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Gestaltung der Wiedervereinigung | bpb.de

Informationen zur politischen Bildung Nr. 352/2022

Gestaltung der Wiedervereinigung

Manfred Görtemaker

/ 19 Minuten zu lesen

Das Einigungsvertragsgesetz mit der Unterschrift von Bundespräsident Richard von Weizsäcker am 24. September 1990 (© dpa / Oliver Berg)

Parallel zu den Verhandlungen mit den Vier Mächten über die außenpolitischen Aspekte der Wiedervereinigung wurden zwischen den beiden deutschen Staaten die Probleme der inneren Einigung besprochen. Vordringlich war dabei die Klärung der Bedingungen für die Wirtschafts- und Währungsunion, die – nicht zuletzt auf Drängen der DDR-Führung – Anfang Februar von der Bundesregierung angekündigt worden war und zum 1. Juli 1990 in Kraft treten sollte, um den Ostdeutschen wieder eine wirtschaftliche Perspektive zu bieten, die Übersiedlungswelle zu stoppen und damit die Lage zu stabilisieren.

Darüber hinaus mussten jedoch auch frühzeitig Überlegungen angestellt werden, wie die staatliche Ordnung nach der Wiedervereinigung aussehen sollte. Unklar waren schon die rechtlichen Voraussetzungen, unter denen die Wiedervereinigung erfolgen sollte: ob als Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes oder auf der Grundlage einer neu auszuarbeitenden gesamtdeutschen Verfassung. Darüber hinaus war eine Fülle von Einzelfragen zu klären. Sie betrafen unter anderem die gesetzgebenden Körperschaften, den Aufbau der öffentlichen Verwaltung, Überleitungsbestimmungen im Bereich der Justiz, die Finanzverwaltung, die Ordnung der Wirtschaft, den Bereich Verkehr, Post und Telekommunikation, das gesamte soziale Netz sowie Bildung, Wissenschaft und Kultur – um nur diese Beispiele zu nennen. Nirgends ließ sich das System der Bundesrepublik einfach auf die Gebiete der bisherigen DDR übertragen. Es bedurfte vielmehr detaillierter Anpassungsregelungen, die vor der Vereinigung in einem „Vertrag zur deutschen Einheit“ festzulegen waren.

Der Einigungsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR (© Bergmoser + Höller Verlag AG, Zahlenbild 58 295)

Die vertraglichen Grundlagen der Wiedervereinigung umfassten deshalb neben dem in Moskau unterzeichneten „Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland“ vom 12. September 1990 den „Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik“ vom 18. Mai 1990 sowie den „Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands – Einigungsvertrag“ vom 31. August 1990.

Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion

Die Verhandlungen über die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen den beiden deutschen Staaten, die im Februar 1990 begannen und nach dem Sieg der Allianz für Deutschland bei den Volkskammerwahlen vom 18. März auf Drängen Kohls beschleunigt wurden, sollten zu einer raschen Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen in Ostdeutschland führen und den komplizierten Einigungsprozess möglichst geordnet ablaufen lassen. Die Hoffnung, dass der Wiederaufbau der ostdeutschen Wirtschaft in relativ kurzer Zeit bewerkstelligt werden könne, basierte dabei auf der Annahme, dass die Bundesrepublik über genügend finanzielle Reserven verfügte, um beispielsweise für die Anpassung der Renten, die Modernisierung der Infrastruktur und die Beseitigung der Umweltschäden sorgen zu können. Darüber hinaus sah sich Bundeskanzler Kohl in seiner Zuversicht auf einen schnellen Erfolg der Wiedervereinigung durch großzügige Versprechungen der deutschen Privatwirtschaft gestärkt, in der bisherigen DDR zu investieren. Entsprechende Ankündigungen gab es vor allem aus der Automobilindustrie, dem Maschinenbau, der Elektrotechnik, dem Großhandel und dem Dienstleistungssektor.

Mit Blick auf die Währungsunion warnte die Bundesbank jedoch vor den Folgen einer allzu hohen Bewertung der ostdeutschen Währung. Die von Kohl am Vorabend der Volkskammerwahl vorgeschlagene Lösung, die ostdeutsche Mark bis zu einer bestimmten Obergrenze zum Kurs von 1:1 umzutauschen, würde zusätzliche 118 Milliarden DM Bargeld in den Geldkreislauf einspeisen und die nominale Kaufkraft der westdeutschen 2,3-Billionen-DM-Wirtschaft für Güter und Dienstleistungen um weitere 236 bis 240 Milliarden DM erhöhen. Nach Meinung der Bundesbank konnte dies die Geldwertstabilität gefährden. Man verständigte sich deshalb am 2. Mai auf ein gemischtes Paket: Alle Löhne und Gehälter sowie Renten, Pensionen, Stipendien und bestimmte Sozialleistungen sollten zum Kurs 1:1 umgestellt werden. Die Renten im Osten würden an das Niveau der Bundesrepublik angeglichen. Bei Bargeld und Sparkonten sollten Kinder bis zu 14 Jahren 2000 DDR-Mark zum 1:1-Kurs umtauschen können, Personen zwischen 15 und 59 bis 4000 Mark und Personen über 60 bis 6000 Mark. Beträge oberhalb dieser Grenzen würden zum Kurs 2:1 gewechselt werden.

QuellentextWährungsumstellung

Die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik und die Regierung der Bundesrepublik Deutschland beabsichtigen in Wahrnehmung der gemeinsamen Aufgabe der beiden deutschen Staaten und auf dem Weg zur deutschen Einheit, einen Staatsvertrag zur Einführung der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zu schließen. Dieser Vertrag soll am 1. Juli 1990 in Kraft treten. [...]

Teil dieses Vertrages ist die Umstellung der Mark der DDR auf D-Mark. […]

1. Es ist vorgesehen, die Währungsumstellung nach Inkrafttreten des Staatsvertrages zum 2. Juli 1990 vorzunehmen.
2. Löhne, Gehälter, Stipendien, Mieten, Pachten und Renten sowie andere wiederkehrende Versorgungszahlungen (zum Beispiel Unterhaltszahlungen) werden im Verhältnis 1:1 umgestellt. Bei Löhnen und Gehältern werden die Bruttobeträge vom 1. Mai 1990 zugrunde gelegt.
3. Das Rentensystem in der DDR wird dem Rentensystem in der Bundesrepublik Deutschland angepasst. Das bedeutet, dass die meisten Renten in D-Mark höher liegen werden als heute in Mark der DDR. Sofern sich in Einzelfällen ein niedrigerer Betrag gegenüber der bisherigen Rente in Mark der DDR ergibt, wird sichergestellt, dass der bisherige Rentenbetrag in D-Mark gezahlt wird.
4. Durch in der Deutschen Demokratischen Republik zu schaffende rechtliche Regelungen werden sich insbesondere für Bezieher niedriger Renten und für Studenten ergebende soziale Härten ausgeglichen. [...]
5. Sonstige Forderungen und Verbindlichkeiten werden grundsätzlich im Verhältnis 2:1 umgestellt.
6. Personen mit ständigem Wohnsitz in der Deutschen Demokratischen Republik können im Verhältnis 1:1 folgende Beträge pro Kopf (Bargeld und Bankguthaben) tauschen:
¬ Kinder bis zum vollendeten 14. Lebensjahr: 2000 Mark
¬ Personen im Alter von 15 bis zum vollendeten 59. Lebensjahr: 4000 Mark
¬ Personen ab dem 60. Lebensjahr: 6000 Mark. Darüber hinausgehende Beträge werden 2:1 umgestellt. [...]
7. Guthaben von natürlichen oder juristischen Personen oder Stellen, deren ständiger Wohnsitz oder Sitz sich außerhalb der Deutschen Demokratischen Republik befindet, werden 3:1 umgestellt, soweit die Guthaben nach dem 31. Dezember 1989 entstanden sind. [...]

