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Asylgrundrecht | Grundrechte | bpb.de

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Asylgrundrecht

Mathias Metzner

/ 6 Minuten zu lesen

Asylrecht, früher auch als "Freistättenrecht" bezeichnet, bedeutet das Recht, an einem Ort – dem Asyl – frei von Verfolgung zu sein. Der Schutz vor politischer Verfolgung besteht somit vorrangig darin, dass der Asylberechtigte nicht an den Staat, der ihn verfolgt, ausgeliefert wird, sondern im Aufnahmestaat bleiben darf. Das Asylgrundrecht gewährt also einen Anspruch auf Aufnahme im Bundesgebiet. Es richtet sich an politisch verfolgte Ausländer, und es erlaubt ihnen die Einreise und den Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland.

Der Begriff "Asylrecht" wird unterschiedlich verwendet. In einem eher umgangssprachlichen Sinn versteht man darunter jeden Flüchtlingsschutz, den der Staat zuerkennt. In einem etwas engeren Sinn umfasst das Asylrecht zumindest auch den Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention. Artikel 16 a GG ist noch deutlich enger gemeint: Das Asylgrundrecht bietet Schutz vor politischer Verfolgung.

Dem Asylgrundrecht liegt die Überzeugung zugrunde, dass kein Staat das Recht hat, Leib, Leben oder die persönliche Freiheit eines Menschen aus Gründen zu verletzen, die in seiner politischen oder religiösen Überzeugung oder sonstigen, für ihn unverfügbaren Merkmalen (also etwa der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Bevölkerungsgruppe) liegen. Das Asylrecht wurde in den Grundrechtskatalog aufgenommen, weil viele, die in der Zeit des nationalsozialistischen Regimes rassistisch oder politisch verfolgt wurden, nur hatten überleben können, indem sie Zuflucht im Ausland fanden, während anderen solcher Schutz nicht oder nur unter großen Schwierigkeiten gewährt wurde. Beide Erfahrungen führten dazu, dass der Parlamentarische Rat das Asylrecht ohne weitere Diskussionen unumschränkt festschrieb. Das Asylrecht soll also einem politisch Verfolgten wirksamen Schutz vor Verfolgung bieten. Diese Grundidee hat Folgen für das Asylverfahren. Wäre es nämlich so konzipiert, dass der Asylsuchende erst einreisen dürfte, wenn er nachgewiesen hat, dass er verfolgt wird, würde ihn das bis zur endgültigen Entscheidung (die oft viel Zeit in Anspruch nimmt) schutzlos lassen. Er wäre so lange weiterhin der Verfolgung in seinem Heimatstaat ausgeliefert.

Damit ist die Struktur des Verfahrens, in dem über das Asylgesuch entschieden wird, im Grundsatz vorgegeben: Der Staat prüft, ob der Asylsuchende tatsächlich vor Verfolgung aus seinem Heimatstaat geflohen ist. Dieser muss dabei mitwirken, seine Asylberechtigung nachweisen muss er aber nicht. Solange das Verfahren dauert, darf er nicht an der Grenze abgewiesen werden oder in seinen Heimatstaat abgeschoben werden. Stellt ein Asylsuchender bei seiner Einreise einen Asylantrag, ist ihm daher – geht man rein von Art. 16 a GG aus – die Einreise zur Durchführung des Asylverfahrens zu gestatten. Er darf also nicht deshalb an der Grenze abgewiesen werden, weil ihm das für einen Ausländer erforderliche Visum fehlt oder weil sonstige Regelungen des Ausländerrechts seiner Einreise entgegenstehen.

Diese unmittelbar aus dem Grundrecht folgenden Maßgaben machen aber auch die Schwierigkeiten bei der Gewährleistung des Asylrechts deutlich: Das ansonsten für Einreise und Aufenthalt maßgebliche Ausländerrecht verbietet demgegenüber einen ungehinderten Zuzug in das Bundesgebiet und macht – jedenfalls im Grundsatz – jede Einreise eines Ausländers von einer vorherigen Erlaubnis abhängig. Das Asylgrundrecht mit seiner ganz anders gelagerten Gewährleistung sieht jedoch den eben beschriebenen, umgekehrten Mechanismus vor.

