Fast fünf Milliarden Jahre sind vergangen, seit die Erde entstanden ist. Von Leben gab es damals noch keine Spur. Bis heute ist unbekannt, wann es sich auf unserem Globus entwickelte. Spekuliert wird, dass dies vor etwa 3,5 Milliarden Jahren in der Tiefsee geschah. Einfache Bakterien dürften den Anfang gemacht haben. Bis zur Zeit der spektakulären Dinosaurier sollte es aber noch ein Weilchen dauern, denn diese traten erst vor knapp 250 Millionen Jahren auf. Rund 184 Millionen Jahre später starben sie aus. Diese Zeitabläufe sind fast unvorstellbar lang. Um die Relationen besser zu verdeutlichen, lässt sich die Erdgeschichte umrechnen: Wäre das Ganze an einem Tag mit 24 Stunden passiert, wären die Dinosaurier gegen 22:45 Uhr aufgetreten und um 23:00 Uhr schon wieder von der Erde verschwunden. Darauf folgte die Zeit der Säugetiere, sie begannen die Erdoberfläche zu erobern. Vom Menschen gab es indes noch keine Spur. Der vernunftbegabte Mensch (homo sapiens), wie er sich selbstbewusst bezeichnet, erschien – auf einen 24-Stunden-Tag umgerechnet – erst in den letzten Sekunden. In Echtzeit war dies vor etwa 300.000 Jahren. Es dauerte dann noch lange, bis dieses neue Lebewesen begann, die Erde zu beherrschen, statt ihren Gegebenheiten und Gesetzmäßigkeiten unterworfen zu sein.
Heute lässt sich kaum bestreiten, dass der Mensch die Erde stärker umgestaltet und geprägt hat als die größten Erdbeben, Vulkanausbrüche und Überschwemmungen zusammen. Er ist in den vergangenen Jahrhunderten zum entscheidenden geologischen Faktor geworden.
Klimawandel und Biodiversitätskrise
Dies manifestiert sich in den zwei großen Krisen unserer Zeit: dem Wandel des Klimas und dem massiven Rückgang der biologischen Diversität. Letztere umfasst die Verschiedenheit der verschiedenen Arten untereinander, die Unterschiedlichkeit der Gene innerhalb einer Art und die Mannigfaltigkeit der Lebensräume und Lebensgemeinschaften mit ihren Stoffkreisläufen.
In der öffentlichen Wahrnehmung und auf politischer Ebene werden dem Klimawandel und seiner Bekämpfung breiter Raum eingeräumt. Der Verlust biologischer Diversität und die Erarbeitung und Einleitung möglicher Gegenmaßnahmen geraten dagegen häufig aus dem Blick. Dies mag daran liegen, dass die Erwärmung des Klimas für den Einzelnen potenziell unmittelbare große Folgen hat, die jeden treffen und in der Lebensqualität beeinträchtigen können. Es ist jedoch zweifelsfrei so, dass auch der Verlust biologischer Vielfalt größte negative Auswirkungen auf das menschliche Wohlergehen hat, da Arten, Kreisläufe und Ökosysteme die Grundlage für Menschen, ihr Wirken, ihre Kulturen, ihre Sozialsysteme und somit letztlich ihre Existenz bilden. Im Unterschied zum Klimawandel, dessen Folgen zumindest derzeit noch als teilweise beherrschbar angenommen werden können, ist der Verlust genetischer Vielfalt und von Tier- und Pflanzenarten nicht umkehrbar. Ausrottung ist endgültig. Eine einmal verlorene Art ist für immer verloren.
Der Rückgang der biologischen Diversität lässt sich anschaulich am Verlust der Tier- und Pflanzenarten aufzeigen. In der Roten Liste gefährdeter Tier- und Pflanzenarten der Weltnaturschutzunion (International Union for Conservation of Nature, IUCN) sind derzeit 128.918 Arten untersucht. Über 35.500 von ihnen mussten in die verschiedenen Gefährdungsstufen eingeordnet werden, also mehr als ein Viertel.
