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Ziele und Aufgaben des Jugendstrafrechts | Kriminalität und Strafrecht | bpb.de

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Ziele und Aufgaben des Jugendstrafrechts

Heribert Ostendorf

/ 9 Minuten zu lesen

Jugendlichen begegnet der Staat mit größerer Nachsicht. Mit Rücksicht auf dieses Entwicklungsstadium wurde ein spezielles Jugendstrafrecht geschaffen.

Die Jugendstrafe bedeutet Freiheitsentzug in einer Jugendhaftanstalt. Geregelte Beschäftigung soll helfen, Leerlauf zu vermeiden, Fähigkeiten zu entwickeln und die spätere Wiedereingliederung in den Alltag zu erleichtern. Schreinerei in der Jugendhaftanstalt Neuburg-Herrenwörth, Bayern, 2016 (© picture-alliance, Armin Weigel / dpa)

Für Jugendliche (14- bis 17-Jährige einschließlich) Heranwachsende (18- bis 20-Jährige einschließlich) gilt ein spezielles Jugendstrafrecht. Dies ist im Jugendgerichtsgesetz (JGG) geregelt. Das erste Jugendgerichtsgesetz, dessen Entwurf von dem damaligen Reichsjustizminister Gustav Radbruch eingebracht wurde, datiert aus dem Jahre 1923. Mit dem JGG von 1923 wurde die Strafbarkeitsgrenze auf 14 Jahre – vorher zwölf Jahre – festgelegt, das heißt, jugendliche Tatverdächtige mussten mindestens 14 Jahre alt sein, um mit Strafgewalt gegen sie vorzugehen, wobei die strafrechtliche Verantwortlichkeit im Einzelfall geprüft werden musste. Diese Grenze gilt in Deutschland auch heute noch und ebenso in den meisten europäischen Staaten.

Es gibt allerdings Länder mit abweichenden Regelungen. So beginnt zum Beispiel das Strafbarkeitsalter in England mit zehn Jahren, in den skandinavischen Ländern Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden mit 15 Jahren. Strafbarkeitsgrenzen sind abhängig von dem jeweiligen Jugendhilferecht, das heute in Deutschland in dem Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) vom 26. Juni 1990 geregelt ist. Vormals galt das Jugendwohlfahrtsgesetz, das ebenfalls aus dem Jahre 1923 stammt.

Mit der Änderung des Jugendgerichtsgesetzes im Jahre 1943 wurde die strafrechtliche Verantwortlichkeit vorübergehend wiederum auf zwölf Jahre herabgesenkt, "wenn der Schutz des Volkes wegen der Schwere der Verfehlung eine strafrechtliche Ahndung fordert". Auch war das allgemeine Strafrecht, damit in vielen Fällen ebenfalls die Todesstrafe, auf Jugendliche anzuwenden, wenn diese in ihrer Entwicklung über 18 Jahre alten Tätern gleichgestellt wurden und "wenn das gesunde Volksempfinden es wegen der besonders verwerflichen Gesinnung des Täters und wegen der Schwere der Tat fordert" (§ 20 Abs. 1). Die nationalsozialistische Strafideologie zeigt sich auch in Absatz 2 dieser Bestimmung, wonach das allgemeine Strafrecht anzuwenden war, "wenn der Jugendliche" – so die damalige für die gesamte Lebenszeit abstempelnde Formulierung – "ein charakterlich abartiger Schwerverbrecher ist und der Schutz des Volkes diese Behandlung fordert."

Diese Bestimmungen wurden mit dem Jugendgerichtsgesetz aus dem Jahre 1953 wieder rückgängig gemacht. Gleichzeitig wurden die sogenannten Heranwachsenden mit in das Jugendstrafverfahren hineingenommen. Trotz der (zivilrechtlichen) Volljährigkeit ab 18 Jahren kommen alle Angeklagten, die zum Tatzeitpunkt noch keine 21 Jahre alt waren, vor ein Jugendgericht. Dieses muss dann entscheiden, ob bei den Heranwachsenden jugendstrafrechtliche Sanktionen erfolgen sollen oder das Erwachsenenstrafrecht angewendet werden soll. Während bei Jugendlichen die strafrechtliche Verantwortlichkeit im Einzelfall geprüft werden muss, sind Heranwachsende wie Erwachsene – von ausnahmsweiser Schuldunfähigkeit abgesehen – immer strafrechtlich verantwortlich.

Strafrechtliche Verantwortlichkeit (© bpb, Heribert Ostendorf)

Das Jugendstrafrecht wird bei Heranwachsenden angewandt, wenn der Täter nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung zur Tatzeit einem Jugendlichen entsprach oder die Tat als eine "Jugendverfehlung" eingeordnet werden kann. Unter Letzterem versteht man Straftaten, die Ausdruck einer typischen jugendlichen Lebenssituation sind, beispielsweise aus Imponiergehabe, jugendlichem Leichtsinn, Neugier oder Gruppendruck begangen worden sind.

