Nach Jahrzehnten der Zurückhaltung präsentiert sich die Volksrepublik China zu Beginn des 21. Jahrhunderts als starker Player auf dem internationalen Parkett und nimmt für sich in Anspruch – in Anknüpfung an ihre historische Rolle als "Reich der Mitte" –, global als gleichberechtigte Partnerin neben den USA aufzutreten.
Im Gegensatz zur Politik der USA von 1945 an bis in die jüngste Vergangenheit geht es der chinesischen Politik nicht, so der Politikwissenschaftler Ulrich Menzel, um eine liberale, sondern um eine bürokratisch administrierte, autoritäre Ordnung, in der der Staat die Regeln vorgibt. So verhandelt China weniger mit seinen Partnern, etwa in Afrika und Asien, sondern lockt vielmehr mit finanziellen Hilfen und honoriert politisches Wohlverhalten. Das soll demonstrieren, dass sich eine Modernisierung entgegen der westlichen Annahme auch ohne Demokratisierung verwirklichen lässt.
Die Machtposition der Kommunistischen Partei im Inneren ist unbestritten. Staats- und Parteichef Xi Jinping ist es gelungen, die Entscheidungsprozesse im Land stärker auf seine Person zu konzentrieren als alle seine Vorgänger seit Mao Zedong.
Gesellschaftliche Wandlungsprozesse haben indes zu einer Pluralisierung, aber auch zu wachsenden Ungleichgewichten innerhalb der Gesellschaft geführt. Zwar konnte die Zahl der in absoluter Armut Lebenden drastisch gesenkt werden, aber das Gefälle zwischen Reich und Arm, Stadt und Land bleibt oder hat sich teilweise weiter verschärft. Hinzu kommen das Problem der Überalterung und die Folgen der Ein-Kind-Politik: Die vorhandenen sozialen Sicherungs- und Kohärenzsysteme stehen vor großen Herausforderungen.
Hart geht die Regierung weiterhin gegen alle oppositionellen Kreise vor, die den absoluten Machtanspruch der Partei in Frage stellen oder gefährden könnten. Dies kann Anwälte und Journalisten ebenso betreffen wie Angehörige von Minderheiten. Eine Sonderrolle nimmt Hongkong ein. Die "Ein-Staat-zwei-Systeme-Politik" wird allerdings zunehmend von Peking und dem Pro-Peking-Lager in Hongkong selbst in Frage gestellt.
Die Medienvielfalt ist in China gewachsen, aber die Verbreitung des Internets hat kaum zu einer Öffnung geführt. China ist eher zu einem Vorreiter der Zensur geworden und zwingt auch westliche Unternehmen zur Anpassung, wenn sie Zutritt zum chinesischen Markt erhalten wollen. Mit Hilfe neuer Informationstechnologien und Fortschritten bei der künstlichen Intelligenz will die Regierung staatliche Dienstleistungen ausweiten und verbessern, gleichzeitig nutzt sie sie zur Überwachung der Bevölkerung.
Dieses Heft beschäftigt sich mit den aktuellen Entwicklungen in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft in China. Ausgangspunkte sind die Geschichte seit 1949, die kulturellen Traditionen und die ideologischen Grundlagen, aus denen die KPC ihre Herrschaftsberechtigung zieht.
Auf lange Sicht soll dieser Herrschaftsanspruch legitimiert werden durch das Vorhaben, China zur weltweit führenden Industrienation zu machen und der Bevölkerung zu dauerhaftem Wohlstand zu verhelfen.
Jutta Klaeren
Editorial
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