die Katastrophe des Krieges. Beide Staaten waren in dieser düsteren Geschichtsepoche totalitäre Staaten, aber Japan war nie ein "faschistischer" Staat. Das Bündnis mit dem nationalsozialistischen Deutschland war im japanischen Außenministerium stets umstritten, und der "Anti-Komintern-Pakt" hinderte Japan nicht daran, 1941 ein Neutralitätsabkommen mit der Sowjetunion abzuschließen. In diesem Abkommen hatten sich Deutschland, Italien und Japan verpflichtet, gemeinsam gegen "den Weltkommunismus" der Kommunistischen Internationale (Komintern) vorzugehen. Überspitzt ließe sich das bilaterale Verhältnis zwischen Deutschland und Japan bis 1945 aus japanischer Sicht als Zweckpartnerschaft mit Vorbehalten kennzeichnen; beide Staaten waren fest in ihren Regionen verankert, die sie auch zum Ziel ihrer Aggressionen machten.

Nach der deutschen Vereinigung wurden Politik - und Wirtschaft - von euphorischen Visionen eines profitablen Aufbruchs in den Osten Europas nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion beherrscht. Asiens Entwicklungspotentiale und seine zukünftige Rolle gerieten weitgehend aus dem Blickfeld gerade deutscher Spitzenpolitiker und Wirtschaftsführer. Seit 1993 gibt es zwar ein eigenes Asienkonzept der Bundesregierung, aber dieses Konzept kam spät und harrt noch der Umsetzung.

Das lange Zeit unzureichende Problembewußtsein in der deutschen politischen Führung (die deutsche Wirtschaft ist sich sehr viel früher der Herausforderung aus Asien, speziell aus Japan, bewußt geworden) läßt sich auf eine Reihe von Determinanten auf beiden Seiten zurückführen, die lähmend auf den Erkenntnisprozeß wirkten:

  • Die deutsche politische Elite ist mehrheitlich "eurozentrisch" geprägt, im politischen Willen der Entscheidungsträger dominiert die historische Aufgabe der Einigung Europas weit vor Herausforderungen aus Asien und einem dadurch geforderten Dialog mit den asiatischen Staaten - und hier vor allem mit Japan.

  • In Asien entstehen neue Staatengruppierungen sowie wirtschafts- und sicherheitspolitische Verflechtungen, in denen sich ein neues "asiatisches Selbstbewußtsein" gegenüber Europa (und den USA) äußert. Die beteiligten Staaten sehen in Japan die neue (mindestens regionale) Führungsmacht, ein Gegengewicht zu den USA und China.

  • In Japan wie in Deutschland gibt es unverändert bilaterale Schwierigkeiten im Dialog, die sich aus wechselseitigen Wahrnehmungsproblemen erklären: Japanische Beobachter verkennen häufig die Bedeutung des vereinten Deutschlands in der EU; entweder Deutschland wird als europäische Führungsmacht mit großen außenpolitischen Gestaltungsmöglichkeiten überschätzt oder Deutschland wird als weitgehend außenpolitisch eingeschränktes EU-Mitglied verkannt, das sich nicht nur der EU-Bürokratie zu beugen hat, sondern auch noch außenpolitisch von Frankreich und Großbritannien übertrumpft wird. Die deutsche politische Führung hat bisher in Japan nur unzureichend Grenzen und Möglichkeiten deutscher Außenpolitik im Rahmen der EU deutlich gemacht.

Im wirtschaftspolitischen Bereich ergeben sich für Japan Verständnisprobleme aus dem Nebeneinander von Vertretungen einzelner deutscher Bundesländer, der deutschen Bundesregierung und der Vertretung der EU in Japan. Die Stellenwerte dieser parallelen Vertretungen sind für Wirtschaft und Politik Japans nur schwer einzuordnen.

Die deutschen Defizite in Dialog und Auseinandersetzung mit Japan finden eine Entsprechung in der verengten japanischen Wahrnehmung: ul>

  • Japanische Medien tendieren zu einer negativ geprägten Berichterstattung über Deutschland, wobei in letzter Zeit die ausländerfeindlichen Ausschreitungen nachträglich eine aus ihrer Sicht plausible Begründung geliefert haben. Zu einem großen Teil ist diese negative Berichterstattung auf das grundsätzliche Medienphänomen zurückzuführen, daß Schreckensmeldungen stets größere Aufmerksamkeit erzielen. Sehr viel seltener tauchen in den japanischen Medien Berichte über die gute soziale Infrastruktur Deutschlands, die noch immer stabile deutsche Gesellschaft, kreative Neuerungen im deutschen Bildungswesen oder auch über die tatsächliche Rolle der deutschen Außenpolitik auf. Daß sogar die deutsche politische Kultur teilweise Vorbildfunktion haben kann, zeigen die Veränderungen im japanischen Wahlrecht, die deutliche Einflüsse aus dem deutschen Wahlrecht zeigen.

  • Die wissenschaftliche Beschäftigung mit Deutschland nimmt keine prominente Stellung an führenden japanischen Universitäten ein. Der Deutschunterricht geht stark zurück, seit die zweite Fremdsprache als Eingangsvoraussetzung für Universitäten entfallen ist. An den Universitäten dominiert in allen Wissensbereichen die Auseinandersetzung mit den USA. Andererseits zeichnet sich im akademischen Bereich zunehmend eine "Rückkehr nach Asien" ab: Universitäten werben verstärkt um Studierende aus asiatischen Ländern, indem sie Sonderprogramme einrichten. Die Reaktion ist eindrucksvoll, immer mehr junge Menschen aus China, Malaysia oder Thailand entscheiden sich für ein Studium in Japan. Die Kulturen der japanischen Nachbarländer finden in der Öffentlichkeit mehr Aufmerksamkeit, an den Universitäten werden Forschungsschwerpunkte eingerichtet, und die japanische Politik sucht verstärkt den Dialog mit Asien.

Dennoch bleiben die europäischen Staaten - und hier sicher vor allem Deutschland - unverzichtbare Dialogpartner Japans. Repräsentanten deutscher Kultur, ob aus Musik, Literatur oder Kunst, finden auch heute noch in Japan begeisterte Fans. Die Rolle Deutschlands im Bosnien-Konflikt (Entsendung von Bundeswehreinheiten) wird in Japans Medien durchaus diskutiert. Auf der Ebene der Botschaften beider Länder gibt es eine hervorragende Zusammenarbeit in China, Rußland und Ländern in Krisengebieten. Aufmerksam wird in Japan immer wieder die europäische Handelspolitik gegenüber den USA verfolgt, und hier natürlich vor allem die Rolle des wichtigsten amerikanischen Partners in Europa - Deutschland. Beim internationalen Dialog, sei es im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) oder dem neuen Dialogforum ASEM (ASEAN-Europe Meeting) und auch bei der UNO arbeiten Japan und Deutschland gut zusammen. Das Deutsch-Japanische Dialogforum, dem japanische und deutsche Repräsentanten aus Politik, Wirtschaft und Medien angehören, kann sicherlich dieses bilaterale Gespräch zwischen Deutschland und Japan noch weiter vertiefen. Der Gesprächskreis hat maßgeblich zur Ausarbeitung der sogenannten "Deutsch-Japanischen Agenda" beigetragen, in deren Rahmen beide Staaten in ausgewählten Politikfeldern gezielt kooperieren wollen.