Das Bild von Afrika in der westlichen Öffentlichkeit ist häufig geprägt von Klischees und Vorurteilen. Mit weit reichenden Folgen: "Eine Geschichte [...] hat nur dann eine Chance [...], wenn sie den Erwartungshaltungen entspricht, die der Westen gegenüber Afrika hat. Aids, Bürgerkriege, Korruption, Busch und Hütten, das geht. Eine eskapistische, visionäre oder den wirklichen Alltag beschreibende Literatur hingegen hat keine Chance. Und das Schlimmste daran ist, dass die meisten von uns die Erwartungen von außen bereits verinnerlicht haben", so der malawische Autor und Journalist Shadreck Chikoti.
Was für die Literatur gilt, gilt mehr noch für die Berichterstattung, für Bilder und Nachrichten, die über die Medien weltweit verbreitet werden. Afrika scheint in seinen kulturellen Traditionen verfangen und der westlich geprägten globalisierten Moderne vermeintlich nicht gewachsen zu sein. Dabei wird oftmals übersehen, dass die angelegten Maßstäbe den Realitäten und Gegebenheiten vor Ort nicht angemessen sind. Die Sicht des Westens und seine Lösungsansätze haben - wie die Entwicklungspolitik der Vergangenheit verdeutlicht - nicht immer zu Afrika gepasst.
Die negativen Bilder und Nachrichten zeigen aber nur einen Teilausschnitt der afrikanischen Wirklichkeit. Sie blenden aus, dass die Lebenswelten auf dem Kontinent wesentlich vielfältiger und vielschichtiger sind. Neben Staaten, in denen Bürgerkrieg herrscht, die Eliten sich bereichern und elementare Infrastrukturen fehlen, gibt es Länder mit demokratisch gewählten Regierungen, einer aktiven Zivilgesellschaft und wirtschaftlichen Erfolgen. Ghana ist ein Beispiel für diese positive Entwicklung. Dort haben seit 1992 bereits viermal friedliche freie Wahlen stattgefunden, zweimal übernahm die jeweilige Opposition die Regierungsgewalt.
Anders als das Vorgängerheft, das primär die Unterschiede zwischen den Regionen und Ländern beleuchtete, unterzieht die vorliegende Darstellung den gesamten Kontinent einer Reihe von zentralen Fragestellungen: Welche Herausforderungen und Chancen stellen sich der afrikanischen Politik? Welche Entwicklungen vollziehen sich in den Gesellschaften zwischen Tradition und Moderne? Welche Rolle spielt Afrika aufder internationalen Bühne? Deutlich werden dabei die kolonialen Weichenstellungen, die den Kontinent nach der Unabhängigkeit geprägt haben, aber auch eigene Neuansätze. Erörtert werden die Probleme und Möglichkeiten, die aus Afrikas Ressourcenreichtum erwachsen und seine besondere Gefährdung durch den Klimawandel.
All dies hat Auswirkungen auf die Gesellschaften der afrikanischen Staaten. Sie unterliegen einem Wandel, den die zunehmende Urbanisierung ausgelöst hat und der die Familienstrukturen verändert. Angesichts dieser Umbrüche haben Tradition und Religion für die Menschen weiterhin eine große Bedeutung.
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist Afrika wieder mehr in den Fokus der internationalen Politik gerückt. Als Rohstoff- und Energiemarkt, aber auch als Verbündeter und Partner in internationalen Organisationen wie UNO und WTO ist es sowohl für die "alten Mächte" als auch für die neuen "Global Players" von Interesse. Aus deren Bemühen um den Kontinent erwächst Afrika ein verstärktes Selbstbewusstsein. Die Afrikanische Union und ihr Entwicklungsprogramm NEPAD zeigen ebenso wie ihre Bereitschaft zum Engagement in der Konfliktbewältigung, dass Afrika seine Probleme aus eigener Kraft und in eigener Verantwortung angehen will.
Diese Initiative braucht allerdings Unterstützung - aus humanitären, aber auch aus wirtschaftlichen und strategischen Erwägungen. Für Bundespräsident Horst Köhler "entscheidet sich die Menschlichkeit unserer Welt am Schicksal Afrikas", doch "Hilfe für Afrika wird nur funktionieren, wenn es ein afrikanischer Weg ist, mit afrikanischer Kultur, afrikanischem Charakter und afrikanischem Profil".
Jutta Klaeren