Rolle des Zoos
Angesichts der Geschwindigkeit und des Ausmaßes des Artenverlustes sowie der existenziellen Bedeutung der biologischen Vielfalt für den Menschen bedarf es vielfältiger Anstrengungen auf allen möglichen Ebenen, um Arten zu retten. Eine dieser Ebenen sind wissenschaftlich geführte Zoos, die sich seit Jahrzehnten das Engagement im Natur- und Artenschutz zur zentralen Aufgabe machen und in unterschiedlichen Verbänden organisiert sind. In Deutschland, Österreich, Spanien und der Schweiz sind beispielsweise derzeit 71 Zoos im Verband der Zoologischen Gärten (VdZ) zusammengeschlossen. Eine Voraussetzung für die Aufnahme in den VdZ ist, dass die Einrichtung von einer Person mit akademischer Ausbildung geleitet wird und sich an modernen Maßstäben der Zoologie, Tiergartenbiologie, Erhaltungszucht und Zoopädagogik orientiert. Der VdZ und seine Mitglieder sind wichtige Partner im Weltverband der Zoos und Aquarien (World Association of Zoos and Aquariums, WAZA), dem weltweit rund 280 Einrichtungen angehören. Wissenschaftlich geführte Zoos bilden jedoch sowohl national als auch international eine Minderheit. Von den mehreren Tausend Zoos der Erde erfüllt nur ein Bruchteil die Kriterien für die Aufnahme in die WAZA. Auch der Europäische Verband der Zoos und Aquarien (EAZA) hat strenge Aufnahmekriterien, die denen der WAZA und des VdZ sehr ähnlich sind.
Diese Verbände und ihre Mitglieder agieren auf der Grundlage zweier wichtiger Dokumente. Dies ist zum einen die 2015 überarbeitete Naturschutzstrategie der WAZA-Zoos
Zucht bedrohter Arten
In der öffentlichen Wahrnehmung liegt die Bedeutung von Zoos bei der Erhaltung von Tierarten vor allem in deren Haltung und Nachzucht.
Allerdings ist die Wiederansiedlung von im Zoo gezüchteten Individuen eher der glückliche Ausnahmefall. Denn die Voraussetzung dafür ist, dass in den Lebensräumen die Faktoren beseitigt sind, die zum Rückgang geführt hatten. Viele der Arten, die in den Zoos gehalten und gezüchtet werden, dienen daher dem Aufbau sogenannter Reservepopulationen. Sollten sie im Freiland weiter gefährdet werden oder gar aussterben, besteht die Chance, sie wenigstens in menschlicher Obhut zu erhalten. Dies gilt aktuell in besonderem Maße für eine Tierklasse, die lange nicht im Fokus der Zootierhaltung stand: die Amphibien. In vielen Teilen der Erde sind sie durch den sich rasch ausbreitenden Chytridpilz bedroht, dessen Infektionen oft tödlich verlaufen und dem schon eine Reihe von Froscharten zum Opfer gefallen sind. Durch Zuchtstationen, die pilzfrei sind, können gesunde Ersatzpopulationen aufgebaut und nach dem Ende der Epidemie in die Gebiete zurückgebracht werden. Ein herausragendes Beispiel hierfür ist das mountain chicken, eine Froschart der Karibikinseln Dominica und Montserrat, dessen Populationen binnen kürzester Zeit durch den Pilz erheblich dezimiert beziehungsweise ausgelöscht wurden. Nun wird diese Art wie viele andere mit erfolgreichen Zuchtprogrammen in verschiedenen Zoos erhalten. Weltweite Aufmerksamkeit erregte auch die Rettung der Kihansi-Gischtkröte, deren Lebensraum im Sprühnebel des Kihansi-Wasserfalls in Tansania durch einen Staudammbau trockenfiel, womit der Population keine Überlebenschance blieb. 499 Kröten wurden in zwei US-amerikanische Zoos gebracht, wo ihre Anzahl inzwischen auf über 6000 angewachsen ist. Nach Verbesserungsmaßnahmen im ursprünglichen Lebensraum durch Sprinkleranlagen besteht die Hoffnung, dass sich die Art dort wieder etablieren lässt.