Straffällige Jugend: Zahlenmäßige Entwicklung der nach dem Jugendstrafrecht verurteilten Jugendlichen (© bpb)

Urteile im Jugendstrafrecht: 14-20-Jährige (© picture-alliance, dpa infografik 11563; Quelle: Statistisches Bundesamt (2017))

Zielsetzung

"Die Anwendung des Jugendstrafrechts soll vor allem erneuten Straftaten eines Jugendlichen oder Heranwachsenden entgegenwirken. Um dieses Ziel zu erreichen, sind die Rechtsfolgen und unter Beachtung des elterlichen Erziehungsrechts auch das Verfahren vorrangig am Erziehungsgedanken auszurichten", heißt es in § 2 Abs. 1 des Jugendgerichtsgesetzes.

Dementsprechend gilt das Jugendstrafrecht traditionell als Erziehungsstrafrecht. Dem oder der Jugendlichen soll – in Abweichung vom Erwachsenenstrafrecht – im Hinblick auf die Entwicklung zum Erwachsenen jugendadäquat begegnet werden. Dies erfordert sowohl ein pädagogisch befähigtes Personal, ein besonderes Verfahren als auch entsprechende Reaktionen. Abschreckende Wirkungen dürfen mit dem Jugendstrafrecht nicht verfolgt werden.

Kritiker des Erziehungsstrafrechts sprechen demgegenüber von einer im Gesetz angelegten und von der Praxis verfolgten Erziehungsideologie, mit der der strafende Charakter des jugendgerichtlichen Verfahrens sowie der jugendrichterlichen Sanktionen geleugnet werde. Dies habe unter dem "Deckmantel" der Erziehung teilweise zu einer Benachteiligung Jugendlicher beziehungsweise Heranwachsender gegenüber erwachsenen Straftätern geführt. So sind beispielsweise die Rechtsmittelmöglichkeiten für Jugendliche aus "erzieherischen Gründen" eingeschränkt. Ein jugendlicher Verurteilter kann etwa eine ihm auferlegte Arbeitsmaßnahme – 40 Stunden Arbeit in einem Pflegeheim – nicht anfechten, wenn er dieses Urteil als zu hart empfindet.

Übereinstimmung besteht darin, dass das Ziel staatlicher Strafmaßnahmen nicht der "gute Mensch" als Idealtypus sein darf, sondern dass alle Maßnahmen, und somit auch die erzieherischen, darauf gerichtet sein müssen, zukünftige Straftaten zu verhindern. Schädigende Wirkungen für die Entwicklung des Jugendlichen beziehungsweise Heranwachsenden sollen vermieden werden. Aus diesem Grunde sind die Dauer des Freiheitsentzuges im Jugendstrafrecht eingeschränkt und die Anordnung einer Untersuchungshaft an engere Voraussetzungen geknüpft, insbesondere müssen zuvor alternative Maßnahmen ausgeschöpft sein.
Einigkeit besteht auch, dass jugendlichen Straftätern möglichst mit pädagogischen Sanktionen begegnet werden sollte, um sie so von weiteren Straftaten abzuhalten.

QuellentextErziehungsmaßregel Pflichtlektüre

Im Jugendstrafrecht haben Richter die Freiheit, sich eine sogenannte Erziehungsmaßregel auszudenken, um den Lebensweg des jugendlichen Angeklagten positiv zu beeinflussen (Paragraf 9 Jugendgerichtsgesetz) oder ihm eine Auflage zu erteilen, etwa "nach Kräften den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, sich persönlich bei dem Verletzten zu entschuldigen, Arbeitsleistungen zu erbringen oder einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung zu zahlen" (Paragraf 15 Jugendgerichtsgesetz).
Edwin Pütz, Jugendrichter am Amtsgericht Düsseldorf, über seine Erfahrungen mit der Zuweisung von Pflichtlektüre.


