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Informationen zur politischen Bildung Nr. 362/2025

Die Wahl 2025

Frank Decker

/ 8 Minuten zu lesen

Koalitionen, Kandidierende und kontroverse Themen: Die Bundestagswahl 2025 verspricht dynamische Entwicklungen. Welche Bündnisse sind denkbar, und wie prägen Wirtschaft, Migration und Kriege den Wahlkampf?

Sie stellen sich am 23. Februar 2025 zur Wahl: die Kanzlerkandidierenden (l. oben – r. oben) Olaf Scholz (SPD), Friedrich Merz (CDU, hier als gemeinsamer Kanzlerkandidat der Union), Robert Habeck (Grüne) und Alice Weidel (AfD) sowie die Spitzenkandidierenden der übrigen, aktuell im Bundestag vertretenen Parteien (l. unten – r. unten): Alexander Dobrindt (CSU), Christian Lindner (FDP), Heidi Reichinnek und Jan van Aken (Die Linke) und Sahra Wagenknecht (BSW). (© picture-alliance, oben: v.l.n.r: dpa/Michael Kappeler; dpa/Christoph Reichwein; dpa/Michael Kappeler; REUTERS/Annegret Hilse; unten: v.l.n.r.: SvenSimon/Frank Hoermann; Jörg Carstensen; dpa/Fabian Sommer; dpa/Fabian Strauch)

Koalitionspolitische Ausgangslage: Wer kann und wer möchte mit wem regieren?

Wie bei den vorangegangenen Bundestagswahlen werden die demokratischen Parteien der Mitte CDU/CSU, SPD, Grüne und FDP die Koalitions- und Regierungsbildung nach dem Wahltag am 23. Februar 2025 unter sich ausmachen. Ein Zusammengehen mit dem BSW dürfte für Union und SPD anders als auf der Länderebene wegen der außenpolitischen Positionen der Partei nicht in Betracht kommen, ebenso wenig ein solches der SPD mit der Linken. Dass beide Parteien den Sprung in den Bundestag schaffen, ist zudem nicht sicher ausgemacht. Gänzlich Tabu ist für alle Parteien (mit gewissen Einschränkungen beim BSW) jedwede Zusammenarbeit mit der AfD.

Im demokratischen Zentrum sind heute alle Parteien prinzipiell miteinander koalitionsfähig. Dabei gibt es je nach ideologisch-politikinhaltlicher Nähe Abstufungen. Nachdem sich die Grünen ab Beginn der 2010er-Jahre für eine Zusammenarbeit mit der Union geöffnet hatten, schloss auch die FDP im Gegenzug eine Koalition mit SPD und/oder Grünen seit 2017 nicht mehr aus, wenngleich ihre Präferenz weiterhin klar bei der Union lag. Nach dem Scheitern der Ampelkoalition haben die Liberalen allerdings angekündigt, dass es mit ihnen fürs Erste keine Neuauflage von Rot-Grün-Gelb geben wird. Zur Bildung einer Jamaika-Koalition mit Union und Grünen wäre die FDP aber sicherlich bereit, vorausgesetzt, sie schafft es wieder in den Bundestag.

Gegen eine Jamaika-Koalition sprechen die generellen Funktionsprobleme einer Dreierkoalition, die das Scheitern der Ampel bestätigt hat. Dies gilt umso mehr, als es sich de facto – wegen der eigenständigen Rolle der CSU – sogar um eine Viererkoalition handeln würde. Vor die Wahl gestellt, lieber ein Zweierbündnis mit der SPD, also eine Neuauflage der „GroKo“, zu bilden oder eine Jamaika-Koalition, dürften sich die Unionsparteien wohl für die erste Option entscheiden. „Jamaika“ erscheint auch deshalb schwer vorstellbar, weil es in Teilen der Union und hier vor allem in der CSU erhebliche Vorbehalte gegen die Grünen gibt und auch das Verhältnis zur FDP längst nicht mehr ungetrübt ist.

Wären eine Zweierkoalition mit den Grünen und eine Koalition mit der SPD möglich, spräche aus Sicht der Union wegen der größeren politikinhaltlichen Schnittmengen (mit Ausnahme der Außenpolitik) vermutlich mehr für die Sozialdemokraten als Regierungspartner. Die Bundespartei würde damit dem Vorbild Hessens folgen, wo sich die CDU unter Boris Rhein nach der Landtagswahl 2023 ebenfalls für die SPD entschied. Ähnlich wie 2021 können Union und SPD im Sechs- oder Siebenparteiensystem nicht mehr sicher davon ausgehen, zusammen auf deutlich über 50 Prozent der Stimmen zu kommen. Verfehlen sie die absolute Mehrheit der Mandate, müssten sie mit den Grünen (oder der FDP) eine Dreierkoalition bilden oder sich – wie in Sachsen – als Minderheitsregierung von anderen Parteien tolerieren lassen.

