Wie könnten sich Bürger*innen in stärkerem Maße an politischen Prozessen beteiligen? Diese Frage ist ein Dauerthema in modernen Demokratien. Demokratie, so lautet ein häufig vorgebrachtes Argument, bedeutet nicht allein, Verantwortung und Entscheidungsgewalt zu delegieren, sondern Demokratie bedeutet ebenfalls, mitzureden, mitzugestalten und mitzuentscheiden. Gleichzeitig erfordern politische Entscheidungen in Bezug auf viele aktuelle Fragen und Probleme – etwa im Falle der Klimakrise oder der Covid-19-Pandemie – Informationen und Analysen aus der wissenschaftlichen Forschung und damit verbundene Beratung durch wissenschaftliche Expert*innen. Normativ gesprochen, sollten Entscheidungen in modernen Demokratien sowohl rational begründet (unter anderem durch wissenschaftlichen Input) als auch demokratisch legitimiert (unter anderem durch möglichst breite Beteiligung) sein.
Aber können diese beiden Anforderungen – rationale Begründung und demokratische Legitimität – zugleich erfüllt werden? Wir nehmen im Folgenden an, dass sogenannte pragmatische oder deliberative Modelle der Interaktion zwischen Politik und Wissenschaft eine überzeugende, positive Antwort anbieten. Solche Modelle sehen eine diskursive Begegnung (Deliberation) unterschiedlicher Gruppen von Expert*innen, Politiker*innen und Bürger*innen vor, die an politischen Entscheidungen beteiligt sein sollten.
Im Folgenden diskutieren wir ein Problem, das sich im Rahmen von pragmatischen Modellen stellt: das Problem der epistemischen Asymmetrie. Wissenschaftliches Wissen ist Expert*innenwissen – ein Wissen, das auf hochgradiger Arbeitsteilung und einer damit einhergehenden Spezialisierung unter Forschenden beruht. Die meisten Bürger*innen verfügen jedoch darüber nicht oder nur in sehr geringem Umfang. Aus diesem Grund gibt es eine epistemische Asymmetrie (eine Wissenslücke) zwischen Expert*innen und Bürger*innen.
Wissenschaftskompetenz von und für Bürger*innen
Um epistemische Asymmetrien auszugleichen und mehr Beteiligung an demokratischen Prozessen zu ermöglichen, sollten Bürger*innen einen verlässlichen Zugang zu politikrelevanten wissenschaftlichen Informationen bekommen. Wir glauben, dass dies durch gezielte Wissenschaftskommunikation umgesetzt werden kann. Mit anderen Worten: Durch verbesserte Wissenschaftskommunikation sollen Bürger*innen Wissenschaftskompetenz erwerben können. Wissenschaftskompetenz – wie wir sie verstehen wollen – umfasst ein Verständnis von zumindest zwei Arten von Informationen:
Ergebnisinformationen: Informationen über wissenschaftliche Forschungsergebnisse;
Begründungsinformationen: Informationen darüber, wie Forschungsergebnisse begründet werden.
Ergebnisinformationen werden regelmäßig an Bürger*innen vermittelt, zum Beispiel die Ergebnisinformation, dass menschengemachter CO2-Ausstoß die globale Erwärmung verursacht. Dies trifft jedoch nicht – oder zumindest in geringerem Maße – auf Begründungsinformationen zu. Wissenschaftskommunikation besteht oft lediglich aus der Mitteilung von Ergebnisinformationen und vernachlässigt die Vermittlung von Argumenten und Begründungen, die für diese Ergebnisse sprechen. Wir halten dies in demokratisch verfassten Entscheidungssituationen für einen Missstand, denn gerade in solchen Situationen sollten Bürger*innen Gründe nachvollziehen können. Begründungsinformationen sollten Bürger*innen vermittelt werden, weil sich viele öffentliche Debatten über Wissenschaft im politischen Raum an der Frage entzünden, wie gut wissenschaftliche Forschungsergebnisse begründet sind. Wie Forschungsergebnisse begründet werden, wird sowohl in den Wissenschaften selbst (etwa in Form von innerwissenschaftlichen Methodenreflexionen, aber auch in Form von Sachstandsberichten) als auch in der Wissenschaftsforschung (das heißt in der Wissenschaftsgeschichte, -philosophie und -soziologie) systematisch untersucht. Wir werden uns im Folgenden auf die Perspektive der Wissenschaftsforschung – insbesondere der Wissenschaftsphilosophie – beschränken.