Diese wenigen konkreten Beispiele stehen stellvertretend für die weltweit mehr als 1.000 Zuchtprogramme in Zoologischen Gärten, die sich mehrheitlich auf besonders bedrohte Arten konzentrieren. Sie werden auf nationaler und internationaler Ebene innerhalb der Zooverbände und auch zwischen ihnen koordiniert. Zuchtbuchführerinnen und -führer identifizieren mit zum Teil sehr komplexen Computerprogrammen geeignete Individuen aus verschiedenen Zoos, um sie zur Zucht zusammenzuführen. Unter anderem soll mit diesen Programmen die Gefahr von Inzucht weitestgehend ausgeschlossen werden. Gleichzeitig ist es den Zoos wichtig, den Wildtiercharakter ihrer Pfleglinge zu bewahren.
Naturschutz außerhalb des Zoos
Zunehmend hat sich in Zoologischen Gärten die Erkenntnis durchgesetzt, dass es zur Erhaltung der biologischen Vielfalt der Erde nicht ausreicht, bedrohte Tiere zu halten und zu vermehren. Ohne den Schutz der Lebensräume laufen solche Konzepte auf längere Sicht ins Leere. Deshalb engagieren sich Zoos in mittlerweile erheblichem Umfang bei Projekten in den Lebensräumen der Tiere. Mit 350 Millionen US-Dollar jährlich finanzieren sie eigene Vorhaben oder unterstützen konkrete Naturschutzaktivitäten von privaten Naturschutzorganisationen.
Da Zoos in aller Regel regional gut eingebunden sind, unterstützen sie häufig auch Naturschutzmaßnahmen im heimischen Umfeld, etwa beim Schutz von Feuchtgebieten und durch gezielte Aktivitäten für besonders bedrohte Vertreter der lokalen Fauna wie Gelbbauchunken, Mauersegler und Fledermäuse. Neben der Einwerbung von Spenden für diese Zwecke ist eine neue Initiative deutschsprachiger Zoos, über Aufschläge auf Eintrittsgelder – dem "Artenschutzeuro" beziehungsweise (in der Schweiz) "Artenschutzfranken" – Mittel für Geländeprojekte zu akquirieren.
Die Unterstützung von Projekten Dritter erfolgt sowohl materiell als auch vielfach durch Zoopersonal, das temporär zur Mitarbeit entsandt wird. Zwei Beispiele aus deutschen Zoos sind hierfür die Entsendung von Fachleuten zum Aufbau einer Zuchtstation für hochbedrohte Reptilien und Amphibien in Vietnam und veterinärmedizinische Unterstützung bei der Untersuchung für die Gründe des Massensterbens von Saigaantilopen in Kasachstan. Ähnlich wie bei den Zuchtprojekten ist dabei die Kooperation zwischen Zoos sowie mit Universitäten und privaten Organisationen durchaus üblich. Die VdZ-Zoos engagieren sich beispielsweise derzeit pro Jahr in 61 Ländern mit Personal, Expertenwissen, Sachspenden und finanzieren mit knapp acht Millionen Euro 170 nationale und internationale Natur- und Artenschutzprojekte unterschiedlichster Ausprägung.
