Bundestagswahlkampf 1969. Ein großformatiges Plakat zeigt die 1957 errichtete Theodor-Heuss-Brücke in Düsseldorf im Sonnenuntergang – gewissermaßen als gelungene Verbindung von Moderne und Natur. Darüber das Versprechen: "Wir schaffen das moderne Deutschland". Drei kleinere Fotos im Bild symbolisieren Bereiche, für die sich die hier werbende Partei besonders einzusetzen verspricht: Wissenschaft und Forschung, Wirtschaft und Arbeitsplätze, Sportförderung. In der Bildmitte ist ein weiteres größeres Foto angeordnet, der Blick der Betrachtenden wird gezielt darauf gelenkt: Ein junger Mann und eine junge Frau liegen im Grünen, beide lächeln unbeschwert. Hier verheißt die Bildunterschrift "Gerechte Bildungschancen – bessere Zukunft". Wer all dies umsetzen soll, benennt ein großer Schriftzug rechts unten klar und deutlich: "SPD. Wir haben die richtigen Männer."
Diese Spannung zwischen dem Versprechen einer modernen, egalitären Gesellschaft und einem Slogan, der gleichzeitig suggeriert, dass einzig Männer Politik gestalten (können), unterstreicht, worum es im Folgenden gehen soll: um die Rolle von Frauen in den Bundestagswahlkämpfen der frühen Bundesrepublik. Wie wurden sie adressiert? Welche Forderungen nach politischer Repräsentation und auch nach Berücksichtigung von "Frauen-Interessen" erhoben Frauenorganisationen anlässlich der Bundestagswahlen? Wie kommunizierten sie diese? Die Forschung hat sich dieser Fragen bislang kaum angenommen. Obwohl einige Studien zu Wahlen und Wahlkämpfen in der frühen Bundesrepublik existieren, liefern diese eher klassische Politikgeschichte und Analysen von Wählerverhalten oder Wahlkampfkommunikation. Ansätze einer Kulturgeschichte moderner Wahlen und Wahlkämpfe nehmen hingegen eher das 19. Jahrhundert und/oder transnational vergleichende Perspektiven in den Blick. Die bundesdeutsche Wählerin der 1950er und 1960er Jahre fristet hingegen ein Schattendasein – zu Unrecht, wie ich zeigen möchte. Bereits bei Gründung der Bundesrepublik am 23. Mai 1949 war jedoch die Mehrheit der Wahlberechtigten weiblich. Im ersten Bundestagswahlkampf im August 1949 waren etwa 31 Millionen Menschen wahlberechtigt, allerdings schlüsselten die amtlichen Statistiken das Geschlechterverhältnis noch nicht auf. Bis 1965 stieg die Zahl der Wahlberechtigten auf 38,5 Millionen an, zwischen 1953 und 1969 durften konstant 3,2 bis 3,3 Millionen mehr Frauen als Männer ihr Wahlrecht ausüben. Frauen bildeten folglich ein begehrtes Wählerinnenreservoir, konnten sie doch schon rein quantitativ den Ausgang der ersten Bundestagswahlen entscheidend beeinflussen.
Das Grundgesetz hatte ihnen zudem in Artikel 3 Absatz 2 ("Männer und Frauen sind gleichberechtigt") formal gleiche Rechte zugesprochen, was einen konfliktreichen und langwierigen Prozess der Neuaushandlung des Zivilrechts auslöste, das dem Gleichberechtigungsgrundsatz insbesondere im Ehe- und Familienrecht nicht entsprach. Zwar erschienen angesichts von Nationalsozialismus, Völkermord und totaler Kriegsniederlage Frauen zunächst als weniger belastet und zum Aufbau des neuen Staates berufen. Doch wurde das Heft des politischen und gesellschaftlichen Handelns nach und nach wieder in die Hände der Männer gelegt, wie sich auch an den frühen Bundestagswahlkämpfen beobachten lässt. Es blieb weiter den Frauen vorbehalten, für ihre Rechte zu kämpfen. So traten zunächst vor allem weibliche Abgeordnete für Gleichberechtigung und politische Repräsentation von Frauen ein. Später stritt auch die außerparlamentarische Frauenbewegung für Frauenrechte, Lohn für Hausarbeit, körperliche Selbstbestimmung und den Schutz vor geschlechtsbasierter Gewalt.
