Ökonomische, technologische und kommunikative Prozesse überschreiten zunehmend die mehr oder minder künstlichen Grenzen von (National-)Staaten. Damit sind auch die Probleme und der politische Regelungsbedarf in den überstaatlichen Bereich hineingewachsen. Global vernetzte Ökonomien eröffnen einen relativ eigenständigen transnationalen Raum, in dem Politik weitestgehend durch Kooperation zwischen Regierungen betrieben wird.
Diese Formen des Regierens jenseits des demokratischen Nationalstaates finden aber ohne eine direkte demokratische Legitimation statt. Daraus erwachsen Befürchtungen, dass die ursprünglich territorial gebundene und begründete parlamentarisch-repräsentative Demokratie an Substanz verliert, während die Gestaltungsmacht staatenübergreifender Politik ohne direkte demokratische Legitimation wächst.
Es gibt Überlegungen, wie diese Prozesse wieder demokratisch gestaltet werden könnten.
Einer Anregung zufolge könnten die Vereinten Nationen zu einem globalen demokratischen System ausgebaut werden, das die traditionelle nationalstaatliche Demokratie durch eine demokratische Weltordnung ersetzt.
Doch ist eine solche Vorstellung illusionär. Denn für eine globale, demokratisch organisierte Weltregierung fehlt es erkennbar an institutioneller Infrastruktur. Fraglich ist nicht nur, wie die nicht-demokratischen Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen eingebunden werden sollten, sondern auch, wie es um die demokratische Legitimation und Bürgernähe einer solchen Weltregierung bestellt wäre.
Außerdem würde diese einen Weltstaat voraussetzen. Dessen Existenz scheitert aber zum einen am Wunsch der Einzelstaaten nach Beibehaltung ihrer Souveränität. Zum anderen ist aus Gründen der Sicherung individueller und politischer Freiheiten ein Weltstaat gar nicht wünschenswert.
Und schließlich hat die Geschichte der Demokratie gezeigt, dass eine gemeinsame politische Kultur, die auf einer gemeinsamen Erfahrungs- und Vorstellungsgemeinschaft ihrer Bürgerinnen und Bürger beruht, am ehesten geeignet ist, eine Demokratie zu stützen. Wenngleich es – vor allem auf Grund der modernen Kommunikationstechnologien – eine Vorform der Weltöffentlichkeit geben mag, fehlen für ein globales demokratisches Regierungssystem nahezu alle Voraussetzungen.Das Modell globaler zivilgesellschaftlicher Demokratie geht von einem wachsenden Einfluss transnationaler Bewegungen und Gruppierungen aus und entwickelt von dort her die Vorstellung einer globalen Basisdemokratie.
Es gibt eine Reihe von Nichtregierungsorganisationen – von Amnesty International über Transparency International bis zu Greenpeace – und staatenübergreifend agierenden Protestbewegungen – von Attac bis Occupy –, die mittlerweile zu wichtigen Akteuren auf der globalen Ebene geworden sind. Sie sind imstande, Weltöffentlichkeit für sich zu mobilisieren und ein Gegengewicht zu den ökonomischen Global Players, den weltweit agierenden großen Unternehmen und Banken, zu bilden.
Aber damit ist noch kein Prozess demokratisch verantwortlicher Willens- und Entscheidungsbildung und auch keine Verantwortung für entstehende Folgen politischer Entscheidungen institutionalisiert. Eine Elitenherrschaft von Aktivisten kann schwerlich demokratisch genannt werden. Dem Modell globaler zivilgesellschaftlicher Demokratie fehlt ein repräsentatives Element, das schon im nationalstaatlichen Rahmen für eine demokratische Struktur unentbehrlich ist.Diskutiert wird ferner ein Modell kosmopolitischer Demokratie, das auf die Herausbildung eines transnationalen politischen Raumes mit dem Entwurf eines komplexen politischen Mehrebenensystems antwortet. Hierunter wird ein mehrstufiges Institutionengefüge verstanden, das von der lokalen über die regionale, die nationalstaatliche bis zur supra- und transnationalen Ebene reicht.