Dieses rechtliche Verfahren geriet zu Beginn der 1990er-­Jahre unter Druck. Unter anderem das Ende des Ost-West-Konflikts hatte offenere Grenzen, aber nicht die erhoffte "Friedensdividende" bewirkt. Auch führten innerstaatliche Konflikte in manchen Ländern zu instabilen Verhältnissen. Diese Entwicklungen brachten es unter anderem mit sich, dass die Einreise von Ausländern stark zunahm. Viele hatten Armut, mangelnde Verdienstmöglichkeiten und fehlende Sicherheit bewogen, das eigene Land zu verlassen, und sie beriefen sich auf das Asylgrundrecht, um Aufnahme zu finden. Aus Angst vor Überforderung der sozialen Sicherungssysteme wurden Forderungen nach einer Änderung des Asylrechts laut. Im Grundgesetz lautete das Asylgrundrecht in seiner ursprünglichen Fassung in Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG knapp: "Politisch Verfolgte genießen Asylrecht." Damit war das Grundrecht vorbehaltlos garantiert, es konnte nicht durch ein einfaches Gesetz eingeschränkt werden.

Dies änderte sich nun durch den sogenannten Asylkompromiss vom 6. Dezember 1992. Der Gesetzgeber schränkte mit der für Verfassungsänderungen notwendigen Zweidrittel-Mehrheit das Grundrecht ein. Heute lautet die Vorschrift wie folgt:

Artikel 16a

(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.

(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, dass dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, dass ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, dass er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.

(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.

(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muss, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asyl­entscheidungen treffen.

Einschränkungen des Asylgrundrechts ergeben sich nun aus der Regelung über die sogenannten sicheren Drittstaaten (Art. 16a Abs. 2 GG). Einreisende aus solchen Staaten können sich grundsätzlich nicht auf das Asylgrundrecht berufen. Als sichere Drittstaaten gelten die Mitgliedstaaten der EU und andere Staaten, in denen die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention sichergestellt sein soll. Auf welche Staaten dies zutrifft, entscheidet der Gesetzgeber.

Eine weitere Regelung betrifft Asylsuchende aus sogenannten verfolgungsfreien oder auch "sicheren" Herkunftsstaaten (Art. 16a Abs. 3 GG). Auch hier ist der Gesetzgeber wieder berufen, durch Gesetz zu entscheiden, auf welche Staaten diese Regelung Anwendung finden soll. Wer aus einem solchen Land kommt, dessen Antrag wird in der Regel keinen Erfolg haben. Galten lange Zeit nur der Senegal und Ghana als sichere Herkunftsstaaten, werden inzwischen immer mehr Staaten als frei von politischer Verfolgung erklärt.

Von Anfang an hatten Gegner der Verfassungsänderung kritisiert, dass mit ihr das Grundrecht faktisch seinen Wert verloren habe. Da die Bundesrepublik von "sicheren Drittstaaten" umgeben ist, kann eine Berufung auf das Asylgrundrecht jedenfalls bei einer Einreise auf dem Landweg nicht mehr geltend gemacht werden. Inzwischen stellt sich die Frage, ob die dem Asylkompromiss zu Grunde liegenden Annahmen nicht teilweise widerlegt sind. Nachdem nach Ansicht einzelner deutscher Gerichte, auch des Bundesverfassungsgerichts, Asylsuchende zum Beispiel in Griechenland nicht den Schutz bekamen, von dem Artikel 16a GG ausgeht, halten Kritiker die Drittstaatenregelung für zu weitgehend.

Gleichzeitig geriet das deutsche und europäische Asylsystem mit den Flüchtlingsbewegungen unter anderem in Folge des Krieges in Syrien erneut unter Druck. Als im Jahr 2015 etwa 800.000 Menschen in Deutschland Flüchtlingsschutz beantragten, forderten einzelne politische Gruppierungen weitergehende Einschränkungen des deutschen Asylsystems. Allerdings wurde zum Beispiel bei Forderungen nach einer Obergrenze meist nicht klar, ob damit eine weitere Einschränkung gerade des Art. 16a des Grundgesetzes gemeint war. Tatsächlich wurden die Regeln für Menschen, die Flüchtlingsschutz in Deutschland beantragt haben, in vielfältiger Weise eingeschränkt. Das Grundrecht selbst wurde aber nicht verändert.

