„Mehr Fortschritt wagen“ lautet der Titel des Koalitionsvertrages, den die kurz zuvor gebildete Bundesregierung aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP am 7. Dezember 2021 unterzeichnet. Fast drei Jahre später, am 6. November 2024, zerbricht diese Dreierkoalition, und Bundeskanzler Olaf Scholz kündigt an, die Vertrauensfrage stellen zu wollen, um den Weg für Neuwahlen frei zu machen. Wie erwartet, findet der Kanzler im Deutschen Bundestag am 16. Dezember keine Mehrheit mehr, worauf Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Parlament am 27. Dezember auflöst. Am 23. Februar 2025 finden vorzeitig die Wahlen zum 21. Deutschen Bundestag statt. Soweit der nüchterne zeitliche Ablauf.
Der Blick auf die politischen Entwicklungen der vergangenen Legislaturperiode fällt komplex aus: Bei der Bundestagswahl 2021 hatten SPD, Grüne und FDP im Gegensatz zur CDU an Stimmen gewonnen und konnten daher die erste „Ampel“-Koalition auf Bundesebene bilden. Drei Jahre später wird der Begriff „Ampel-Aus“ von der Gesellschaft für deutsche Sprache zum Wort des Jahres 2024 gekürt. Und das nicht ohne Grund, denn das politische Agieren der Koalition erschien als Auf und Ab zwischen Fortschrittsversprechen, Krisenbewältigung und internen Konflikten.
Das Ziel der Ampel, die Modernisierung Deutschlands voranzutreiben, trat mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine im Februar 2022 zwangsläufig in den Hintergrund. Innenpolitisch galt es, die Energieversorgung sicherzustellen. Dazu wurde ein Sondervermögen für die Gas- und Strompreisbremse eingerichtet. Zudem legte Kanzler Olaf Scholz einen sicherheitspolitischen Schwerpunkt. Im Zeichen dieser „Zeitenwende“, wie Scholz sie selbst nannte, wurde ein weiteres Sondervermögen zur besseren Ausstattung der Bundeswehr aufgelegt.
Aufgrund dieser großen Herausforderungen stockten einige der zu Beginn der Legislaturperiode angekündigten Reformen, etwa die Kindergrundsicherung, das sogenannte Rentenpaket und das Klimageld. Doch entgegen der verbreiteten Annahme, die Ampel habe sich vorwiegend gestritten, setzte sie viele der im Koalitionsvertrag vereinbarten Vorhaben um, wie eine Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt: etwa die Einführung des Bürgergelds und des Deutschlandtickets, die Erhöhung des Mindestlohns sowie die Verabschiedung der Wahlrechtsreform und des Selbstbestimmungsgesetzes.
Durch die vorgezogene Wahl verkürzt sich für die Parteien der Wahlkampf und für die Wählerinnen und Wähler die Chance, sich mit den Parteiprogrammen und den Spitzenkandidierenden auseinanderzusetzen. Zugleich nehmen Fake News und Desinformation stark zu. Zu diesem Anlass soll diese Ausgabe die aktuellen politischen Ereignisse rund um die Bundestagswahl verständlich und ausgewogen einordnen und einen grundlegenden Einblick in die historische Dimension des deutschen Parteien- und Wahlsystems geben.
Am 23. Februar 2025 haben wir als Wählerinnen und Wähler die Möglichkeit, nicht nur die politische Richtung unseres Landes mitzubestimmen, sondern auch für eine Zukunft einzutreten, die auf starken demokratischen Werten basiert. Jede Stimme zählt.
Leonie Schminke