Förderal organisierte Bundesstaaten sind hier Vorbild, und ein föderalistisch aufgebautes Europa kann als Modell dienen. Kosmopolitisch nennt sich diese Demokratie, weil zugleich die Rechte der Bürgerinnen und Bürger in allgemeinen Grund- und Menschenrechten garantiert und durchgesetzt werden.
Solche Modelle globalen Regierens, globaler oder kosmopolitischer Demokratie sind Denkmodelle und Zukunftsentwürfe. Sie versuchen, Antworten auf die Herausforderungen durch die Globalisierung zu geben, übersehen dabei aber, dass die nationalstaatliche Demokratie keineswegs an das Ende ihrer Entwicklungsmöglichkeiten gekommen ist.
Auch wird vielfach vernachlässigt, dass die gesteigerte Komplexität von Strukturen und Prozessen, von Willensbildungs- und Entscheidungsverfahren, die mit solchen Modellen einhergeht, einen Verlust von Transparenz und Kontrollmöglichkeiten mit sich bringt.
Demokratische Nationalstaaten fungieren weiterhin als Kristallisationskerne internationaler Zusammenarbeit auf vielen ökonomischen, sozialen, sicherheits- oder umweltpolitischen Politikfeldern. Vor allem bietet die Begrenzung der Demokratie auf einen nationalstaatlichen Rahmen die Gewähr für ein dichtes Netzwerk demokratischer Institutionen, in denen sowohl die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger wie auch verantwortliches und kontrollierbares Entscheiden möglich ist.
Von daher scheinen zwei Wege realistischer zu sein, um die Welt sicherer für die Demokratie zu machen:
Zum einen sind die Demokratisierungsbemühungen der Staaten mit nicht-demokratischen oder nur halb-demokratischen Regierungssystemen zu unterstützen. Die Förderung zivilgesellschaftlicher Entwicklungen, freier Medien und die Sicherung der Menschen- und Bürgerrechte helfen entscheidend beim Übergang von autoritären und halb-demokratischen Staaten zu entwickelten und konsolidierten Demokratien.
So kann die Anzahl der Demokratien in der Welt weiter gesteigert oder zumindest stabil gehalten werden. Das ist auch deshalb von Bedeutung, weil Demokratien, wie die historische Erfahrung zeigt, sehr viel eher bereit und in der Lage sind, Konflikte untereinander friedlich beizulegen und nicht kriegerisch auszutragen.
Zum anderen können Demokratien ihre Handlungsfähigkeit auch in Zeiten der Globalisierung erhalten, indem sich Staaten zu regionalen politischen Verbänden zusammenfinden. Ein solcher ist beispielsweise die Europäische Union. Als Zusammenschluss von 28 (nach dem geplanten Austritt Großbritanniens 27) Staaten zeigt sie exemplarisch, wie Verfahren und Institutionen in demokratischer Willens- und Entscheidungsbildung auch jenseits eines Nationalstaates, in supranationalen politischen Verbänden, etabliert werden können.
Dabei darf nicht übersehen werden, dass demokratisches Regieren in supranationalen Einrichtungen wie der EU ein komplexer Prozess ist, der auf zwei Säulen ruht: erstens auf der Legitimation durch die Einzelstaaten, die sich mit den anderen Partnern vertraglich verbunden haben, und zweitens auf einer Legitimation durch die Bürgerinnen und Bürger, die Repräsentanten in eine gemeinschaftliche Körperschaft, in diesem Fall das Europaparlament, wählen.
Es ist aber auch deutlich geworden, wie schwierig es ist, hierfür dauerhaft die Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger zu erhalten. Viele Probleme werden den Entscheidungen der (für schwerfällig gehaltenen) EU-Ebene angelastet. Gerne wird diese – auch von den Regierungen der Mitgliedsländer – darüber hinaus als Sündenbock für nationale Fehlentwicklungen in Anspruch genommen. Unzufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger kann sich dann in Referenden niederschlagen, so zuletzt in Großbritannien 2016 mit der Entscheidung, die Europäische Union zu verlassen und das Heil in einzelstaatlichen Problemlösungen zu suchen.