Forschung
Zoos bieten zudem hervorragende Möglichkeiten zur wissenschaftlichen Beobachtung von und Untersuchungen an Zootieren. Dabei geht es bei Weitem nicht nur um die Erfassung der Zootierbiologie oder um Fragen von rein wissenschaftlichem Interesse, sondern auch um Vorhaben, die im Freiland kaum gemacht werden könnten und die für Schutzmaßnahmen vor Ort hilfreich oder gar unerlässlich sein können. Sie reichen von der Verhaltensforschung bis hin zu reproduktionsbiologischen, genetischen und physiologischen Fragestellungen sowie veterinärmedizinischen Problemen. Ein erheblicher Teil des Wissens über Wildtiere stammt aus solchen Forschungsarbeiten. Zoos, Universitäten und andere Forschungseinrichtungen sind hier wechselseitig profitierende Partner. Zwischen den Jahren 2008 und 2018 wurden allein mithilfe von VdZ-Zoos über 1.500 wissenschaftliche Studien realisiert und veröffentlicht. Alljährlich kommen derzeit rund 200 weitere Publikationen hinzu.
Umweltbildung
Die vielleicht größte Breitenwirkung im Naturschutz erreichen Zoos mit Angeboten der Fortbildung und zur Sensibilisierung ihrer Gäste. Allein die VdZ-Zoos verzeichneten 2019 45,3 Millionen Besucherinnen und Besucher. Selbstverständlich sind nicht alle daran interessiert, etwas über Tiere und Naturschutz zu erfahren, sondern es kommen auch jene, die sich dort lediglich erholen wollen. Dies zu ermöglichen, ist auch eine der Aufgaben der Zoos. Immerhin 88 Prozent aller VdZ-Zoos haben jedoch auch eine Zooschule und bieten insgesamt 171.000 Bildungsangebote an, an denen pro Jahr 1,3 Millionen Menschen teilnehmen. Eine Besonderheit dabei ist, dass Zoos weitere Kreise der Bevölkerung erreichen als Museen, Hochschulen und ähnliche Einrichtungen. Sie sind ein Treffpunkt für Menschen aller gesellschaftlichen Schichten, Religionen, Altersklassen, Bildungsstände und Nationalitäten und somit prädestiniert für breitenwirksame Aufklärungs- und Bildungsarbeit zum Naturschutz. Dass dies auch explizit erwünscht ist, geht aus der Forsa-Studie "Die Deutschen und ihre Zoos" hervor, die der VdZ in Auftrag gab, um die Wirkung der Zoos in der Öffentlichkeit zu erfassen. So begrüßten 89 Prozent der Befragten die Möglichkeit, mehr über verschiedene Tierarten zu lernen und sich weiterzubilden. Rund drei Viertel gaben an, der Zoobesuch habe ihre Wertschätzung für Tiere und die Natur vergrößert.
Folgerichtig setzen wissenschaftlich geführte Zoos immer stärker darauf, ihre Bildungsangebote auszubauen und dabei auch Informationen zu vermitteln, was jeder Einzelne konkret zur Erhaltung von Tierarten, Natur und Umwelt beitragen kann.
Ausblick
Angesichts des sich weltweit verschlechternden Zustandes der Natur nehmen Zoos umfassende Aufgaben zur Arterhaltung und Umweltbildung wahr. Die Zeit von Zoos als Stätten, die nur der Zurschaustellung von Tieren und der Unterhaltung der Besucherinnen und Besucher dienen, sind für wissenschaftlich geführte Zoos seit Langem vorbei. Die weltweiten Bemühungen konnten den Rückgang der Biodiversität bisher nicht aufhalten, und mit der zunehmenden Verstädterung und Entfremdung der Menschen von der Natur wird die Bedeutung von Zoos als Zentren des Artenschutzes weiter zunehmen. Die Zootiere fungieren als Botschafter für ihre wildlebenden Artgenossen. Zoos wirken als Brückenbauer zwischen den wildlebenden Tieren und den Besucherinnen und Besuchern. So vermitteln Zoos Wissen und Bewusstsein über den Zustand und die Gefährdung der Natur und insbesondere über die konkreten Möglichkeiten jedes Einzelnen, einen Beitrag zum Natur- und Artenschutz zu leisten.