Erklärung von Bundesminister Rudolf Seiters, Chef des Bundeskanzleramtes, vor der Bundespressekonferenz in Bonn am 2. Mai 1990, in: Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 3. Mai 1990

Weitere wichtige Punkte, über die in den Verhandlungen beraten wurde, waren der Finanzausgleich zwischen den „alten“ und „neuen“ Bundesländern, Einzelheiten der Sozialunion und – vor allem – die Frage von Eigentumsrechten und Landbesitz. Da der Vertragsentwurf bereits am 18. Mai vom Bundeskabinett verabschiedet und am 22. Mai in erster Lesung vom Bundestag behandelt werden sollte, war die Zeit für weitere Beratungen allerdings knapp. Tatsächlich wurden die Verhandlungen abgeschlossen, ohne dass zwei der heikelsten Fragen entschieden worden waren: die Regelung der Ansprüche früherer Eigentümer in Ostdeutschland und die Reprivatisierung verstaatlichten Besitzes einschließlich Ländereien und landwirtschaftlicher Betriebe. Beide Problembereiche konnten erst während der Verhandlungen über den Einigungsvertrag geklärt werden.

Erreicht wurde jedoch eine Einigung hinsichtlich der finanziellen Unterstützung für Ostdeutschland. So kamen die Bundesregierung und die elf westdeutschen Länder am 16. Mai überein, einen „Fonds Deutsche Einheit“ zu schaffen, aus dem bis Ende 1994 insgesamt 155 Milliarden DM als Wiederaufbauhilfe für Ostdeutschland bereitgestellt werden sollten. Der Vertrag über die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen den beiden deutschen Staaten konnte daraufhin nach abschließenden Gesprächen zwischen Bundesfinanzminister Theo Waigel und DDR-Finanzminister Walter Romberg am 18. Mai in Bonn unterzeichnet werden.

Vertragsinhalte

Kernstücke des Vertrages über die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion waren die Einführung der Sozialen Marktwirtschaft in der DDR und die Umstellung der DDR-Währung auf DM zum 1. Juli 1990. In der Präambel erklärten die Bundesrepublik und die DDR, „die Soziale Marktwirtschaft als Grundlage für die weitere wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung mit sozialem Ausgleich und sozialer Absicherung und Verantwortung gegenüber der Umwelt auch in der Deutschen Demokratischen Republik einzuführen und hierdurch die Lebens- und Beschäftigungsbedingungen ihrer Bevölkerung stetig zu verbessern“.

Deutsch-deutscher Staatsvertrag (© Bergmoser + Höller Verlag AG, Zahlenbild 58 290)

Auch die ostdeutsche Wirtschaft sollte also künftig durch Privateigentum, freie Preisbildung und die Abschaffung staatlicher Monopole gekennzeichnet sein. Staatliche Subventionen sollten so weit wie möglich abgebaut werden, um mit den dadurch eingesparten Beträgen die ökonomische Umstrukturierung zu finanzieren. Die DDR würde außerdem das westdeutsche Sozialsystem übernehmen, während die Bundesrepublik umgekehrt für eine Übergangszeit den defizitären Staatshaushalt der DDR ausgleichen und die Kosten für die Finanzierung der ostdeutschen Sozialausgaben tragen würde. Damit verlor die DDR mit Inkrafttreten des Vertrages ihre Souveränität in Finanzangelegenheiten und übertrug die Verantwortung dafür der Bundesregierung bzw. der Bundesbank in Frankfurt am Main.

Die Auswirkungen des Vertrages wurden jedoch von Anfang an als zwiespältig betrachtet. Einerseits waren die darin enthaltenen Regelungen ein unvermeidliches Element der deutschen Einigung. Alternativen gab es nicht oder waren unrealistisch – wie etwa ein Fortbestehen der ostdeutschen Währung in einem wirtschaftlichen Sondergebiet auf dem Territorium der ehemaligen DDR. Andererseits sagten Ökonomen angesichts der „Schocktherapie“, der die ostdeutsche Wirtschaft mit der Wiedervereinigung ausgesetzt wurde, den Zusammenbruch vieler ineffizienter Unternehmen voraus, die dem freien Wettbewerb nicht gewachsen sein würden.

Wirtschaftlicher Niedergang

Tatsächlich wurden die Schwächen der DDR-Ökonomie sofort sichtbar, als die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion nach dem 1. Juli 1990 Gestalt annahm. Nahezu alle Staatsbetriebe der DDR hatten mit großen Verlusten operiert, die allein 1989 staatliche Subventionen in Höhe von mehr als 120 Milliarden DDR-Mark erforderlich gemacht hatten. Der Maschinenpark war völlig veraltet und vielfach kaum noch funktionsfähig, die Infrastruktur war desolat. So waren 1989 etwa 29 Prozent der Industrieausrüstungen in der DDR zwischen elf und 20 Jahre alt, 21 Prozent sogar mehr als 20 Jahre. Ein Grund dafür waren mangelnde Investitionen in den 1970er- und 1980er-Jahren, da das Konzept der „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“ unter SED-Generalsekretär Erich Honecker mit Vollbeschäftigung, freier medizinischer Versorgung und Niedrigmieten sowie staatlich festgesetzten Niedrigpreisen für elementare Güter und Dienstleistungen des alltäglichen Bedarfs, die als Gütezeichen der DDR gegolten hatten, die schwache Produktivität des Landes überfordert und zu hohen Auslandsschulden geführt hatte. Honeckers Nachfolger Egon Krenz hatte darauf in einer ungeschönten Bilanz der ökonomischen Lage seines Landes bereits im Herbst 1989 hingewiesen. Sein internes Dokument war den mit der Vereinigung befassten Politikern 1990 allerdings noch nicht bekannt. Dies erklärt zumindest teilweise die Illusionen, die Bonn und Ost-Berlin sich zunächst noch machten. Nach dem 1. Juli 1990 war die Tatsache jedoch nicht mehr zu verbergen, dass DDR-Unternehmen im Durchschnitt nur etwa ein Drittel der Produktivität ihrer westlichen Konkurrenten aufwiesen und kaum weltmarktfähige Güter produzierten, dafür aber enorme Umweltschäden verursacht und gewaltige Schuldenberge aufgehäuft hatten. Vielmehr führte die Öffnung der DDR-Wirtschaft zum Weltmarkt binnen kurzer Zeit zu ihrem völligen Zusammenbruch, zumal auch die Ostmärkte in dieser Zeit allgemeinen Wandels kollabierten. Die Talfahrt war bereits Ende 1989 deutlich zu spüren und entwickelte sich nach der Einführung der Währungs- und Wirtschaftsunion zum freien Fall. Bis Ende 1990 sank das Bruttosozialprodukt um nicht weniger als 18,5 Prozent.

