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Editorial | Fußball - mehr als ein Spiel | bpb.de

Fußball - mehr als ein Spiel Editorial Vom Randphänomen zum Massensport Anfänge des modernen Fußballs Entwicklung zum Volkssport Juden im deutschen Fußball Das "Fußballwunder" von 1954 Aufstieg des Frauenfußballs Zuschauer, Fans und Hooligans Geld und Spiele Fußball weltweit Literaturhinweise und Internetadressen Autor, Impressum

Editorial

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Fußball ist mehr als ein Spiel: Über den Fußball haben sich ganze Nationen definiert und mit ihm identifiziert. Er trägt zum nationalen Selbstbewusstsein bei. Mit Fußball-Ereignissen lassen sich Entwicklungen in Politik und Gesellschaft verknüpfen.

Ein Beispiel ist die Weltmeisterschaft in der Schweiz 1954, bei der die Mannschaft der jungen Bundesrepublik überraschend den Titel gewann. Für kurze Zeit bildete sich eine Gemeinschaft: Die Westdeutschen, aber auch Menschen in der DDR fieberten beim Endspiel mit und freuten sich über den Sieg der westdeutschen Elf. Der Erfolg wurde später zur zweiten Geburtsstunde der Bundesrepublik verklärt und der "Mythos von 1954" in Büchern, Zeitschriftenartikeln oder in Sönke Wortmanns Kinofilm "Das Wunder von Bern" 2004 gepflegt.

Eine Voraussetzung für die Entfaltung des Fußballs zum Massensport war, dass in England Ende des 19. Jahrhunderts Arbeiter den von den Gewerkschaften erstrittenen freien Samstagnachmittag zum Fußballspielen oder Zuschauen nutzen konnten. Der Wettbewerbsgedanke im Fußball entsprach der sich herausbildenden Leistungsgesellschaft. Die modernen Verkehrsmittel brachten die Mannschaften zueinander und die Zuschauer an die Spielorte. Die Zeitungen, die sich in dieser Zeit zu Massenmedien entwickelten, berichteten über die Spiele und sorgten für einen weiteren Popularitätszuwachs.

Der gesellschaftliche Wandel im Laufe des 20. Jahrhunderts macht auch vor dem Fußball nicht Halt. Während früher vor allem Arbeiter spielten und die Ränge füllten, richten sich die Klubs heute mit ihren hoch bezahlten Stars und ihrem Angebot in den Stadien auf eine zahlungskräftigere Kundschaft ein, die gehobene Komfort- und Konsumgewohnheiten pflegt. "Erlebniswelt Stadion" lautet das Schlagwort: In jeder modernen Arena finden sich mittlerweile VIP-Lounges.

Noch etwas hat sich verändert: Der Frauenfußball boomt. Lange war den Frauen das Fußballspiel offiziell verwehrt. Erst im Zuge der Emanzipationsbewegungen hob der DFB im Jahr 1970 den 1955 erlassenen "Bann" gegen den Frauenfußball auf. Seitdem hat die Frauen-Nationalmannschaft beeindruckende Erfolge erzielt. Sechsmal gewann sie die Europameisterschaft und 2003 wurden die deutschen Frauen Fußball-Weltmeisterinnen.

Dass der Fußball zu einem enormen wirtschaftlichen Faktor geworden ist, zeigen zum einem die Entwicklungen im Profifußball, zum anderen die Erwartungen, die Wirtschaft und Politik mit der Ausrichtung der Weltmeisterschaft 2006 verbinden. Von einem guten Abschneiden der deutschen Mannschaft erhofft sich die Politik Impulse für die gesellschaftliche Entwicklung in Deutschland.

Fußball ist ein globales Phänomen. Weltweit wird das Spiel nach denselben Regeln gespielt und steht jenseits sozialer, politischer oder ökonomischer Schranken allen offen. Allerdings sind die Stadien keine heile Welt. Intoleranz, Aggression und Rassismus begleiten auch den Fußball und bleiben eine Herausforderung für Politik und Gesellschaft.

Dennoch bleibt festzuhalten: Fußball ist ein faszinierendes, spannendes Spiel, das weltweit Millionen Menschen begeistert. Dietrich Schulze-Marmeling hat es so formuliert: "Die Sprache des Fußballs ist universell, jeder kennt und beherrscht sie. Fußball vereint den Intellektuellen mit dem Arbeiter, versöhnt für kurze Momente Arm und Reich miteinander und bietet in der sich individualisierenden Welt eines der letzten gemeinsamen Erlebnisse".

Jutta Klaeren