Die nach Mandaten stärkste Partei bzw. Fraktion muss in einem parlamentarischen System nicht automatisch die Regierung anführen. Geht man von dem riesigen Vorsprung aus, den CDU und CSU Anfang Dezember 2024 in den Umfragen vor allen anderen Parteien verzeichneten, dürfte es allerdings eher unwahrscheinlich sein, dass nach der Wahl eine Mehrheit um sie herum gebaut wird. Dass innerhalb einer Koalition der stärkere Partner den Anspruch hat, den Kanzler bzw. die Kanzlerin zu stellen, gilt als ungeschriebenes Gesetz der Koalitionsbildung ohnehin. Ob die SPD das Wunder von 2021 wiederholen kann, als sie aus schier aussichtsloser Position am Ende noch auf Platz eins kam, bleibt abzuwarten. Realistischer erscheint das Szenario von 2005, als ihr eine vergleichbare Aufholjagd gelungen war, sie sich am Ende aber mit der Rolle des Juniorpartners in der Großen Koalition begnügen musste.

Wo die Mehrheitsschwelle für ein Regierungsbündnis liegt, hängt wesentlich vom Abschneiden der kleinen Parteien ab. Gleich mehrere unter ihnen – Die Linke, das BSW und die FDP – sind von der Fünfprozenthürde bedroht. Nimmt man die Stimmen für die „sonstigen“ Parteien hinzu, die durch die Sperrklausel unter den Tisch fallen, reichen daher vielleicht schon 42 oder 43 Prozent für die Bildung einer Zweierkoalition aus. Der Anteil der im Bundestag nicht repräsentierten Stimmen entscheidet zugleich darüber, welche Verhinderungsmacht die AfD alleine oder zusammen mit dem BSW im nächsten Bundestag entfalten kann. Ab einem Viertel der Mandate wäre sie berechtigt, die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses oder die Einleitung eines Normenkontrollverfahrens zu beantragen. Und bei einem Drittel hätte sie eine Sperrminorität bei Verfassungsänderungen und der Wahl von Verfassungsrichterinnen und -richtern.

QuellentextSonstige Parteien

Die Parteien, die unter der Fünfprozenthürde bleiben, werden in der Wahlberichterstattung als „Sonstige“ bezeichnet, was etwas abwertend klingt. Es täuscht zudem darüber hinweg, dass deren gemeinsamer Stimmenanteil im Zuge der Pluralisierung des Parteiensystems immer größer geworden ist. Einerseits treten mehr Parteien zu den Wahlen an, andererseits schneiden einzelne von ihnen beachtlich ab. Bei den Landtags- und Bundestagswahlen erreichen die Sonstigen zusammengenommen heute nicht selten zweistellige Ergebnisse. Im Bund wurde der bisherige Rekordwert 2013 erzielt (15,6 Prozent), in den Ländern 2022 im Saarland. Weil FDP, Grüne und Linke gleichzeitig an der Fünfprozenthürde scheiterten, waren dort 22,3 Prozent der Stimmen nicht im Landesparlament repräsentiert. Erfolgreichste Kraft unter den sonstigen Parteien sind die von Hubert Aiwanger angeführten Freien Wähler. In Bayern und in Rheinland-Pfalz in den Landtagen vertreten, hoffen sie, durch den Gewinn dreier Direktmandate in ihren bayerischen Hochburgen in den Bundestag zu kommen. Eine Sonderstellung nimmt der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) ein, der als Vertretung der dänischen Minderheit von der Sperrklausel ausgenommen ist. 2021 konnte der SSW mit Stefan Seidler erstmals einen Abgeordneten in den Bundestag entsenden – er tritt jetzt erneut als Spitzenkandidat an. Zu den übrigen relevanten Vertretern der Sonstigen gehören die Satirepartei „Die Partei“, die Piraten, die Tierschutzpartei, dieBasis und die ÖDP (Ökologisch-Demokratische Partei). Weil sie bei der jeweils letzten Europa- oder Bundestagswahl mindestens 0,5 Prozent oder bei einer der jeweils letzten Landtagswahlen jeweils ein Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, nehmen sie an der staatlichen Parteienfinanzierung teil.

Frank Decker

Die Wahl 2025 – Was ist zu erwarten?

