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Ausgewählte Bereiche gemeinschaftlichen Handelns | Europäische Union | bpb.de

Europäische Union Editorial EU im Krisenmodus Motive und Leitbilder der europäischen Einigung Vertragsgrundlagen und Entscheidungsverfahren Ausgewählte Bereiche gemeinschaftlichen Handelns Das auswärtige Handeln der EU Der Weg der EU – Rückblick und Ausblick Literatur Impressum

Ausgewählte Bereiche gemeinschaftlichen Handelns

Friedrich Heinemann Otto Schmuck

/ 53 Minuten zu lesen

Ob Binnenmarkt oder Agrarförderung, ob Sozialpolitik oder Schengen-Zusammenarbeit: Die verschiedenen politischen und wirtschaftlichen Bereiche, in denen die EU aktiv ist, haben in den vergangenen Jahren an Umfang und Komplexität zugenommen. Zuletzt gerieten vor allem die gemeinsame Währungspolitik und die Umweltpolitik in den Blickpunkt.

Die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg (2. v. r.) nimmt gemeinsam mit der deutschen Protagonistin der Bewegung, Luisa Neubauer (2. v. l.), und der Hamburger Aktivistin Annika Rittmann am 21. Februar 2020 in Hamburg an einer "Fridays for Future"-Demonstration teil. Europaweit setzen sich immer mehr Menschen, darunter viele Jugendliche, für eine verbesserte Klima- und Umweltpolitik ein und richten ihre Forderungen auch an die EU. (© picture-alliance, xim.gs)

Binnenmarkt

Bereits im Jahr 1957 wurde in den Römischen Verträgen das Ziel eines grenzenlosen europäischen Marktes formuliert. Heute ist dieser Binnenmarkt zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Fast 450 Millionen Menschen leben und arbeiten in einem gemeinsamen Wirtschaftsraum von 27 EU-Mitgliedstaaten und können sich – etwa als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – weitgehend frei darin bewegen. Diese Freiheiten erstrecken sich zusätzlich auf die Schweiz, Norwegen, Liechtenstein und Island, die Länder der Europäischen Freihandelsassoziation (engl.: European Free Trade Association, EFTA).

Trotz seiner langen Geschichte sind die Errungenschaften eines grenzenlosen Wirtschaftsraums nicht ungefährdet. Mit dem Vereinigten Königreich hat am 31. Januar 2020 ein großes Land die EU verlassen und sich damit letztlich auch vom offenen europäischen Binnenmarkt abgewendet, auch wenn es weiterhin eine enge Kooperation anstrebt. Zudem kam es seit 2015 erst im Zusammenhang mit dem starken Zustrom Schutz suchender Menschen und im Jahr 2020 im Kontext der Coronavirus-Pandemie vermehrt zu Grenzkontrollen oder sogar zeitweiligen Grenzschließungen. Diese Erfahrungen mit plötzlich geschlossenen europäischen Binnengrenzen machen vielleicht deutlicher als alle abstrakten Zahlen, wie wertvoll und selbstverständlich der offene Kontinent für das Leben und Wirtschaften der Menschen geworden ist.
Noch vor allen ökonomischen Argumenten für den Binnenmarkt ist seine politische Funktion zu nennen: Eine enge wirtschaftliche Verflechtung von Ländern schafft durch die entstehende wechselseitige Abhängigkeit politische Stabilität und sichert so den Frieden. In wirtschaftlicher Hinsicht sind es vor allem die folgenden Gesichtspunkte, die für einen Binnenmarkt sprechen:

  • Der freie Austausch von Gütern und Dienstleistungen mehrt den Wohlstand durch eine bessere Arbeitsteilung und eine höhere Produktvielfalt. Der Freihandel mit innovativen Gütern fördert zudem die schnelle Verbreitung von moderner Technologie.

  • Der im Vergleich zu einem abgeschotteten nationalen Markt stärkere Wettbewerbsdruck führt zu einem größeren Angebot von Gütern und Dienstleistungen mit einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis. Den Unternehmen sollen Wettbewerbsdruck und Spezialisierungseffekte helfen, auch auf den Weltmärkten erfolgreich zu sein.

  • Die Regeln des Binnenmarktes zwingen die Mitgliedstaaten, staatliche geschützte Monopole zu beseitigen und Märkte nach außen zu öffnen. Damit hilft Europa den Mitgliedstaaten, Reformen zum Wohl der Verbraucherinnen und Verbraucher durchzusetzen, die ohne den Druck aus Brüssel kaum so rasch realisierbar wären. Noch dazu verhindern einheitliche Regeln etwa zum Arbeits- oder Umweltschutz, dass Länder einen unfairen Wettbewerbsvorteil durch laxe Regeln erlangen können.

  • Der Binnenmarkt kann somit das Wirtschaftswachstum steigern und damit auch den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern höhere Beschäftigungschancen und bessere Einkommensperspektiven ermöglichen. Unterentwickelten Regionen und Staaten bietet sich die Chance verbesserter Exportmöglichkeiten und sie können in der wirtschaftlichen Entwicklung zu den wohlhabenderen Gebieten aufschließen ("Konvergenz").

  • Durch all diese Effekte wird der europäische Wirtschaftsraum in die Lage versetzt, besser mit den anderen großen Wirtschaftsblöcken (vor allem Asien und Nordamerika) zu konkurrieren.

Die offenen Binnengrenzen haben sich positiv auf Wachstum und Wohlstand in Europa ausgewirkt. Neue Studien schätzen, dass einzelne EU-Mitgliedstaaten bis zu einem Fünftel ihrer Wirtschaftsleistung verlieren würden, wenn der Binnenmarkt aufgelöst und alle Integrationsschritte zurückgedreht würden. Dennoch ist der Binnenmarkt keine Garantie dafür, dass die wirtschaftliche Entwicklung in Europa nicht durch wirtschaftliche Schocks – wie zuletzt die schwere Rezession infolge der Coronavirus-Pandemie – stark beeinträchtigt werden kann. Allerdings profitieren EU-Mitgliedstaaten im Gegensatz zu Ländern, die auf sich allein gestellt sind, in solchen Krisen auch von europäischen Kriseninstrumenten. So hat die EU nach Ausbruch der Pandemie neue leistungsfähige Instrumente geschaffen, um besonders von der Krise betroffene Länder abzusichern. Außerdem war es den EU-Mitgliedstaaten durch eine enge Koordination möglich, die in den ersten Wochen der Pandemie geschlossenen Binnengrenzen für Handel, Geschäftsreisen und Tourismus rascher zu öffnen, als das außerhalb der Union möglich war.

Der Binnenmarkt-Meilenstein im Jahr 1993

Mit der Vollendung der Zollunion endete 1968 die erste Etappe zur Schaffung eines Binnenmarktes. Mit dem Begriff der "Zollunion" ist ein Wirtschaftsraum gemeint, dessen Handelsgeschäfte im Inneren durch keinerlei Zölle belastet werden. Nur im Außenverhältnis gilt ein gemeinsamer Zolltarif ohne eigenständige Handlungsspielräume der Mitgliedstaaten.

Der 1. Januar 1993 markierte ein weiteres wichtiges Datum: die – wenngleich bis heute nicht lückenlos vollzogene – "Vollendung des Binnenmarktes". Umfangreiche Anpassungen der nationalen Gesetze an EU-Richtlinien verbesserten die Bedingungen für den freien Güter-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr sowie für die Mobilität von Arbeitskräften. Dieser Schritt zu mehr Integration wurde unter anderem durch eine Neuausrichtung der Binnenmarktphilosophie möglich. Der zuvor praktizierte Ansatz verband die Einigung in einem Bereich stets mit einer vollständigen Harmonisierung (Angleichung) nationaler Rechtsvorschriften. Nun wurde ein schnellerer Weg beschritten: Es genügte die europaweite Angleichung von Mindeststandards – zum Beispiel bei technischen Normen, Konsumentenschutz und Anforderungen an berufliche Qualifikationen. Mindeststandards können außerdem seitdem mit Mehrheitsentscheidung vereinbart werden. Vorher war Einstimmigkeit nötig, sodass schon ein einziges Land mit seinem Veto eine Entscheidung blockieren konnte. Gleichzeitig einigten sich die EU-Partner auf eine weitgehende gegenseitige Anerkennung nationaler Rechtsvorschriften mit folgendem Grundsatz: Ist eine Ware in einem EU-Land nach den dort gültigen Vorschriften einmal zugelassen, dann darf diese Ware in der gesamten EU vertrieben werden.

Grundfreiheiten des Binnenmarktes

Grundlage des europäischen Binnenmarktes sind diese vier Grundfreiheiten:

  • Freier Personenverkehr: Arbeitskräfte der Mitgliedsländer haben in der Europäischen Union ein weitgehendes Aufenthaltsrecht zur Berufsausübung oder auch zur Stellensuche. Das Gleiche gilt für Studierende und Personen im Ruhestand. Unternehmen haben ein generelles Niederlassungsrecht in allen EU-Staaten.

  • Freier Warenverkehr: Zölle ebenso wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sind innerhalb der EU untersagt. Allerdings gibt es Ausnahmen: So können Im- und Exporte immer noch aus Gründen etwa der öffentlichen Sicherheit oder des Gesundheitsschutzes beschränkt werden.

  • Freier Dienstleistungsverkehr: Dienstleistungsunternehmen ist es erlaubt, grenzüberschreitend tätig zu werden. Richtlinien regeln die gegenseitige Anerkennung von Berufsabschlüssen.

  • Freier Kapitalverkehr: Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen der EU dürfen unbeschränkt Kredite im europäischen Ausland aufnehmen oder Geld in anderen EU-Ländern investieren. Dabei sind aber nationale Vorschriften etwa im Steuerrecht zu berücksichtigen: Deutsche dürfen so viel Geld in Luxemburg anlegen, wie sie wollen, müssen aber die dort erzielten Zinsen und Dividenden in der deutschen Steuererklärung angeben.

Die Grundfreiheiten des Binnenmarktes werden flankiert durch weitere wichtige Bestimmungen, die den Wettbewerb zum Wohl der Verbraucherinnen und Verbraucher sichern sowie Diskriminierungen von Unternehmen aufgrund ihrer nationalen Herkunft unterbinden sollen:

  • Wettbewerbskontrolle: Kartelle und Preisabsprachen zwischen Unternehmen sind untersagt und ziehen hohe Geldstrafen nach sich. Fusionen werden nicht genehmigt, wenn durch den Zusammenschluss eine marktbeherrschende Stellung im Binnenmarkt droht. Wichtige frühere staatliche Monopole konnten durch diese Binnenmarktprinzipien aufgelöst werden.

  • Subventionsverbot: Staatliche Beihilfen, die den Wettbewerb verzerren, sind generell verboten. Über Ausnahmen entscheidet die Europäische Kommission.

  • Öffentliche Auftragsvergabe: Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge sollen auch Unternehmen anderer EU-Staaten eine faire Chance auf den Zuschlag haben. Aus diesem Grund besteht ab einem bestimmten Schwellenwert des Auftragsvolumens die Pflicht, öffentliche Aufträge europaweit auszuschreiben.

Das Binnenmarktprojekt basiert somit keineswegs auf der Sichtweise, dass der Markt sich selbst überlassen und die Politik sich gänzlich aus dem Geschehen zurückziehen könne. Stattdessen hat die EU die Verantwortung, dem Marktgeschehen einen verbindlichen Ordnungsrahmen zu setzen und Fehlentwicklungen zu bekämpfen. So werden beispielsweise aus dem EU-Budget Projekte finanziert, um Regionen mit Entwicklungsrückstand zu fördern. Auf diese Weise wird Sorge dafür getragen, dass Regionen, die im Wettbewerb des Binnenmarktes ins Hintertreffen geraten, wirtschaftlich nicht den Anschluss an den Rest der Union verlieren. Vor allem die ärmeren süd- und osteuropäischen Regionen erhalten diese Förderung.

Realistischerweise ist auch in absehbarer Zeit in Europa nicht mit einem Integrationsstand zu rechnen, durch den sich etwa der US-Binnenmarkt auszeichnet. Schon die Unterschiedlichkeit von Sprache und Kultur wirkt als natürliche Barriere, zum Beispiel bei der Freizügigkeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Insbesondere die unterschiedlichen Sozialsysteme erweisen sich immer wieder als Mobilitätshindernis, etwa wenn Rentenansprüche an ein nationales System bei Wegzug in einen anderen EU-Staat nur eingeschränkt oder mit großem bürokratischem Aufwand geltend gemacht werden können. Angesichts all dieser Probleme verwundert es nicht, dass die Anzahl der Umzüge zwischen den Bundesstaaten der USA auf dem dreifachen Niveau im Vergleich zu den grenzüberschreitenden Umzügen in der EU liegt.

QuellentextMögliche Folgen des Brexit

[…] Seit die Briten vor vier Jahren mit knapper Mehrheit für den Brexit stimmten, ist der gemeinsame Handel eingebrochen. Das Königreich, damals noch Deutschlands drittwichtigster Exportmarkt, ist auf Platz fünf zurückgefallen. Zugleich sind die britischen Ausfuhren auf den Kontinent allein in den ersten sieben Monaten dieses Jahres [2020] um rund 17 Prozent gegenüber dem Vorjahr geschrumpft, stärker als die EU-Exporte Japans oder der USA. Von einer "Entkoppelung" sprechen Ökonomen.
Als Gewinner dürfen sich allenfalls jene Briten fühlen, die den Brexit als symbolischen Akt nationaler Souveränität verstehen. Wirtschaftlich wird es nur Verlierer geben: die Verbraucher, die vor allem im Vereinigten Königreich mit höheren Preisen und einem kleineren Warenangebot rechnen müssen. Die Unternehmen, denen das neue Handelsregime mehr Bürokratie und höhere Kosten beschert. Die Arbeitnehmer, die Jobs verlieren. Und die Regierungen, deren Brexit-Kalkül nicht aufgeht, weder diesseits noch jenseits des Kanals. […] Mit dem Vereinigten Königreich verliert die EU knapp ein Sechstel ihrer Wirtschaftskraft. Zugleich muss sie sich mit einem neuen Konkurrenten auseinandersetzen, der künftig vor allem ein Ziel verfolgen wird: den Europäern Marktanteile abzunehmen. […]

Der wunde Punkt für die Inselnation sind die Fähr- und Frachthäfen am Kanal. Selbst wenn sich beide Seiten auf einen Handelsvertrag einigen sollten, müssten die Waren in Dover erfasst und kontrolliert werden. Den Grund hat EU-Unterhändler Michel Barnier früh genannt: Man könne nicht riskieren, dass Waren aus aller Welt in Großbritannien montiert werden "und dann, als britische Güter deklariert, in den Binnenmarkt gelangen".

Die erforderlichen Kontrollen, prognostizieren Experten, werden die Lieferzeiten um bis zu zwei Tage verlängern. Das würde nicht nur Just-in-time-Speditionen hart treffen, sondern vor allem die Lebensmittelindustrie. Fische, Krustentiere oder Gemüse könnten in den wartenden Lkw verderben. Auch einige Medikamente haben eine derart kurze Lebensdauer, dass man sie nicht einlagern kann. […]

Bislang sind 5000 Beamte mit 50 Millionen Zollpapieren jährlich beschäftigt [...]. Nach dem Brexit kämen rund 220 Millionen Erklärungen hinzu […]. Etliche britische Firmen aus der Automobil- oder Chemiebranche haben bereits Notfallpläne entworfen, um gegebenenfalls einen Teil ihrer Produktion auf den Kontinent zu verlegen. Zehntausende Jobs stehen dadurch in jenen nord- und mittelenglischen Industrieregionen auf der Kippe, denen die Konservativen ihren triumphalen Wahlsieg vom Dezember verdanken.

Johnsons Brexiteers verbreiten noch immer die Mär, dass die Verluste im EU-Handel durch Deals mit anderen Weltregionen ausgeglichen werden könnten. […] Doch Johnsons sogenannte Global-Britain-Strategie ist bislang wenig erfolgreich. Die Handelsverträge, die in den vergangenen Monaten etwa mit Japan oder Korea ausgehandelt wurden, sichern den Briten lediglich ähnliche Konditionen wie bei einem EU-Verbleib. […]

Der britische EU-Austritt kostet auch die Europäer Wachstum. Die Grenzformalitäten etwa, die bei einem Deal ebenso anfallen wie beim No-Deal, belasten allein deutsche Firmen mit rund 300 Millionen Euro jährlich. Hinzu kommen […] Kosten für neue Zertifikate, Prüfsiegel oder Transportpapiere. Noch schlimmer wird es, sollten EU und Großbritannien sich gegenseitig mit Zöllen überziehen. "Uns haben schon viele Kunden gesagt: ‚Wenn die Zölle kommen, liefern wir nicht mehr nach Großbritannien, das lohnt sich nicht‘", sagt Andy McFarnell, Brexit-Beauftragter der belgischen Spedition Sitra, die mit 500 Lkw regelmäßig Lebensmittel nach Großbritannien transportiert. […]

Europas Lebensmittelhersteller fürchten darüber hinaus einen Streit um sogenannte Herkunftsbezeichnungen. Mehr als 3000 derartig zertifizierter Produkte gibt es in der EU, französischer Champagner wird dadurch genauso vor Billigkopien bewahrt wie italienischer Gorgonzola oder Nürnberger Rostbratwürstchen. Im Austrittsvertrag mit Brüssel hatte Großbritannien noch garantiert, dass solche Produkte im Königreich "mindestens dasselbe" Schutzniveau genießen werden wie in der EU. Doch Johnsons Unterhändler […] wollten die Regeln "anders gestalten", heißt es in einer internen Mitteilung des Auswärtigen Amts zu den Verhandlungen von Anfang September [2020]. Gut möglich, dass in britischen Supermärkten dann bald Champagner aus Kalifornien im Regal liegt. Nur, was passiert dann mit dem schottischen Whisky, dem Cheddarkäse oder den übrigen rund 80 britischen Produkten, die heute in der EU vor Imitaten geschützt sind? Würde Brüssel im Gegenzug deren Einfuhr behindern? Die Gefahr ist groß, dass am Ende beide Seiten verlieren.