Treuhandanstalt

Treuhandanstalt und Wirtschaftsumbau (© Beide Grafiken aus Marcus Böick (2020): Treuhandanstalt und Wirtschaftsumbau, in: Bundeszentrale für politische Bildung: Dossier „Lange Wege der deutschen Einheit“, https://bpb.de/315873, veröffentlicht unter der Lizenz: CC BY-NC-ND 3.0 DE.)

Um die Anpassung der ostdeutschen Wirtschaft an die neuen politischen und ökonomischen Bedingungen vorzunehmen, wurde am 1. März 1990 – noch unter Ministerpräsident Hans Modrow – die „Anstalt zur treuhänderischen Verwaltung des volkseigentums“ gegründet. Sie sollte dazu dienen, das Volkseigentum im Interesse der Allgemeinheit zu verwalten, die volkseigenen Kombinate, Betriebe und Einrichtungen zu entflechten und ihre Nachfolgeunternehmen in Kapitalgesellschaften umzuwandeln. Die Anstalt sah ihre Rolle demnach zunächst als Sanierungsinstrument der staatlichen Industriepolitik in einer quasi-sozialistischen Gesellschaft. Erst nach der Volkskammerwahl vom 18. März erhielt die Privatisierung höhere Priorität. Die Neuausrichtung kam auch in einem neuen Gesetz zur Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens (Treuhand-Gesetz) zum Ausdruck, das von der DDR-Volkskammer am 17. Juni 1990 beschlossen wurde und zusammen mit der Einführung der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion am 1. Juli 1990 in Kraft trat.

Die Anstalt, die mit der Wiedervereinigung schließlich in eine bundesunmittelbare Anstalt des öffentlichen Rechts unter der Fachaufsicht des Bundesfinanzministeriums umgewandelt wurde, wuchs nach dem 1. Juli 1990 rasch zu einer Großorganisation mit 3000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an, die teils in der Berliner Zentrale, teils in einem der 15 Regionalbüros tätig waren. Ihre Aufgabe war es, den umfangreichen staatlichen Grundbesitz, der mehr als die Hälfte der DDR umfasste, und die darauf befindlichen Liegenschaften sowie die Volkseigenen Betriebe der DDR zu privatisieren. Zum Zeitpunkt der Gründung der Treuhand handelte es sich dabei zunächst um 7894 Volkseigene Betriebe in rund 45 000 Betriebsstätten mit vier Millionen Beschäftigten; am Ende waren es etwa 14 600 Gesellschaften, die sich im Gesamtportfolio der Treuhand befanden.

Das Ziel des Umbaus der DDR-Volkswirtschaft wurde in weniger als vier Jahren erreicht – allerdings zu einem hohen Preis. Denn für jede DM, die von privater Seite für den Kauf eines ostdeutschen Unternehmens aufgewandt wurde, mussten drei DM von der öffentlichen Hand zur Verfügung gestellt werden, um Altschulden abzutragen oder Umweltschäden zu beseitigen. Ohne diesen öffentlichen Beitrag hätte es kaum Interessenten für die meisten DDR-Unternehmen gegeben, da sich die Erwerbungen betriebswirtschaftlich nicht gerechnet hätten. Jeder Privatisierungserfolg vergrößerte daher das finanzielle Defizit der Treuhand. So standen den Erlösen aus Privatisierungen von rund 60 Milliarden DM bis Ende 1994 schließlich Ausgaben von weit über 300 Milliarden DM gegenüber. Statt mit einem erhofften hohen Überschuss schloss die Treuhand ihre Tätigkeit also mit einer Gesamtschuld von rund 270 Milliarden DM ab, die von den deutschen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern für die Abwicklung der DDR-Wirtschaft aufzubringen waren.

QuellentextDilettanten am Werk?

[…] Die Treuhand existierte gerade einmal vier Jahre lang, von 1990 bis 1994. Sie war dem Bundesfinanzministerium unterstellt und hatte eine Aufgabe, die schon damals als historisch einmalig galt: eine ganze Volkswirtschaft zu privatisieren. Alle staatlichen Unternehmen der DDR sollte sie verkaufen. Es ging um 8500 volkseigene Betriebe (VEB) mit insgesamt vier Millionen Beschäftigten. Als zwischenzeitliche Verwalterin all dieser Firmen war die Treuhand 1990 die größte Holding der Welt.

Doch statt privatisiert wurde häufig liquidiert. Vorgeworfen wurde der Treuhand deshalb, den Zusammenbruch der ostdeutschen Wirtschaft nicht verhindert zu haben. Und noch mehr als das: Unterstellt wurde ihr auch, falschgespielt zu haben. Betriebe entweder mutwillig plattgemacht oder billig verkauft zu haben, alles im Sinne westdeutscher Kapitalisten. Als „Kolonialbehörde“ wurde die Treuhand deswegen bezeichnet, als „Schlachthaus“, als „Fortsetzung des Kalten Kriegs mit anderen Mitteln“.

Es gab unzählige Zeitungsartikel über sie, es wurden Bücher und Studien geschrieben. Worauf Historiker aber lange keinen Zugriff hatten: die Akten der Treuhand. […] Jene Unterlagen, die verraten, was in Vorstandssitzungen besprochen, was in Kaufverträgen festgehalten wurde. Denn solche Schriftstücke liegen in Deutschland 30 Jahre unter Verschluss.

[…] [D]er ostdeutsche Bürgerrechtler Richard Schröder hat sich dafür eingesetzt, dass […] ein Forscherteam sich damit beschäftigt, dass es Mythen hinterfragen und Vorurteilen Fakten entgegenstellen kann. Dierk Hoffmann […] ist Leiter dieses elfköpfigen Teams am Institut für Zeitgeschichte München – Berlin. […]

Selbstverständlich werde die Treuhand daran gemessen, wie viele Arbeitsplätze sie habe erhalten können, sagt Hoffmann. „Wenn man das zum Maßstab macht, ist die Bilanz niederschmetternd.“ Von vier Millionen Industriearbeitsplätzen gingen zweieinhalb Millionen verloren. […]

Dass es der Volkswirtschaft der DDR schlecht ging, sei selbst den Funktionären der SED im Herbst 1989 klar gewesen. Schon damals stellten sie fest, dass die Zahlungsunfähigkeit des Staates drohte. Auch eine Untersuchung im Frühjahr 1990 ergab, dass von 2600 untersuchten Betrieben 39 Prozent der Konkurs drohe. Vermutlich hätte auch die effizienteste Behörde aller Zeiten Schwierigkeiten gehabt, all das zu managen. Aber von einer effizienten Behörde war die Treuhand weit entfernt.