Plakatwerbung
Bereits im Bundestagswahlkampf 1949 adressierten die großen Parteien Frauen dezidiert in den Plakatkampagnen – auf durchaus widersprüchliche Weise. Während die Sozialdemokraten ihren Wählerinnen 1949 einerseits "Gleiches Recht für Mann und Frau – SPD" zuriefen, warben sie im selben Jahr unter dem Slogan "Mit der SPD für eine freie und bessere Zukunft" mit dem Bild einer jungen Mutter mit Säugling im Arm vor ihrem, in leuchtenden Farben als Wunschbild gezeichneten, Einfamilienhaus – ein Sujet, das sich fast identisch auch bei den konservativen Parteien fand. Ein anderes Bildplakat der SPD bekannte "An der Seite des Mannes ist der Platz der Frau", schob aber – in deutlich reduzierter Schriftgröße – gleich noch als Präzisierung nach: "mit gleichem Recht und gleicher Verantwortung vor unseren Kindern, unserem Volk und der Menschheit". Bei der CDU/CSU-Fraktion fand sich gleichfalls prominent der Appell an die Wählerin als Mutter – nicht aber der Verweis auf gleiche Rechte. So warben die Christdemokraten 1949 mit dem Slogan "Frauen – habt Vertrauen! Wählt Union – CDU" und zeigten dazu einen kolorierten Linolschnitt einer jungen Mutter mit Säugling. Auch die alleinstehende christliche Frau wurde adressiert – um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass, bedingt durch die hohen Kriegsverluste, viele Frauen verwitwet waren oder unverheiratet blieben. Schließlich verwies die CDU mehrfach auf ihre wirtschaftlichen Erfolge, die es der Hausfrau und Mutter nach dem Elend von Krieg, Flucht und Hunger nun wieder gestatteten, gefüllte Einkaufskörbe nach Hause zu tragen und ihre Kinder satt zu machen.
Vier Jahren später, im Bundestagswahlkampf 1953, hatte sich das Aufbau-Pathos weitgehend verflüchtigt, wenngleich die CSU mit einem verhärmten Vertriebenen-Paar und dem Versprechen warb, dieses nicht zu vergessen. Alle Parteien adressierten Frauen nun noch deutlicher in der Familienrolle: Die SPD zeigte eine lachende junge Mutter mit ihrem fröhlichen Kleinkind auf der Schaukel unter dem Zukunftsversprechen "Du und wir … wir wollen (…) eine bessere Zukunft für die deutsche Jugend!" Die CDU fokussierte stark auf ihren Spitzenkandidaten Konrad Adenauer und nutzte den Verweis auf die Familie, um die Wirtschaftspolitik der SPD als Planwirtschaft zu diskreditieren. Die CSU hingegen warb mit einem lachenden Schüler, der bekannte: "Vater und Mutter wählen für mich – CSU". Interessant ist, dass die SPD bereits 1953 einen Vorläufer des "Wir haben die richtigen Männer"-Plakates von 1969 entwarf. Unter dem Slogan "Köpfe der Sozialdemokratie – Männer mit Namen von Klang bürgen für: Wiedervereinigung, Gerechtigkeit, Geistige Freiheit, Sicherheit für alle!" präsentierte sie vierzehn Konterfeis illustrer männlicher Sozialdemokraten, etwa des Parteivorsitzenden Erich Ollenhauer, des Bundestags-Vizepräsidenten Carlo Schmid und des Abgeordneten Herbert Wehner. Dem Konzept der "Mannschaft" blieb die SPD auch in den Folgejahren treu. So warben im Bundestagswahlkampf 1965 Münchner Sozialdemokraten mit einer "Mannschaft für München", die sie nach Bonn bringen wollten.
