Worum handelt es sich beim Rat der EU? Der Rat der EU, auch Ministerrat genannt, ist eines der Hauptorgane der Europäischen Union und dient der Repräsentation der Mitgliedstaaten. Im Unterschied zu den supranationalen (überstaatlichen) Organen – der Europäischen Kommission und dem Europäischen Parlament (EP) – ist der Rat eine intergouvernementale Institution, das heißt, hier vertreten wie bei klassischen internationalen Organisationen die Regierungen der Mitgliedstaaten ihre nationalen Interessen. Sie sind dafür ihren jeweiligen Parlamenten gegenüber verantwortlich.
Der Rat der EU hat keine feste Zusammensetzung. Vielmehr kommen dort jeweils diejenigen Ministerinnen und Minister zusammen, die in ihren Ländern für den zur Verhandlung anstehenden Politikbereich zuständig sind. So treffen sich beispielsweise die Außenministerinnen und -minister im "Rat für Auswärtiges", die Ministerinnen und Minister für Wirtschaft und Finanzen im Rat für Wirtschaft und Finanzen. Insgesamt gibt es zehn unterschiedliche Formationen, die sich solchermaßen auf Ministerebene im Rat der EU zusammenfinden. Der "Rat für Allgemeine Angelegenheiten", hat neben der Behandlung verschiedener bereichsübergreifender Themen die Tagungen des Europäischen Rats vor- und nachzubereiten. Dieser Europäische Rat ist das Gremium, in dem sich die Staats- und Regierungschefs der EU versammeln, um die politischen Leitlinien in der EU festzulegen. Nicht mit ihm zu verwechseln und eine eigenständige Organisation außerhalb der EU ist der "Europarat". Ihm gehören 47 Mitgliedstaaten an, darunter auch viele Nicht-EU-Staaten wie die Schweiz, die Türkei oder Russland.
Die Treffen des Rates finden üblicherweise in Brüssel statt; in den Monaten April, Juni und Oktober versammeln sich die Ministerinnen und Minister hingegen in Luxemburg. Wie oft die Zusammenkünfte stattfinden, unterscheidet sich je nach Ratsformation und politischer Lage. Der Außenministerrat tagt in der Regel am häufigsten (15–18-mal pro Jahr). Danach folgten in den letzten Jahren der Rat für Wirtschaft und Finanzen – besonders ab 2010, als eine Staatsschulden-, Banken- und Wirtschaftskrise ("Eurokrise") die Europäische Währungsunion ergriff – und der Rat für Justiz und Inneres – vor allem als 2015 ein starker Anstieg der Migration in die Europäische Union ("Flüchtlingskrise") zu verzeichnen war. Hinzu kommen noch die "informellen Treffen" – bei denen also keine formellen Beschlüsse getroffen werden können – in dem Land, das gerade die Ratspräsidentschaft innehat. Die Abstimmungen zur EU-Gesetzgebung finden mittlerweile öffentlich statt.
Bei solchen Ratssitzungen sind meistens fünf bis 20 unterschiedliche Themen auf der Agenda. Ein typisches Treffen des Rates für Auswärtige Angelegenheiten behandelt beispielsweise die Positionen der EU zu den USA, Russland, dem Westbalkan, dem Syrien-Konflikt, dem Iran, Venezuela, Mali, Sahel und Libyen. Diese verschiedenen Themen können allein aus Zeitgründen nicht in jedem Detail zwischen den 27 Außenministerinnen und -ministern ausgehandelt werden.