Wir glauben, dass die Informationen darüber, warum und wie empirische Evidenz, Konsens, Expertise und "nicht-epistemische" Interessen eine besonders zentrale Rolle bei der Begründung von Forschungsergebnissen spielen, von großer Relevanz für Bürger*innen sind.
Empirische Evidenz
"Empirische Evidenz" nimmt einen zentralen Platz bei der Begründung von Forschungsergebnissen ein. Aber was genau ist darunter zu verstehen?
Nehmen wir an, dass eine Person Covid-19-Symptome hat und einen Antigen-Test macht, dessen Ergebnis negativ ist. Was bedeutet dieses negative Testergebnis? Es ist empirische Evidenz dafür, das heißt ein empirischer (durch Beobachtung und Messung erlangter) Hinweis darauf, dass diese Person nicht erkrankt ist. Das heißt, das Testergebnis stützt die Aussage empirisch, dass die Person nicht erkrankt ist. Doch hier ist Vorsicht geboten: Kein Testverfahren ist hundertprozentig zuverlässig. Nehmen wir an, dass das angewendete Testverfahren in 90 von 100 Fällen ein korrektes Ergebnis liefert (hier: das Testergebnis ist "negativ" und die getestete Person ist tatsächlich nicht krank). Das kann für die betreffende Person bedeuten, dass sie zu den zehn Prozent der Leute gehört, bei denen der Test das falsche Ergebnis liefert (in diesem Fall: das Testergebnis ist "negativ", aber die getestete Person ist dennoch krank). Dieser Umstand kann konkrete Auswirkungen auf das Handeln der getesteten Person haben: Wenn ihr Testergebnis negativ ist und ihr beispielsweise sehr viel daran liegt, ihre Eltern nicht anzustecken, kann es durchaus rational sein, die Eltern trotz des negativen Testresultats nicht sofort zu besuchen. Warum? Weil das Risiko besteht, dass die getestete Person unter die zehn Prozent der Leute fällt, bei denen der Test das falsche Ergebnis geliefert hat. Sie könnte stattdessen noch einen zweiten Test (unter Umständen einen zuverlässigeren PCR-Test) machen oder abwarten, bis die Symptome vollständig abgeklungen sind.
Wir haben in diesem fiktiven Beispiel angenommen, dass ein negatives Testergebnis die Aussage, dass eine bestimmte Person nicht erkrankt ist, empirisch stützt. Stützung durch Evidenz ist graduell. Dies kann beispielsweise so aussehen: In der Forschung gewonnene Daten sind Evidenz, die bestimmte Hypothesen stützen (wie die Beispiel-Hypothese, dass eine bestimmte Person nicht krank ist, aber auch Hypothesen über die Ursachen der Klimakrise oder über Infektionswege bei Covid-19). Evidenz kann eine Hypothese sehr gut, gut, weniger gut oder auch gar nicht stützen. Außerdem muss der Stärkegrad der Stützung nicht stabil bleiben. Die Datenlage kann sich ändern, und sie tut es häufig auch. In der Regel gewinnen Wissenschaftler*innen neue und überraschende Daten. Dies setzt einen rationalen Lernprozess in Gang, der folgende Form annehmen kann: Eine Hypothese, die gestern weniger gut durch die Daten gestützt war, ist heute – bei neuer Datenlage – sehr gut gestützt. In verschiedenen Wissenschaften wird Stützung durch empirische Evidenz – einschließlich des beschriebenen rationalen Lernprozesses – meist mit statistischen und wahrscheinlichkeitstheoretischen Begriffen präziser gefasst.
Konsens
Ein weiterer wichtiger Typ von Begründungsinformationen betrifft Konsens in den Wissenschaften. Beispielweise wird in politischen Debatten auf einen starken Konsens in den Klimawissenschaften verwiesen, um klimawissenschaftliche Forschungsergebnisse als besonders gut begründet auszuweisen. Aber was genau ist Konsens? Und welche Rolle spielt Konsens, wenn es darum geht, Forschungsergebnisse zu begründen?
Wissenschaftlicher Konsens wird typischerweise in sogenannten Sachstandsberichten zum Ausdruck gebracht. Das prominenteste Beispiel sind die Sachstandsberichte des Weltklimarates. Leitlinien für Krankheiten bilden eine weitere umfangreiche Klasse von Beispielen. Eine wichtige Funktion solcher Sachstandsberichte besteht darin, die veröffentlichten Ergebnisse von vielen verschiedenen Forschungsprojekten zu einem bestimmten Themenbereich zusammenzufassen und zu interpretieren (beispielsweise Forschungsergebnisse zu den Ursachen der Klimakrise oder des Long-Covid-Syndroms). Dies geschieht mit dem Ziel, verschiedene Personengruppen über den komplexen Forschungsstand übersichtlich zu informieren. Solche Gruppen umfassen Wissenschaftler*innen, aber auch nicht-wissenschaftliche Gruppen wie politische Entscheidungsträger*innen, Unternehmer*innen, behandelnde Ärzt*innen, Betroffene, Angehörige und manchmal auch alle Bürger*innen.