So ist es in vielen Wirtschaftszweigen. Im Falle eines No Deal, hat der Hallenser Ökonom Oliver Holtemöller errechnet, seien allein in Deutschland rund 180.000 Jobs gefährdet, vor allem in Regionen, in denen große Autobauer beheimatet sind. Die Hoffnung der Europäer, dass im Gegenzug Zigtausende Londoner Banker auf den Kontinent umsiedeln, hat sich bisher nicht erfüllt. […] Das liegt auch daran, dass die EU inzwischen erkannt hat, dass es im Finanzgeschäft ohne die Briten nicht geht. Ende September beschloss die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA), dass die britischen Clear-inghäuser ihre Dienste in Festlandeuropa mindestens bis Mitte 2022 anbieten dürfen. […].

Ohne Clearinghäuser können Banken und Fonds keine Geschäfte mit Wertpapieren und Derivaten abrechnen und abwickeln. Sie springen ein, wenn ein Deal platzt. Um Chaos an den Kapitalmärkten zu verhindern, müssen sie für den Ernstfall Milliardenreserven bunkern. Doch auch Clearinghäuser können in einer Finanzkrise in Gefahr geraten. Dann müssten sie von jenem Land aufgefangen werden, in dem sie ihren Sitz haben. Keine europäische Regierung aber hat Interesse, im Krisenfall einspringen zu müssen. Kein Wunder also, dass es den Europäern recht ist, wenn sie weiter von der Insel aus Geschäfte machen.

[…] Je weiter sich die EU und Großbritannien voneinander entfernen, desto größer wird der wirtschaftliche Schaden. Das wissen alle Beteiligten. Die Frage ist nur: Werden sie deshalb wenigstens ein Schmalspurabkommen schließen? […] Bei zwei entscheidenden Themen liegen beide Seiten noch weit auseinander: den künftigen Wettbewerbsregeln […] sowie den Fischfangrechten in der Nordsee. […] Die Zeit für einen Abschluss drängt […]. Der Schaden, den der britische EU-Austritt hervorruft, würde damit zwar nicht behoben, aber zumindest begrenzt. […]

Tim Bartz / Claus Hecking / Nils Klawitter / Peter Müller / Michael Sauga / Jörg Schindler, "Stoff zum Gruseln", in: DER SPIEGEL 42/2020

Darüber hinaus sorgen der Strukturwandel und die Entstehung neuer Märkte dafür, dass die existierenden Regeln des Binnenmarktes immer wieder angepasst werden müssen. War etwa der Binnenmarkt zunächst auf den freien Handel von industriellen Gütern ausgerichtet, so steht seit einigen Jahren das Bemühen im Vordergrund, die immer noch stark national geprägten Märkte für Dienstleistungen zu öffnen. Ein weiterer Schwerpunkt der Binnenmarktpolitik der vergangenen Jahre betrifft die Rahmenbedingungen für digitale Märkte, auf denen insbesondere Endverbraucherinnen und -verbraucher einen steigenden Anteil ihrer Käufe tätigen.

Ein schwieriger Weg zum grenzenlosen Binnenmarkt für Dienstleistungen


Im Jahr 2006 wurde nach kontroversen Diskussionen eine Dienstleistungsrichtlinie verabschiedet. Diese verpflichtet die Mitgliedstaaten mit bestimmten Übergangsfristen, ihre nationalen Dienstleistungsmärkte stärker für ausländische Anbietende zu öffnen und bürokratische Hindernisse abzubauen. Das ursprünglich mit der Richtlinie geplante "Herkunftslandprinzip" war allerdings aufgrund massiver öffentlicher Kritik nicht durchsetzbar. Danach hätte das jeweilige Unternehmen seine Dienstleistungen nach den Regeln seines Heimatlandes in allen EU-Ländern anbieten dürfen. Deshalb war die Sorge groß, dass es zu einem Unterbietungswettbewerb bei Löhnen und Sozialstandards kommen könne. In der dann verabschiedeten Dienstleistungsrichtlinie wurden zudem wichtige Bereiche von den Verpflichtungen zur weiteren Öffnung ausgenommen – etwa Gesundheits- und Verkehrsdienstleistungen sowie Zeitarbeitsagenturen.

Aber sogar die Umsetzung der begrenzten Ziele der Dienstleistungsrichtlinie erfolgt seitdem nur schleppend. Handwerksbetriebe und andere Anbietende im grenznahen Bereich beklagen immer wieder eine Vielzahl von Hindernissen, wenn sie grenzüberschreitend aktiv werden wollen. Auch der Europäische Rechnungshof kritisiert, dass die Mitgliedstaaten Vorgaben zum Abbau bürokratischer Hindernisse für grenzüberschreitende Einsätze nur sehr schwerfällig erfüllen. Beispielsweise hat noch immer nicht jeder Mitgliedstaat, wie vorgeschrieben, eine Stelle als einheitliche Ansprechpartnerin für ausländische Betriebe geschaffen. Diese würde es gerade kleinen Firmen sehr erleichtern, alle Formalitäten rasch und ohne allzu großen Aufwand zu erledigen.

Zu dieser schleppenden Umsetzung der Richtlinie sind in den letzten Jahren auch neue bürokratische Erschwernisse getreten. So müssen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – auch wenn sie nur für eintägige Einsätze in andere Mitgliedstaaten reisen – für jede dieser Reisen einen Nachweis mit sich führen, dass sie im Heimatland sozialversichert sind, ansonsten drohen Bußgelder. Dies gilt auch für sehr kurzfristig anberaumte Reisen zum Beispiel zu einem Kongress oder einer geschäftlichen Besprechung. Die Nachweispflicht dient dem Ziel, eine Umgehung von Sozialversicherungszahlungen zu verhindern. Diesem eigentlich sinnvollen Ziel steht aber ein hoher Verwaltungsaufwand gegenüber. Kritische Stimmen vermuten hinter all diesen Hindernissen für grenzüberschreitende Geschäfte letztlich auch protektionistische Interessen. Bürokratische Auflagen werden dieser Sichtweise zufolge bewusst geschaffen oder beibehalten, um die eigenen Unternehmen vor ausländischer Konkurrenz zu schützen. Dies widerspricht aber der Grundidee eines offenen Binnenmarktes.

Digitaler Binnenmarkt

Als der Binnenmarkt 1993 "vollendet" wurde, war die Digitalisierung und die damit einhergehende stark wachsende Bedeutung digitaler Märkte noch nicht vorauszusehen. Entsprechend schlecht war das alte Regelwerk für den Austausch von Waren und Dienstleistungen auf die Anforderungen internetbasierter Märkte vorbereitet. Vor 40 Jahren konnte sich noch niemand Produkte wie Streaming, Daten-Clouds oder digitale Spiele vorstellen. Auf diese Art von digitalen Diensten entfallen aber besonders bei jungen Menschen durchaus nennenswerte Anteile des Haushaltsbudgets. Schätzungen besagen, dass die EU ihre Wirtschaftsleistung um bis zu drei Prozent steigern könnte, wenn ein wirklich integrierter digitaler Markt bestünde.

Seit 2015 hat die Europäische Kommission ihre umfassende "Strategie für einen digitalen Binnenmarkt" vorangetrieben und schon bis zum Amtsantritt der von der Leyen-Kommission Ende 2019 eine ganze Reihe digitaler Hindernisse abgebaut. So können Europäerinnen und Europäer inzwischen auf ihre Streaming-Abos für Filme, Musik, Spiele, E-Books und Sportereignisse auch dann zugreifen, wenn sie in einen anderen Mitgliedstaat reisen. Die hohen Roaming-Gebühren für Telefonate und Datennutzung des heimischen Mobilfunktarifs im EU-Ausland wurden abgeschafft. Stark eingeschränkt wurden zudem die Möglichkeiten von Unternehmen zum sogenannten Geo-Blocking, bei dem digitale Angebote je nach Herkunftsland der Verbraucherinnen und Verbraucher blockiert wurden, um unterschiedlich hohe Preise in verschiedenen Ländern durchsetzen zu können.

Dennoch ist auch der digitale Binnenmarkt bei Weitem nicht vollendet. Zu den laufenden Initiativen gehören etwa Maßnahmen zur besseren Abwehr von Cyberkriminalität. Stark umstritten sind zudem Fragen zur steuerlichen Behandlung von digitalen Transaktionen. Weil die Frage nach den Ländern, in denen ein digitales Unternehmen Niederlassungen hat, schwer zu beantworten ist, ergeben sich Probleme, Unternehmen mit überwiegend digitalen Geschäftsmodellen angemessen zu besteuern. Versuche der Europäischen Kommission, eine europäische Digitalsteuer einzuführen, sind bislang noch nicht erfolgreich gewesen.

Der stets unvollendete Binnenmarkt

All diese Herausforderungen zeigen, dass die Vollendung des Binnenmarktes niemals abgeschlossen sein wird und es fortwährender Bemühungen bedarf, um seine Vorteile unter neuen technologischen und wirtschaftlichen Bedingungen abzusichern. Dabei ist das Binnenmarktprojekt auf die Akzeptanz der Wählerinnen und Wähler angewiesen. Wächst die Skepsis darüber, ob offene Grenzen tatsächlich von Vorteil für das eigene Wohlergehen sind, dann haben auch weitere Schritte zur Marktöffnung nur noch geringe politische Durchsetzungschancen. Schon heute beklagt die Europäische Kommission eine oft unzureichende Unterstützung durch die Mitgliedstaaten. Zwar sind nationale Regierungen bereit, wohlklingende Erklärungen für mehr Integration zu unterschreiben. Wird es dann aber konkret und sind nationale Interessen oder wichtige nationale Interessengruppen betroffen, können sich schnell Reformblockaden entwickeln.

Europäische Währungsunion

Über Jahrzehnte hinweg war der europäische Binnenmarkt auch deshalb unvollkommen, weil jede Staatsgrenze innerhalb der Gemeinschaft gleichzeitig eine Währungsgrenze war. Erst 1999 gelang mit der Euro-Einführung – zunächst an den Devisenmärkten und im elektronischen Zahlungsverkehr, ab 2002 dann auch beim Bargeld – in zunächst elf EU-Mitgliedstaaten der Schritt zur einheitlichen Währung. Bis heute ist die Währungsunion auf 19 Mitgliedstaaten angewachsen.

Die Euroländer. Quelle: Europäische Union (© picture alliance / dpa-infografik 13 907)

Diese Staaten haben keinerlei Autonomie in der Geldpolitik mehr und die Verantwortung für dieses Politikfeld vollständig an die Europäische Zentralbank (EZB) übergeben. Allerdings wirken die nationalen Vertretungen bei den EZB-Entscheidungen mit. Denn die EZB ist die obere Ebene eines zweistufigen Systems der Zentralbanken: Die nationalen Zentralbanken, darunter die Deutsche Bundesbank, bilden zusammen mit der EZB das sogenannte Europäische System der Zentralbanken (ESZB), dessen oberstes Lenkungsgremium der EZB-Rat ist. Im EZB-Rat wird über die einheitliche Geldpolitik in der Eurozone entschieden. Er besteht aus den sechs Mitgliedern des EZB-Direktoriums (darunter der EZB-Präsident und -Vizepräsident) und den 19 Präsidenten und Präsidentinnen der zur Eurozone gehörenden nationalen Zentralbanken.

Die europäischen Währungshüter. Quelle: EZB (© picture alliance / dpa-infografik 13 914)

Weitere wichtige Ordnungsmerkmale der Europäischen Währungsunion wurden im Maastrichter Vertrag verankert:

  • Das oberste Ziel der EZB ist die Sicherung der Preisstabilität. Konkret zielt die EZB auf eine Inflationsrate von knapp zwei Prozent ab. Gibt es Zielkonflikte zwischen Inflationsbekämpfung und Wachstumspolitik, muss die EZB der Inflationsbekämpfung Priorität einräumen. In den vergangenen Jahren war die Inflation oft eher zu niedrig als zu hoch. Auch eine "Deflation" (bei der die Preise insgesamt fallen) gilt als riskant und wird daher von der EZB durch ihre geldpolitischen Instrumente bekämpft.

  • Das ESZB ist unabhängig von der Politik. Politikerinnen und Politiker der EU oder der Mitgliedstaaten dürfen der EZB und den nationalen Zentralbanken keine Vorgaben machen, die Vertreterinnen und Vertreter der Zentralbanken dürfen keine politischen Weisungen entgegennehmen.

  • Das ESZB darf weder den Mitgliedstaaten noch der EU Kredite einräumen. Dadurch soll die Verbindung zwischen Staatsdefiziten und Geldpresse unterbunden werden, weil diese große Inflationsgefahren mit sich bringt.

Nutzen und Kosten einer gemeinsamen Währung

Die Einführung der gemeinsamen Währung war von Beginn an mit Chancen und Risiken verbunden. Für sie sprach und spricht, dass die Gemeinschaftswährung Hindernisse durch verschiedene nationale Währungen beseitigt hat, die zuvor das staatenüberschreitende Wirtschaften im Binnenmarkt belastet hatten. Mit dem Euro ist zumindest in den 19 Teilnehmerländern ein hohes Maß an Preistransparenz eingekehrt. Wichtiger noch ist der Umstand, dass im Handel und im Tourismus zwischen diesen Ländern Wechselkursunsicherheit, kostspielige Kurssicherungsgeschäfte und Devisenumtauschgebühren endgültig der Vergangenheit angehören. So hat vor allem der deutsche Export seit der Euro-Einführung von stabilen Währungsrelationen profitiert.

Diesen Vorteilen einer Gemeinschaftswährung stehen aber auch Nachteile gegenüber: Länder in einem gemeinsamen Währungsraum verzichten auf einen anpassungsfähigen Wechselkurs. Ein Land mit eigenständiger nationaler Währung kann diese abwerten, um auf den Exportmärkten erfolgreich zu bleiben – dies hilft auch, wenn beispielsweise die Arbeitskosten zu schnell steigen. Mit dem Euro ist diese Korrektur nicht mehr möglich und Euroländer mit einer sich verschlechternden Wettbewerbsfähigkeit verlieren unweigerlich Marktanteile. Zudem entstehen mit einer Währungsunion stärkere wechselseitige Abhängigkeiten: Wirtschaftet ein Mitglied der Europäischen Währungsunion (EWU) unsolide, dann kann dies der gesamten Eurozone Schaden zufügen.

Die Probleme, die mit einer gemeinsamen Währung einhergehen können, sind bereits im Maastrichter Vertrag, der mit Inkrafttreten am 1. November 1993 den Weg in die Währungsunion eingeleitet hatte, angesprochen worden. Es wurde festgelegt, dass nur Länder Mitglieder der EWU werden sollen, die bestimmte Stabilitätskriterien erfüllen: So durfte die Neuverschuldung drei Prozent des nationalen Bruttoinlandsprodukts nicht überschreiten, wenn sich ein Land für den Beitritt qualifizieren wollte. Und für den Schuldenstand galt ein Richtwert von 60 Prozent in Relation zur Wirtschaftsleistung, bei dem allerdings Ausnahmeklauseln bestehen. Außerdem wurde 1996 der sogenannte Stabilitäts- und Wachstumspakt vereinbart, der nach einem EWU-Beitritt die Mitgliedstaaten auf eine nachhaltige Haushaltspolitik und eine weitere Beachtung der Drei-Prozent-Grenze für das öffentliche Haushaltsdefizit verpflichten sollte.

Erste Erschütterungen durch die Euro-Schuldenkrise

Obwohl die stetige Erweiterung der Eurozone einen erfolgreichen Verlauf des Projekts nahelegt, geriet die EWU dennoch zehn Jahre nach der Etablierung des Euro in eine schwere Krise. Die Gründe für diese Vertrauenskrise waren vielschichtig und unterschieden sich zudem stark zwischen den besonders betroffenen Staaten.

Die hohe Verschuldung vieler Eurostaaten bereits vor Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahr 2008 war ein erster wichtiger Grund. Der vereinbarte Richtwert von 60 Prozent der Wirtschaftsleistung wurde auch in den ökonomisch guten Jahren oftmals überschritten und es waren Staaten wie Griechenland, Belgien und Italien in die Eurozone aufgenommen worden, deren Schulden diesen Richtwert vor dem Beitritt weit überstiegen hatten. Im Rückblick hat sich dabei gezeigt, dass der mit der Euro-Einführung in Kraft getretene Stabilitätspakt nicht konsequent genug angewendet worden ist. Zur hohen öffentlichen Verschuldung traten in Ländern wie Spanien und Irland hohe private Schulden hinzu, die aus dem Immobilienboom in diesen Ländern und hohen Hypothekenkrediten der Privathaushalte resultierten.

Auch hatte sich die Hoffnung nicht erfüllt, dass alle Mitgliedstaaten der Währungsunion nach der Euro-Einführung zielgerichtet daran arbeiten würden, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern und Probleme in der öffentlichen Verwaltung, im Bildungssystem, an den Arbeitsmärkten oder im Steuersystem anzugehen. Ganz im Gegenteil: In den ersten Jahren der Währungsunion hatte ein übermäßiger Optimismus bezüglich der wirtschaftlichen Perspektive den Reformelan erlahmen lassen. Dieser Reformstau wurde für die früheren Schwachwährungsländer in Südeuropa durch zunächst sehr attraktive Finanzierungsbedingungen begünstigt. Waren Länder wie Griechenland, Portugal, Spanien und auch Italien zu Zeiten der nationalen Währungen noch mit hohen Zinsen konfrontiert, sank die Verzinsung für Staatsanleihen mit der Euro-Einführung auf sehr niedrige Werte. Kapital war aus der Perspektive dieser Länder so kostengünstig wie nie zuvor – dies ging einher mit steigenden Verschuldungsanreizen. Begleitet wurde diese Entwicklung von sehr hohen Defiziten der südeuropäischen Staaten und Irlands in ihren Leistungsbilanzen: Die Importe von Gütern und Dienstleistungen überstiegen die Exporte bei Weitem. Infolgedessen stieg auch die Auslandsverschuldung kontinuierlich an.

Somit war die Ausgangslage bereits schwierig, als die Länder der Eurozone in den Jahren 2008/2009 von den Folgen der Finanzkrise in den USA getroffen wurden und in eine schwere Rezession gerieten. Die Finanzkrise führte zu einer starken Zusatzbelastung der öffentlichen Haushalte: Konjunkturpakete mit zusätzlichen Staatsausgaben wurden aufgelegt, um die Wirtschaft zu stabilisieren. Außerdem führte die Rezession zu einem starken Einbruch bei den Steuereinnahmen. Viele Eurostaaten mussten erhebliche Mittel zur Rettung ihrer Banken aufwenden, was vor allem für Irland zu einem plötzlichen und sprunghaften Anstieg in der Staatsverschuldung führte.