„Die Treuhand war heillos überfordert“, sagt Dierk Hoffmann. […] Ziel der Behörde sei es gewesen, viele Unternehmen möglichst schnell zu verkaufen. Dafür hätte sie eine Bestandsaufnahme machen müssen […]. Denn längst nicht alle Betriebe der DDR waren überlebensfähig. Und die allermeisten brauchten Investitionen und eine Sanierung. Produktiv nach den Maßstäben der freien Marktwirtschaft waren sie nicht.

Tatsächlich […] hatte die Behörde aber „keinen Überblick darüber, welche Betriebe unter Zugrundelegung von Marktkriterien sanierungsfähig waren und welche nicht“. Auch fehlte ihr anfangs das Personal, um solche Informationen überhaupt einzuholen. Allerdings gehört zur Wahrheit auch, dass man der Treuhand nicht vorwerfen kann, dass sie derartige Probleme ignoriert habe. Immer wieder wurden interne Untersuchungen beauftragt. Heraus kam zum Beispiel, dass fast 90 Prozent der Privatisierungen zu beanstanden seien.

Wie groß das Durcheinander bei dieser gigantischen Behörde war, beweist eine andere Zahl. 80 Prozent der bei der Treuhand eingehenden Überweisungen konnten keinem Kaufvertrag zugeordnet werden, das geht aus einem internen Revisionsbericht vom August 1991 hervor.

Die Treuhand wusste also nicht, welchem Verkauf sie das eingenommene Geld zuordnen musste. Ihrer Buchhaltung fehlten Informationen darüber, welcher Käufer ihr wie viel Deutsche Mark für welches Unternehmen schuldete. So sammelte sich eine Dreiviertelmilliarde Mark auf den Konten, der mühsam hinterherrecherchiert werden musste.

Und obwohl die Überforderung der Behörde so augenfällig war, überhäufte die Bundesregierung sie mit weiteren Aufgaben. Sie musste irgendwann auch Eigentumsfragen klären, sich um Umweltschäden kümmern, Agrarflächen verkaufen, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik machen und Immobilien veräußern. […]

Fehler gab es einige. Und wer viele macht, macht sich verdächtig. So wurde der Treuhand bald vorgeworfen, dass sie mit ansehe, wie alte SED-Seilschaften in den Betrieben einfach fortexistierten. Oder gar, dass sie Betriebe unter der Hand verhökere. Die Forschungen der Berliner Wissenschaftler aber legen nahe, dass man der Behörde damit unrecht tat. Zwar habe es Fälle von Bestechlichkeit gegeben. Allerdings habe die Treuhand versucht, den Vorwürfen nachzugehen. Die meisten hätten sich nicht erhärtet. […]

Dass die Behörde im Osten einen derart schlechten Ruf bekam, hat auch etwas damit zu tun, wie sie mit Ostdeutschen in den eigenen Reihen umging. Zwar kamen 70 Prozent der Mitarbeiter aus der DDR. In Führungspositionen schafften sie es aber so gut wie nie. Unter 49 Direktoren fanden sich im Dezember 1992 nur zwei aus dem Osten. Westdeutsche kassierten – auf gleicher Hierarchieebene – auch deutlich höhere Gehälter. […]

Verheerender noch als das interne Klima ist ein anderes Fazit der Forscher über die Arbeit der Treuhand. „Sie hat es verpasst, den Mittelstand ausreichend zu fördern“, sagt der Historiker Max Trecker, der zum Berliner Wissenschaftsteam gehört. Stattdessen habe sich die Behörde darauf konzentriert, große Kombinate zu veräußern. Dafür hätten ihre Mitarbeiter vorwiegend mit westdeutschen Konzernen verhandelt. Das sei keine bewusste Vorzugsbehandlung gewesen, so die Forscher. Der Grund dahinter war wesentlich simpler: Die Treuhand habe versucht, jedes Unternehmen zu möglichst hohen Preisen zu verkaufen.

Deswegen hätten Ostdeutsche auch nur selten den Zuschlag bekommen. Diese hätten durch ihre Biografie im Sozialismus keine relevanten Ersparnisse gehabt und in der Regel keine Kredite von Banken bekommen, um eine Firmenübernahme zu stemmen.

Immer wieder seien auch sanierungsfähige mittelständische Firmen entweder liquidiert oder „an Investoren höchst zweifelhafter Seriosität im Eilverfahren veräußert wurden“, sagt Max Trecker. Dies sei jedoch nicht mit Absicht passiert, sondern eher aus Inkompetenz. […]

Anne Hähnig, „Dilettanten am Werk“, in: Die ZEIT Nr. 15 vom 7. April 2022

Transferzahlungen

Zudem blieben in den neuen Bundesländern die erhofften Steuereinnahmen zunächst weitgehend aus, weil sich die Privatwirtschaft entgegen früheren Versprechungen mit ihrem Engagement in Ostdeutschland anfänglich zurückhielt. Gründe dafür waren nicht nur schlechte Produktivitätsperspektiven, sondern auch die ungelöste Eigentumsproblematik, die dazu führten, dass innerhalb des ersten Jahres nach Einführung der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion nicht einmal 13 Milliarden DM investiert wurden. Die alten Bundesländer mussten deshalb erheblich höhere Beiträge für die Beitrittsgebiete aufwenden als ursprünglich geplant.

So bedurfte es allein 1991 etwa 143 Milliarden DM Bruttotransferleistungen für Ostdeutschland, um Einkommen zu sichern, Unternehmen zu stützen und die Infrastruktur zu verbessern. 1992 waren es bereits 173 Milliarden, im Jahr 1995 rund 188 Milliarden. Der 1989/90 zu beobachtende Optimismus über einen raschen Aufschwung der ostdeutschen Wirtschaft erwies sich daher als verfehlt. Die zu überwindende Durststrecke bei der wirtschaftlichen Sanierung Ostdeutschlands dauerte erheblich länger als erwartet und führte auch zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit auf durchschnittlich 15 Prozent, wobei die Quote in manchen Regionen noch sehr viel höher lag. Daraus wuchs Enttäuschung – nicht zuletzt deshalb, weil 1990 im Wahlkampf zu viel versprochen worden war. Einer Meinungsumfrage des „Politbarometers“ der Forschungsgruppe Wahlen zufolge meinten bereits 1993 rund 75 Prozent der Ostdeutschen, dass sich die Gesellschaft in einer „schweren Krise“ befinde. Über 50 Prozent hielten die wirtschaftliche Lage in den neuen Ländern nicht nur für „schlecht“, sondern glaubten, sie werde auch „gleich schlecht“ bleiben.