[…] Süddeutsche Zeitung: Auf der fünfseitigen Literaturliste der Düsseldorfer Jugendgerichtshilfe stehen […] vor allem pädagogische Romane: "Merkt doch keiner, wenn ich schwänze" von Annette Weber. "Ich bin schon wieder völlig pleite" von Kurt Wasserfall. "Geil, das peinliche Foto stellen wir online" von Florian Buschendorff. Lauter Standpauken, verkleidet als Storys?
Pütz: Die Idee ist, dass wir als Richter ein Buch auswählen, das zur Person und zur Tat des Jugendlichen passt, um bei ihm einen Denkprozess auszulösen. Er soll eine andere Perspektive einnehmen, andere Gedanken an sich heranlassen. Danach gibt es ein verpflichtendes Gespräch mit der Sozialarbeiterin der Jugendgerichtshilfe über die Lektüre. Für manchen Milieu-Protz ist schon das die Höchststrafe. Lesen! Darüber sprechen und reflektieren! Aber im Ernst, er kann ja froh sein.
SZ: Ist das die deutliche Sprache, die der Staat mit jugendlichen Schlägern oder Dealern sprechen sollte?
Pütz: Wenn ich keine Krankheitseinsicht habe, werde ich mich nicht therapieren lassen. Wenn ich keine Unrechtseinsicht habe, sprich: kein schlechtes Gewissen, dann werde ich auch angesichts von Strafen nur mit den Achseln zucken und sie über mich ergehen lassen, mich aber nicht ändern. Deshalb müssen wir an diese inneren Einstellungen herankommen. Dafür sind kleine Maßnahmen manchmal wirkungsvoller als die große Keule, mit der ich vielleicht Gegendruck erzeuge.
SZ: Aber ist das eine Form von Strafe, bei der ein Verurteilter den Ernst der Angelegenheit begreift, zum Beispiel den Ernst der Verletzungen beim Opfer?
Pütz: Die Frage stellt sich bei jeder Form von Sanktion, auch bei einer stupiden Geldstrafe. Wenn ich der Auffassung bin, dass der Verurteilte die Möglichkeiten im Kopf hat, das Verwerfliche an seiner Verhaltensweise zu erkennen, aber dass er zum kritischen Reflektieren bloß zu bequem ist - dann fordere ich ihn gerne geistig heraus. Der Vorteil im Jugendstrafrecht ist, dass ich als Richter mit dem Drohmittel des Beugearrests Druck ausüben kann, dass die Leute ihre Lese-Auflagen auch erfüllen. [...]
SZ: Es ist natürlich leicht, einem Richter das zu sagen, was er hören möchte.
Pütz: Ob die mich veräppelt haben? Mit dem Risiko muss ich umgehen, sicher. Aber immerhin sind wir dann schon bei der richtigen Diskussion. Wir unterhalten uns über Ernsthaftigkeit. Dazu käme ich gar nicht, wenn ich die Täter einfach stumpf zum Bodenschrubben verdonnert hätte, wo sie dann ebenfalls hätten fluchen und über die blöde Justiz herziehen können. Und im Ernst: Diejenigen, die es dann nicht verstanden oder mich veräppelt haben, die sehe ich wahrscheinlich wieder. Dann wird es eng für sie, denn ich kann auch vier Wochen Dauerarrest oder eine Gefängnisstrafe von mindestens sechs Monaten hinterherschießen.

"Lesen! Darüber sprechen!". Interview von Ronen Steinke mit dem Jugendrichter am Amtsgericht Düsseldorf Edwin Pütz, in: Süddeutsche Zeitung vom 30. Dezember 2017

Verfahrensgestaltung

Das Jugendstrafverfahren ist wesentlich anders gestaltet als das allgemeine Strafverfahren:

  • So sollen nur erzieherisch befähigte und in der Jugenderziehung erfahrene Jugendrichter und Jugendstaatsanwälte eingesetzt werden. Da es sich bei dieser Regelung jedoch – wie der Wortlaut schon verrät – nicht um eine zwingende Vorschrift handelt, entspricht die Wirklichkeit nicht immer dem Willen des Gesetzgebers.

  • Im gesamten Verfahren, insbesondere in der Hauptverhandlung, ist die Jugendgerichtshilfe (in Sozialarbeit und Sozialpädagogik geschultes Fachpersonal des Jugendamtes sowie Vereinigungen der Jugendhilfe) heranzuziehen. Sie soll möglichst frühzeitig beteiligt werden, um die Persönlichkeit des Jugendlichen zu ergründen, und sie soll zu den Maßnahmen Stellung beziehen, die das Gericht ergreifen will. Bei Heranwachsenden gibt die Jugendgerichtshilfe ihre Empfehlung darüber ab, ob das Jugendstrafrecht angewandt werden soll.

  • Die Eltern und gesetzlichen Vertreter haben ein weitgehendes Mitwirkungsrecht.

  • Die Hauptverhandlung ist grundsätzlich nicht öffentlich, um jugendliche Angeklagte zu schützen.

  • Die Untersuchungshaft ist nur beschränkt zulässig und soll möglichst durch andere Maßnahmen ersetzt werden.

  • Die Pflichtverteidigung ist ausgeweitet; insbesondere muss für Jugendliche – hier bis zum vollendeten 18. Lebensjahr – bei Untersuchungshaft ein Verteidiger oder eine Verteidigerin bestellt werden.

  • Die Rechtsmittelmöglichkeiten sind im Jugendstrafverfahren reduziert, um das Verfahren zu einem schnellen Abschluss zu bringen.

  • Sanktionen in Form von Erziehungsmaßnahmen und Zuchtmitteln werden nicht in das Zentralregister und dementsprechend nicht in das Führungszeugnis aufgenommen; sie werden in ein sogenanntes Erziehungsregister eingetragen.

  • Der Vollzug der Jugendstrafe erfolgt in gesonderten Anstalten und soll jugendspezifisch gestaltet sein. Die Entlassung auf Bewährung ist frühzeitig möglich.