Die CDU hingegen vollzog im gleichen Wahljahr eine interessante Wendung. Bundeskanzler Ludwig Erhard diskutierte seine umstrittene Idee einer wirtschaftlich durchstrukturierten "formierten Gesellschaft" als Harmonisierung politischer, ökonomischer und sozialer Gegensätze – ohne spezielles Augenmerk auf Frauen. Zugleich zeigte seine Plakatkampagne nebst Fotos des Spitzenkandidaten und Slogans wie "Sicherheit" und "Europa" auch Plakate, die den gesellschaftlichen Wandel und veränderte Geschlechterrollen thematisierten. Das Plakat "Neue Wirklichkeit – CDU" zeigte etwa Eltern, die gemeinsam mit ihren Kindern spielten, und Frauen an der Werkbank. Selbstbewusst verkündete der Text: "Die Gleichstellung der Frau – vor allem im Berufsleben – ist weitestgehend erfüllt." Ein weiteres Wahlplakat adressierte "Frau und Politik" und erklärte, dass "Politik (…) keineswegs ausschließlich Männersache" sei. Bei der SPD dominierte hingegen eine stark auf den Spitzenkandidaten Willy Brandt und weitere prominente Politiker wie Gustav Heinemann ausgerichtete Bildwerbung, verknüpft mit den Themen "Einheit" und "Sicherheit". Frauen- oder Gleichstellungsbelange tauchten optisch nicht auf. Das änderte sich auch im Bundestagswahlkampf 1969 nur graduell. Nun ging es um die moderne Gesellschaft und den modernen Menschen als Wähler, Willy Brandt als medienaffinen Spitzenkandidaten und eben "die richtigen Männer". Wählerinnen hatten in der Bildwerbung dagegen eher dekorative Funktion. Bei der CDU wurde die "neue Wirklichkeit" des Jahres 1965 und die damit verbundene Aufgeschlossenheit gegenüber Frauen als gesellschaftlichen und politischen Akteurinnen durch einen eher klassischen Kanzlerwahlkampf ersetzt. Die FDP schließlich plakatierte Wechsel-Appelle in schwarz-weiß und verzichtete weitgehend auf Bildwerbung.
Im Zeitverlauf zeigt sich also ein Wandel von einer Adressierung der Frauen als Mütter und Kriegsopfer – wobei nur die SPD die Gleichberechtigung erwähnte – zur Betonung ihrer Familienverantwortung. Mitte der 1960er Jahre brachte vor allem die CDU das Gleichstellungsversprechen auf bewusst modern anmutende Plakate, bevor 1969 wieder der Fokus auf die (männlichen) Spitzenkandidaten dominierte. Bei der SPD lag seit 1953 das Hauptaugenmerk auf der "Mannschaft" fähiger Politiker bis Willy Brandts Kampagne 1969 dies noch einmal zuspitzte. Von einem linearen Wandel zur gleichberechtigten Ansprache auch der Wählerinnen kann somit in der Plakatwerbung der 1950er und 1960er Jahre keine Rede sein.
Partei- und Wahlprogramme
Die Grundsatzprogramme der CDU/CSU und der Liberalen waren – nach einer anfänglichen Anerkennung der weiblichen Arbeitsleistung und basaler Gleichstellungsprinzipien Ende der 1940er Jahre – zunächst eher von Re-Familiarisierung und Nicht-Thematisierung von Gleichstellungsanliegen geprägt, bevor ab Ende der 1960er Jahre das Thema "Frau und Gesellschaft" vorsichtig neu gedacht wurde. Lediglich die SPD stach hier hervor, da sie sich schon im Godesberger Programm von 1959 klar zur Gleichberechtigung der Frau bekannte, dies jedoch durch Verweis auf die "psychologischen und biologischen Eigenarten der Frau" wieder ein Stück weit zurücknahm.
In den Bundestagswahlprogrammen von 1949 bis 1969 bildet sich dieser Trend noch deutlicher ab, besonders bei der CDU: Nach den stark auf (Frauen-)Arbeit fokussierten "Düsseldorfer Leitsätzen" von 1949 versprach das Programm der CDU zur Bundestagswahl 1953, die "natürliche Ordnung der Familie und Ehe" auch bei der bevorstehenden "Anpassung des Familienrechts an die von uns bejahte Gleichberechtigung von Mann und Frau" als "Ausgangspunkt und Richtschnur" zu behandeln – ein Widerspruch in sich. Zwei kurze Manifeste der CDU aus den Jahren 1957 und 1961 favorisierten dagegen wieder stärker den Schutz der Familie. 1965 beschrieb sich die CDU in der "Düsseldorfer Erklärung" dann als "die moderne Partei einer modernen Gesellschaft" und setzte im Wahlkampf auf die erwähnte modern gestaltete Plakatkampagne. Anders als die Plakate adressierte die Erklärung jedoch weder Frauen noch Gleichberechtigungsanliegen direkt, sondern bediente die klassischen Topoi von Einheit, historischer Verantwortung, wirtschaftlicher Entwicklung und Stabilität. Vier Jahre später legte die CDU ein ausführliches Wahlprogramm vor, in dem sie sich nicht nur zum Schutz der Familie, sondern auch zur Erwerbsarbeit von Frauen äußerte. Das Versprechen lautete, man werde "Frauen, die vorübergehend aus dem Erwerbsleben ausscheiden, den Übergang erleichtern", insbesondere durch Teilzeitangebote und den Ausbau von Rückkehrmöglichkeiten in den Beruf.