Infolge dieser Ereignisse setzte eine negative Kettenreaktion ein, die in Griechenland begann und zunächst auf Länder wie Irland und Portugal, später auch auf Spanien übergriff. Die stark steigende Verschuldung ließ Zweifel an der künftigen Zahlungsfähigkeit dieser Länder wachsen. Infolgedessen verloren die umlaufenden Staatsanleihen stark an Wert und die Zinsen für die Finanzierung der hohen neuen Defizite schossen in die Höhe. Gleichzeitig brachte der Wertverlust bei den Staatsanleihen in Kombination mit der um sich greifenden Rezession und wachsenden Kreditausfällen die Banken in diesen Staaten in akute Probleme. In Irland und Spanien wurde die Abwärtsbewegung durch einen drastischen Einbruch bei den Immobilienpreisen verschärft. Ein sprunghafter Anstieg der Arbeitslosigkeit in allen betroffenen Ländern wirkte als weiterer Krisenverstärker. Die Krisenentwicklung war damit durch die typischen Merkmale einer negativen, sich selber verstärkenden Abwärtsspirale charakterisiert. Diese Abwärtsspirale drohte zudem, auf immer mehr Länder der Eurozone inklusive Italiens überzugreifen.

Arbeitslosenquote in Prozent und Staatsverschuldung in Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Quelle: Eurostat, 2020: Prognosewerte Europäische Kommission

Reaktionen und neue Institutionen

Die Staaten der Eurozone haben 2010 auf die akute Krise zunächst mit Notfallinstrumenten reagiert und über verschiedene Kreditlinien ("Euro-Rettungsschirm") dafür gesorgt, dass es nicht zu einem ungeordneten Zahlungsausfall der Krisenstaaten mit schwer absehbaren Folgen kam. Über diese kurzfristigen Notfallmaßnahmen hinaus wurden folgende dauerhafte Reformen am Ordnungsrahmen der Eurozone vorgenommen:

  • Europäischer Stabilitätsmechanismus (ESM): Der ESM steht bereit, um Staaten der Eurozone finanziell zu helfen, die in eine Krisensituation geraten. Die rechtliche Grundlage für den ESM wurde durch eine einstimmige Anpassung des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, Artikel 136 Absatz 3 AEUV, geschaffen. Die mögliche Kreditgewährung des ESM ist quantitativ begrenzt auf eine aktuelle Obergrenze von 500 Milliarden Euro (2020). Die Absicherung der Kredite erfolgt durch Garantien der Eurostaaten. Dabei haftet jeder Staat nur anteilig. So ist die deutsche Haftung derzeit auf eine Obergrenze von 190 Milliarden Euro begrenzt. Die Kreditgewährung durch den ESM wurde in der Euro-Schuldenkrise an strenge Bedingungen geknüpft. In der Coronavirus-Krise wurde 2020 eine Kreditlinie geschaffen, mit der Euroländer Kredite ohne zusätzliche Auflagen erhalten können, wenn sie das Geld zur Finanzierung der Gesundheitskosten infolge der Pandemie einsetzen.

  • Fiskalvertrag und reformierter Stabilitätspakt: Die Spielregeln, denen sich Länder der Eurozone in Bezug auf ihre Haushaltspolitik unterwerfen müssen, sind präzisiert und verschärft worden. Zu diesem Zweck sind die Regeln des Stabilitätspakts angepasst worden. Beispielsweise wurde eine "umgekehrte Mehrheitsregel" eingeführt. War bislang eine qualifizierte Mehrheit nötig, um Sanktionen zu verhängen, so ist diese Mehrheit nun umgekehrt erforderlich, um Sanktionen aufzuhalten. Auch ist der Einfluss der EU auf die nationale Haushaltspolitik gewachsen. Im Rahmen des "Europäischen Semesters" müssen die Mitgliedstaaten ihre Haushaltspläne frühzeitig der Europäischen Kommission vorlegen. Diese überprüft, inwieweit diese Pläne den europäischen Vorgaben zur Defizitbegrenzung und anderen Zielen entsprechen. Im Fiskalvertrag haben sich alle EU-Staaten (außer Tschechien und Kroatien) außerdem darauf verpflichtet, in ihren nationalen Rechtsordnungen strenge Schuldengrenzen zu verankern.

  • Makroökonomische Überwachung: Ökonomische Fehlentwicklungen, die zu einer Schuldenkrise führen können, sollen frühzeitig erkannt und bekämpft werden. Im Rahmen des Verfahrens zur Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte werden beispielsweise die Entwicklung der Leistungsbilanzdefizite und -überschüsse oder Preisentwicklungen an den Immobilienmärkten beobachtet. Durch diese Überwachung sollen wirtschaftliche Ungleichgewichte frühzeitig diagnostiziert werden, um rechtzeitig Gegenmaßnahmen einleiten zu können.

  • Bankenunion: Die europäische Ebene hat eine neue umfassende Zuständigkeit für die Regulierung, Beaufsichtigung und notfalls Abwicklung von Banken erhalten. Damit werden Konsequenzen aus der Erfahrung gezogen, dass Probleme in einem nationalen Bankensystem die gesamte Eurozone in Mitleidenschaft ziehen können.

  • Anleihekaufprogramm der EZB: Durch ein im Jahr 2012 aufgelegtes neues Programm zum Ankauf von Staatsanleihen von Euro-Krisenstaaten (engl.: Outright Monetary Transactions, OMT) hat Europas Zentralbank sich stark in der Krisenbekämpfung engagiert. Die EZB hat im Rahmen dieses Programms ihre Bereitschaft erklärt, Anleihen von Krisenstaaten notfalls in unbegrenztem Umfang zu kaufen, wenn diese Staaten mit dem ESM eine Vereinbarung geschlossen haben. Die Ankündigung des OMT-Programms im Sommer 2012 gilt als Wendepunkt der Krise. In den zwei Jahren danach haben sich die Zinsen der Krisenstaaten wieder stark verringert, ohne dass die EZB im Rahmen des Programms tatsächlich Anleihen kaufen musste. 2020 entschied das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil, dass das 2015 eingeführte Anleihekaufprogramm der EZB, das "Public Sector Purchase Programme" (PSPP), teilweise nicht verfassungskonform mit dem Grundgesetz sei. Der Europäische Gerichtshof hatte allerdings zuvor keinen Verstoß gegen europäisches Recht feststellen können.

Anhaltende Debatte um die zukünftige Ausgestaltung der Währungsunion

Die europäische Schuldenkrise und die Maßnahmen zur Kriseneindämmung haben in Europa erhebliche Kontroversen ausgelöst. Kritikerinnen und Kritiker der Rettungspolitik in Deutschland bemängeln, dass diese Politik zentrale Regeln des Maastrichter Vertrags missachtet habe. So stünden die Beistandskredite im Widerspruch zum Haftungsausschluss des Vertrags, wonach es keine Gemeinschaftshaftung für nationale Schulden geben dürfe. Kritisiert werden zudem die Anleihekäufe der EZB, die aus Sicht der Skeptikerinnen und Skeptiker gegen das Maastrichter Verbot des Zentralbankkredits an Eurostaaten verstießen und zudem über keine ausreichende demokratische Legitimation verfügten. In den von hoher Arbeitslosigkeit und insbesondere Jugendarbeitslosigkeit betroffenen südeuropäischen Staaten werden umgekehrt die sozialen Härten kritisiert, die mit den strengen Reform- und Sparauflagen verbunden seien. Europa zeige nicht ausreichend Solidarität.

Vor dem Hintergrund dieser Debatte entspricht der Weg, den Europa zur Lösung eingeschlagen hat, einem Mittelweg: Solidarität wird durch Kreditlinien praktiziert, aber sie bleibt begrenzt und ist mit Auflagen verbunden. Die Europäische Union hilft den Krisenländern im Rahmen ihrer begrenzten Haushaltsmittel – etwa über Mittel aus den Strukturfonds. Die Einführung eines umfassenden Finanzausgleichssystems ist hingegen auf absehbare Zeit nicht konsensfähig.

Bei allen Problemen besteht jedoch unter den Eurostaaten bislang ein hoher Konsens darüber, dass die gemeinsame Währung eine wichtige Errungenschaft des europäischen Integrationsprozesses ist, die es zu verteidigen lohnt. Eine Rückabwicklung der Euro-Einführung gilt für viele als Szenario mit unabsehbaren Risiken für die Stabilität der Finanzsysteme und die Realwirtschaft. Die mit eigenständigen Währungen verbundene Unsicherheit aufgrund starker Wechselkursschwankungen würde Unternehmen belasten und im europäischen Binnenmarkt neue Hemmnisse schaffen.

Europas Antwort auf die Coronavirus-Pandemie

Der Ausbruch der Coronavirus-Pandemie hat die EU und die Eurozone nun zehn Jahre nach Beginn der Euro-Schuldenkrise sowie die europäische Wirtschaft über verschiedene Kanäle massiv getroffen und im Jahr 2020 zur schwersten Rezession der Nachkriegszeit geführt. Ursächlich dafür war nicht nur der sogenannte Lockdown in vielen EU-Staaten, also die weitgehende Unterbrechung des öffentlichen Lebens und die Schließung vieler Unternehmen. Auch der erhebliche Einbruch des Exportgeschäfts infolge der Pandemie und der damit verbundenen Grenzschließungen und Störungen der Warenströme trugen ihren Teil dazu bei.

Auch wenn alle EU-Staaten in Mitleidenschaft gezogen wurden, variieren die medizinischen und die ökonomischen Folgen von Land zu Land. Besonders hart traf es die Länder, die sehr früh und heftig von der Pandemie heimgesucht wurden. Staaten, die in hohem Maße vom Tourismus leben, mussten erdulden, dass dieser monatelang völlig zum Erliegen kam. Erschwerend kommt hinzu, dass einige der besonders von Corona betroffenen Länder wie Spanien und Italien schon vor der neuen Krise mit sehr hohen Staatsschulden zu kämpfen hatten. Dies macht es für diese Länder unmöglich, aus eigenen Kräften wirklich umfassende und hochgradig wirksame Maßnahmen gegen die Krise zu finanzieren.

Vor diesem Hintergrund haben die EU und ihre Mitgliedstaaten reagiert und solidarische Instrumente zur Bekämpfung dieser ungleichen Folgen der Corona-Krise geschaffen. Während es von Beginn an unter allen EU-Regierungen einen großen grundsätzlichen Konsens über die Notwendigkeit einer solidarischen europäischen Antwort gab, waren viele Details umstritten. Beispielsweise hätten sich südeuropäische Regierungen eine gemeinsame europäische Verschuldung über sogenannte Corona-Bonds gewünscht, für die alle EU-Staaten gemeinsam und umfassend gehaftet hätten. Diese Idee stieß aber in Deutschland und einigen nordeuropäischen Staaten auf Ablehnung. Trotz dieser Kontroversen sind vergleichsweise rasch wichtige Entscheidungen über neue Hilfsinstrumente erfolgt.

QuellentextWas spricht für, was gegen gemeinsame Schulden der EU?

PRO – Signal der Stärke

[…] Wenn sich die Europäische Union, wie Deutschland und Frankreich es vorschlagen, zum ersten Mal auf den Finanzmärkten selbst Geld leiht, um damit in die Zukunft des Kontinents zu investieren, dann leisten nicht irgendwelche reichen Länder im Norden eine Art Entwicklungshilfe für irgendwelche armen Länder im Süden.
Es geht vielmehr um die Frage, ob Europa – und damit auch Deutschland – an die eigene Zukunft glaubt und an seine Rolle in der Welt. Es geht um klassische Machtpolitik, um künftige ökonomische Stärke und auch um die Frage, welches Gesellschaftsmodell am Ende Einfluss hat auf die Zukunft des Planeten. In den wirtschaftlichen Verwerfungen, die das Coronavirus ausgelöst hat, steht jener eng vernetzte Wirtschafts- und Wohlstandsraum auf dem Spiel, zu dem sich die Europäische Union in den Jahrzehnten seit dem Zweiten Weltkrieg entwickelt hat – und in dem es den Menschen besser ging als je zuvor in der Geschichte. […]

Das mögen große Worte sein für ein Investitionspaket, das so groß dann auch wieder nicht ist: ein deutscher Anteil von 135 Milliarden Euro, gestreckt auf mehrere Jahre, das ist viel Geld, aber auch nicht mehr als für manchen Rentenkompromiss. Aber es ist für Europa doch ein Novum. Dass Brüssel jetzt eigene Schulden aufnehmen kann, wenn auch mit einem konkreten Tilgungsplan zu Lasten der Nationalstaaten versehen, rückt das Zwitterwesen EU ein Stück weiter vom Staatenbund in Richtung auf einen Bundesstaat […].

Der deutsche Finanzminister sprach jetzt vom "Hamilton-Moment". Er bezog sich damit auf das berühmteste Abendessen der amerikanischen Geschichte, bei dem der erste Finanzminister Alexander Hamilton seinem Widersacher James Madison die Vergemeinschaftung der Schulden abhandelte – und damit aus einem losen Zusammenschluss unbedeutender Kleinstaaten eine spätere Supermacht formte. […]

Treffender wäre es wohl, von […] "Bismarck-Moment" zu sprechen. Die Art, wie der Reichsgründer aus 25 einst souveränen Staaten ein neues Gebilde namens "Deutsches Kaiserreich" formte, weist viele strukturelle Parallelen zur Europäischen Union der Gegenwart auf. Dieses "Reich" hatte gar keine förmliche Regierung, das Amt des Reichskanzlers übte der preußische Ministerpräsident quasi im Nebenberuf aus. In der Funktion als Kanzler konnte er nur wenige Steuern erheben, keine Armee aufstellen, keine Staatsbahn betreiben. Am Ende finanzierte sich das Reich dauerhaft durch "Matrikularbeiträge" der Einzelstaaten, die ursprünglich nur als Übergangslösung vorgesehen waren. […]

Und trotzdem plant jetzt niemand, dass Deutschland einfach nur zahlt. An der Tilgung der Kredite beteiligt sich die Bundesrepublik später in einem Maße, das seinem Anteil an Einwohnern und Wirtschaftsleistung entspricht, das tun auch Krisenländer wie Italien oder Spanien, wenngleich sie von den Hilfen überproportional profitieren – hoffentlich: Bisher war Deutschland erfinderisch, sich von Überweisungen nach Brüssel viel zurückzuholen. Dabei ist der Zusammenhalt des Kontinents der größte Profit, den das größte Mitgliedsland einstreichen kann. Nur wenn man "Solidarität" als wohlverstandenes Eigeninteresse definiert, ist der Begriff nicht verkehrt.

Ralph Bollmann, "Signal der Stärke"

CONTRA – Streit ist sicher

[…] Europa kann nur funktionieren, wenn es sich nicht überfordert. Und wenn es moralische Überhöhung vermeidet. Denn wer moralisch überhöht, braucht sich um echte Argumente nicht mehr zu scheren. [...] Das führt zu einem problematischen Verständnis von Solidarität. Deutschland müsse sich mit dem Rest Europas solidarisch zeigen, heißt es überall. Schließlich treffe die Corona-Krise alle Länder unverschuldet.

Dies ist zwar richtig, übersieht aber eine wichtige Wahrheit: Jedes Land ist weitgehend selbst verantwortlich für den Zustand, in dem es in die Krise hineingegangen ist. […] Es gibt Staaten wie Deutschland, die die Corona-Krise in einem Zustand ökonomischer Stärke getroffen hat. Und es gibt Staaten wie Italien, die sie in einem Zustand ökonomischer Schwäche heimsuchte. Es darf aber nicht das Ziel von Krisenmaßnahmen sein, die vorher bestehenden Unterschiede mit Verweis auf die Krise zu nivellieren. Das machen die Bürger nicht mit, es geht gegen ihr Gerechtigkeitsempfinden.

Jetzt könnte man sagen: Was sind schon die geplanten 500 Milliarden Euro Schulden gegen die großartige Idee eines friedlichen und geeinten Europa, die durch die deutsch-französische Initiative vermeintlich gestärkt wird? Man dürfe Europa eben nicht mit einem Preisschild versehen, heißt es gerne von den Befürwortern der Initiative. Das ist eine gravierende Fehleinschätzung: In Wahrheit ist ein solches Preisschild nötig. Denn nur dann wissen die Deutschen und alle anderen Europäer, worauf sie sich da eigentlich einlassen. [...]

[...] Zwar wird allenthalben versichert, es handle sich bei dem beabsichtigten Fonds nicht um einen Fonds mit gesamtschuldnerischer Haftung – ein Konstrukt also, in dem ein Staat für die Schulden der anderen Staaten mit einsteht. Doch die offene Frage ist, ob es nicht am Ende genau darauf hinausläuft. Zwar sollen die Anleihen des Fonds aus dem EU-Haushalt zurückgezahlt werden. Doch würde der Rest Europas einen hochverschuldeten Mitgliedstaat wirklich dazu zwingen, für seinen Anteil einzustehen? Das ist zu bezweifeln, zumal nach dem Rückzug Großbritanniens die Länder, die Haushaltsdisziplin verlangen, in der EU eine Minderheit sind. Von einem impliziten Haftungsverbund bewegt sich Europa in Wahrheit so immer mehr in Richtung expliziter Haftung.

Einen solchen gemeinsamen Haftungsverbund finden viele richtig, schließlich hat Deutschland von den offenen Grenzen Europas und vielem anderen enorm profitiert. Aber es gibt dabei ein grundlegendes Problem: In solchen Haftungsverbünden diffundiert die Verantwortung. Konkret gesagt: Wenn Regierungen nicht vernünftig wirtschaften und stattdessen Schulden machen, gehören sie abgewählt. Im Europa von heute können sie stattdessen einfach mit dem Finger auf andere Länder zeigen, die ihnen noch mehr Unterstützung bieten müssten. Unfriede statt Gemeinschaftssinn ist die Folge. […]
Der dieser Tage vielzitierte Hamilton-Moment hat Amerika keinen Wohlstand, sondern Streit gebracht, wie der Ökonom Hans-Werner Sinn […] schrieb. Erst als Zentralregierung und Einzelstaaten strikte Schuldengrenzen für Letztere verabredeten, befriedete sich die Lage. Finanzielle Eigenverantwortung stärkt die Gemeinschaft. Das sollte Europa eine Lehre sein.