Jugendstrafrechtliche Sanktionen (© bpb, Heribert Ostendorf)

Jugendstrafrechtliche Sanktionen

Das Jugendstrafrecht sieht im Unterschied zum Erwachsenenstrafrecht spezielle Sanktionen vor, mit denen erzieherisch auf jugendliche Straffällige eingewirkt werden soll. Um Jugendliche durch das Hauptverfahren möglichst wenig zu belasten, bestehen erweiterte Einstellungsmöglichkeiten vor der Hauptverhandlung. Dies gilt insbesondere, wenn die Taten Bagatellcharakter haben und erzieherische Maßnahmen von anderer Seite, zum Beispiel durch Eltern oder Schule, bereits eingeleitet wurden. Zusätzlich kann das Verfahren in der Hauptverhandlung ohne eine Verurteilung eingestellt werden (siehe auch "Diversion"). In erster Linie soll auf eine "Jugendstraftat" mit Erziehungsmaßnahmen reagiert werden. Zu diesen gehören zum Beispiel die Erbringung von Arbeitsleistungen, die Betreuung und Aufsicht durch einen Betreuungshelfer, die Teilnahme an einem sozialen Trainingskurs oder Verkehrsunterricht sowie Bemühungen um einen Täter-Opfer-Ausgleich. Auch kann die Weisung erteilt werden, bei einer Familie oder in einem Heim zu wohnen.

Erst wenn Erziehungsmaßregeln nicht ausreichen, können sogenannte Zuchtmittel angewendet werden. Dazu gehören insbesondere die Auflage der Schadenswiedergutmachung und die Zahlung einer Geldbuße. Daneben kann ein Arrest angeordnet werden, das heißt Freiheitsentzug in einer besonderen Arrestanstalt von einem Wochenende bis maximal vier Wochen.

QuellentextProjektarbeit im Jugendarrest

DIE ZEIT: Herr Börner, Sie und Ihr Kollege Torsten Eckold arbeiten mit Jugendlichen in der Thüringer Jugendarrestanstalt in Arnstadt […]. Warum landen die Jugendlichen üblicherweise im Arrest?
Daniel Börner: Viele von ihnen sind klassische Schulschwänzer, sind schwarzgefahren und haben die Strafe nicht gezahlt, Sozialstunden nicht geleistet oder haben zu viele Ordnungswidrigkeiten angehäuft. Doch es sind auch Leute dabei, die Straftaten begangen haben – Drogen- und Gewaltdelikte etwa, selten mal Delikte mit fremdenfeindlichem Hintergrund.
ZEIT: Wie würden Sie die Atmosphäre dort beschreiben?
Börner: Der Jugendarrest ist in einem schicken neuen Gebäude auf der grünen Wiese etwas außerhalb der Stadt untergebracht. Die Zimmer heißen nicht Zellen, sondern Arresträume und sind nach heutigen Standards eingerichtet, mit eigener Nasszelle. Manche Besucher sagen, das wirke hier wie eine Jugendherberge, nur mit Mauern und Gittern drum herum.
ZEIT: Wie sehen die Jugendlichen das?
Börner: Einige behaupten, es sei dort schöner als zu Hause. Das trifft uns immer sehr hart. In der Regel sind die Jugendlichen nicht in einem Elternhaus aufgewachsen, das ihnen dabei hilft, Konflikte zu lösen. Sie haben einen niedrigen Bildungsstand, was nicht heißen soll, dass sie dumm sind. Im Arrest werden die Grundbedürfnisse erfüllt: Es ist trocken, es ist warm, es gibt Essen. Und nach dem ersten Schock, dort eingesperrt zu sein, gewöhnen sich die Jugendlichen an den Rhythmus und die Regularien. Das beginnt ganz trivial mit dem pünktlichen Aufstehen, gefolgt von Frühsport, kleineren Reinigungsaufgaben, gemeinsamen Mahlzeiten.
[…] Man könnte schon sagen, dass die Zeit dort "leer" ist. Der Jugendarrest gilt, so das alte Vokabular des Gesetzestextes, als "Zuchtmittel". Man soll über seine Taten nachdenken und zur Besinnung kommen, mit möglichst wenigen äußeren Einflüssen und Ablenkungen.
ZEIT: Handys, Fernseher, Zigaretten und Alkohol sind verboten.
Börner: Genau. Das wird oft als massive Einschränkung empfunden. Wir hören Sprüche von Jugendlichen, dass drei Wochen Jugendarrest härter seien als drei Monate Knast. Dort könne man wenigstens rauchen und Fernsehen gucken. Wenn wir dann sagen: "Drei Monate sind doch viel länger!", kommt als Antwort: "Na und? Draußen ist es auch nicht besser." Leider sehen die Jugendlichen ihr Leben oftmals als so verfahren an, dass der Qualitätsunterschied zwischen drinnen und draußen gar nicht mehr gegeben ist für sie.
ZEIT: Diese Jugendlichen wollen Sie ausgerechnet mit Projekten zur DDR-Geschichte und zur Demokratie erreichen. Warum diese Themen? […]
Börner: Jemand, der noch 800 Sozialstunden offen hat, frustriert ist und allenfalls einen Hilfsjob in Aussicht hat, lacht vielleicht erst mal, wenn wir ihm etwas über die Schönheit freier Meinungsäußerung und demokratischer Wahlen erzählen. Natürlich ist das ein großer Gegensatz. Den müssen wir aushalten und wirklich auf den Einzelnen eingehen.
ZEIT: Wie gelingt Ihnen das?
Börner: Zunächst ist wichtig, dass wir von außen kommen. Die Jugendlichen können sich auf unsere Verschwiegenheit verlassen. Unser Projekt umfasst eine Woche, fünf bis sechs Stunden am Tag. Wir beginnen es ohne festgelegte Themen und passen es auf die Bedürfnisse der Teilnehmer an. Falls sich etwa viele in der Gruppe für Musik interessieren, nutzen wir das als Anknüpfungspunkt. Im weiteren Verlauf geht es uns darum, die Jugendlichen für politische Fragen zu sensibilisieren und mit ihnen über das aktuelle Geschehen und ihre eigene Rolle ins Gespräch zu kommen. Dafür greifen wir auch auf historische Ereignisse zurück.
ZEIT: Haben Sie dafür ein Beispiel?
Börner: Beim Thema Musik würden wir fragen: Konnte man in der DDR einfach so Musik machen, Texte schreiben, eine Band gründen? Darf man heute alles in einen Songtext packen, was man möchte? Ist es euch wichtig, eure Meinung sagen zu können? Wie bildet ihr euch die? […]
ZEIT: Wie reagieren diese Jungs – Mädchen sind ja eher die Ausnahme – auf Sie?
Börner: Wir verbringen viel Zeit mit einfachen Regeln, müssen immer wieder klarmachen: Wir respektieren uns, schreien uns nicht an. Dann treten oft kleine Erfolge ein: Jemand akzeptiert eine Meinung, bei der er draußen weggerannt oder gewalttätig geworden wäre. […]