Die CSU adressierte erst 1965 die Frauen direkt: Anstelle eines ausführlichen Wahlprogrammes erschien ein knappes Flugblatt, das die Erfolge der Regierung auflistete und sich ausdrücklich vor allem an die Wählerinnen richtete. Unter dem Foto eines schlafenden Babys, das wiederum in den behütenden Händen einer Erwachsenen ruhte, prangte der Schriftzug: "Sicherheit, Geborgenheit". Der erklärende Text machte deutlich, wem diese Ansprache galt: "Die CSU sichert den Wohlstand, die Freiheit, den Arbeitsplatz für Mann und Frau. Wir Frauen geben auch bei dieser Wahl den Ausschlag: denn wir Frauen stellen 55% der Wähler. An uns liegt es." Seite zwei bilanzierte die Leistungen von CDU und CSU in 16 Jahren Regierungsverantwortung und schloss mit dem Appell: "Wir alle haben unser zerstörtes Haus wieder aufgebaut und weithin in Ordnung gebracht. In diesem wohlbestellten Haus können auch wir Frauen uns sicher und geborgen fühlen." Das Flugblatt ist insofern bemerkenswert, als hier eine wertkonservative Partei Frauen als zentrales Wählerinnenreservoir ansprach und dabei auf Sicherung des Wohlstands, der Freiheit und des Arbeitsplatzes für beide Geschlechter verwies. Auch konzedierte es klar den gesellschaftlichen Wandel: "Die Stellung der Frau hat sich in dieser Zeit gewandelt. Die Gesetzgebung gewährt der Frau durch neue Bildungswege die gleichen beruflichen Chancen wie dem Mann. Die Wirtschaft ist auf die Mitarbeit der Frau angewiesen. Die CDU/CSU wird dafür sorgen, daß die Arbeitsbedingungen für die Frau verbessert werden. Sie sollen dem Wesen der Frau ohne Nachteil für die Familie angepaßt werden." Interessant ist auch, dass die CSU hier trotzdem mit traditionellen Geschlechterstereotypen arbeitete, indem sie das "Wesen der Frau" betonte, Frauen als Mütter ansprach und ihnen (und ihren Kindern) Geborgenheit und Sicherheit verhieß. Das Wahlprogramm 1969 schließlich versprach Frauen "gleiche Berufs- und Aufstiegschancen" durch "strukturelle Verbesserungen der Arbeits- und Berufswelt", aber auch Rücksicht auf die "besonderen Belastungen der Frau".
Bei der FDP dominierte zunächst der Fokus auf die Hausfrau, bevor sich die Partei bereits 1953 für die "beschleunigte Gestaltung des Familienrechts im Sinne einer wahren Lebensgemeinschaft und einer echten Gleichberechtigung gemäß Art. 3 GG" aussprach. Dies war deutlicher als das Lavieren der CDU zwischen Gleichberechtigung und "natürlicher Ordnung" in ihrem Wahlprogramm des gleichen Jahres – hier merkte man die Handschrift der engagierten Kämpferin für Gleichberechtigung und prominenten FDP-Politikerin Marie-Elisabeth Lüders. In den Folgejahren fehlte dieser Aspekt jedoch völlig: Während die Liberalen 1961 auf Steuersenkungen unter Berücksichtigung der "mithelfenden Ehefrau" sowie eine Reform des Bildungswesens setzten, versprach die FDP 1957 zusätzlich zur Förderung der Familie auch, die "sozialen, pädagogischen und landwirtschaftlichen Frauenberufe höher zu bewerten und wirtschaftlich besser zu stellen". 1969 schließlich war der ehemals revolutionäre Gleichstellungsanspruch auf die Forderung nach einer "Hausfrauenrente" zusammengeschmolzen.