Sachstandsberichte fassen Forschung zusammen und interpretieren diese, das heißt, sie sollen die Frage beantworten, wie stark die gesamte, zum gegenwärtigen Zeitpunkt verfügbare empirische Evidenz, die meist durch eine große Zahl von Einzelstudien gewonnen wurde, bestimmte Hypothesen stützt. Eine Antwort auf diese Frage kann, je nach Art des Sachstandsberichts, unterschiedlich ausfallen. Zum Beispiel kann ein Bericht darüber informieren, dass ein bestimmter Anteil von Einzelstudien (etwa 87 von 100 Einzelstudien) eine fragliche Hypothese stützt. Es kann aber auch differenzierter informiert werden, etwa indem aufgeschlüsselt wird, wie stark ein bestimmter Anteil von Einzelstudien eine Hypothese stützt. Der Begriff "Konsens" ist ein theoretisches Werkzeug, um genau diese Zusammenhänge präzise zu beschreiben.
Konsens ist, genau wie Evidenz, kein absoluter, sondern ein gradueller Begriff. Konsens kann mehr oder weniger umfassend (weil es mehr oder weniger Einzelstudien geben kann, die Evidenz für eine Hypothese darstellen) und mehr oder weniger stark sein (weil mehr oder weniger dieser Einzelstudien eine Hypothese stark stützen). Konsens bedeutet daher auch nicht Einstimmigkeit, denn er erfordert nicht unbedingt, dass alle Einzelstudien eine Hypothese (mit einem bestimmte Stärkegrad) stützen. Der in den Wissenschaften verwendete Konsensbegriff erlaubt es, dass beispielsweise eine Mehrheit von Einzelstudien eine Hypothese stützt. Das hat eine wichtige Konsequenz: Auch wenn es eine oder sogar mehrere Einzelstudien gibt, die eine Hypothese nicht stützen, kann es dennoch einen Konsens in Bezug auf diese Hypothese geben.
Expertise
Eine weitere Begründungsinformation betrifft die Zuschreibung von wissenschaftlicher Expertise selbst. Wer kann und darf Begründungsinformationen (und Ergebnisinformationen) aus den Wissenschaften glaubwürdig und kompetent an Bürger*innen vermitteln? Und wer ist hinreichend qualifiziert, die oben beschriebenen Sachstandsberichte mit zu verfassen? "Expert*innen", lautet eine einschlägige Antwort auf die aufgeworfenen Fragen. Aber diese Antwort zieht neue Fragen nach sich.
Wer hat Expertise zu einem bestimmten Thema? Was ist Expertise? Und wie kann Bürger*innen kommuniziert werden, dass eine Person, die sich in der Öffentlichkeit zu einem Thema äußert, über relevante wissenschaftliche Kompetenz dazu verfügt? Diese Fragen stellen sich beispielsweise in Bezug auf Wissenschaftler*innen, die von einem Parlament oder einem Ministerium aufgrund ihrer Expertise zur Politikberatung herangezogen werden. Und diese Fragen stellen sich täglich in der Praxis, wenn sich Personen als Expert*innen in verschiedenen Medien, etwa zur Klima- oder Corona-Krise, äußern.
Bürger*innen könnten sich aufgrund des Problems der epistemischen Asymmetrie zum Beispiel die folgende Frage stellen: Wer sollte als wissenschaftliche Expert*in für Klimafragen gelten? Wer ist für Klimafragen kompetenter als eine x-beliebige Person? Wie könnte ein Kriterium für diese Art von Expertise aussehen?