"Sie fühlen sich abgehängt". Interview von Johanna Schoener mit dem Historiker Daniel Börner, in: DIE ZEIT Nr. 23 vom 25. Feburar 2016

Die Effizienz des Arrestes ist angesichts einer Rückfallquote bis 70 Prozent umstritten. Dementsprechend wird heute den pädagogischen Sanktionen Vorrang vor repressiven Maßnahmen eingeräumt. In der Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes aus dem Jahre 1989 heißt es: "Es hat sich weiterhin gezeigt, dass die in der Praxis vielfältig erprobten neuen ambulanten Maßnahmen (Betreuungsweisung, sozialer Trainingskurs, Täter-Opfer-Ausgleich) die traditionellen Sanktionen (Geldbuße, Jugendarrest, Jugendstrafe) weitgehend ersetzen können, ohne dass sich damit die Rückfallgefahr erhöht." In empirischen Untersuchungen wurde sogar eine geringere Rückfallgefahr festgestellt.

Die Jugendstrafe ist die eigentliche Kriminalstrafe im Sinne des Jugendstrafrechts und bedeutet Freiheitsentzug in einer Jugendstrafanstalt. Bei Verbrechen, für die das Erwachsenenstrafrecht eine Höchststrafe von mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe androht, beträgt hier das Höchstmaß zehn Jahre. Eine Jugendstrafe von bis zu zwei Jahren soll grundsätzlich bei guter Prognose zur Bewährung ausgesetzt werden.

Im Jugendvollzug oder Jugendstrafvollzug werden die von den Jugendgerichten angeordneten Jugendstrafen vollzogen, auch dann, wenn die Verurteilten mittlerweile das Erwachsenenalter erreicht haben. Allerdings sind hiervon Ausnahmen möglich. Eigenständige Regeln für den Jugendvollzug finden sich in den Jugendstrafvollzugsgesetzen der Länder. Neben den speziellen jugendstrafrechtlichen Sanktionen können auch bestimmte Maßregeln der Besserung und Sicherung angeordnet werden (siehe oben). Der Gesetzgeber hat unter engen Voraussetzungen auch die Sicherungsverwahrung ermöglicht, die in der Fachwelt äußerst umstritten ist. Sicherungsverwahrung bedeutet, dass nach Verbüßung der Freiheitsstrafe, im Jugendstrafrecht Jugendstrafe genannt, ein weiterer Freiheitsentzug in Form der Sicherungsverwahrung angeordnet wird. Dagegen wird das Verbot der Doppelbestrafung gem. Artikel 103 Abs. 3 GG angeführt. Bei jungen Straftätern wird zusätzlich eingewandt, dass die erforderliche Gefährlichkeitsprognose im Sinne von "Unverbesserlichkeit" auch mit Hilfe von Gutachtern nur sehr schwer gestellt werden kann.