Dennis Kremer, "Streit ist sicher"

beide in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 24. Mai 2020 © Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt. Zur Verfügung gestellt vom Frankfurter Allgemeine Archiv

Bereits im April 2020 einigten sich die Finanzministerinnen und -minister auf ein mit insgesamt 540 Milliarden Euro ausgestattetes Hilfspaket. Dieses erste Hilfspaket umfasst drei Bausteine:

  • Kreditlinie des ESM von 240 Mrd. Euro: Jeder Eurostaat kann vom ESM in einer besonderen Pandemie-Kreditlinie bis zu zwei Prozent seiner Wirtschaftsleistung an Finanzhilfen zu günstigen Zinsen erhalten. Während die ESM-Hilfen in der Euro-Schuldenkrise an detaillierte und genau überwachte Auflagen geknüpft waren, sind die Bedingungen für die Corona-Kredite stark gelockert. Einzige Voraussetzung ist, dass die Gelder für die direkten und indirekten Gesundheitskosten der Pandemie genutzt werden müssen.

  • Liquiditätshilfen der Europäischen Investitionsbank (EIB) bis zu 200 Milliarden Euro: Bei der EIB wird ein Garantiefonds eingerichtet, aus dem besonders kleine und mittlere Unternehmen unterstützt werden sollen.

  • SURE-Programm zur Förderung von Kurzarbeit im Umfang von 100 Milliarden Euro: Über das Programm "Tempory Support to mitigate Unemployment Risks in an Emergency", kurz SURE, wird die Europäische Kommission Mitgliedstaaten in der Finanzierung von Kurzarbeit unterstützen.

Corona-Schutzschild für Europa (© Bundesministerium der Finanzen)

Diesem ersten Paket, das weitgehend auf der Vergabe von Krediten beruht, folgt mit dem Wiederaufbauplan "Next Generation EU" (NGEU) ein über den europäischen Haushalt finanziertes Instrument. Nachdem das erste EU-Hilfspaket eher auf die Finanzierung der akuten Krisenfolgen ausgerichtet ist, soll NGEU einen Beitrag zur Erholung der EU von der Corona-Rezession über die kommenden Jahre leisten. Nach konfliktreichen Verhandlungen einigte man sich auf dem Gipfeltreffen des Europäischen Rats im Juli 2020 auf den EU-Wiederaufbauplan "Next Generation EU" mit folgenden Details:

  • Finanzvolumen: Der reguläre EU-Haushalt wird für die Jahre 2021 bis 2027 mit insgesamt rund 1074 Milliarden Euro ausgestattet (in Preisen von 2018; Stand gemäß Einigung im Juli 2020). Dazu kommen zusätzlich 750 Milliarden Euro im Rahmen von NGEU, um die Erholung der EU von der Corona-Rezession zu unterstützen. Die Mittel aus dieser zusätzlichen Corona-Finanzierungslinie können bis zum Jahr 2023 bewilligt werden und müssen spätestens 2026 ausgegeben sein.

  • Finanzierung: Während der reguläre Finanzrahmen durch laufende Beitragszahlungen der Mitgliedstaaten ("Eigenmittel") gedeckt sein muss, wird das NGEU-Budget schuldenfinanziert. Dazu gibt die Europäische Kommission EU-Anleihen am Kapitalmarkt heraus, die durch den europäischen Haushalt garantiert werden. Die Rückzahlung dieser Schulden soll im Jahr 2028 beginnen und spätestens im Jahr 2058 erledigt sein. Diese Schuldenfinanzierung soll einmalig sein und ausschließlich für die Finanzierung von NGEU genutzt werden dürfen.

  • Mittelverwendung: Die NGEU-Mittel werden für verschiedene Programme eingesetzt. Das mit Abstand größte Instrument ist die "Aufbau- und Resilienzfazilität". Sie wird mit 560 Milliarden Euro ausgestattet und stellt den Mitgliedstaaten diese Mittel zur Verfügung. Von diesem Gesamtbetrag werden 310 Milliarden Euro als Zuschüsse ausgezahlt, die also nicht mehr zurückgezahlt werden müssen. 250 Milliarden Euro werden hingegen als Kredite zur Verfügung gestellt, die von den Mitgliedstaaten in den kommenden Jahrzenten zu tilgen sind. Die Aufbau- und Resilienzfazilität soll Investitionen insbesondere in Bezug auf den digitalen und ökologischen Wandel finanzieren. Auch sollen die Mittel Reformen für höheres Wachstum und eine bessere Widerstandsfähigkeit bei Krisen unterstützen.

  • Verteilung: Die Mittel werden nach komplizierten Formeln auf die Mitgliedstaaten verteilt, in die das Pro-Kopf-Einkommen, die Höhe der allgemeinen Arbeitslosigkeit und der Jugendarbeitslosigkeit, aber auch die Tiefe der Rezession in den Jahren 2020 und 2021 eingehen.

  • Auflagen: Europa hat zwar ein Mitspracherecht bei der Mittelverwendung durch die Mitgliedstaaten, allerdings gibt es keine detaillierten Auflagen. Die Mitgliedstaaten müssen Verwendungspläne vorlegen. Diese müssen auf die "länderspezifischen Empfehlungen" Bezug nehmen, die jedem Mitgliedstaat im jährlichen Überwachungsprozess des "Europäischen Semesters" mit auf den Weg gegeben werden. Kommission und Rat müssen diesen Plänen zustimmen und überwachen deren Einhaltung.

Erst die nächsten Jahre werden zeigen, wie EU und Eurozone die großen ökonomischen, finanziellen und nicht zuletzt sozialen Herausforderungen der tiefen Corona-Rezession bewältigen werden. Letztlich ist diesbezüglich sowohl ein negatives als auch ein positives Szenario möglich. Gelingt der EU keine erfolgreiche Stabilisierung der europäischen Wirtschaft und verharren Länder wie Italien weiterhin in der Stagnation und der sich verschärfenden Finanzkrise, dann wäre dies eine sehr gefährliche Entwicklung für den Zusammenhalt der Union und die Zukunft der Gemeinschaftswährung. Denkbar ist aber auch der positive Fall, in dem Europa seinen Mehrwert für alle Mitgliedstaaten unter Beweis stellt und durch eine gute Koordination besser aus der Corona-Rezession herauskommt als Länder, die auf sich allein gestellt sind.

Bankenunion

Mit der Errichtung der Europäischen Bankenunion (EBU) hat Europa wichtige Lehren aus der Finanzkrise gezogen. War die Beaufsichtigung von Banken in der Vergangenheit eine nationale Angelegenheit, so wurden seit 2014 einheitliche europäische Regeln und Institutionen geschaffen. Maßgeblich für die Errichtung der EBU ist die Erkenntnis, dass eine Bankenkrise nicht vor nationalen Grenzen haltmacht. Eine wenig ambitionierte Bankenaufsicht in einem Mitgliedstaat kann daher großen Schaden in der gesamten EU anrichten. Diese negativen grenzüberschreitenden Effekte rechtfertigen einen europäischen Ansatz. Die EBU ruht auf den folgenden drei Säulen:

  • Einheitliche Bankenaufsicht: Die EZB hat 2014 die Verantwortung für den "einheitlichen europäischen Bankenaufsichtsmechanismus" (Single Supervisory Mechanism, SSM) übernommen. Europas Zentralbank übt im Rahmen des SSM die direkte Aufsicht über die sogenannten signifikanten Banken aus. Dies sind solche Kreditinstitute, die aufgrund ihrer Größe im Fall eines Zusammenbruchs zu einer Gefahr für die Finanzstabilität in ganz Europa werden könnten. Neben dem Europäischem SSM gibt es weiterhin nationale Aufsichtsbehörden wie in Deutschland die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Diese hat die Aufgabe, die EZB bei der Beaufsichtigung von großen Banken in Deutschland zu unterstützen. Außerdem ist die BaFin für die Aufsicht über etwa 2000 kleinere Banken, Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken zuständig.

  • Bankenabwicklung: Zur Marktwirtschaft gehört, dass Unternehmen im Fall eines Scheiterns auch abgewickelt werden können. In der Finanzkrise setzte sich aber die Überzeugung durch, dass Banken "too big to fail" ("zu groß, um zu scheitern") sein können. Dies bedeutet, dass eine Bankenpleite einen solchen Schaden für die Allgemeinheit anrichtet, dass der Staat letztlich zur Rettung gezwungen ist. Um dieses Problem zu beseitigen, hat die EBU Vorkehrungen für die geordnete Abwicklung von Banken getroffen. Diese Regeln und Instrumente sind Teil des "Einheitlichen Abwicklungsmechanismus" (Single Resolution Mechanism, SRM). Im Rahmen des SRM entscheidet ein europäisches Abwicklungsgremium unter Aufsicht der EZB über die Abwicklung von großen Banken. Um die Kosten einer Abwicklung abzufedern, werden die Banken finanziell herangezogen: Europäische Banken zahlen regelmäßig in den "einheitlichen Abwicklungsfonds" ein. Außerdem ist vorgeschrieben, dass vor Nutzung des Abwicklungsfonds private Gläubiger einen Verlust in Höhe von mindestens acht Prozent der Bilanzsumme einer Bank hinnehmen müssen. Durch all diese Regeln soll verhindert werden, dass in einer neuen Bankenkrise wieder Steuerzahlerinnen und Steuerzahler für Bankenpleiten aufkommen müssen, wie dies in der Finanzkrise 2008/2009 in vielen Ländern der Fall war.

  • Harmonisierte Einlagensicherung: Vertrauen in das Bankensystem kann es nur geben, wenn Sparerinnen und Sparer davon überzeugt sind, dass ihre Einlagen sicher sind. Daher wird die EBU durch gemeinsame europäische Mindeststandards zur Einlagensicherung ergänzt. Alle EU-Mitgliedstaaten sind durch die sogenannte Einlagensicherungsrichtlinie verpflichtet, Spareinlagen in Höhe von mindestens 100.000 Euro pro Kopf abzusichern. Das bedeutet, dass Sparerinnen und Sparer für Beträge bis zu dieser Grenze auch dann keinen Verlust erleiden, wenn die kontoführende Bank zahlungsunfähig wird. Allerdings gibt es bisher kein umfassendes europäisches System. Stattdessen existieren nationale Einlagensicherungssysteme unverbunden nebeneinander. Bislang war die Einführung einer wirklich europäischen Einlagensicherung (European Deposit Insurance Scheme, EDIS) nicht konsensfähig. Dafür spräche, dass erst EDIS die EBU wirklich vollendet und nationale Bankensysteme gegen Krisen besser absichert. Kritische Stimmen warnen hingegen, dass EDIS zur europäischen Gemeinschaftshaftung für die spezifischen Probleme nationaler Bankensysteme führe. So unterscheiden sich die Bankensysteme zum Beispiel stark in Bezug auf den Anteil notleidender Kredite oder den Anteil von Staatsanleihen in den Bankbilanzen. Erst wenn es hier zu einer weitgehenden Angleichung gekommen ist, so die Gegner von EDIS, dürfte es einen Haftungsverbund der nationalen Systeme geben.

Sozial- und Beschäftigungspolitik

Der EU-Vertrag betont, dass die Europäische Union sozialen Zielen wie Gerechtigkeit, Solidarität und Nichtdiskriminierung verpflichtet ist (Art. 2 EUV). Die EU soll auf eine "in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft, die auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt abzielt", hinwirken (Art. 3 EUV). Wie im wirtschaftlichen Leitbild der Bundesrepublik gilt somit auch auf europäischer Ebene der Richtwert einer sozialen Marktwirtschaft.

Schon mit ihrer Errichtung am 1. Januar 1958 verfügte die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft über erste sozial- und beschäftigungspolitische Instrumente. Eine prominente Rolle nimmt seither der Europäische Sozialfonds (ESF) ein, der beschäftigungspolitische Programme finanziert. In den folgenden Jahrzehnten wurden die sozialen Zielsetzungen weiter ausdifferenziert. So konnten sich die Mitgliedsländer in den 1960er-Jahren zunächst auf einige Bestimmungen zum sozialen Schutz von Wanderarbeitskräften einigen. In den 1970er-Jahren schufen sie einheitliche Rahmenbedingungen für die Gleichbehandlung von Männern und Frauen in der sozialen Sicherung oder zum Vorgehen bei Massenentlassungen und Unternehmensinsolvenzen.

Mit der Einheitlichen Europäischen Akte von 1986 erhielt die Gemeinschaft dann weitere wichtige sozialpolitische Zuständigkeiten. Seitdem definiert der europäische Gesetzgeber Mindeststandards zum Arbeits- und Gesundheitsschutz. Eine weitere Etappe war der Amsterdamer Vertrag, der mit seinem Inkrafttreten am 1. Mai 1999 die sozialpolitischen Ziele der Gemeinschaft erweitert hat, beispielsweise darum, die Beschäftigung zu fördern und die soziale Ausgrenzung zu bekämpfen.

Vom Vertrag von Amsterdam bis zur europäischen Säule sozialer Rechte

Mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam im Jahr 1999 wurde ein eigenständiges Kapitel zur Beschäftigung in den EG-Vertrag aufgenommen. Vorausgegangen war eine intensive Diskussion darüber, ob die EU für die Beschäftigungspolitik zuständig sei. Unstrittig ist, dass die hohe Arbeitslosigkeit in vielen EU-Staaten ein ernsthaftes Problem darstellt. Jedoch unterscheiden sich Ausmaß und Ursachen der Arbeitslosigkeit in den verschiedenen Mitgliedstaaten deutlich, sodass europäische "Einheitsrezepte" kaum Erfolg versprechen.

Laut Amsterdamer Vertrag bleibt es daher grundsätzlich bei einer nationalen Zuständigkeit in der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik. Allerdings werden Aktionen auf diesen Gebieten stärker zwischen den Mitgliedstaaten koordiniert. Zu diesem Zweck definiert der Ministerrat sogenannte beschäftigungspolitische Leitlinien, die die Mitgliedstaaten in ihrer nationalen Politik berücksichtigen sollen.

Die Einhaltung dieser Leitlinien wird jährlich überprüft. Zwar zieht eine Verletzung der Brüsseler Vorgaben in der Beschäftigungspolitik bislang keine Geldstrafen oder andere Sanktionen nach sich. Es kann jedoch eine Empfehlung an den betreffenden Mitgliedstaat folgen, die allein durch ihre Öffentlichkeitswirksamkeit einen gewissen politischen Einfluss haben dürfte. Ein wichtiges Ziel dieser Zusammenarbeit liegt außerdem in den Lerneffekten: Die Mitgliedstaaten sollen bei der Suche nach erfolgreichen Mitteln im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit voneinander lernen.

Ein weiterer Meilenstein europäischer Sozialpolitik war im Jahr 2017 die Proklamation der "europäischen Säule sozialer Rechte". Darin haben sich die drei Institutionen Europäisches Parlament, Rat der EU und Europäische Kommission auf einen Katalog wesentlicher Grundsätze der Beschäftigungs- und Sozialpolitik geeinigt. Die "europäische Säule sozialer Rechte" schafft zwar keine einklagbaren individuellen Rechtsansprüche, sie dient aber als politischer Kompass für künftige Reformen. Dabei deckt sie beispielsweise Themenfelder ab wie Chancengleichheit, faire Arbeitsbedingungen oder Fragen der gerechten Entlohnung.

Vorrang der nationalen Kompetenz


Heute kommt sozial- und beschäftigungspolitischen Zielen in allen Gesamtstrategien der EU eine prominente Rolle zu. So hat die 2019 ins Amt gekommene Kommission unter ihrer Präsidentin Ursula von der Leyen einen Aktionsplan zur Umsetzung der "Säule sozialer Rechte" in Angriff genommen. Die Fortschritte Europas in der Sozialpolitik werden zudem im Rahmen des "Europäischen Semesters" gesteuert. Dieses soll der Kommission über eine frühzeitige Prüfung der nationalen Haushaltsentwürfe Einfluss auf die Einhaltung von europäisch vereinbarten Zielen ermöglichen.

Obwohl die Bedeutung der europäischen Sozial- und Beschäftigungspolitik langsam wächst, sind für diesen Politikbereich weiterhin vorrangig die Mitgliedstaaten zuständig. Dies wurde zuletzt durch den Lissabon-Vertrag bestätigt, der auf dem Gebiet der Beschäftigungs- und Sozialpolitik keine wesentlichen Änderungen mit sich gebracht hat. Weiterhin können nur bei Einstimmigkeit im Rat der EU europäische Regeln in den Bereichen sozialer Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, Kündigungsschutz, kollektive Interessenvertretungen und Mitbestimmung erlassen werden. Allerdings kann der Europäische Rat einstimmig beschließen, bei Fragen des Kündigungsschutzes und der Mitbestimmung sowie in Bezug auf die Beschäftigungsbedingungen von Staatsangehörigen aus Nicht-EU-Staaten Mehrheitsentscheidungen zuzulassen.

Die relative Zurückhaltung gegenüber einer starken europäischen Angleichung der Beschäftigungs- und Sozialpolitik hat ihre Gründe: Sie liegen zum einen in den sehr unterschiedlichen sozialpolitischen Präferenzen der Wählerinnen und Wähler in den Mitgliedstaaten. Zum anderen birgt eine zu starke Vereinheitlichung von Sozialstandards nach Auffassung vieler Wirtschaftsfachleute gewisse Risiken; So könnten Unternehmen aus den wirtschaftlich schwächeren Ländern zum Beispiel eine Anhebung der Löhne nicht finanzieren. Zu hohe Standards könnten deren Wettbewerbsfähigkeit verringern und die Beschäftigungsprobleme in ihren Staaten verschärfen. Der umgekehrte Weg einer Absenkung der Standards in den wohlhabenden EU-Ländern wäre politisch nicht akzeptabel und ökonomisch wenig sinnvoll.