Letzteres war jedoch nicht der Fall. Zwar belief sich die Gesamtsumme der Transferleistungen nach einer Berechnung des ifo-Instituts Dresden für den Zeitraum von 1991 bis 2013 auf 3,4 Billionen Euro, wobei ein Großteil der Zahlungen, etwa 2,2 Billionen Euro, in den Sozialbereich floss, etwa zur Finanzierung der Renten- und Arbeitslosenversicherung. Diesen Leistungen standen nun aber auch 1,8 Billionen Steuer- und Beitragseinnahmen gegenüber, sodass der Nettotransfer nur noch 1,6 Billionen Euro betrug. 2019 sollten die Transfers sogar ganz aufhören. Sie sind allerdings auf einem Niveau von rund 14 Prozent der Wirtschaftsleistung im Umfang von etwa 60 Milliarden Euro jährlich weiterhin notwendig, weil die Eigentumsverhältnisse ungleich verteilt sind. So wird in Ostdeutschland inzwischen zwar viel und effektiv produziert. Aber die Unternehmen sind oft nur Filialbetriebe westdeutscher Unternehmen, an deren Konzernsitz der größte Teil des Steueraufkommens anfällt. Es wird daher nicht mehr von einer „Produktionslücke“ zwischen Ost und West gesprochen, sondern von einem „Transferkreislauf“, da ein großer Teil der Mittel, die nach Ostdeutschland transferiert werden, aufgrund der Eigentumsstrukturen wieder nach Westdeutschland zurückfließt.

Grundgesetz oder neue Verfassung?

Neben der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zählte im Frühjahr 1990 die Frage der künftigen deutschen Verfassung zu den wichtigen internen Themen der Wiedervereinigungsdiskussion. Rechtlich betrachtet gab es zwei Wege, auf denen sich die Wiedervereinigung vollziehen konnte: nach Artikel 23 des Grundgesetzes (GG), der besagte, dass die Verfassung außer in den bereits bestehenden Ländern der Bundesrepublik auch in „anderen Teilen Deutschlands [...] nach deren Beitritt in Kraft zu setzen“ sei; oder nach Artikel 146 GG, demzufolge das Grundgesetz an dem Tage seine Gültigkeit verlieren würde, „an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist“. Zwar befürwortete eine Minderheit die Ausarbeitung einer neuen Verfassung gemäß Artikel 146, darunter vor allem die Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtler in der DDR, die argumentierten, dass die alte Bundesrepublik nicht einfach die DDR „annektieren“ dürfe. Aber nach einer Umfrage des Wickert-Instituts, die am 26. Februar 1990 veröffentlicht wurde, traten 89,9 Prozent der Westdeutschen und 84,1 Prozent der Ostdeutschen für die Übernahme des Grundgesetzes als gesamtdeutsche Verfassung ein.

Nach der Volkskammerwahl in der DDR vom 18. März war die Frage politisch entschieden. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble hielt bereits am 6. April eine erste Ressortbesprechung zur Vorbereitung eines „Gesetzes über die Einführung von Bundesrecht in der DDR (1. Überleitungsgesetz)“ ab. Am 18. April traf er dazu mit seinem ostdeutschen Amtskollegen Peter-Michael Diestel zu einer Unterredung zusammen, wobei es nur noch um praktische Fragen ging. Parallel dazu konferierten die Justizminister der beiden deutschen Staaten, Hans Engelhard und Kurt Wünsche, um Einzelheiten der Harmonisierung der beiden Rechtssysteme auszuarbeiten. Die wichtigsten Beschlüsse in der Beitritts- und Verfassungsfrage wurden jedoch von der DDR-Volkskammer getroffen. Dort lehnte eine Mehrheit der Abgeordneten am 26. April die Ausarbeitung einer neuen Verfassung ab. Am 23. August 1990 votierte das ostdeutsche Parlament mit 294 zu 62 Stimmen für einen Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland nach Artikel 23.

Im Grundgesetz machte der Beitritt der fünf neuen Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie des östlichen Teils Berlins einige Änderungen notwendig. So wurde der alte Artikel 23 durch den sogenannten Europa-Artikel ersetzt, in dem sich die Bundesrepublik nunmehr auch in ihrer Verfassung zur europäischen Integration und zur Mitgliedschaft in der Europäischen Gemeinschaft bzw. der Europäischen Union bekennt. Artikel 146 wurde dahingehend geändert, dass zwar künftig die Ausarbeitung einer neuen Verfassung nicht ausgeschlossen sei, das Grundgesetz aber nicht mehr als vorläufig gelte.

Eigentumsfrage

Ein zentrales Problem der Einigungsdiskussion war die Eigentumsfrage. Hunderttausende von Deutschen in Ost und West, die nach dem Zweiten Weltkrieg auf dem Gebiet der Sowjetischen Besatzungszone und danach in der DDR ihr Eigentum verloren hatten, waren davon betroffen. Enteignungen durch die sowjetische Besatzungsmacht und die Regierung der DDR sowie Eigentumsverluste durch Flucht und Vertreibung hatten zu Eingriffen in Grundbesitz, Betriebe und sonstiges Vermögen geführt, die mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar waren. Diese Fehlentwicklungen zu korrigieren, war nicht nur ein wesentliches politisches Anliegen des Einigungsprozesses, sondern auch eine zwingende juristische Notwendigkeit, die sich aus der Rechtsordnung der Bundesrepublik ergab.

Der Vertrag über die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion hatte die Eigentums- und Vermögensfragen noch weitgehend ausgeklammert. Bei den Beratungen zum Einigungsvertrag – dem schon genannten „Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands“ vom 31. August 1990 – kam man aber nicht mehr umhin, nach einer Lösung zu suchen. Mit dem „Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen“, das am 31. August, also am Tage der Unterzeichnung des Einigungsvertrages, ohne das übliche Gesetzgebungsverfahren in der Volkskammer als Anlage II in den Vertrag aufgenommen wurde, hoffte man, die Probleme zu bewältigen.

Das Gesetz bestimmte, dass Eingriffe in das Eigentum von der Kapitulation bis zur Gründung der DDR, also für die Zeit zwischen dem 8. Mai 1945 und dem 7. Oktober 1949, nicht rückgängig gemacht werden sollten. Enteignungen und Eigentumsbeschränkungen, die in dieser Zeit nach Besatzungsrecht erfolgt waren, insbesondere im Rahmen der sogenannten Bodenreform vom September 1945, behielten ihre Gültigkeit. Zu den Eigentumseingriffen in der Besatzungszeit wurde überdies am 23. September 1990 noch der Artikel 143 des Grundgesetzes neu gefasst, der Abweichungen vom Grundgesetz für eine Übergangszeit zuließ und die zwischen 1945 und 1949 erfolgten Enteignungen auf dem Gebiet der SBZ bzw. DDR verfassungsrechtlich absicherte. Vermögen einschließlich Grundbesitz, das nach dem 7. Oktober 1949 enteignet bzw. unter staatliche Treuhandverwaltung der DDR gestellt worden war, sollte jedoch den ehemaligen Eigentümern oder ihren Erben grundsätzlich zurückgegeben werden. Von Ausnahmen abgesehen, galt das Prinzip „Rückgabe vor Entschädigung“.