Härtere Strafen?
Angesichts einer vermehrten Wahrnehmung von Gewaltkriminalität wird zunehmend nach härteren Strafen gerufen. Auf den ersten Blick scheint dies die unverzichtbare Antwort auf diese gesellschaftliche Entwicklung zu sein: mit Härte vor weiteren Straftaten abschrecken. Unabhängig von einer Relativierung der polizeilichen Zahlen wird in den Fachwissenschaften eine solche Abschreckungswirkung verneint. Stattdessen werden negative Folgen durch häufigeren und längeren Freiheitsentzug prognostiziert. In einer Resolution aus dem Jahre 1998, die von 55 Jugendstrafrechtsprofessorinnen und -professoren sowie Kriminologinnen und Kriminologen unterschrieben wurde und auch heute noch Gültigkeit hat, heißt es: "Härte als Antwort nutzt im Zweifel nichts".

Auch die Bundesregierung hat in ihrer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage "Jugendstrafrecht und Präventionsstrategien" im Jahre 1997 unter anderem ausgeführt: "Der Bundesregierung liegen keine empirischen Erkenntnisse vor, dass durch eine härtere Bestrafung von Gewalttätern eine erhöhte generelle Abschreckungswirkung des Jugendstrafrechts gegenüber jungen Menschen erzielt werden kann. [...] Der aktuelle Anstieg (der Kriminalität, Anm. des Verf.) kann nicht auf ein vermeintlich zu mildes strafrechtliches Vorgehen zurückgeführt werden". Jugendliche handeln gerade in Konfliktsituationen weniger vernunftbestimmt als gefühlsorientiert; sie denken nicht an die drohende Strafe, sie glauben vielmehr, dass sie nicht ertappt werden. Nur die Erhöhung des Entdeckungsrisikos kann offensichtlich abschrecken. Zuvorderst müssen präventive Maßnahmen ergriffen werden.

QuellentextNeue Wege im Strafvollzug

[…] Chris ist 24 Jahre alt. Ein Gericht hat ihn zu viereinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, wegen Nötigung, Freiheitsberaubung und Körperverletzung. […]

U-Haft, Gefängnis in Köln: Die ersten Tage hinter Gittern kann Chris in einem Wort auf den Punkt bringen – "Schockzustand". "Da bin ich erstmal nicht klar gekommen," erinnert er sich. […] In der Zelle, in die er geführt wurde, saßen schon zwei Inhaftierte. Ein komisches Gefühl, meint Chris, von dem Moment an 23 Stunden am Tag mit zwei Fremden verbringen zu müssen und alles mit ihnen zu teilen. […]

Mit zunehmender Dauer in der JVA setzten sich die Eindrücke. "Tag für Tag hab ich ein bisschen mehr realisiert, dass ich eingesperrt bin. Die ganze Zeit war Kopfkino angesagt", erinnert sich der 24-Jährige und meint damit die vielen Stunden, in denen es nichts zu tun gab. Nichts, außer nachzudenken. Den Unterschied zwischen Untersuchungshaft und Strafhaft, in der sich Chris jetzt befindet, hat er vor allem als Kopfsache erlebt. "Strafhaft ist lockerer als U-Haft. In der U-Haft fragt man sich die ganze Zeit: Was macht der Anwalt, kommt man raus, kommt man nicht raus, […] die Ungewissheit macht einen kaputt. Seit ich meine Strafe kenne, bin ich ruhiger, weil ich weiß, wie es weitergeht." […]

"Für den Moment hab ich mit der Außenwelt abgeschlossen. Ich guck jetzt, was für mich das Beste ist." Und das bedeutet für den 24-Jährigen, an sich zu arbeiten. Dazu sind besondere Möglichkeiten in einer Jungtäterabteilung geschaffen worden, in der Chris untergebracht ist. […] Die Abteilung ist als Offene Wohngruppe konzipiert. Das bedeutet: Die Zellentüren sind unter der Woche von sechs bis 20.45 Uhr offen, am Wochenende von acht bis 16 Uhr […]. In dieser Abteilung zu sein, ist innerhalb der Gefängnismauern ein Privileg.

19 Plätze gibt es in der Jungtäterabteilung. Wer dort hineinkommt, muss ein paar Voraussetzungen erfüllen: Mindestens drei Monate ohne Gewalt und ohne Drogen. Und: Der Gefangene muss offen sein. Offen und bereit, in einer Wohngruppe zu leben und sich an den Gruppenmaßnahmen zu beteiligen. Sonja Gersching, [die damalige] Abteilungsleiterin der Jungtäterabteilung: "Hintergrund der Jungtäterabteilung ist es, dass bei jungen erwachsenen Strafgefangenen im Alter von 21 bis zur Vollendung des 26. Lebensjahres die Entwicklung der Persönlichkeit oft noch nicht abgeschlossen ist. Sie sind daher noch offen für neue Impulse. Kriminelles Verhalten ist bei ihnen häufig nicht Ausdruck einer verfestigten kriminellen Lebensweise, sondern eher Folge einer misslungenen Identitätsentwicklung und besonderer Problemlagen. Durch speziell auf die Altersgruppe zugeschnittene Behandlungsmaßnahmen erlernen die Gefangenen soziale Kompetenzen und werden angehalten, berufliche, schulische und therapeutische Maßnahmen durchzuhalten."