Vor allem mit Blick auf die anhaltend hohe Jugendarbeitslosigkeit in vielen EU-Staaten hat es in den vergangenen Jahren dennoch neue beschäftigungs- und sozialpolitische Initiativen der EU gegeben. So wurde 2013 eine "Jugendgarantie" verabschiedet. Im Rahmen dieser Garantie soll jedem jungen Menschen unter 25 Jahren innerhalb von vier Monaten nach Beginn der Arbeitslosigkeit ein Arbeitsplatz, eine Ausbildungsmöglichkeit oder zumindest ein Praktikumsplatz angeboten werden. Die Kommission berichtet, dass die aus dem EU-Haushalt finanzierte Jugendgarantie von 2013 bis 2020 bereits mehr als 24 Millionen jungen Menschen geholfen habe, eine Aus- oder Weiterbildung zu absolvieren oder eine Arbeit zu finden.

Arbeitslose Jugend in der EU, Quelle: Eurostat (© picture-alliance, dpa-infografik 13 261)

Die von der Leyen-Kommission möchte die Jugendgarantie in den nächsten Jahren zu einer "Brücke ins Arbeitsleben" weiterentwickeln. Dabei will sie besondere Impulse für die Aus und Weiterbildung im Bereich digitaler Kompetenzen setzen. Außerdem sollen neue Instrumente die Jugendbeschäftigung fördern und nationale Ausbildungsallianzen schaffen. Darüber hinaus haben viele aktuelle Initiativen und Maßnahmen der EU indirekt erhebliche sozial- und beschäftigungspolitische Auswirkungen. So soll der Wiederaufbauplan "Next Generation EU" mit seinem Budget von 750 Milliarden Euro die wirtschaftliche Erholung nach der Coronavirus-Pandemie fördern. Erweist er sich mit dieser Zielsetzung als erfolgreich, dann leistet er auch einen maßgeblichen Beitrag für die sozialen Ziele der Union.

Agrarpolitik

Gemessen an ihren Kosten ist die Agrarpolitik immer noch der wichtigste Politikbereich der Union: Im EU-Finanzrahmen für die Jahre 2021 bis 2027 sind gemäß Beschluss des EU-Sondergipfels im Juli 2021 für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) gut 330 Milliarden Euro in Preisen von 2018 (31,3 % des Gesamthaushalts) vorgesehen. Die große finanzielle Bedeutung der GAP steht nach wie vor in einem auffälligen Gegensatz zur gesamtwirtschaftlichen Bedeutung des landwirtschaftlichen Sektors. Im EU-Durchschnitt trägt die Landwirtschaft weniger als zwei Prozent zur gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung bei.

Diese Diskrepanz lässt sich zum einen historisch erklären: Zur Zeit der Römischen Verträge von 1957 hatte die Landwirtschaft ein noch erheblich höheres ökonomisches Gewicht, das bis heute nachwirkt. Zum anderen bilden die Landwirtinnen und Landwirte eine besonders gut organisierte Interessengruppe, die in vielen Staaten politisch einflussreich ist. Schließlich kommt Landwirtschaftsbetrieben auch eine große ökologische Bedeutung für den Schutz von Natur, Klima und Lebensmittelqualität zu.

Die GAP ist seit 1999 in zwei "Säulen" gegliedert. Die erste Säule beinhaltet Direktzahlungen an landwirtschaftliche Betriebe und einheitliche Marktordnungen für einzelne Agrarprodukte. Die zweite Säule konzentriert sich auf die Entwicklung der ländlichen Räume.

Die vertraglichen Ziele der GAP sind:

  • Versorgungssicherheit für die Bevölkerung zu angemessenen Preisen,

  • Erhöhung der Produktivität in der Landwirtschaft,

  • Gewährleistung eines angemessenen landwirtschaftlichen Einkommens,

  • Sicherung von Entwicklung und Beschäftigung in ländlichen Gebieten.

Eingriffe in den Marktprozess

Während ähnliche Ziele für andere Wirtschaftsbereiche im Binnenmarkt grundsätzlich mithilfe von marktwirtschaftlichen Instrumenten verfolgt werden, war die GAP lange Zeit durch weitreichende Eingriffe in den Marktprozess gekennzeichnet.

Im Mittelpunkt der traditionellen Gemeinsamen Agrarpolitik standen die Marktordnungen. Diese sahen je nach landwirtschaftlichem Produkt unterschiedliche Markteingriffe vor, die von der Begrenzung der Anbauflächen (Marktordnung für Wein) über betriebsspezifische Produktionsgrenzen (zum Beispiel in Form der "Milchquote") bis hin zu Preisgarantien (Marktordnungen für Getreide, Fleisch und bestimmte Obst- und Gemüsesorten) reichen konnten. In den Marktordnungen mit Preisgarantien wurden gegebenenfalls entstehende Überschüsse auf Kosten des EU-Haushalts (also letztlich auf Kosten der europäischen Steuerzahlenden) zu den garantierten Preisen aufgekauft. Die Kosten fielen umso höher aus, je weiter die EU-Garantiepreise die Weltmarktpreise überstiegen. Eine solche staatliche Preissetzung erlaubte keinen freien Außenhandel für Agrarprodukte: Landwirtschaftliche Importe wurden durch Zölle verteuert oder durch Mengenbeschränkungen verhindert. Da umgekehrt die EU-Produkte zu ihren hohen Preisen auf den Weltmärkten kaum absetzbar gewesen wären, gewährte die Union für Exporte Subventionen.

Ständiger Reformdruck

Diese traditionelle und stark interventionistische Agrarpolitik war mit vielen Problemen behaftet: So haben die Marktordnungen mit ihren Preisgarantien zeitweilig zu hohen Überschussproduktionen auf Kosten der Steuerzahlenden geführt. Die Abschottung der europäischen Landwirtschaft nach außen steht im Widerspruch zum Prinzip des freien Handels. Während für sonstige Güter und Dienstleistungen die Zölle seit Langem sinken, sind die EU-Märkte für Agrarprodukte noch stark durch Protektionismus (also die Abschottung der nationalen Märkte gegen ausländische Konkurrenz) gekennzeichnet. Dies schadet insbesondere den Exportmöglichkeiten der Länder, die stark von der Ausfuhr ihrer landwirtschaftlichen Produkte abhängen, und schwächt die Verhandlungsposition der EU im Rahmen der Welthandelsorganisation.

Diese Probleme und der damit verbundene Reformdruck haben zu einer Reihe sinnvoller Veränderungen geführt. Viele der genannten Probleme wie etwa das Problem der Überschussproduktion konnten gelöst oder zumindest stark abgemildert werden. Ein erster wichtiger Reformschritt war die nach dem damaligen irischen Agrarkommissar benannte MacSharry-Reform von 1992. Wichtige Garantiepreise wurden deutlich gesenkt. Zum Ausgleich erhalten die bäuerlichen Betriebe seitdem direkte Einkommensbeihilfen. Diese sollen die Anreize zur Überschussproduktion verringern und zugleich eine ausreichende Einkommenssituation der Landwirte gewährleisten.

Die Strategie der Preissenkung, kombiniert mit ausgleichenden Einkommensbeihilfen, wurde mit den "Luxemburger Beschlüssen" von 2003 fortgesetzt. Durch die Annäherung von Garantiepreisen – etwa bei Milch – an die Marktpreise wurden die Eingriffe in den Marktmechanismus weiter abgeschwächt. Außerdem wurde die sogenannte Entkoppelung zwischen produktiver Leistung und Einkommensbeihilfe verstärkt. Die Einkommensbeihilfen werden seitdem größtenteils in Form von "Betriebsprämien" gezahlt. Diese richten sich in ihrer Höhe nach Betriebsgröße und Anbaufläche, sind aber unabhängig von Art und Umfang der landwirtschaftlichen Produktion. Landwirte können somit ihre Produktion weitgehend flexibel und entsprechend der aktuellen Vermarktungsmöglichkeiten gestalten. Allerdings sind diese Zahlungen an die Einhaltung von Standards im Bereich des Umwelt- und Tierschutzes sowie der Lebensmittelsicherheit geknüpft (der Fachterminus für diese Auflagen lautet Cross Compliance).

Neben der ersten Säule der EU-Agrarpolitik mit ihren Marktordnungen und Direktzahlungen gewinnt seit einigen Jahren die zweite Säule an Bedeutung. In ihrem Rahmen werden Programme zur Förderung der ländlichen Entwicklung und Umweltmaßnahmen, etwa zur Förderung von Biodiversität und Klimaschutz, finanziert. Damit werden Ziele der Nachhaltigkeit auch in der EU-Agrarpolitik zunehmend stärker gewichtet.

Die Beschlüsse zum "Gesundheitscheck" der GAP haben 2008 diesen Reformkurs weiter vorangetrieben. Die Marktordnungen haben seitdem überwiegend den Charakter von "Sicherheitsnetzen", die nur noch einen außergewöhnlichen Preisverfall durch staatlich finanzierte Stützungen abmildern. Mengenbegrenzungen wie die "Milchquote" oder die "Zuckerquote" sind mittlerweile entfallen.

In den Verhandlungen über den EU-Finanzrahmen für die Jahre 2021 bis 2027 ist über die Zukunft der GAP intensiv gerungen worden. Insbesondere die Höhe und Ausgestaltung der Direktzahlungen an landwirtschaftliche Betriebe waren stark umstritten. Wissenschaftliche Gutachten, aber auch ein Bericht des Europäischen Rechnungshofs hatten argumentiert, dass die ökologischen Auflagen für diese Direktzahlungen kaum wirksam sind. Auch sozialpolitisch sind die Zahlungen hochgradig umstritten. Während kleine und mittelständische Betriebe eher wenig profitieren, gehen nach Berechnungen der Europäischen Kommission 80 Prozent aller Mittel an gerade mal 20 Prozent der Betriebe, die zugleich die größten sind. Auch für die Jahre 2021 bis 2027 sind wieder hohe Beträge im Volumen von mehr als 250 Milliarden Euro für Direktzahlungen an Landwirte vorgesehen. Sie werden weiterhin wesentlich als feste Prämie pro Hektar berechnet.

Allerdings sollen die Direktzahlungen stärker als bisher mit ökologischen Auflagen versehen werden und einen größeren Beitrag zum Tierwohl leisten. Insgesamt 40 Prozent aller Agrarzahlungen sollen zudem auf die Unterstützung der EU-Klimapolitik ausgerichtet sein. Die EU-Mitgliedstaaten dürfen außerdem, die Zahlungen für große Betriebe begrenzen. Inwieweit all diese Absichtserklärungen tatsächlich zu einem stärkeren Beitrag der hohen Agrarsubventionen für die europäischen Nachhaltigkeitsziele führen, ist abzuwarten.

Der Widerstand gegen einschneidende Auflagen als Voraussetzung für die Auszahlung der Gelder ist bei den bisher begünstigten Landwirtschaftsbetrieben, ihren Interessenvertretungen und besonders bei den von den Agrarsubventionen profitierenden Mitgliedstaaten hoch. Dort herrscht vielfach die Auffassung, dass die Direktzahlungen ein legitimer Besitzstand der Landwirte sind, für den sie keine umfangreichen Gegenleistungen erbringen müssen. Auch in Zukunft bietet die europäische Agrarpolitik somit Konfliktpotenzial. Denn immer wieder wird kritisch hinterfragt, warum die Landwirtschaft angesichts ihrer geringen ökonomischen Bedeutung eine Vorzugsbehandlung in Form einer aus Steuergeldern finanzierten Einkommensstützung erfährt, während andere Sektoren ungeschützt dem Strukturwandel ausgesetzt sind. In diesem Zusammenhang würde eine stärkere Ausrichtung auf Natur- und Klimaschutz der Landwirtschaft eine zusätzliche Legitimation verschaffen.

Umwelt-, Klima- und Energiepolitik – "Green Deal" als Klammer

Als die Europäischen Gemeinschaften in den 1950er-Jahren gegründet wurden, fanden umwelt- und klimapolitische Belange nur wenig Beachtung. Bei der Ausarbeitung der Verträge ging es vorrangig um die Friedenssicherung, den Wiederaufbau nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs und die Sicherstellung der Nahrungsversorgung. Daneben spielte damals auch – allerdings unter völlig anderen Vorzeichen als heute – die Energieversorgung eine wichtige Rolle. Zwei der drei Gründungsverträge, der 1951 geschlossene und 2002 ausgelaufene Vertrag über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl sowie der Euratom-Vertrag von 1957, befassten sich explizit mit Fragen der Energieversorgung und -sicherheit.

Im Lauf der Jahre veränderten sich jedoch die Prioritäten und auch der Stellenwert der genannten Politikbereiche im politischen Handeln. 1972 veröffentlichte der von Experten gegründete "Club of Rome" den Bericht "Die Grenzen des Wachstums", der Nachhaltigkeit als zentrale Zielvorgabe propagierte. Auch in Klima- und Umweltkonferenzen der UN wurden weitreichende Konzepte und Ziele vereinbart. Unter Federführung der damaligen norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland legte die Weltkommission für Umwelt und Entwicklung, deren Vorsitz sie innehatte, dann 1987 den Bericht "Unsere gemeinsame Zukunft" vor.

Auch in der damaligen Europäischen Gemeinschaft wurde seit Mitte der 1970er-Jahre der Schutz der Umwelt zu einem immer bedeutsameren Aufgaben- und Arbeitsgebiet. Die Schwerpunktsetzungen haben sich dabei im Verlauf der Jahre deutlich verändert. In den Anfangsjahren standen die Verringerung von Umweltbelastungen (z. B. Schadstoffausstoß, Bodenbelastungen, Abfallbeseitigung, Qualität des Trinkwassers und von Badegewässern, Verringerung von Lärm) und die Erhaltung der biologischen Vielfalt im Vordergrund. Heute geht es zunehmend darum, den Klimawandel zu bekämpfen und durch Schonung der natürlichen Ressourcen ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum sicherzustellen.

Die Europäische Kommission hat im Dezember 2019 mit dem Amtsantritt von Präsidentin Ursula von der Leyen unter dem Label "Green Deal" die nachhaltige und umweltschonende Entwicklung bis 2050 zu einem zentralen Arbeitsschwerpunkt erklärt. Mit der Strategie des "Green Deal" werden neue Akzente gesetzt, von denen neben der Wirtschaftspolitik insbesondere die Umwelt-, die Klima- und die Energiepolitik der EU betroffen sind. Alle diese Politikbereiche sollen an den übergreifenden Zielen von Klimaschutz und Nachhaltigkeit ausgerichtet werden.

QuellentextFür mehr Klimaschutz in der EU

Wenn man verstehen will, was beim Klimaschutz schiefläuft, dann muss man sich mit der Zwiebel befassen. Die Zwiebel wächst fast überall. Allein in der Europäischen Union werden in jedem Jahr mehr als 6,7 Millionen Tonnen Zwiebeln angebaut. Das ist mehr, als die Europäer verbrauchen. Trotzdem liegen in deutschen, spanischen oder österreichischen Supermarktregalen immer wieder Zwiebeln, die eine Weltreise hinter sich haben. Sie kommen aus Australien oder Neuseeland, und beim Transport nach Europa wurde jede Menge Kohlendioxid freigesetzt.
Am Beispiel der Zwiebel lässt sich ein Problem schildern, das von entscheidender Bedeutung im Kampf gegen den Klimawandel werden könnte. Diese Woche [Dezember 2019] hat die neue Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen ihren sogenannten Green New Deal vorgestellt. Es ist das wichtigste Projekt der Brüsseler Behörde, für von der Leyen hat es oberste Priorität. Bis zum Jahr 2050 soll demnach in der EU per Saldo kein CO2 mehr ausgestoßen werden. Wer Kohlendioxid in die Luft bläst, der soll deshalb dafür bezahlen müssen – und zwar mehr, als es bislang im Klimapaket der Bundesregierung vorgesehen ist.

Das Problem dabei: Die Zahl der Nachahmer hält sich in Grenzen. Vor allem in den Schwellenländern Asiens und Lateinamerikas ist die Bereitschaft gering, den Energieverbrauch zu verteuern. Deshalb lässt von der Leyen eine Maßnahme ausarbeiten, die dafür sorgen soll, dass die europäischen Unternehmen die ambitionierte Agenda auch überleben – und die der EU zugleich zu weltpolitischer Geltung verhelfen könnte: eine sogenannte Grenzausgleichsabgabe. Einfacher ausgedrückt: ein Klimazoll.

Der Ökonom Gabriel Felbermayr vom Kieler Institut für Weltwirtschaft hat die Logik einer solchen Abgabe am Beispiel der Zwiebel verdeutlicht. Ein Kilo des Gemüses kostet in der Herstellung in Deutschland etwa 30 Cent, in Neuseeland sind es 20 Cent. Neuseeländische Zwiebeln könnten in Europa überhaupt nur zu konkurrenzfähigen Preisen angeboten werden, weil die Kohlendioxidemissionen auf dem Transportweg von Europa nicht mit Abgaben belegt werden. Denn wenn die EU etwa eine CO2-Steuer einführen würde, dann würden davon im Ausland hergestellte Waren nicht erfasst werden.
Wer seine Waren in die EU liefern will, müsste den Kohlenstoffgehalt versteuern.

Das könnte für die europäische Wirtschaft zu einer ernsten Gefahr werden. Denn aus der Sicht der Unternehmen steigt somit der Anreiz, Waren im Ausland herstellen zu lassen, wo Energie günstig ist. Das gilt nicht nur für Zwiebeln, sondern auch für Stahl, Zement, Aluminium, Fahrzeugteile – also für die gesamte Palette der industriellen Produktion. Schlimmstenfalls gehen in Europa Arbeitsplätze verloren, und das Kohlendioxid gelangt nun eben von Indien oder Brasilien aus in die Atmosphäre. […]

Der Klimazoll soll vor […] Ökodumping schützen. Die Idee: Wenn ein ausländisches Unternehmen seine Waren nach Europa liefern will, dann muss es an der europäischen Außengrenze eine Abgabe entrichten, die sich am Kohlendioxidgehalt des Importprodukts orientiert. Dadurch würde sichergestellt, dass ausländische Unternehmen genauso viel für den Klimaschutz bezahlen müssen wie die inländische Konkurrenz.