Geschäftsordnung des Rates, eigene Zählung der Treffen 2019. Die Eurogruppe ist ein Sonderformat des Rates für Wirtschaft und Finanzen, in dem sich nur die entsprechenden Minister und Ministerinnen der Eurostaaten treffen. (© eigene Zählung der Treffen 2019)
Geschäftsordnung des Rates, eigene Zählung der Treffen 2019. Die Eurogruppe ist ein Sonderformat des Rates für Wirtschaft und Finanzen, in dem sich nur die entsprechenden Minister und Ministerinnen der Eurostaaten treffen. (© eigene Zählung der Treffen 2019)
Unterhalb der Ministerebene werden daher alle Treffen des Rates so gründlich von den Mitgliedstaaten vorbereitet, dass die Minister und Ministerinnen nur noch über die umstrittensten und wichtigsten Punkte beraten müssen. Das zentrale Vorbereitungsgremium hierfür ist der "Ausschuss der Ständigen Vertreter" (AStV). Der AStV setzt sich aus den EU-Botschafterinnen und -Botschaftern der Mitgliedstaaten zusammen. Diese prüfen vor allen Tagungen des Rates die Agenda und versuchen soweit wie möglich Einigkeit herzustellen. Vor dem AStV befassen sich noch verschiedenste Ratsarbeitsgruppen mit allen Themen der anstehenden Ratssitzung. Die Ratspräsidentschaft führt auch den Vorsitz im AStV sowie, mit wenigen Ausnahmen, bei allen Ratsarbeitsgruppen.
Gemeinsam mit dem Europäischen Parlament ist der Rat das Hauptbeschlussorgan der EU. Er hat fünf zentrale Aufgaben: die Abstimmung und Verabschiedung von EU-Gesetzgebung, die Koordination der Mitgliedstaaten, Entscheidungen in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU, die Zustimmung zu internationalen Abkommen sowie, gemeinsam mit dem EP, die Verabschiedung des EU-Haushalts.
Wie im Rat diese Entscheidungen getroffen werden, variiert je nach Politikbereich. In den meisten Bereichen entscheidet der Rat nach dem Verfahren der qualifizierten Mehrheit. Hier sind für die Annahme eines Beschlusses 55 Prozent der Mitgliedstaaten (also derzeit 15 von 27) notwendig, die gleichzeitig mindestens 65 Prozent der EU-Gesamtbevölkerung repräsentieren. Deutschland hat mit 18,5 Prozent den größten Anteil an der EU-Bevölkerung und damit das größte Stimmrecht, am kleinsten sind Malta (0,11 %) und Luxemburg (0,14 %).
Eigene Berechnung auf Grundlage offizieller Informationen der EU. Nur öffentliche Abstimmungen wurden erfasst. (© Eigene Berechnung auf Grundlage offizieller Informationen der EU. Nur öffentliche Abstimmungen wurden erfasst.)
Eigene Berechnung auf Grundlage offizieller Informationen der EU. Nur öffentliche Abstimmungen wurden erfasst. (© Eigene Berechnung auf Grundlage offizieller Informationen der EU. Nur öffentliche Abstimmungen wurden erfasst.)
Für besonders sensible Bereiche ist weiterhin Einstimmigkeit notwendig, wie etwa in der Außen- und Sicherheitspolitik oder zur Steuerharmonisierung. Hier haben also alle EU-Mitgliedstaaten ein Veto-Recht.
Ratsbeschlüsse mit qualifizierter Mehrheit sind auch für die Mitgliedstaaten bindend, die mit Nein stimmen. In der Praxis streben die Verhandelnden im Rat trotzdem in den meisten Fällen einen Kompromiss an, dem am Ende alle nationalen Regierungen zustimmen können. Im Durchschnitt wurden in den vergangenen Jahren daher über 80 Prozent der Abstimmungen im Rat im Konsens getroffen, also ohne Gegenstimme. Abstimmungen, bei denen mehrere Mitgliedstaaten überstimmt werden, sind dagegen eher eine Seltenheit. Am umstrittensten in den letzten Jahren war der Ratsbeschluss von 2015 zur Verteilung von Geflüchteten in der EU. In einer nicht-öffentlichen Abstimmung stimmten fünf EU-Staaten – Ungarn, Tschechien, die Slowakei und Rumänien – dagegen, Finnland enthielt sich.