Der Ausgang der Bundestagswahl hängt von mehreren miteinander verbundenen Faktoren ab: der – oben beschriebenen – Ausgangslage des Parteiensystems und den daraus ableitbaren möglichen Koalitionen, den Spitzen- bzw. Kanzlerkandidierenden, den Themen, die die Wahlauseinandersetzung prägen, und der Kampagne selbst.

Spitzenkandidierende

Dass die SPD mit Amtsinhaber Olaf Scholz ins Rennen gehen würde, war eigentlich ausgemacht, doch vermied es die Parteiführung, ihn gleich nach dem Koalitionsbruch als Kanzlerkandidaten auszurufen. Stattdessen ließ sie eine mehrtägige Diskussion zu, ob man mit dem in der Bevölkerung deutlich populäreren Verteidigungsminister Boris Pistorius nicht vielleicht bessere Chancen bei der Wahl hätte. Nachdem Pistorius in einer Videobotschaft am 22. November 2024 erklärte, für eine Kandidatur nicht zur Verfügung zu stehen, nominierte der Parteivorstand Scholz drei Tage später einstimmig. Die offizielle Bestätigung durch den Wahlparteitag folgte am 11. Januar 2025.

Bei der Union war die Entscheidung für Friedrich Merz als Kanzlerkandidaten schon im September 2024 bekanntgegeben worden. Seine Nominierung erfolgte im CDU-Vorstand ebenfalls einstimmig und – anders als bei Armin Laschets Kandidatur 2021 – im Einvernehmen mit der Schwesterpartei CSU. Als dritte im Bunde gehen die Grünen erneut mit einem eigenen Kanzlerkandidaten ins Rennen. Nachdem Annalena Baerbock im Juli 2024 ihren Verzicht erklärt hatte, war dafür Vizekanzler Robert Habeck gesetzt; er wurde auf der Bundesdelegiertenkonferenz am 17. November 2024 mit 96 Prozent Zustimmung nominiert.

Um hinter den anderen Parteien nicht zurückzustehen, tritt auch die AfD, die zu Beginn des Wahlkampfs bessere Umfragewerte vorweisen konnte als SPD und Grüne, erstmals mit einer Kanzlerkandidatin an – Alice Weidel. Dass sie ihre Forderung nach einer gleichberechtigten Teilnahme an den TV-Duellen durchsetzt, ist unwahrscheinlich. Bei der FDP war die Spitzenkandidatur von Christian Lindner unumstritten, obwohl die Partei durch die Umstände des von ihr betriebenen Koalitionsbruchs ins Straucheln geraten ist. Die Linke wird mit Jan van Aken und Heidi Reichinnek, das BSW mit Sahra Wagenknecht in die Wahl ziehen. Die Linke setzt dabei zusätzlich auf den Gewinn von Direktmandaten durch ihre prominenten Zugpferde Gregor Gysi, Bodo Ramelow und Dietmar Bartsch, die als Wahlkreiskandidaten antreten („Mission Silberlocke“).

Kandidierende und Wettbewerbskonstellation lassen erwarten, dass sich die Auseinandersetzung im Wahlkampf zwischen Olaf Scholz als Amtsinhaber und Oppositionsführer Friedrich Merz zuspitzt. Beide werden versuchen, die Wahl als Richtungsentscheidung darzustellen und dies einerseits an ihren Eigenschaften als Person und andererseits an den von ihnen bzw. ihrer Partei vertretenen politischen Inhalten festmachen. Während Scholz seine Regierungserfahrung ins Feld führen kann, muss Merz, der bisher noch kein Regierungsamt bekleidet hat, Sachkompetenz in den relevanten Politikfeldern unter Beweis stellen. Scholz wird sein Manko, wenig empathisch und bisweilen arrogant zu wirken, dadurch auszugleichen versuchen, dass er sich als besonnenen, klug abwägenden Staatenlenker inszeniert. Für Merz besteht die Herausforderung umgekehrt darin, sein im Vergleich zu Scholz größeres Temperament – eigentlich ein Vorteil – im Zaum zu halten.Unbedachte Äußerungen oder Gesten, wie sie ihm in der Vergangenheit immer wieder unterlaufen sind, wären ein willkommenes Geschenk für den politischen Gegner.