Die Abgabe hätte aus einer klimapolitischen Perspektive noch einen weiteren Vorteil: Die EU würde anderen Ländern ihre strengen Klimastandards aufzwingen. Mit einem Bruttoinlandsprodukt von rund 20 Billionen US-Dollar ist der europäische Binnenmarkt der größte Wirtschaftsraum der Welt, sogar noch vor den USA. Nur wenige international tätige Großunternehmen werden es sich leisten können, ihre Geschäftsbeziehungen zu europäischen Kunden einzustellen. Und wenn diesen Unternehmen bei Lieferungen in die EU ein Klimazoll droht, werden sie möglicherweise ebenfalls auf klimafreundliche Produktionsverfahren umsteigen. Der Kontinent würde seine wirtschaftliche Macht einsetzen, um seine Interessen international durchzusetzen. Das passt zu dem geopolitischen Anspruch der neuen Kommission, den Ursula von der Leyen formuliert hat.

[…] Je mehr Staaten mitziehen, desto geringer die Gefahr von Konflikten. Kleinere Länder, die heute schon unter dem Klimawandel leiden, könnten nach Einschätzung von Experten von der Idee überzeugt werden. Am Ende wird es aber vor allem auf die USA ankommen. Trumps Republikaner lehnen den Klimazoll ab, die Demokraten dagegen wären, wie in Washington zu hören ist, zu Gesprächen bereit. […]

Petra Pinzler / Mark Schieritz, "Klimazoll", in: DIE ZEIT Nr. 52 vom 12. Dezember 2019

Die Umweltpolitik der EU

Seit dem Inkrafttreten der Einheitlichen Europäischen Akte (EEA) am 1. Juli 1987 verfügen die EU bzw. ihre Vorläuferinnen, die Europäischen Gemeinschaften (EG), über eigene Zuständigkeiten in der Umweltpolitik, und wesentliche Regelungen, die damals vereinbart wurden, gelten auch heute noch. Seither ist das Ziel der nachhaltigen und umweltgerechten Entwicklung als Querschnittsaufgabe ein wichtiger Aspekt der europäischen Politik. Sie soll entsprechend der Vorgaben von Artikel 3 Absatz 3 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) "die nachhaltige Entwicklung Europas auf der Grundlage eines ausgewogenen Wirtschaftswachstums [...] sowie ein hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität [...]" bewirken. Zudem enthält Artikel 11 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (AEUV) die folgende Maßgabe: "Die Erfordernisse des Umweltschutzes müssen bei der Festlegung und Durchführung der Unionspolitiken und -maßnahmen insbesondere zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung einbezogen werden."
Artikel 191 Absatz 1 AEUV nennt folgende Ziele der EU-Umweltpolitik:

  • Erhaltung und Schutz der Umwelt sowie Verbesserung ihrer Qualität;

  • Schutz der menschlichen Gesundheit;

  • umsichtige und rationelle Verwendung der natürlichen Ressourcen;

  • Förderung von Maßnahmen auf internationaler Ebene zur Bewältigung regionaler oder globaler Umweltprobleme und insbesondere zur Bekämpfung des Klimawandels.

Die EU-Umweltpolitik beruht auf den Grundsätzen der Vorsorge und Vorbeugung sowie auf dem Verursacherprinzip. Dieses besagt, dass Umweltbeeinträchtigungen mit Vorrang an ihrem Ursprung bekämpft werden sollen. Jede Ebene, egal ob EU, Mitgliedstaat, Region oder Kommune, muss im Rahmen ihrer Zuständigkeiten zum Schutz der Umwelt beitragen und dabei mit den anderen Handlungsebenen kooperieren. Alle Maßnahmen sollen möglichst bürgernah durchgeführt werden.

Das diesem Ansatz zugrunde liegende Subsidiaritätsprinzip, das zunächst in der Umweltpolitik entwickelt und angewandt wurde, bestimmt heute nahezu das gesamte Handeln der EU. Lediglich deren ausschließliche Zuständigkeiten, vor allem im Wettbewerbsrecht, im Außenhandel und in der Agrarpolitik, sind davon ausgenommen.

Zur Umsetzung der gemeinsamen Umweltpolitik wurde eine Reihe von Instrumenten bereitgestellt:

  • Gesetzliche Regelungen: Sie dienen dazu, gemeinschaftsweite Normen und Umweltstandards (Verordnungen, Richtlinien, Entscheidungen und Empfehlungen – etwa zur Verringerung von Umweltbelastungen, zum Erhalt von Flora und Fauna sowie zur Abfallbeseitigung) zu schaffen und aufeinander abzustimmen.

  • Finanzielle Hilfen: Vor allem das seit 1992 bestehende "LIFE"-Programm dient zur Finanzierung von Umweltmaßnahmen innerhalb der Union und im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit. Das "LIFE"-Programm, das den Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis 31. Dezember 2020 umfasst, wurde mit Mitteln in Höhe von 3,4 Milliarden Euro ausgestattet. Auch aus den Strukturfonds werden in bedeutendem Umfang Maßnahmen zur Verbesserung der Umwelt finanziert. Zunehmend macht die EU die Berücksichtigung von umweltpolitischen Belangen auch zur Bedingung für ihre Agrarzahlungen (Greening). Für den Zeitraum 2021 bis 2027 hat die Kommission vorgeschlagen, die Mittel für LIFE um fast 60 Prozent aufzustocken.

  • Marktorientierte Instrumente: Sie sollen ein umweltgerechtes Verhalten durch die positive Auszeichnung umweltgerechter Produkte und Produktionsarten sowie durch Steuerungs- und Lenkungsmaßnahmen fördern. "Öko-Label", die den Verbraucherinnen und Verbrauchern eine umweltgerechte Produktion und Vermarktung signalisieren, und sogenannte Öko-Audits für Betriebe mit umweltschonender Produktion sind bereits in Kraft.

  • Begleitende Instrumente: Dazu gehören die Förderung von wissenschaftlicher Forschung und technologischer Entwicklung, Raumplanung, Bildungsaktivitäten sowie Öffentlichkeitsarbeit.

Ein wesentliches Merkmal der EU-Umweltpolitik ist es, die Wirtschaftsbeteiligten (Unternehmen, Landwirtschaftsbetriebe), die Sozialpartner (Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretungen) sowie Regierungen und Öffentlichkeit in die Umweltpolitik einzubeziehen.

In den vergangenen drei Jahrzehnten hat die EU sechs Umweltaktionsprogramme (UAP) durchgeführt. Das siebte Programm für den Zeitraum 2014 bis 2020 stellte folgende Bereiche in den Vordergrund: Naturkapital, Übergang zu einer ressourceneffizienten, umweltschonenden CO2-armen Wirtschaft, Umwelt und Gesundheit, Umsetzung von EU-Umweltrecht, Zusammenspiel von Wissenschaft und Politik, Ökologisierung des Budgets und Marktmechanismen, Umweltpolitikintegration, Nachhaltigkeit der Städte in der EU sowie verbesserte Fähigkeiten, wirksam auf internationale Umwelt- und Klimaprobleme einzugehen. Der EU-Umweltrat benannte am 4. Oktober 2019 erste Prioritäten für das achte Umweltaktionsprogramm 2021 bis 2030. Dabei verwies er auf das Ziel zur Verwirklichung eines klimaneutralen, grünen, fairen und sozialen Europa, das der Europäische Rat in der Strategischen Agenda 2019 bis 2024 vorgegeben hat. Im Oktober 2020 konkretisierte die Kommission diese Vorschläge und setzte dabei sechs Prioritäten.

QuellentextDie sechs prioritären thematischen Ziele des 8. Umweltaktionsprogramms 2021-2030

  1. Unumkehrbare, schrittweise Senkung der Treibhausgasemissionen und Steigerung des Abbaus von Treibhausgasen durch natürliche oder andere Senken in der Union, um die [...] festgelegte Zielvorgabe für die Verringerung der Treibhausgasemissionen bis 2030 sowie Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen;

  2. Kontinuierliche Fortschritte bei der Verbesserung der Anpassungsfähigkeit, der Stärkung der Widerstandsfähigkeit und der Verringerung der Anfälligkeit gegenüber Klimaänderungen;

  3. Fortschritte hin zu einem regenerativen Wachstumsmodell, das dem Planeten mehr zurückgibt, als es ihm nimmt, Entkopplung des Wirtschaftswachstums von Ressourcennutzung und Umweltzerstörung und Beschleunigung des Übergangs zu einer Kreislaufwirtschaft;

  4. Null-Schadstoff-Ziel für eine schadstofffreie Umwelt, einschließlich Luft, Wasser und Boden, sowie Schutz der Gesundheit und des Wohlergehens der Bürgerinnen und Bürger vor umweltbedingten Risiken und Auswirkungen;

  5. Schutz, Erhaltung und Wiederherstellung der biologischen Vielfalt und Verbesserung des Naturkapitals, insbesondere in Bezug auf Luft, Wasser, Boden und Wälder, Süßwasser, Feuchtgebiete und Meeresökosysteme;

  6. Förderung der ökologischen Nachhaltigkeit und Verringerung der wichtigsten Umwelt- und Klimabelastungen im Zusammenhang mit Produktion und Verbrauch, insbesondere in den Bereichen Energie, industrielle Entwicklung, Gebäude und Infrastruktur, Mobilität und Lebensmittel.

Vorschlag der Kommission 14.10.2020
Quelle: COM(2020) 652 final (Externer Link: https://eur-lex.europa.eu/), S. 12

Klima- und Energiepolitik

Im Zusammenhang mit den UN-Klimakonferenzen von Kyoto (1997) und Paris (2015) hatten die Themen Klima und Energie in der EU bereits zunehmend größere Bedeutung bekommen. Mit dem Vertrag von Lissabon wurde die Bekämpfung des Klimawandels dann ein festgeschriebenes Ziel der Umweltpolitik. Artikel 191 AEUV verpflichtet die Umweltpolitik der Union ausdrücklich dazu, Maßnahmen auf internationaler Ebene zur Bekämpfung des Klimawandels zu unterstützen. Eine im Jahr 2010 neu eingerichtete Generaldirektion "Klimaschutz" befasst sich seither unter anderem mit den Themen Emissionsreduzierung, Luftreinhaltung, Energieeffizienz und erneuerbare Energien.

Diese Aufgabenzuweisung zeigt die enge Verknüpfung der Klimapolitik mit der Energiepolitik. Der Energieartikel 194 des AEUV stellt zwar die Energieversorgungssicherheit in den Vordergrund, benennt aber Effizienzsteigerung und Einsparung sowie die Entwicklung neuer und erneuerbarer Energiequellen als wesentliche Ziele. Ausdrücklich wird das Recht der Mitgliedstaaten unterstrichen, die Nutzung der Energieressourcen, die Wahl der Energiequellen und die Struktur der Energiequellen zu bestimmen. Dies ist von besonderer Bedeutung, da von der europäischen Ebene keine Vorgaben, etwa zur Nutzung der Atomenergie auf mitgliedstaatlicher Ebene, gemacht werden dürfen.

Ein wichtiges Instrument, um die vereinbarten Ziele zu verwirklichen, ist das von der EU am 1. Januar 2005 eingeführte Emissionshandelssystem. Dieses System – das weltweit größte seiner Art – sieht vor, dass die rund 11.000 größeren Kraftwerke und Industrieanlagen in der EU Lizenzen benötigen, wenn sie Kohlenstoffdioxid in die Atmosphäre abgeben. Sind ihre Kohlenstoffdioxidemissionen geringer als die zugeteilten Lizenzen, können nicht benötigte Berechtigungen am Markt verkauft werden. Entsprechend können auch Emissionszertifikate gekauft werden, falls der Ausstoß zu groß ist.

Zu Beginn des Handelssystems wurden die Emissionsrechte kostenlos abgegeben, doch werden sie im Lauf der Zeit verknappt und sollen versteigert werden. Das System wurde auf weitere Sektoren – etwa die Luftfahrtbranche – ausgedehnt. Die bisherigen Erfahrungen zeigen allerdings, dass die Steuerungswirkung des Emissionshandelssystems begrenzt ist. Zunächst waren deutlich zu viele Zertifikate auf dem Markt und die notwendige Verknappung konnte nur sehr allmählich durchgesetzt werden. Dennoch lagen nach den Berechnungen der Kommission im Jahr 2020 die Emissionen der erfassten Sektoren 21 Prozent unter dem Niveau von 2005. Im Jahr 2030 sollen die Emissionen um 43 Prozent niedriger liegen. Dies soll unter anderem dadurch gelingen, dass die Emissionsrechte ab 2027 zu 100 Prozent versteigert werden.

Große Bedeutung kam in der EU-Klimapolitik den im Dezember 2008 beschlossenen "20-20-20-Zielen" zu. Danach sollten in der EU bis zum Jahr 2020 die Treibhausgasemissionen im Vergleich zum Jahr 1990 um 20 Prozent reduziert werden, während die Energieversorgung aus erneuerbaren Quellen sowie die Energieeffizienz bis zum Jahr 2020 jeweils um 20 Prozent gesteigert werden sollten. Vor allem die osteuropäischen Staaten hatten sich aufgrund ihrer Kohleabhängigkeit bei der Energiegewinnung jedoch gegen strengere Vorgaben ausgesprochen.

CO2-Emissionen in der EU (© picture-alliance, dpa-infografik 13 942)

Des ungeachtet korrigierte der Europäische Rat 2018 die Zielvorgaben für erneuerbare Energiequellen und Energieeffizienz nach oben und konkretisierte sie mit einer Umsetzungsstrategie. Mit dem europäischen Klima- und Energierahmen 2030 und den Legislativpaketen zur Energieunion hat die Union die Weichen für die künftige Ausrichtung der europäischen und nationalen Klima- und Energiepolitiken und die erfolgreiche Umsetzung der Energiewende gestellt. Die Mitgliedstaaten wurden verpflichtet, für den Zeitraum 2021 bis 2030 integrierte nationale Energie- und Klimapläne zu erstellen und langfristige nationale Strategien zu erarbeiten. Zudem müssen sie dafür sorgen, dass diese Strategien mit ihren jeweiligen nationalen Energie- und Klimaplänen kompatibel sind.

Der Rahmen für die Klima- und Energiepolitik umfasst demnach für diesen Zeitraum die folgenden EU-weiten Zielvorgaben:

  • Senkung der Treibhausgasemissionen um mindestens 40 Prozent (gegenüber 1990),

  • Erhöhung des Anteils von Energie aus erneuerbaren Quellen auf mindestens 32 Prozent,

  • Steigerung der Energieeffizienz um mindestens 32,5 Prozent.

Das Handeln der EU ist auch auf globaler Ebene von erheblicher Bedeutung. Sie verhandelt für die Mitgliedstaaten bei Weltklimakonferenzen und konnte aufgrund ihrer Verhandlungsmacht gegenüber anderen Staaten oder Staatengruppen auf weitreichende und fortschrittliche Lösungen drängen. Die EU hat maßgeblich zum Abschluss des Kyoto-Protokolls von 1997 beigetragen und war auch im Hinblick auf den Abschluss des Pariser Klimaabkommens vom Dezember 2015 eine treibende Kraft. Sie fördert eigenständige Programme und Programme der Vereinten Nationen zur Lösung globaler Umweltprobleme. Diese Programme betreffen etwa den Schutz der Ozonschicht und der Wälder (insbesondere in den Tropen), die Erhaltung der Artenvielfalt sowie die Bekämpfung der Desertifikation, die Bewahrung der Antarktis und die Beziehung zwischen Bevölkerung und Umwelt.

Das Projekt "Green Deal": 2050 als Zieldatum


Unter dem Motto "Green Deal" kündigte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihrer Antrittsrede vor dem Europäischen Parlament am 27. November 2019 eine EU-Strategie für nachhaltiges Wachstum als einen ihrer Arbeitsschwerpunkte an. Ziel ist eine moderne, ressourceneffiziente und wettbewerbsfähige Wirtschaft. Bis 2050 soll die EU klimaneutral sein, das heißt, es sollen keine Nettotreibhausgasemissionen mehr freigesetzt werden.

In der Mitteilung "Der europäische Grüne Deal" hatte die Kommission bereits am 11. Dezember 2019 ihre Vorstellungen konkretisiert. Demnach umfasst die Strategie eine Vielzahl von Elementen und berührt nahezu alle Politikbereiche. Bis 2050 soll das Wirtschaftswachstum vom Rohstoffverbrauch abgekoppelt werden. Die Ressourcennutzung soll effizienter werden, die Wirtschaft sauberer und kreislauforientierter. Zudem soll die Biodiversität gefördert und die Umweltverschmutzung wirksam bekämpft werden. Der Übergang soll für alle Menschen und Regionen in Europa gerecht und inklusiv gestaltet werden. Dazu wird aufgezeigt, welche Investitionen dafür erforderlich sind und wie diese finanziert werden könnten.

Alle Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens müssen nach der Vorstellung der Kommission einen aktiven Beitrag leisten. Konkret geht es dabei um:

  • Investitionen in neue, umweltfreundliche Technologien,

  • Unterstützung der Industrie bei Innovationen,

  • Einführung umweltfreundlicherer, kostengünstigerer und gesünderer Formen des privaten und öffentlichen Verkehrs,

  • Umstellung des Energiesektors auf einen niedrigeren Umsatz von Kohlenstoff,

  • Erhöhung der Energieeffizienz von Gebäuden,

  • Zusammenarbeit mit internationalen Partnern zur Verbesserung weltweiter Umweltnormen.

Der europäische Grüne Deal (© Europäische Kommission)

Menschen, Unternehmen und Regionen, die am stärksten vom Übergang zu einer umweltfreundlichen Wirtschaft betroffen sind, sollen finanziell und technisch unterstützt werden. Dafür sollen im Zeitraum 2021 bis 2027 mindestens 100 Milliarden Euro zur Verfügung stehen. Mit einem neuen europäischen Klimaschutzgesetz will die Kommission diese politischen Verpflichtungen in Recht gießen und zum Auslöser für Investitionen machen.

Viele Ziele des "Green Deal" sind nicht neu. Die EU verfolgt in der Umwelt- und in der Klimapolitik seit Langem eine nachhaltige Politik und hat sich dementsprechende Ziele gesetzt. Inwieweit diese umgesetzt werden, gilt es zu beobachten.