Zahlreiche Regelungen der Eigentumsfrage waren allerdings umstritten. So erwies sich das Prinzip „Rückgabe vor Entschädigung“ durch langwierige juristische Verfahren nicht nur als Hindernis für Investitionen, sondern bot auch Anlass für Missstimmung in Ostdeutschland. Menschen, die viele Jahre lang Nutzer des Besitzes gewesen waren, für den jetzt Rückübertragungsansprüche angemeldet wurden, sahen sich nun von Kündigung und Existenzverlust bedroht. Und die Hinnahme der „Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage“ aus den Jahren 1945 bis 1949 wurde weithin als Eingriff in das nach Artikel 14 GG geschützte Grundrecht auf Eigentum angesehen, auch wenn das Bundesverfassungsgericht die Neufassung des Artikels 143 Absatz 3 am 23. April 1991 in einer Grundsatzentscheidung bestätigte und am 18. April 1996 in einem Beschluss seines Ersten Senats noch einmal erklärte, der „Restitutionsausschluss für die in den Jahren 1945 bis 1949 in der sowjetischen Besatzungszone auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage durchgeführten Enteignungen“ sei „von Verfassungswegen nicht zu beanstanden“.

Soziales Netz

Unstrittig war im Einigungsvertrag hingegen die Ausdehnung des „sozialen Netzes“ der Bundesrepublik auf das Gebiet der ehemaligen DDR. So wurde in Kapitel VII des Vertrages festgelegt, dass die in der alten Bundesrepublik seit 1949 erlassenen Gesetze und Bestimmungen, die im Rahmen der Sozialen Marktwirtschaft den Sozialstaat verwirklichen sollten, ungeschmälert auf Ostdeutschland übertragen werden sollten. Praktisch waren für die neuen Länder keine Sonderregelungen vorgesehen. Von Anfang an sollte es hier eine uneingeschränkte Mitwirkung und Teilhabe an den sozialen Errungenschaften des westlichen Systems geben.

Dabei war man sich einerseits der Tatsache bewusst, dass der Zusammenbruch des SED-Regimes wesentlich durch die wirtschaftliche und soziale Attraktivität der alten Bundesrepublik beschleunigt, wenn nicht gar verursacht worden war, sodass die Bürgerinnen und Bürger der DDR mit der Wiedervereinigung große materielle Hoffnungen und Erwartungen verbanden, die nicht enttäuscht werden durften. Andererseits gab es auch kein ernstzunehmendes Argument, das es gerechtfertigt hätte, den Deutschen im Osten die Vorteile vorzuenthalten, die die Deutschen im Westen seit langem genossen.

Bei der neuen Sozialrechtsordnung ging es nicht nur um die Absicherung der Menschen gegen Gefahren, Unsicherheiten und Härten des privaten und beruflichen Lebens, sondern auch um Fragen der Mitbestimmung, des Tarifrechts und der Vermögensbildung. An die Stelle der Einheitssozialversicherung der ehemaligen DDR trat nun ein gegliedertes System mit getrennten Renten-, Kranken-, Unfall- und Arbeitslosenversicherungen. Und als der Zusammenbruch der DDR-Wirtschaft zu einem sprunghaften Anstieg der Arbeitslosigkeit führte, wurden Arbeitslosengeld, Kurzarbeitergeld und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, die den Menschen in den alten Bundesländern seit langem vertraut waren, auch in Ostdeutschland Begriffe, die für viele den Alltag prägten.

Deutsche Einheit (© picture-alliance/dpa, dpa-infografik GmbH, Globus 14 157; Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Statistisches Landesamt Baden-Württemberg)

Trotz der Probleme, die mit dem tiefgreifenden sozialen Wandel nach der Wende von 1989 für die DDR und die ostdeutsche Gesellschaft verbunden waren, trug die Ausdehnung des sozialen Netzes der alten Bundesrepublik auf die neuen Länder somit wesentlich dazu bei, die negativen Auswirkungen des Umbruchs für die betroffenen Menschen in Grenzen zu halten. Der Abbau an gewohnter Sicherheit führte bei den Betroffenen dennoch nicht selten zu Existenzangst und -verlust, die rückblickend vielfach sogar eine Verklärung des Alltags in der DDR und eine Distanzierung von der Bundesrepublik nach sich zogen.

Wiedervereinigung der Kultur

Schließlich befasste sich der Einigungsvertrag auch mit der Wiedervereinigung der Kultur und wies in Artikel 35 darauf hin, dass Kunst und Kultur zwar „eine Grundlage der fortbestehenden Einheit der deutschen Nation“ gewesen seien, dass es aber „Auswirkungen der Teilung Deutschlands“ gebe, denen man entgegenwirken müsse. Tatsächlich hatten 40 Jahre deutscher Teilung zu einer kulturellen Differenzierung geführt, die in vielen Bereichen der Kunst, Literatur und Musik sowie in den Museen und Bibliotheken und nicht zuletzt in Bildung und Wissenschaft spürbar war.

In der alten Bundesrepublik war die Förderung der Kultur in erster Linie eine Angelegenheit der Länder und Kommunen; in der DDR war sie hochgradig zentralisiert gewesen. Laut Einigungsvertrag sollte das föderalistische Prinzip nun auf ganz Deutschland übertragen werden. Schutz und Förderung von Kunst und Kultur sollten „entsprechend der Zuständigkeitsverteilung des Grundgesetzes“ auch im „Beitrittsgebiet“ den Ländern und Kommunen obliegen. Der Bund bekundete aber seine Bereitschaft, „übergangsweise zur Förderung der kulturellen Infrastruktur einzelne kulturelle Maßnahmen und Einrichtungen“ in den neuen Ländern mitzufinanzieren, damit die „kulturelle Substanz“ dort keinen Schaden nahm.

So wurde der seit 1949 bestehende DDR-Kulturfonds zur Förderung von Kultur, Kunst und Künstlern unter Beteiligung des Bundes in der 1990 gegründeten „Stiftung Kulturfonds der neuen Bundesländer“ weitergeführt. Als 1998 zunächst der Freistaat Sachsen und zum Jahresende 2004 auch Sachsen-Anhalt und Thüringen den dazu geschlossenen Staatsvertrag kündigten, ging die Stiftung jedoch in Liquidation. Ihre Aufgaben wurden nun von der Kulturstiftung des Bundes und der Kulturstiftung der Länder übernommen, die ähnliche Ziele verfolgen.