Wahlkampfthemen

Die Wahlauseinandersetzung dürfte von drei großen Themen bestimmt sein: Wirtschaft und Soziales (einschließlich Klimaschutz), der russische Krieg in der Ukraine und Migration. Hauptthema wird vermutlich die schwierige Wirtschaftslage sein. Hier prallen unterschiedliche Konzepte aufeinander: Während SPD und Grüne auf industriepolitische Maßnahmen setzen und die notwendigen Zukunftsinvestitionen durch Kredite finanzieren wollen, treten Union und FDP für Steuersenkungen und Deregulierungsmaßnahmen ein, um die Angebotsbedingungen der Unternehmen allgemein zu verbessern. Anders als die FDP wird sich die Union einer Flexibilisierung der Schuldenregeln nicht gänzlich verweigern. In der Sozialpolitik hofft die SPD, erneut mit den Themen Rente und Mindestlohn punkten zu können, die ihr bereits 2021 zum Wahlsieg mitverholfen hatten. Im Gegenzug werden Union und FDP Änderungen beim Bürgergeld versprechen, das sie kürzen bzw. in seiner heutigen Form ganz abschaffen möchten.

In der Kriegsfrage nehmen Olaf Scholz und die SPD eine Mittelposition zwischen Union, Grünen und FDP auf der einen und AfD, BSW und der Partei Die Linke auf der anderen Seite ein. Während die erstgenannten eine stärkere militärische Unterstützung der Ukraine verlangen und in diese Forderung auch die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern einschließen, lehnen die ideologischen Randparteien jegliche Waffenlieferungen und die gegen Russland verhängten Sanktionen ab. Stattdessen müsse man mit Putin in einen Friedensprozess eintreten und Verhandlungen beginnen.

Bei der Migration stehen sich die drei linken Parteien (SPD, Grüne und Linke), die für Zuwanderung prinzipiell aufgeschlossener sind und am generellen Asylrecht festhalten wollen, und die Mitte-Rechts-Parteien (CDU, CSU, FDP und AfD) sowie das BSW gegenüber. Diese treten für eine Begrenzung vor allem der Fluchtmigration und stärkere Integrationspflichten der vorhandenen Einwanderer ein. SPD und noch mehr die Grünen befinden sich bei diesem Thema in der Defensive, nachdem sie unter politischem Druck in den letzten Jahren selbst auf einen restriktiveren Kurs einschwenken mussten. Von daher dürfte es ihnen schwerfallen, den Rückgang der irregulären Migration in ihrer Regierungszeit als eigenen Erfolg zu verbuchen.

Die Wahlkampagnen

(© picture-alliance, dpa-infografik GmbH)

Gute Kandidatinnen und Kandidaten und eine günstige Themenagenda sind für politische Parteien kein Selbstgänger, sondern müssen durch eine auf sie zugeschnittene Walkampagne erst umgesetzt, das heißt an die Wählerinnen und Wähler gebracht werden. Welchen Unterschied eine „missratene“ Wahlkampfstrategie machen kann, hat sich 2017 bei der SPD und 2021 bei den Unionsparteien gezeigt. Der anstehende Wahlkampf wird sich von seinen Vorgängern darin unterscheiden, dass er zu einem noch größeren Teil im Netz stattfindet. Das Internet verändert die Kampagnenführung in doppelter Hinsicht. Einerseits erleichtert und beschleunigt es die interne Kommunikation; die Wahlkampfteams werden vernetzt und von der Zentrale in dichter Folge mit aktuellen Informationen und „Botschaften“ versorgt. Andererseits ergänzt der koordinierte Einsatz von Mails, SMS, Blogs, Videoportalen sowie Facebook, Instagram, YouTube und TikTok die herkömmlichen Formen der Wählerinnen- und Wähleransprache. Letztere büßen ihre Bedeutung dadurch nicht ein. Ein erheblicher Teil gerade der älteren Wählerschaft informiert sich nach wie vor ausschließlich über die klassischen Formate, andere nutzen die alten und neuen Formate parallel. Zwischen den Parteien gibt es dabei große Unterschiede. Am bedeutsamsten sind die sozialen Medien bei der AfD, während die Unionswählerinnen und -wähler weiterhin am besten mithilfe der traditionellen Medien erreichbar sind. Auch nichtmediale Formen der Ansprache wie zum Beispiel Haustürbesuche erfahren in den Wahlkampagnen eine Renaissance und treten neben die Mittel des traditionellen Straßenwahlkampfs, mit Ständen, Plakaten und Flyern.

Prof. Dr. Frank Decker, geb. 1964 in Montabaur, hat seit 2001 einen Lehrstuhl für Politische Wissenschaft am Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn inne. Seit 2011 ist er außerdem Wissenschaftlicher Leiter der Bonner Akademie für Forschung und Lehre praktischer Politik (BAPP). E-Mail Link: frank.decker@uni-bonn.de