Stellen wir uns einen konkreten Fall vor, um ein plausibles Kriterium dafür zu veranschaulichen. Ist eine bestimmte Person eine Expertin im Bereich der Klimawissenschaften? Nehmen wir an, wir erfahren Folgendes über die fragliche Person: Sie forscht seit 15 Jahren aktiv im Bereich der Klimawissenschaften und hat sowohl zwei Bücher bei einschlägigen wissenschaftlichen Verlagen als auch mehr als 50 Aufsätze in anerkannten Fachzeitschriften der Klimawissenschaften veröffentlicht. Wir erfahren zudem, dass ihre Bücher und Aufsätze große Anerkennung in der klimawissenschaftlichen Community genießen, was sich unter anderem darin niederschlägt, dass die Wissenschaftlerin von ihren Fachkolleg*innen oft konstruktiv zitiert und als Hauptrednerin zu Fachkonferenzen eingeladen wird. Mit anderen Worten: Es gibt Hinweise darauf, dass die Wissenschaftlerin seit Jahren kontinuierlich und produktiv zur Forschung in den Klimawissenschaften beiträgt.
Der Hinweis auf einen solchen Forschungsbeitrag ist ein Kriterium für Expertise.
Es mag weitere hinreichende Kriterien für Expertise geben, aber es geht uns an dieser Stelle nicht um eine erschöpfende Darstellung solcher Kriterien, sondern darum, zu veranschaulichen, dass es überhaupt Kriterien für Expertise gibt, die Bürger*innen durch Wissenschaftskommunikation vermittelt werden können.
Wissenschaftskommunikation sollte solche Kriterien für Expertise transparent vermitteln, weil diese Kriterien einen wichtigen Hinweis auf die Zuverlässigkeit von wissenschaftlichen Informationen darstellen. Wenn wissenschaftskompetente Bürger*innen eine Person als Expert*in für Klimafragen einstufen, dann sollte dieser Umstand dazu führen, dass Bürger*innen die Aussagen dieser Person zum Klima für zuverlässiger halten als die Aussagen einer anderen Person, bei der es keinerlei Hinweis auf Expertise in Klimafragen gibt.
Nicht-epistemische Interessen und strategischer Wissenschaftsskeptizismus
Gerade in politischen Entscheidungssituationen kann es eine höchst relevante Begründungsinformation sein, ob und wie wissenschaftliche Forschung und Diskussionen über Wissenschaft durch "nicht-epistemische" politische oder wirtschaftliche Interessen geleitet werden. Dies ist insbesondere dann relevant, wenn der Einfluss von Interessen illegitim ist und dazu führt, dass Forschungsergebnisse und deren Begründung untergraben werden. Zwar scheint es durchaus akzeptabel, dass politische und wirtschaftliche Interessen auch in der Wissenschaft eine legitime und wünschenswerte Rolle spielen (etwa bei der Auswahl und Förderung von Forschungsthemen und bei der Bewertung von Risiken, die mit der Forschung und deren Anwendung verbunden sind).
Die illegitime Rolle von Interessen lässt sich gut am Beispiel des strategischen Wissenschaftsskeptizismus veranschaulichen.
Wissenschaftsskeptiker*innen treffen damit eine falsche oder zumindest irreführende Aussage darüber, wie die wissenschaftliche Begründung von Forschungsergebnissen tatsächlich funktioniert. Denn Beweise für die absolute, unbezweifelbare Sicherheit von Forschungsergebnissen zu liefern, ist keine Aufgabe der Klimawissenschaften und anderer empirischer Wissenschaften.
Nicht-epistemische Interessen spielen hier eine illegitime Rolle, weil sie dazu führen, dass strategische Wissenschaftsskeptiker*innen solche falschen oder irreführenden Aussagen treffen. Dies wird deutlich, wenn man sich klarmacht, dass Wissenschaftsskeptiker*innen ein strategisches Ziel erreichen wollen. Es geht ihnen beispielsweise darum, Klimaschutzmaßnahmen zu verhindern, deren Umsetzung den wirtschaftlichen Interessen der Industrie zuwiderlaufen würde. Das heißt, es geht Wissenschaftsskeptiker*innen nicht darum, die Wissenschaft durch Kritik zu verbessern, sondern darum, politische und wirtschaftliche Ziele zu erreichen.
Wissenschaftskompetenz erwerben
Nicht zuletzt die Ergebnisse des Eurobarometers 2021, das im Auftrag der Europäischen Kommission die Einstellungen der Bürger*innen zu Wissenschaft und Technologie in 38 europäischen Ländern analysierte, haben gezeigt, dass Interaktionen zwischen Wissenschaft und Gesellschaft verbessert und intensiviert werden müssen. Sie dokumentieren ein – freilich länderweise höchst ungleich verteiltes – Defizit an Wissenschaftskompetenz in der Bevölkerung.