Regional- und Strukturpolitik

Der Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), der am 1. Januar 1958 in Kraft trat, schenkte den verschiedenen europäischen Regionen nur wenig Beachtung. Er betonte lediglich das Bestreben der Vertragspartner, "ihre Volkswirtschaften zu einigen und deren harmonische Entwicklung zu fördern, indem sie den Abstand zwischen einzelnen Gebieten und den Rückstand weniger begünstigter Gebiete verringern". Seitdem hat die Regionalpolitik der EU einen erheblichen Bedeutungszuwachs erfahren. Heute wird sie zumeist im Zusammenhang mit der Strukturpolitik gesehen. Dabei geht es vorrangig darum, die vorhandenen wirtschaftlichen und sozialen Unterschiede in der EU auszugleichen.

Die besonders strukturschwachen Regionen, deren Einkommen unter 75 Prozent des Gemeinschaftsdurchschnitts liegt, werden vorrangig gefördert. Sie befinden sich vor allem in den Randlagen der EU. Seit der EU-Erweiterung von 2004 bzw. 2007 gehören insbesondere die Regionen in den Staaten Mittel- und Osteuropas in diese Kategorie. In der Förderperiode 2014–2020 fand die Kategorie der "Zwischenregionen" mit einem Pro-Kopf-Einkommen zwischen 75 und 90 Prozent in der Strukturpolitik erstmals besondere Berücksichtigung. Daneben wurden auch die wirtschaftsstärkeren Regionen mit einem durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen über 90 Prozent – allerdings in deutlich geringerem Maße – gefördert.

Ebenfalls im Förderzeitraum 2021 bis 2027 werden die Mittel der Kohäsionspolitik allen Regionen entsprechend ihrem durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen in drei Kategorien zur Verfügung stehen. Allerdings soll die Schwelle zwischen Übergangsregionen und wirtschaftsstärkeren Regionen nach den Vorschlägen der Kommission vom 29. Mai 2018 von 90 auf 100 Prozent des EU-Durchschnittseinkommens angehoben werden.

Strukturpolitische Instrumente und Maßnahmen

Die EU unterstützt die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Regionen durch die Europäischen Struktur- und Investitionsfonds ("ESI-Fonds"). Hierzu gehören der 1975 errichtete Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), der bereits mit Gründung der EWG 1958 eingerichtete Europäische Sozialfonds (ESF) sowie der seit 2007 in dieser Form bestehende Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) und der Europäische Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL). Hinzu kommt ein Kohäsionsfonds, der auf nationaler Ebene Mittel für die wirtschaftsschwächsten EU-Staaten bereitstellt. Spezielle Förderprogramme ("Gemeinschaftsinitiativen") sind innerhalb der Strukturfonds besonderen Problembereichen gewidmet, wie der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit (Programm INTERREG) und der Entwicklung der ländlichen Räume (Programm LEADER im Rahmen des ELER). Weitere Förderprogramme unterstützen die Regionen in der Umwelt-, Kultur- und Bildungspolitik sowie zur Erreichung des Ziels "Europa der Bürgerinnen und Bürger".

Für das Haushaltsjahr 2020 wurden von der Kommission 58,6 Milliarden Euro (34 Prozent) für strukturpolitische Maßnahmen im Rahmen des "wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts" vorgesehen. Hinzu kommen weitere 25,3 Milliarden Euro zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit für Wachstum und Beschäftigung der wirtschaftsstärkeren Regionen in der EU. Zusammengenommen entspricht dies 48,7 Prozent, also fast der Hälfte des Gesamthaushalts, der ein Volumen von insgesamt 172,3 Milliarden Euro (Verpflichtungen, Angaben: Rat der EU) umfasst. Regional- und strukturpolitische Ausgaben sind damit der größte Ausgabenposten der EU noch vor der Agrarpolitik mit 32,7 Prozent. Der Großteil der Mittel wurde für wirtschaftlich weniger entwickelte Gebiete reserviert, deren Pro-Kopf-Einkommen unter 75 Prozent des EU-Durchschnitts liegt. Das betrifft vor allem die zuletzt beigetretenen Mitgliedstaaten in Mittel- und Osteuropa.

Im Hinblick auf den Mehrjährigen Finanzrahmen 2021 bis 2027 hat sich der Europäische Rat nach einer fünftägigen Marathonsitzung vom 17. bis 21. Juli 2020 auf ein Gesamtmittelvolumen von 1074,3 Milliarden Euro sowie auf eine vorübergehende Aufstockung der Mittel um 750 Milliarden Euro für das Instrument "Next Generation EU" zur Überwindung der Corona-Krise geeinigt. Von den Mitteln für diesen Zeitraum sind 377,8 Milliarden Euro (35 Prozent) für die Ausgabenrubrik "Kohäsion und Werte" und 132,8 Milliarden Euro (15 Prozent) für "Binnenmarkt, Innovation und Digitalisierung" vorgesehen.

Die Mittelvergabe der EU in der Förderperiode 2021 bis 2027 soll sich auf Sektoren konzentrieren, bei denen das Handeln der EU einen Mehrwert erzielen kann. Im Vordergrund stehen dabei die Bereiche Innovation, Unterstützung kleiner Unternehmen, digitale Technologien und Modernisierung der Wirtschaft. Unterstützt werden vor allem die Umstellung auf eine CO2-arme Kreislaufwirtschaft und die Bekämpfung des Klimawandels.

Das Pro-Kopf-BIP bleibt das wichtigste Kriterium für die Zuweisung von Mitteln. Daneben sollen neue Kriterien die Realität vor Ort besser widerspiegeln – Jugendarbeitslosigkeit, niedriger Bildungsstand, Klimawandel und die Aufnahme und Integration von Zugewanderten. Für die deutschen Länder ist besonders wichtig, dass die Kohäsionspolitik auch künftig alle Regionen einbezieht und dort einen bedarfsgerechteren Ansatz verfolgt. Schwerpunkt bleiben jedoch die besonders wirtschaftsschwachen Regionen mit einem Pro-Kopf-Einkommen von weniger als 75 Prozent des EU-Durchschnitts sowie die "Zwischenregionen" mit einem Durchschnittseinkommen zwischen 75 und 100 Prozent. Diesen Regionen will die EU auch künftig beträchtliche Mittel zukommen lassen. Daneben werden auch die wirtschaftsstärkeren Regionen in begrenztem Umfang weiterhin unterstützt.

Bruttoinlandsprodukt pro Kopf (© EuroGeographics Association for the administrative boundaries, Europäische Kommission)

Flexiblere Regeln sollen eine angemessenere Reaktion auf unvorhergesehene Ereignisse ermöglichen. So können etwa innerhalb von EU-Finanzierungsprogrammen begrenzte Mittelübertragungen vorgenommen werden. Einfachere Verfahren und ein flexiblerer Rahmen sollen den Verwaltungsaufwand verringern und den Zugang zu den verschiedenen EU-Fonds erleichtern. Für diese ist insgesamt ein einheitliches Regelwerk vorgesehen, das den Verwaltungen die Vergabe und Kontrolle erleichtert. Auch soll ein Zusammenwirken verschiedener Fonds ermöglicht werden, beispielsweise zwischen den kohäsionspolitischen Mitteln und dem Asyl- und Migrationsfonds, wenn es um die Entwicklung lokaler Integrationsstrategien für Migrantinnen und Migranten geht.

Die Kohäsionspolitik soll zudem stärker mit dem Europäischen Semester verknüpft werden. Das würde die Möglichkeit eröffnen, die nationalen Haushalts- und Wirtschaftspläne der EU-Mitgliedsländer auf EU-Ebene zu erörtern. Zu bestimmten Terminen im Jahresverlauf könnten die zwischenzeitlich erreichten Fortschritte in Hinblick auf die vereinbarten strukturpolitischen Ziele geprüft werden.

Innen- und Rechtspolitik, Einwanderung, Asyl und Migration

Zu den wesentlichen Errungenschaften der europäischen Einigung gehört es, dass zwischen nahezu allen EU-Staaten eine Grenzöffnung vereinbart und auch tatsächlich verwirklicht werden konnte. Mit dieser Öffnung wurden innen- und rechtspolitische Maßnahmen in sehr unterschiedlichen Aufgabenfeldern notwendig. In den Bereichen Justiz und Inneres galt und gilt es, Vereinbarungen zur Rechtssicherheit für Belange mit grenzüberschreitendem Bezug zu treffen. Dabei ging es etwa um Probleme beim Familien- und Erbrecht oder eine effiziente Strafverfolgung. Aber auch andere Bereiche bedürfen EU-weiter Regelungen, so unter anderem der Außengrenzschutz der EU, ihre Einwanderungs- und Asylpolitik sowie Gesundheits- und Verbraucherschutz. Im weiteren Sinn berührt die Öffnung der Grenzen auch Fragen des Grundrechtsschutzes sowie die Bereiche Kultur, Jugend, Information und Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern. In jüngster Zeit haben die Coronavirus-Pandemie und deren Bekämpfung gezeigt, dass viele der damit zusammenhängenden Probleme – beispielsweise die vorübergehende Schließung der Grenzen zwischen EU-Staaten im Fall schwerwiegender Ausnahmesituationen – gravierende Auswirkungen für das Zusammenleben in der EU haben und nur gemeinsam in Angriff genommen werden können.

Viele der Aufgaben, die aus der Öffnung der Grenzen erwachsen, werden aus dem EU-Haushalt finanziert und ihr wachsender Umfang – etwa im Zusammenhang mit der Sicherung der Außengrenzen, der polizeilichen Zusammenarbeit und der Integration von Geflüchteten – erhöht auch ihren Anteil am Gesamthaushalt. Im Zeitraum 2014 bis 2020 sind für die Bereiche "innere Sicherheit und Unionsbürgerschaft" Haushaltsmittel in Höhe von 15,7 Milliarden Euro bereitgestellt worden. Dies entsprach etwa eineinhalb Prozent des EU-Gesamthaushalts.

Für den nachfolgenden Mehrjährigen Finanzrahmen 2021 bis 2027 haben sich die EU-Staats- und Regierungschefs bei ihrer Sondertagung vom 17. bis 21. Juli 2020 auf eine deutliche Mittelerhöhung verständigt. Die Kommission darf für den Aufgabenbereich "Management der Außengrenzen, Migration und Asyl" Verpflichtungen bis zu einer Höhe von 22,7 Milliarden Euro eingehen. Davon sollen 8,7 Milliarden Euro im Rahmen des Asyl- und Migrationsfonds eingesetzt werden. Die Mittelzuweisung für den Fonds für integriertes Grenzmanagement soll 5,5 Milliarden Euro betragen. Die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex) soll mit knapp 5,15 Milliarden Euro ausgestattet werden und es sollen höhere Sachleistungen zur Unterstützung der Mitgliedstaaten an den Außengrenzen zur Verfügung gestellt werden.

Leitbild "Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts"

Zur Verwirklichung gemeinsamer Ziele in der Innen- und Rechtspolitik entwickelten die EU-Staaten 1997 im Vertrag von Amsterdam das Leitbild eines "Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts". Dieses sah die Schaffung einer ebenso offenen wie sicheren Union vor. Hierzu gehören seither unterschiedliche Aktionsbereiche wie die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen, die Zusammenarbeit in Sachen des Zivilrechts sowie die Asyl- und Einwanderungspolitiken.

Zu Beginn der Zusammenarbeit achteten die Nationalstaaten sorgsam darauf, dass der EU keine neuen Kompetenzen übertragen wurden. Vielmehr wurde die politische Kooperation in den Politikfeldern Inneres und Justiz als "dritter Pfeiler" neben dem gemeinschaftlichen Handeln der EU und der Außen- und Sicherheitspolitik vereinbart. Diese Konzeption des Nebeneinanders verschiedener Pfeiler hat sich in der Praxis jedoch nicht bewährt. Mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon 2009 wurden deshalb die Innen-, die Rechts- sowie auch die Außen- und die Sicherheitspolitiken in die Europäische Union integriert.

Heute verfügt die EU über eine einheitliche Rechtspersönlichkeit und die Gemeinschaftsverfahren finden in allen diesen Tätigkeitsbereichen Anwendung. Nur in besonders sensibel eingestuften Feldern – beispielsweise bei Maßnahmen zum Familienrecht mit grenzüberschreitendem Bezug oder bei der Einreise von Drittstaatsangehörigen mit dem Ziel der Arbeitsaufnahme – wurden Sonderregelungen vereinbart. Hier gilt nach wie vor die Einstimmigkeitsregel im Rat und sowohl das Europäische Parlament als auch die Kommission verfügen nur über eingeschränkte Mitwirkungsrechte. Es nehmen auch nicht alle EU-Staaten an den vereinbarten Regelungen in gleicher Weise teil.

Vom "Stockholmer Programm" zur "Strategischen Agenda"

Das im Dezember 2009 beschlossene "Stockholmer Programm zur Verwirklichung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts" umfasste eine Vielzahl von Maßnahmen: Betroffen waren sowohl die polizeiliche Zusammenarbeit als auch Materien des Straf- und Zivilrechts. Dabei ging es um Fragen der inneren und äußeren Sicherheit, um die Migration, die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität sowie des Terrorismus. Dazu gehörten aber auch Fragen des Familien-, Zivil- und Erbrechts. Für Beschuldigte in Strafverfahren wurden EU-weit Mindeststandards vereinbart. Zur Verwirklichung dieser Zielsetzungen wurden die Kapazitäten des Europäischen Polizeiamts (Europol) und der Europäischen Einheit für justizielle Zusammenarbeit (Eurojust) – beide mit Sitz in Den Haag – ausgebaut.

Ende 2014 lief das "Stockholmer Programm" aus. Der Europäische Rat legte daher im Juni 2014 die strategischen Leitlinien für die Bereiche Freiheit, Sicherheit und Recht hinsichtlich gesetzgeberischer und operativer Programme für die kommenden Jahre bis 2019 fest und setzte dabei weitgehend auf Kontinuität. Im Juni 2019 verständigte er sich auf eine Strategische Agenda der EU für den Zeitraum 2019 bis 2024. Darin kommt dem "Schutz der Bürgerinnen und Bürger und der Freiheiten" als einem von vier Schwerpunktbereichen große Bedeutung zu. Laut Agenda sollen sich die Menschen in der EU frei und zugleich sicher fühlen können. Die EU werde die in den Verträgen verankerten grundlegenden Rechte und Freiheiten ihrer Bürgerinnen und Bürger verteidigen und sie vor bestehenden und neuen Bedrohungen schützen. Die Rechtsstaatlichkeit sei ein wichtiger Garant dafür, dass die gemeinsamen Werte wirksam geschützt würden; sie müsse von allen Mitgliedstaaten und von der EU umfassend geachtet werden.

Eine wirksame Kontrolle der EU-Außengrenzen wird als unbedingte Voraussetzung für die Gewährleistung von Sicherheit, die Wahrung von Recht und Ordnung und die Sicherstellung einer reibungslos funktionierenden EU-Politik verstanden.

Die Schengen-Zusammenarbeit


In dem kleinen luxemburgischen Grenzort Schengen wurde am 14. Juni 1985 zwischen den Benelux-Staaten (Belgien, Niederlande, Luxemburg), der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich ein Übereinkommen über den schrittweisen Abbau der Personenkontrollen an den Binnengrenzen abgeschlossen. 1995 trat das bereits 1990 unterzeichnete Durchführungsabkommen zum Schengener Vertrag in Kraft, das zunächst zwischen den Mitgliedern des Gründungsvertrags sowie Spanien und Portugal den vollständigen Abbau der Grenzkontrollen vorsah. Mit dem Vertrag von Amsterdam wurde 1999 der Anwendungsbereich auf alle 15 damaligen EU-Staaten ausgeweitet, wobei für das Vereinigte Königreich und Irland wegen ihrer Insellage Sonderregelungen vereinbart wurden. Anfang Juli 2020 gehörten dem Schengen-Raum 26 Staaten an. Von den EU-Mitgliedstaaten sind Irland, Kroatien, Zypern, Rumänien und Bulgarien (bisher) nicht Teil des Schengen-Raums. Als Nicht-EU-Staaten gehören Norwegen, Island, die Schweiz sowie Liechtenstein dazu.

Mitgliedsstaaten des Schengen-Raums, Quelle: Auswärtiges Amt (© picture-alliance, dpa-infografik 100 747)

Gemeinsame Standards bei der Sicherung der Außengrenzen wurden als Voraussetzung für diese Öffnung der Binnengrenzen angesehen. Im Rahmen der Schengen-Zusammenarbeit wurde im Jahr 2004 Frontex mit Sitz in Warschau gegründet. Aufgaben von Frontex sind unter anderem die Risiko- und Gefahrenanalyse bezüglich der EU-Außengrenzen, die Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Koordination ihrer operativen Zusammenarbeit und der Ausbildung von Grenzschutzbeamten, die Beratung der nationalen Sicherheitsorgane bezüglich moderner Technologien sowie die Unterstützung von Mitgliedstaaten bei der Organisation von Rückführungsaktionen. In der Vergangenheit stand Frontex immer wieder in der Kritik. So werfen verschiedene Menschenrechtsorganisationen der Agentur Menschenrechtsverletzungen vor.

Migration, Asyl und Einwanderung – die Vereinbarungen von Dublin

Bis heute hat die EU in den Bereichen Migration und Einwanderung keine akzeptierte Strategie. Fragen wie die Neuregelung der Zuwanderung und die Anerkennung von Asylanträgen sind ebenso wie die solidarische Verteilung von Geflüchteten und Asylsuchenden auf die EU-Staaten seit vielen Jahren ein wichtiges und kontroverses Thema in den EU-Entscheidungsgremien. Dabei geht es ihnen auch darum, durch Hilfsmaßnahmen die Situation in den Herkunftsländern der Migrantinnen und Migranten zu verbessern und Fluchtursachen zu bekämpfen, um den Migrationsdruck zu verringern.

Asylsituation der EU, Quelle: Eurostat (© picture-alliance, dpa-infografik 101 521)

Angesichts der offenen Grenzen wurden die Kontrollen an den Außengrenzen sowie der legale und illegale Zuzug von Personen aus Drittstaaten häufige Beratungsgegenstände der Schengen-Zusammenarbeit. Neben anderem mussten und müssen Status sowie Reise- und Aufenthaltsbedingungen von Menschen, die einen Asylantrag gestellt haben oder vor Bürgerkriegen in ihrem Land geflohen sind, in einem "Europa ohne Grenzen" gemeinsam geregelt werden.