QuellentextAsyl- und Flüchtlingsschutz

Lange Zeit spielte das Asylrecht nach Artikel 16a GG die wichtigste Rolle für den Flüchtlingsschutz – obwohl seit 1953 in Deutschland auch die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) gilt. Diese UN-Konvention erkannte erstmals die Notwendigkeit an, Flüchtlinge unter den Schutz des Völkerrechts zu stellen. Allerdings galt sie anfangs nur für Europäer (gemeint waren vor allem die Bewohner der kommunistischen Staaten) und nur wegen Verfolgung, die noch früher (bis 1951) stattgefunden hatte. Nach und nach wurde der Schutz durch die Konvention aber stärker, das Verhältnis zwischen dem sogenannten großen Asyl nach Art. 16a und dem "kleinen Asyl" nach der GFK kehrte sich um: Völkerrechtlich wurde die Konvention so geändert, dass sie viel mehr Menschen und Verfolgungsschicksale umfasste.

Auch der deutsche Gesetzgeber weitete den Anwendungsbereich durch das innerstaatliche Recht aus. Inzwischen bekommt nur noch etwa ein Prozent der Bewerber den Asylschutz des Grundgesetzes. Wie viele Schutz nach der Genfer Konvention zuerkannt bekommen, schwankt. In den vergangenen Jahren war es aber mehr als jeder dritte Schutzsuchende. Die Väter und Mütter des Grundgesetzes dachten beim Asylrecht daran, Menschen vor einer Verfolgung zu schützen, wie sie sie zur NS-Zeit erlebt hatten: Gezielt, aus politischen Gründen im engeren Sinn oder zum Beispiel aus rassistischen Gründen, gesteuert durch den Staat. Entsprechend eng formulierte später auch das Bundesverwaltungsgericht die Regeln. Die GFK dagegen legen auch deutsche Gerichte inzwischen deutlich weiter aus. So spielt es keine Rolle, ob die Verfolgung vom Staat ausgeht oder ihm zumindest zuzurechnen ist – es genügt, wenn der Geflüchtete im Herkunftsstaat verfolgt wurde, zum Beispiel durch Milizen oder Terrorgruppen, und sich nicht innerhalb seines Landes in Sicherheit bringen könnte. Trotzdem setzt auch die GFK noch eine Verfolgung gerade der Person oder der Volksgruppe oder der Religion voraus, der sie angehört.

Aber auch andere Menschen haben gute Gründe, zu fliehen – zum Beispiel, weil sie wegen Kriegs oder Bürgerkriegs in ihrem Land um ihr Leben fürchten müssen. Auch sie bekommen Schutz in Deutschland, allerdings mit weniger Rechten als anerkannte Asylbewerber oder GFK-Flüchtlinge. Sie bekommen subsidiären, das heißt nachrangigen Schutz. Die Unterscheidung ist allerdings im Einzelfall oft schwierig und umstritten.

Noch deutlich weniger Rechte haben Geduldete. Sie werden nur vo­rübergehend nicht abgeschoben – sei es, weil sie in Deutschland eine Ausbildung machen, sei es, weil ihr Herkunftsstaat ihnen keine Papiere gibt. Für Menschen mit Duldung ist besonders wichtig, was für alle Geflüchteten gilt: Die GFK verbietet es, Menschen dahin zurückzuschicken, wo ihnen unmenschliche Behandlung oder Schlimmeres drohen.

Auch wenn sich also viele Flüchtlinge nicht auf das Grundrecht auf Asyl, wie es das Grundgesetz meint, berufen können, sind sie in Deutschland von den Grundrechten geschützt – auch von dem auf Menschenwürde.

Welche Flüchtlinge in Europa Schutz bekommen sollen und welcher europäische Staat ihnen Schutz bietet, wird derweil mehr und mehr durch Europäisches Recht bestimmt. Allerdings beantworten die Mitgliedstaaten der EU diese Fragen teilweise sehr unterschiedlich. Starken politischen Bemühungen um europaweite Regeln stehen deshalb langsame Beschlussfassungen und immer wieder Abkehr von gemeinsamen Lösungen gegenüber.


Gudula Geuther

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Mathias Metzner war wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Bundesverfassungsgericht und im Grundrechtsreferat des Bundesministers der Justiz tätig. Er ist Vizepräsident des Externer Link: Verwaltungsgerichts Kassel.