Doch auch ältere, institutionelle Modelle eines nicht elitär orientierten Dialogs zwischen Wissenschaft und Gesellschaft werden wiederbelebt. Ein Musterbeispiel dafür, wissenschaftliche Expertise Bürger*innen kostenlos und ohne Eintrittshürde zur Verfügung zu stellen, sind die Anfang der 1970er Jahre in den Niederlanden entstandenen Wissenschaftsläden, die bald danach auch in Deutschland und Österreich gegründet wurden. Wissenschaftsläden existieren in unterschiedlichen Organisationsformen – etwa was Anbindung und Nähe zu einer Universität betrifft – und verfolgen oft radikaldemokratische, egalitäre Zielsetzungen. Dabei handelt es sich um nicht auf Gewinn ausgerichtete Einrichtungen, die Gruppen der Zivilgesellschaft oder engagierten Individuen den kostenfreien Zugang zu wissenschaftlichen Informationen ermöglichen
Auch die politische Bildung in ihren unterschiedlichen Anwendungsfeldern (Schule, außerschulische Jugendbildung, Erwachsenenbildung) ist ein Schlüsselbereich der Kommunikation von und über Wissenschaft – nicht zuletzt auch wegen ihres interdisziplinären Charakters. Fragen nach dem Erwerb von Wissenschaftskompetenz und allgemein nach der Vermittlung und Zugänglichkeit wissenschaftlichen Wissens sind zudem demokratiepolitisch höchst relevant. Wissenschaftsorientierung ist folgerichtig auch ein didaktisches Prinzip der politischen Bildung. Sie bedeutet nicht nur, dass sich der Unterricht am Erkenntnisstand der Wissenschaft orientiert und Schüler*innen lernen, "subjektives Glauben und Meinen von rational begründeten Argumenten, die für alle nachvollziehbar sind, zu unterscheiden".
Auch in den vergangenen Jahren verstärkt zum Einsatz kommende deliberative "Mini-Publics" könnten ein institutionelles Setting einer demokratischen Interaktion zwischen Bürger*innen und Expert*innen sein – und zumindest teilweise sind sie es auch schon geworden. Es handelt sich um ein Setting, das Wissenschaftskompetenz zugleich erfordert und befördert. Institutionen, die in diesem Zusammenhang immer wieder genannt werden, sind per Losverfahren zusammengesetzte Bürger*innenräte (Citizens’ Panels/Councils), die in zahlreichen Ländern bereits existieren. Abgesehen von zentralen demokratiepolitischen Fragen (etwa nach dem Auswahlmodus, der Repräsentativität und der politischen Gestaltungsmacht dieser Institutionen), die wir an dieser Stelle außer Acht lassen müssen, können solche Versammlungen auch als ein Modell für die demokratisch gestaltete Kommunikation zwischen Expert*innen und Bürger*innen dienen. Sie gewinnen angesichts epochaler Herausforderungen wie jener der globalen Erderhitzung an Bedeutung.
Ein prominentes Beispiel ist der Klima-Bürger*innenrat in Frankreich, bei dem eine per Losverfahren bestimmte, repräsentativ zusammengesetzte Gruppe aus 150 Menschen Vorschläge erarbeitete, wie Frankreich bis 2030 eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 erreichen kann.
Solch eine kurzfristige und auf einen sehr kleinen Teil der Bevölkerung beschränkte Maßnahme ist mit Sicherheit nicht ausreichend, um von einer "Demokratisierung" der Expertise zu sprechen. Viele prozedurale Probleme – etwa die Frage, wer welche Expert*innen auswählt und wie genau sie in den Beratungsprozess eingebunden werden – wurden durch das französische Beispiel offensichtlich auch noch nicht befriedigend beantwortet.
Fazit
Wir haben das Problem der epistemischen Asymmetrie aufgeworfen, das sich insbesondere für pragmatische oder deliberative Modelle der Interaktion zwischen Wissenschaft und Politik stellt. Als Lösung haben wir vorgeschlagen, dass die Vermittlung von Ergebnis- und Begründungsinformationen dabei helfen kann, epistemische Asymmetrien zu überwinden und Wissenschaftskompetenz zu erzeugen. Erworbene Wissenschaftskompetenz ermächtigt Bürger*innen dazu, besser informierte politische Entscheidungen zu treffen und sich auf diesem Wege neue Möglichkeiten der politischen Beteiligung zu schaffen. Die Vermittlung und der Erwerb von Wissenschaftskompetenz bilden daher zumindest wichtige Schritte, um das Versprechen von pragmatischen Modellen einzulösen, rationale Begründung und demokratische Legitimität miteinander zu verbinden.