Von Bedeutung war ebenfalls die im Einigungsvertrag geregelte Wiedervereinigung von Sammlungen und Museen, etwa der ehemals staatlichen preußischen Sammlungen in Berlin, die durch die Kriegs- und Nachkriegsereignisse getrennt worden waren. Und im Bildungsbereich wurde die Anerkennung der in der früheren DDR erworbenen schulischen, beruflichen und akademischen Abschlüsse und Befähigungsnachweise grundsätzlich geregelt. Probleme bereitete aber die Überleitung des Personals, das in der DDR häufig nicht nur nach fachlichen Kriterien, sondern auch unter politischen Gesichtspunkten ausgewählt worden war. Die „Evaluierung“ vorhandener Lehrkräfte musste deshalb durch einen Neuaufbau ergänzt werden. In der wissenschaftlichen Forschung, die in der DDR zu einem großen Teil nicht an den Universitäten und Hochschulen, sondern in eigenständigen Akademien und Instituten stattgefunden hatte, wurde eine gemeinsame Struktur für ganz Deutschland geschaffen. Dabei blieben jedoch Einrichtungen der früheren DDR erhalten, wenn sie vom Wissenschaftsrat, dem zentralen Beratungsgremium der Bundesrepublik für die Förderung von Wissenschaft und Hochschulen, als leistungsfähig beurteilt wurden.

Das Problem der Identität

Der Vertrag über die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion und der Einigungsvertrag stellten damit in vielen Bereichen wichtige Weichen für die Neuordnung des Gemeinwesens im wiedervereinigten Deutschland. Die praktischen Regelungen zur Finanzierung, institutionellen Ausgestaltung und politischen Verwaltung führten aber noch nicht zwangsläufig zu einer gemeinsamen Identität. Tatsächlich gingen die Auswirkungen der Maueröffnung und Wiedervereinigung, die 1989/90 zunächst als Selbstbefreiung, Öffnung und Chance zur demokratischen Erneuerung begriffen worden waren, in Ostdeutschland häufig mit einem „Kultur- und Konsumschock“ einher, der Unzufriedenheit hervorrief und in dem Maße, in dem sich der Alltag veränderte – oft auf dramatische Weise und in kürzester Zeit –, Sehnsucht nach Bewahrung des ostdeutschen Lebensgefühls weckte.

Der Schriftsteller Heiner Müller sprach in diesem Sinne von der „Qualität der Verlangsamung“, der Möglichkeit zur Konzentration, die in der Verwestlichung Ostdeutschlands abhanden zu kommen drohe. Errungenschaften der westlichen Zivilisation, die während der Teilung den meisten Menschen in der DDR so erstrebenswert erschienen waren, verloren plötzlich ihren Reiz. Zur Vielschichtigkeit gesamtdeutscher Identität, so hieß es nun, gehöre es, wenigstens die positiven Aspekte der DDR-Identität zu bewahren.

Wie verbreitet das Gefühl der Bedrohung der eigenen Identität in Ostdeutschland war, zeigten nicht nur Meinungsumfragen, sondern auch die Wahlerfolge der PDS. Die Wiedervereinigung gestaltete sich daher nicht nur als organisatorisch-administrativer Prozess. Sie bedurfte, um erfolgreich zu sein, auch der gesellschaftlichen Integration, die nur mit Geduld und in langen Fristen zu erreichen war.

Von der Bonner zur Berliner Republik

Zu den Folgen der Vereinigung gehörten jedoch nicht nur die Probleme, die sich im Zusammenhang mit der „Wende“ in der DDR stellten, sondern auch die Konsequenzen, die sich daraus für die alte Bundesrepublik ergaben. Denn die „Bonner Republik“, die seit 1949 mit großem Erfolg die Integration der Deutschen in Europa betrieben und sich dabei durch innere Stabilität, wirtschaftliche Prosperität und außenpolitische Berechenbarkeit ausgezeichnet hatte, wich nun der „Berliner Republik“, bei der zunächst unklar war, ob sie die in vier Jahrzehnten gewachsene und bewährte politische Kultur ihrer Vorgängerin würde erhalten können.

Tatsächlich gab es 1999, als Parlament und Regierung vom Rhein an die Spree umzogen, nicht wenige, die der alten Bundesrepublik nachtrauerten. Manche befürchteten sogar, der Umzug werde auch eine Akzentverlagerung der Politik mit sich bringen – weg von innerer und äußerer Verlässlichkeit, hin zu mehr Unsicherheit und Unberechenbarkeit.

QuellentextHistorische Debatte: Bonn oder Berlin

Bonn oder Berlin? Die Frage, wo der Sitz von Bundestag und Bundesregierung im wiedervereinigten Deutschland sein sollte, wurde in Politik und Öffentlichkeit äußerst kontrovers und leidenschaftlich diskutiert.

Die einen sahen in Bonn ein Symbol für den demokratischen Neubeginn nach dem Zweiten Weltkrieg. Berlin erinnerte sie dagegen an die dunklen Kapitel der deutschen Geschichte wie den Nationalsozialismus. Die Bonn-Befürworter warnten zudem vor immensen Umzugskosten.

Die anderen betrachteten es dagegen als Gebot der Glaubwürdigkeit und Beitrag zur Vollendung der inneren Einheit Deutschlands, Berlin zum Sitz von Regierung und Parlament zu machen.

Während der Verhandlungen um den Einigungsvertrag im Sommer 1990 war die umstrittene Frage bereits berührt, dann wohlweislich […] ausgeklammert worden.

Für den Text des Einigungsvertrags einigte man sich nur auf die knappe Kompromissformel: „Hauptstadt Deutschlands ist Berlin. Die Frage des Sitzes von Parlament und Regierung wird nach Herstellung der Einheit Deutschlands entschieden.“ […]

Um den Streit zumindest zeitlich zu begrenzen, beschloss das Präsidium des Bundestages am 27. Februar 1991, die „Hauptstadtfrage“ noch vor der Sommerpause zu klären. […] [A]m 23. April, einigten sich dann die Repräsentanten aller Verfassungsorgane sowie die Fraktionsspitzen im Bundestag darauf, dass der Bundestag am 20. Juni 1991 über die Frage entscheiden sollte, der Bundesrat einen Tag später, am 21. Juni 1991.

Als Bundestagspräsidentin Prof. Dr. Rita Süssmuth am Tag der Entscheidung um 10 Uhr die Plenarsitzung im bis auf den letzten Platz besetzten alten Bonner Wasserwerk eröffnete, war dies der Auftakt zu einer rund zwölfstündigen leidenschaftlichen Debatte, die von manchem Beobachter als eine „rhetorische Sternstunde“ bezeichnet wurde. Das Medieninteresse war groß. Immer wieder wurde live ins Parlament geschaltet.

Noch bis wenige Stunden vor Beginn der Debatte hatten etliche Politiker versucht, einen Kompromiss zu finden, auf den sich eine breite Mehrheit verständigen konnte. Doch ohne Erfolg. Es lief auf eine Konfrontation der beiden Lager hinaus – mit einem leichten Vorteil für Bonn: Bei einer Umfrage wenige Tage zuvor hatte sich eine knappe Mehrheit der 662 Bundestagsabgeordneten für Bonn ausgesprochen.