Auch musste festgelegt werden, welcher Mitgliedstaat zuständig sein sollte, wenn der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf internationalen Schutz geprüft werden muss.

In den nach der irischen Hauptstadt benannten Dublin-Vereinbarungen wurde im Jahr 2013 im Grundsatz ("Dublin III") festgelegt, dass die Prüfung des Asylverfahrens in dem EU-Staat stattfinden soll, in dem der Schutzsuchende erstmals das Gebiet der EU betreten hat. Doch erwies sich diese Vereinbarung als "Schönwetterregelung", die dem starken Anstieg der Asylsuchenden in den Folgejahren nicht gerecht wurde. Viele fliehende Menschen erreichen aufgrund der Lage am Mittelmeer zunächst Italien, Griechenland, Malta oder Spanien. Deutschland und andere der eher nördlich oder westlich gelegenen EU-Staaten waren hingegen wegen ihrer geografischen Lage zunächst kaum betroffen. Eine solidarische Verteilung geflüchteter Menschen auf alle EU-Staaten konnte deshalb nicht vereinbart werden. Vor allem wurde nicht entschieden, wie und wo die ankommenden Personen untergebracht und wie sie finanziert werden sollten.

Karikatur zum Thema Asyl (© Gerhard Mester)

Die betroffenen EU-Staaten im Süden der EU forderten jedoch in der Folge mit Nachdruck finanzielle Unterstützung und eine Überarbeitung der Dublin-Regelungen. Lange blieben ihre Hilferufe aber ohne Antwort, da man in den grenzfernen Ländern und Regionen der EU wenig Anlass zur Änderung der Situation verspürte. Erst als eine große Anzahl von Geflüchteten und Asylsuchenden sich ohne Prüfung im Schengen-Raum nach Norden bewegte und Unterkunft suchte, wuchs der Handlungsdruck. Versuche, die Zugewanderten durch Ratsbeschlüsse auf die EU-Staaten zu verteilen, waren wegen des Widerstands einzelner EU-Staaten politisch nicht durchsetzbar.

Derzeit geht die EU den Weg, die Zuwanderung durch verstärkte Kontrollen an den EU-Außengrenzen sowie durch Abkommen mit Transitländern zur Aufnahme von Flüchtlingen zu verringern und durch die freiwillige Bereitschaft einzelner EU-Staaten eine Verteilung sicherzustellen. Auch werden die aufnehmenden Regionen und Kommunen bei der Integration finanziell unterstützt. Das von Menschenrechtsorganisationen seit vielen Jahren geforderte EU-Einwanderungskonzept und auch die Überarbeitung der Dubliner Übereinkommen sind bisher noch nicht gelungen. Dabei wurde die Lage der Geflüchteten zunehmend prekärer. Anfang September 2020 brannte das Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos nieder. Bereits einige Monate zuvor war sowohl die menschenunwürdige Lage als auch die Überfüllung in dem Camp öffentlich bekannt geworden.

QuellentextEin neuer Plan für die Asyl- und Migrationspolitik

[…] Die Geschichte der Asyl- und Migrationspolitik in der EU ist eine Geschichte des Scheiterns. Seit Jahren streiten die EU-Staaten über die Pflicht, Schutzsuchende auf alle Mitgliedstaaten zu verteilen. Das hat nie funktioniert, sondern die Gräben zwischen aufnahmewilligen Ländern und jenen Staaten, die sich der Aufnahme kategorisch verweigern, vertieft. Und zudem fühlten sich jene Staaten komplett alleingelassen, an deren Küsten die überwiegende Mehrzahl der Geflüchteten zum ersten Mal europäischen Boden betritt. Ursula von der Leyens Kommission will nun versuchen, Brücken zu bauen.
Im Zentrum des neuen Konzepts steht ein dreistufiges Verfahren, das vor allem auf rigorose Abschiebungen und einen stärkeren Schutz der EU-Außengrenzen setzt. […]

Der komplexe Plan […] sieht so aus: In normalen Zeiten können sich die EU-Staaten freiwillig melden und Geflüchtete aufnehmen. Findet aber zum Beispiel Griechenland, dass zu viele Menschen ins Land kommen, dann kann es einen sogenannten "Mechanismus für verpflichtende Solidarität" auslösen. Die Brüsseler EU-Kommission werde dann prüfen, wie viele Menschen auf andere Länder verteilt werden müssen. Und jedes andere EU-Mitgliedsland müsse dann Migranten mit Aussicht auf Schutzstatus übernehmen – oder anderweitig helfen, etwa durch Abschiebungen. Ein "EU-Koordinator für Rückführungen" soll die Staaten unterstützen.

Wenn sich die Situation aber ähnlich wie 2015 und 2016 zuspitzen sollte, wird Stufe 3 eingeleitet: Dann sollen die EU-Staaten reihum auch Migranten aufnehmen, die keine Aussicht auf Asyl haben. Oder sie schieben eine bestimmte Anzahl von bereits abgelehnten Asylbewerbern ab. Das muss innerhalb von acht Monaten passieren. Gelingt das nicht, muss das entsprechende Land die Menschen selbst aufnehmen.

Damit der Plan überhaupt aufgehen kann, soll das Einreiseverfahren an den Grenzen vereinheitlicht werden. Bevor ein Migrant in die EU einreisen darf, soll er sich einer deutlich verschärften "Vorüberprüfung unterziehen" müssen.
Die nationalen Behörden sollen mit Hilfe von EU-Fachleuten Migranten registrieren, Fingerabdrücke nehmen, ihre Gesundheit überprüfen und klären, ob die Flüchtlinge ein Sicherheitsrisiko darstellen. Das soll innerhalb von fünf Tagen geschehen.

Kommen Asylbewerber aus einem Land mit einer Anerkennungsrate von unter 20 Prozent – also etwa aus Tunesien oder Marokko – soll innerhalb von zwölf Wochen eine Entscheidung fallen, ob sie in der EU bleiben dürfen oder zurück müssen. Das soll Schleusern das Geschäft vermiesen, aber auch potenzielle Flüchtlinge abschrecken, sich auf den Weg nach Europa zu machen. Fällt keine Entscheidung innerhalb der drei Monate, müsste ein reguläres Asylverfahren beginnen.

Der Plan der EU-Kommission sieht zudem eine stärkere Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern vor. Dabei setzt die EU laut Innenkommissarin [Ylva] Johansson zwar vor allem auf "partnerschaftliche Zusammenarbeit". Doch glaubt die Kommission in der Visa-Politik einen Hebel zu haben, um die Rücknahme von Migranten im Notfall erzwingen zu können.

Auch die Menschen, die aus Seenot im Mittelmeer gerettet werden, sind in dem Plan berücksichtigt. Deren Rettung sei eine Pflicht, sagt die EU-Kommission. Das soll wochenlange Irrfahrten von Rettungsschiffen auf dem Mittelmeer verhindern und den Streit über die Verteilung der Geretteten beenden. Denn auch in diesen Fällen soll der "Mechanismus der verpflichtenden Solidarität" greifen. Entweder nehmen also die EU-Länder die Menschen auf – oder sie helfen bei der Abschiebung. Dafür hat die EU-Kommission den Begriff "Rückführungspatentschaften" geschaffen.

Grundsätzlich hält die EU-Kommission an den sogenannten Dublin-Regeln fest. Das heißt, dass auch weiterhin in der Regel jener EU-Staat für einen Asylantrag zuständig ist, in dem der Schutzsuchende zum ersten Mal europäischen Boden betreten hat. Das betraf in der Vergangenheit vor allem Länder wie Italien, Griechenland und Malta. Sie schickten oft Migranten ohne Registrierung in andere EU-Staaten weiter. Das soll nun verhindert werden, indem es eine schärfere Vorüberprüfung von Geflüchteten an den Außengrenzen geben soll. […]

EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen spricht von einem Neustart. Ob es dazu wirklich kommen wird, hängt nun allerdings nicht mehr von ihr ab. In der Vergangenheit sind schließlich alle Versuche gescheitert, die Migrationspolitik zu europäisieren. Und Innenkommissarin Johansson spricht vorsorglich schon davon, dass es keine perfekte Lösung gebe: "Es geht darum, eine ausgewogene Lösung zu finden."

Noch sind die Hürden sehr hoch. Im Europaparlament, das dem Plan zustimmen muss, regt sich sofort zum Teil harsche Kritik, weil das System nicht grundlegend verändert wurde. […]

Absehbar ist auch, dass die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Länder den Plan nicht ohne Widerworte akzeptieren werden. […]

Damir Fras, "Brüssel will mehr abschieben", in: Frankfurter Rundschau vom 24. September 2020 © Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Rundschau GmbH, Frankfurt

Schutz der Grundrechte und der Rechtsstaatlichkeit

Seit einigen Jahren steht auch der Schutz der Grundrechte und der Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedstaaten der EU zunehmend häufiger auf der Tagesordnung der EU-Institutionen. In den Gründungs- und Veränderungsverträgen der EU haben die gemeinsamen Werte eine hohe Bedeutung. Nach Artikel 2 EUV sind "die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte" Werte, die allen Mitgliedstaaten gemeinsam sind. Diese Werte werden von einigen EU-Staaten allerdings nicht hinreichend geachtet. Die Kommission hat deshalb in den Jahren 2017 bis 2020 mehrere Verfahren beim Europäischen Gerichtshof gegen Ungarn und Polen eingeleitet, weil dort wesentliche Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit verletzt wurden. Umstritten ist die Frage, in welcher Weise Grundrechtsverstöße wirksam sanktioniert werden können. Entsprechende Instrumente fehlen hier. Entscheidungen mit spürbaren finanziellen Auswirkungen müssen in der EU nach wie vor vielfach einstimmig gefällt werden, und dies ist angesichts der Widerstände einzelner EU-Staaten kaum erreichbar.

QuellentextKontroverse um Rechtsstaatlichkeit in der EU

ZEIT: Herr Waszczykowski, Sie haben einmal gewarnt vor einem "neuen Mix von Kulturen und Rassen, einer Welt aus Radfahrern und Vegetariern, die nur noch auf erneuerbare Energien setzen und gegen jede Form der Religion kämpfen". Was stört Sie an Radfahrern und Vegetariern?

[Witold] Waszczykowski: Ich habe dieses Bild als Beispiel für eine extreme Ideologie angeführt, die anderen ihre Regeln aufzwingen. Ich habe nichts gegen das Fahrradfahren. […] Und natürlich habe ich auch nichts gegen ein vegetarisches Essen. Aber das ist meine persönliche Entscheidung und nicht dem Einfluss einer Ideologie geschuldet. […]

[Alexander Graf] Lambsdorff: Aus meiner Sicht sind Parkplätze und Fahrradspuren Gegenstand des politischen Wettbewerbs. […]
Waszczykowski: Ich bin der Auffassung, dass bestimmte Bereiche unseres Lebens nicht Teil dieses Wettbewerbs sein sollten. Die wissen sehr gut, dass in einer Demokratie die Rechte sowohl der Minderheit wie auch der Mehrheit geachtet werden sollten.

Lambsdorff: Ich stimme zu, dass es zum Problem wird, wenn es zum Problem wird, wenn eine bestimmte Ideologie dominiert und es keine Möglichkeit gibt, sich dagegen zur Wehr zu setzen. Aber Ihre eigene Partei, Herr Waszczykowski, arbeitet daran, nationale Institutionen so aufzustellen, dass es schwerer für andere wird, mit der Regierung zu konkurrieren. Sei begeben sich selbst in eine Opferrolle, um eine Debatte gewinnen können. Ich als Liberaler ziehe den Wettbewerb der Opferrolle zu. […]

[…] ZEIT: Herr Lambsdorff, Sie betonen, dass Sie "als Liberaler" argumentieren. Der ungarische Ministerpräsident Victor Orbán macht sich für eine "illiberale Demokratie" stark. Sind Demokratie und Liberalismus wirklich identisch?

Lambsdorff: Eine illiberale Demokratie ist in etwa so plausibel wie ein vegetarischer Schlachthof – das geht einfach nicht. Eine Demokratie muss auf der Freiheit jedes einzelnen Mitglieds der Gesellschaft basieren, ansonsten gib es keinen souveränen Demos. Eine illiberale Demokratie kann keine Demokratie sein, sie wird autoritär sein oder eine andere Regierungsform.

Waszczykowski: Ich bevorzuge eine Demokratie ohne Adjektive. Ich habe die Hälfte meines Lebens in einer "kommunistischen Demokratie" verbracht. In der die Arbeiterklasse angeblich die Avantgarde darstellte und über die anderen herrschte. In Russland versucht Putin, eine "souveräne Demokratie" aufzubauen. Einige westliche Staaten bezeichnen sich als "liberale Demokratien". Jede dieser Demokratien schließt bestimmte Ideen aus. Die Arbeiterklassen-Avantgarde-Demokratie schloss alles außer kommunistischen oder sozialistischen Ideen aus. Und liberale Demokratien schließen traditionelle Ideen wie das Christentum aus.

Lambsdorff: Nein. Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit sind die drei Elemente, die notwendig sind, um die Freiheit aller gewährleisten zu können. Wer die Exekutive stellt, hängt vom Willen der Mehrheit ab, aber die Mehrheit muss die Rechte der Minderheit respektieren. Wer, wenn nicht unabhängige Gerichte, wird die Minderheit schützen? Herr Waszczykowski, Ihre Partei und natürlich auch Herr Orbán arbeiten systematisch darauf hin, dies unmöglich zu machen. Wir können deutlich sehr erkennen, dass sowohl Ungarn als auch Polen sich von den Grundlagen einer Nation entfernen und in Richtung einer reinen Herrschaft der Mehrheit bewegen.

ZEIT: Das Europaparlament und die deutsche Ratspräsidentschaft haben sich in der vergangenen Woche darauf geeinigt, dass Länder, die gegen die Rechtsstaatlichkeit verstoßen, künftig weniger EU-Mittel erhalten sollen. Ist das der richtige Ansatz?

Lambsdorff: Unbedingt. Polen ist der größte Empfänger von EU-Mitteln, was auch in Ordnung ist. Aber dann sollte sich Ihre Regierung auch an die Rechtsstaatlichkeit halten.

Waszczykowski: Die EU und die Europäische Kommission haben nicht das Recht, uns zu kritisieren, denn wir verstoßen gegen gar nichts. Es gibt kein einziges verbindliches EU-Dokument, das definiert, was Rechtsstaatlichkeit bedeutet. Jedes EU-Land definiert diesen Begriff auf seine Weise. In Deutschland wählen Sie Politiker in Ihre Gerichte. Diese Gerichte sollen unabhängig sein, setzen sich jedoch aus früheren Politikern zusammen. Jede Form von wirtschaftlicher Bestrafung ist inakzeptabel.

Lambsdorff: In Artikel 2 des Europa-Vertrags wird die Rechtsstaatlichkeit erwähnt …

Waszczykowski: Aber es gibt keine Definition!

Lambsdorff: Für etwas, das offenkundig ist, benötigt man keine Definition. Es kann um Nuancen gehen, aber Victor Orbán und Ihre Regierung haben einen Weg eingeschlagen, bei dem die Unabhängigkeit der Gerichte nicht länger gewährleistet ist. Das Ganze erinnert mich mehr und mehr an die Situation in der Türkei, wo die Exekutive die Kontrolle über die Legislative ergriffen hat.

Waszczykowski: Wir modernisieren unser Rechtssystem, indem wir Reformen übernehmen, die in anderen europäischen Ländern bereits durchgeführt wurden. Wir sind eine junge Demokratie und können diese Art Doppelmoral nicht mehr akzeptieren. Warum dürfen in Deutschland Politiker in das Verfassungsgericht einziehen, aber nicht in Polen?

Lambsdorff: Weil sie in Deutschland mit Zweidrittelmehrheit gewählt werden und das Vorschlagsrecht für Richterinnen und Richter zwischen Regierungsparteien und Opposition wechselt. Das Verfassungsgericht in Polen hingegen wird voll und ganz von der Regierungspartei dominiert. Um im Parlament reichen 50 plus ein Prozent aus, um einen Richter nominieren zu können.

Waszczykowski: Das ist das Ergebnis demokratischer Wahlen. Sie waren doch derjenige, der zu Beginn [des Gesprächs] sagte, dass diejenigen, die gewinne, die Regeln festlegen, richtig? Sie dürfen nicht vergessen: Polen war jahrzehntelang von der Landkarte verschwunden. Wir waren während des Zweiten Weltkriegs verschwunden, wir verschwanden auch nach dem Krieg. Vielleicht sind wir ein wenig zu sensibel, wenn es um unsere nationale Sicherheit geht, aber aufgrund unserer schlechten Erfahrungen sind wir verrückt nach ihr.

Witold Waszczykowski […] ist Mitglied der polnischen Regierungspartei PiS, von 2015 bis 2018 war er Außenminister seines Landes. Seit 2019 ist Waszczykowski Europaabgeordneter.

Der FPD-Politiker Alexander Graf Lambsdorff war 13 Jahre lang Mitglied des Europaparlaments, bevor er 2017 in den Bundestag gewählt wurde. Lambsdorff […] ist FDP-Vize.

Das Gespräch wurde moderiert von Oliver Kortas und Matthias Krupa.
Aus dem Englischen von Matthias Schulz.
"Freiheit oder Tradition". Der polnische Konservative Witold Waszczykowski und der deutsche Liberale Alexander Graf Lambsdorff streiten über zwei verschiedene Vorstellungen von Europa, in: DIE ZEIT Nr. 47 vom 12. November 2020

Prof. Dr. Friedrich Heinemann ist Leiter des Forschungsbereichs Unternehmensbesteuerung und öffentliche Finanzwirtschaft am ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim und lehrt Volkswirtschaftslehre an der Universität Heidelberg. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Fiskal- und Geldpolitik in der Europäischen Union.
E-Mail Link: friedrich.heinemann@zew.de

Dr. Otto Schmuck, Leiter der Europaabteilung a.D. der Vertretung des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund und bei der Europäischen Union, Berlin. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Mitwirkungsrechte von Ländern und Regionen in Europa sowie institutionelle Reformen der EU. Er hat die Koordination des Heftes übernommen.
E-Mail Link: oschmuck@online.de