Chris' Tage laufen größtenteils gleich ab. Aufstehen um sechs Uhr, fertigmachen für den Job. In seinem Fall bedeutet das: Arbeit in der Kantine. Gemeinsam mit anderen Gefangenen kümmert er sich dort um das Essen für die Beamten. Jeder übernimmt eine andere Aufgabe. […] Der Job bedeutet ihm viel, lenkt ab. Den ganzen Tag auf Zelle zu verbringen, würde bedeuten, noch mehr Zeit mit sich alleine, noch mehr Zeit mit Grübeln zu verbringen.

In der Personalkantine der Aachener JVA können sich die jungen Gefangenen seit Februar 2013 auf eine Berufsausbildung zum Koch oder Küchenhelfer vorbereiten. Diejenigen, die einen der acht Ausbildungsplätze ergattert haben, können Module belegen, die von der IHK zertifiziert wurden und deshalb bei einer späteren Ausbildung angerechnet werden. Das verbessert die Chancen auf dem Arbeitsmarkt und auf Resozialisierung. […]

Auch in der Offenen Wohngruppe greift Chris wieder zu Topf, Gewürzen und Rührlöffel. In der Jungtäterabteilung bereiten die Gefangenen gemeinsam ihr eigenes Mittagessen zu. […]

Sonderwünsche muss Chris sich selbst kaufen. Alle zwei Wochen kann er von einer Liste bestellen, die ein paar hundert Produkte vom Hygieneartikel bis zu Süßigkeiten bietet. In der Kantine verdient der junge Häftling rund 270 Euro im Monat. 110 Euro darf er ausgeben, der Rest wird als sogenanntes Überbrückungsgeld zur Seite gelegt. Chris bekommt es bei Haftentlassung.

Möglichkeiten, die Freizeit zu verbringen, hat der 24-Jährige durchaus. Die klingen sogar vielfältig. Allerdings ist Chris für Jahre darauf beschränkt. Er betreibt viel Sport, besonders Muskeltraining, unterhält sich mit seinen Mitgefangenen, schaut abends Fernseher, kann Kicker oder Darts spielen. An der frischen Luft ist er logischerweise nur selten – täglich darf er maximal 60 Minuten auf dem Gefängnishof verbringen. Zu den Dingen, die Chris über Wasser halten, gehören die Besuche seiner Familie. Seit Monaten kommen sie regelmäßig, jede Woche. "Nicht einmal haben sie gefehlt. Da bin ich sehr stolz drauf." Private Telefonate gehören zu seinen Highlights, genau wie der Kinotag einmal im Monat, bei dem er einen aktuellen Film anschauen darf.

Etliche Dinge gibt es, erklärt der Häftling, deren Wert er erst im Gefängnis wirklich erkannt hat. Die Privatsphäre gehöre sicher dazu. "So, wie man die von Zuhause kennt, gibt es sie hier drin einfach nicht. Zwar sind die Türen am Abend zu, aber das ist nicht vergleichbar." Die Beamten können jederzeit in die Zelle. Und doch: Der Mensch, sagt Chris, ist ein Gewohnheitstier und das gelte auch im Knast. "Ich hab mich mittlerweile schon an den Tagesablauf gewöhnt. Was eben fehlt ist die Freiheit – mit der Familie zu grillen oder bei schönem Wetter mit Freunden etwas trinken zu gehen."

Der Zwangsaufenthalt im Gefängnis ist für ihn eine Strafe, daran lässt er keinen Zweifel. Aber es geht darüber hinaus. "Ich sehe das wie eine Schule hier. Du lernst einfach eine Menge, Geduld zum Beispiel oder wie man sich in Konfliktsituationen verhält. Es gibt Leute, die sagen ‚Sperr mich ruhig ein, mach, was du willst‘, aber manche fangen eben auch an nachzudenken. Und ich bin so einer, hab gelernt zu schätzen, was ich vorher nicht geschätzt habe."