Zur Abstimmung standen insgesamt fünf Anträge: Der Antrag der Bonn-Befürworter […] sah vor, Parlament und Regierung in Bonn zu belassen, während Bundespräsident und Bundesrat nach Berlin verlegt werden sollten.

Der kurz vor dem 21. Juni 1991 modifizierte Antrag der Berlin-Befürworter[…] forderte den Umzug von Regierung, Parlament, Bundesrat und Bundespräsident nach Berlin und im Gegenzug einen fairen Ausgleich für Bonn – so beispielsweise den Erhalt des größten Teils der Arbeitsplätze in Bonn sowie die Ansiedlung neuer Institutionen.

Dr. Heiner Geißler und Lothar de Maizière (beide CDU/CSU) formulierten in ihrem Antrag einen Kompromiss: nur Bundestag, Bundesrat und Bundespräsident sollten nach Berlin verlegt werden, die Regierung sollte ihren Sitz in Bonn behalten.

Dagegen setzte sich wiederum Dr. Otto Schily (SPD) ein: Eine Trennung der Sitze von Bundestag und Bundesregierung lehnte ein von ihm eingebrachter Antrag strikt ab.

Dr. Gregor Gysi und die PDS/Linke Liste forderten schließlich in ihrem Antrag kompromisslos, Berlin zum Sitz von Bundestag und Regierung zu machen und diesen Beschluss auch sofort umzusetzen.

Norbert Blüm war es dann, der die Debatte mit seiner Rede eröffnete: Der damalige Bundesarbeitsminister warb mit eindringlichen Worten für den bisherigen Sitz von Parlament und Regierung: „Lasst dem kleinen Bonn Parlament und Regierung.“

Bonn verlöre viel. Berlin hingegen gewänne mit Bundestag und Regierung viele Probleme, warnte Blüm: „Wohnungsprobleme, Raumordnungsprobleme, Infrastrukturprobleme.“

Wolfgang Thierse (SPD) warnte hingegen davor, Berlin zum „Ort der Repräsentation“ zu degradieren. Dies sei nicht nur eine „Beleidigung für die Berliner, sondern auch eine Erniedrigung der Bürger im Osten“, so der SPD-Vizevorsitzende mit Wahlkreis im Osten Berlins.

„Die Entscheidung für Berlin ist ein durch nichts – durch nichts! – zu ersetzender Schritt zur Verwirklichung der politischen, sozialen, menschlichen Einheit Deutschlands.“

Auch Gregor Gysi (PDS) plädierte für Berlin und führte dafür Gründe der „nationalen Glaubwürdigkeit und der internationalen Reputation“ an. 40 Jahre lang sei klar gewesen, dass Bonn nur die Funktion einer provisorischen Hauptstadt gehabt habe. […]

Dieser Beschluss sei in der Folge immer wieder bekräftigt worden. Zudem gebe es neben Berlin in Deutschland keine andere Stadt, in der sich die Vereinigung so „unmittelbar“ vollziehe.

Der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) warb wiederum für Bonn: Die Stadt repräsentiere besser als Berlin das föderalistische Prinzip der Bundesrepublik.

Eine „Rückkehr zum Hauptstadtgedanken des 19. Jahrhunderts“ passe nicht mehr in die Gegenwart, so der Liberale. Bonn sei als funktionierender Regierungs- und Parlamentssitz „ein Glücksfall“ – und ein Symbol für 40 Jahre „erfolgreiche Demokratie“.

Über zwei Stunden war bereits debattiert worden, als sich Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU/CSU) vom Rednerpult aus an die Abgeordneten wandte: „Für mich ist es – bei allem Respekt – nicht ein Wettkampf zwischen zwei Städten, zwischen Bonn und Berlin. Es geht auch nicht um Arbeitsplätze, Umzugs- oder Reisekosten, um Regionalpolitik oder Strukturpolitik. Das alles ist zwar wichtig, aber in Wahrheit geht es um die Zukunft Deutschlands.“

Schäuble mahnte, um die Teilung Deutschlands zu überwinden, müsse man bereit sein zu teilen – auch die Veränderungen, die durch die deutsche Einheit entstanden seien. Deshalb könne in Bonn nicht alles so bleiben, wie es war.

Diese Rede wurde von vielen Beobachtern als der Wendepunkt der Debatte gesehen. Die Stimmung bei so manchem Unentschlossenen kippte. Dennoch: Das Ergebnis der Schlussabstimmung […] war knapp.

Um 21.47 Uhr gab Bundestagspräsidentin Süssmuth bekannt, dass von 660 abgegebenen Stimmen 320 auf Bonn entfallen waren, 338 auf Berlin. Es gab eine Enthaltung und eine ungültige Stimme. Damit war die Frage des Sitzes von Regierung und Parlament zugunsten Berlins entschieden. […]

Der Bundestag zog 1999 nach Berlin. Offizieller Arbeitsbeginn war der 1. September. Die erste Sitzung des Deutschen Bundestages nach dem Umzug in das umgebaute Reichstagsgebäude fand am 4. Oktober statt.

„Historische Debatten: Bonn oder Berlin“, Deutscher Bundestag, (sas/14.08.2017), online:
Externer Link: https://www.bundestag.de/

Zwar trugen der Fortbestand der Verfassung, die Kontinuität der Wirtschaftsordnung, die Struktur der Eliten und die – in einem umfassenden Sinne verstandene – demokratische politische Kultur, die sich seit 1949 entwickelt hatte, dazu bei, die Stabilität der Bundesrepublik auch nach der Wiedervereinigung zu erhalten. Dennoch gab es Veränderungen: Das geeinte Deutschland rückte aus einer Randlage im Ost-West-Konflikt in das Zentrum des neuen Europas und wurde schon bald zur Übernahme von Verantwortung gedrängt. Die Starrheit und Stabilität des Ost-West-Konflikts wichen einer neuen Offenheit, in der sich Deutschland eigenständig orientieren und bewähren musste. Die Öffnung der Grenzen zwischen Ost und West sowie die Globalisierung ließen die ökonomischen Unterschiede deutlicher hervortreten und führten zu Migration und sozialen Spannungen, die in diesem Ausmaß bisher unbekannt gewesen waren.

Und auch der politische Stil änderte sich – nicht zuletzt durch eine neue Kommunikationslandschaft, die mit der wachsenden Bedeutung privater Sender, digitaler Medien und sozialer Netzwerke zwar zu verbesserten Informationsmöglichkeiten, aber auch zu einem härteren Wettbewerb um Neuigkeiten führte und damit die politischen Akteure unter Druck setzte. Auch wenn sich die Berliner Republik nicht grundsätzlich von ihren Bonner Traditionen verabschiedete, wurde damit inhaltlich wie atmosphärisch Vieles anders.