Die Hafterfahrung und die Arbeit in der Küche werden sein Leben in Freiheit beeinflussen, da ist sich Chris sicher. Er hat bereits begonnen, seine berufliche Zukunft zu planen. […]

Thomas Vogel, "Jugendgefängnis: eine Erfahrung, die mehr ist als nur Strafe", in: Aachener Zeitung vom 5. November 2013

Prävention hat Vorrang
Wir unterscheiden drei Arten von Prävention: Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention. Die Primärprävention ist die Verinnerlichung von Werten und Normen, wie sie durch die Erziehung im Elternhaus, im Kindergarten oder in der Schule erfolgt, aber auch durch Jugendhilfemaßnahmen wie soziale Trainingskurse und sozialpädagogische Einzelbetreuung.
Die Sekundärprävention ist die Veränderung von Gelegenheitsstrukturen. Hierzu zählt gerade auch die technische Prävention, aber ebenso die bessere Ausleuchtung von Straßen und Plätzen, die Einrichtung von Diskothekenbussen sowie von kostengünstigen Nachttaxis zur Verhinderung von Überfällen.
Die Tertiärprävention ist die Gegensteuerung durch strafjustizielle Maßnahmen, das Einwirken auf den ertappten Täter, um eine Straftatwiederholung zu verhindern. Während in der Vergangenheit ganz überwiegend auf diese tertiäre Prävention gesetzt wurde, wird heute zunehmend Wert auf die Primär- und Sekundärprävention gelegt, weil die Effizienz der tertiären Prävention durch Strafrecht begrenzt ist:

  • Strafjustiz muss immer dem einzelnen Straftäter gerecht werden, darf nicht stellvertretend den Einzelnen für die anderen, für die Nichtertappten bestrafen. Dies ist im sogenannten Schuldprinzip begründet.

  • Strafjustiz kommt immer zu spät. Die eingetretenen Verletzungen, Beschädigungen können nur zum Teil wieder beseitigt werden; Tote können nicht wieder lebendig gemacht werden.

  • Strafjustiz kann nicht die sozialen Probleme lösen, die hinter den Straftaten stehen; sie wird erst mit den Ergebnissen dieser sozialen Probleme konfrontiert.

Vorrang müssen somit Primär- und Sekundärprävention haben. Zur Primärprävention gehört auch die Medienerziehung. Wenn der zunehmende Medienkonsum von Gewalt möglicherweise eine Ursache für die steigende Gewaltbereitschaft ist, muss gelernt werden, mit diesem Gewaltangebot in den Medien umzugehen.

Ein wichtiger Ansatz für Primärprävention liegt in den Schulen – nicht zuletzt weil auf dem Weg zur Schule bzw. von der Schule nach Hause sowie auf dem Schulhof häufig Gewalt ausgeübt wird. Gewalt sollte im Schulunterricht thematisiert werden. Die Schulen müssen sich aber auch organisatorisch auf Gewalt und deren Verhinderung einstellen – von Bedeutung ist dafür die Pausenaufsicht, aber auch Vertrauenslehrkräfte sind gefordert. Wenn Schülerinnen und Schüler auf dem Weg zur Schule belästigt oder erpresst werden, müssen im Zusammenwirken mit der Polizei und den Verkehrsbetrieben Schulbusbegleitungen organisiert werden.

Sichtbare Erfolge vermittelt vor allem die Sekundärprävention, weil es leichter ist, die Umstände zu verändern als die Menschen. Hier bieten sich viele Möglichkeiten der technischen Prävention: Die elektronische Warensicherung in den Kaufhäusern bewährt sich zunehmend. Die elektronische Wegfahrsperre bei PKWs hat zu einem erheblichen Rückgang von Autodiebstählen geführt; von 1999 bis 2016 sank deren Zahl um 61,2 Prozent. Diese Bemühungen um Prävention müssen vor Ort, in dem jeweiligen Stadtteil, in der jeweiligen Gemeinde anfangen. Obwohl die reisenden Täter zunehmen, kommen zirka zwei Drittel der jugendlichen Täter aus der jeweiligen Kommune. Fast alle jugendlichen Straftäter sind bereits im Kindergarten oder in der Schule aufgefallen. Hier müssen die Problemfälle erkannt und durch eine Aktivierung von Familien- und Jugendhilfe aufgefangen werden. Dabei können die Bürgerinnen und Bürger zum Beispiel durch eine Wiederbelebung der Nachbarschaftshilfe mit eingebunden werden.

Prof. Dr. Heribert Ostendorf, geb. 1945, war nach dem Studium viereinhalb Jahre als Richter, vornehmlich als Jugendrichter, tätig. Anschließend lehrte er acht Jahre als Professor für Strafrecht an der Universität Hamburg. Von 1989 bis 1997 war er Generalstaatsanwalt in Schleswig-Holstein. Von Oktober 1997 bis Februar 2013 leitete er die Forschungsstelle für Jugendstrafrecht und Kriminalprävention an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
Professor Ostendorf hat neben Lehrbüchern und Gesetzeskommentaren zahlreiche wissenschaftliche Abhandlungen publiziert, vor allem zum Jugendstrafrecht. Sein Lehrbuch "Jugendstrafrecht" sowie sein Kommentar "Jugendgerichtsgesetz" sind in der 9. bzw. 10. Auflage erschienen und gelten als Standardwerke.