Die einzige Partei, die Gleichstellungsforderungen zu Beginn der Bundesrepublik offensiv zum Gegenstand ihrer Wahlprogramme machte, war die SPD – jene Partei also, die dann 1969 mit den "richtigen Männern" warb. Bereits 1949 bekannte die SPD selbstbewusst: "In Bonn haben die Sozialdemokraten zum ersten Mal außer der staatsbürgerlichen Gleichheit der Frau auch ihre rechtliche Gleichstellung auf allen Gebieten des Lebens durchgesetzt." Damit verwiesen sie auf das Insistieren der SPD-Politikerin Elisabeth Selbert im Parlamentarischen Rat, den Gleichberechtigungsartikel ins Grundgesetz aufzunehmen. Zugleich nahm das Wahlprogramm die Frauen in die Pflicht, mit den Sozialdemokraten "für die Befreiung der Kriegsgefangenen, die Rückkehr der Verschleppten und der noch immer zurückgehaltenen Mädchen und Frauen in Sowjetrussland zu kämpfen". Die SPD erkannte zudem klar: "Die Frauen entscheiden den Wahlkampf." Vier Jahre später, 1953, stellte sich die Partei erneut selbstbewusst hinter das Anliegen der Gleichberechtigung und erklärte: "Gleichberechtigung der Frau – keine Schlechterstellung in der Gesellschaft." Zugleich unterstrich sie den besonderen Einsatz der Sozialdemokratie für die Frauen – gewissermaßen von Elisabeth Selbert bis zurück zur Arbeiterbewegung des 19. Jahrhunderts. Lohngleichheit und die "Verwirklichung der zivilrechtlichen Gleichberechtigung" waren wichtige Themen, verbunden mit dem Vorwurf, die Regierung habe diese bewusst verzögert, "weil es weite Kreise gibt, die eine wirkliche Gleichberechtigung der Frau verhindern möchten" – eine durchaus zutreffende Diagnose.
Zugleich versuchte die SPD den Vorwurf zu zerstreuen, sie sei mütter- oder familienfeindlich. So versprach sie einerseits, Mütter kleiner Kinder sollten nicht arbeiten müssen, andererseits aber auch, Frauen zu stützen, die "wie der Mann im Kampf ums Dasein stehen". In den Folgejahren verschwand jedoch das Thema Gleichberechtigung komplett aus den Wahlprogrammen der Partei, zugunsten von Themen wie Familienförderung, "Sicherheit" und "sozialer Gerechtigkeit". Lediglich in ihrem Regierungsprogramm für 1961 versprach die Oppositionspartei, dafür Sorge zu tragen, "daß tüchtige Frauen in der Bundesregierung sind und auch sonst führende Stellungen übernehmen". 1969 dagegen bekannte sich die SPD zu eher klassischen sozialen Themen wie zur "Hausfrauenrente", der Weiterbildung und Qualifikation von Frauen, der Unterstützung beim Wiedereintritt in den Beruf, zu Kindergeld und Ausbildungsförderung. "Gesellschaftspolitische Reformen", wie sie das Programm verhieß, wurden eher finanzpolitisch gedacht, die Familien- und Eherechtsreform oder das Thema der Gleichberechtigung der Geschlechter fanden keine Erwähnung. Stattdessen wurde "der gleichberechtigte Wirtschaftsbürger" in den Mittelpunkt gerückt.
Der Blick in die frühen Bundestagswahlprogramme von CDU/CSU, SPD und FDP zeigt also, dass insbesondere die SPD in den frühen Wahlkämpfen sehr engagiert auf die Gleichstellung von Mann und Frau pochte und Artikel 3 GG als ihre Errungenschaft auswies. Ab Mitte der 1950er Jahre nahmen die Sozialdemokraten das Thema jedoch deutlich zurück, wenngleich das Godesberger Programm die Gleichstellungsforderung nach wie vor hochhielt. Insbesondere das Wahlprogramm von 1969, mit dem Willy Brandt die Wahl gewann, ging aber nicht sonderlich auf Wählerinnen oder die Reform der Geschlechterordnung ein. Auch die anderen Parteien wandten sich nach einem ersten zaghaften Anerkennen der Gleichberechtigungsanliegen ab Mitte der 1950er Jahre anderen Themen zu. Die CSU brauchte gar bis 1965, um Frauen als Wählerinnen explizit und offensiv zu adressieren – dann aber im doppelten Verweis auf ihre "natürliche Rolle" und ihre politische Macht als Wählerinnen. Die zurückhaltende Thematisierung der Gleichberechtigung blieb nicht folgenlos: Der 1969 gewählte Bundestag hatte mit nur 6,6 Prozent weiblichen Abgeordneten die niedrigste Frauenquote seit 1957.
Politische Repräsentation und "Frauen-Interessen"
Zeitgleich, jenseits der Parteien, traten auch Frauenorganisationen für die Adressierung von Gleichstellungsthemen in Bundestagswahlkämpfen ein und überwachten die politische Beteiligung von Frauen in Regierung, öffentlicher Verwaltung und Diplomatischem Dienst, wie sich an der politischen Monatszeitschrift "Informationen für die Frau" nachvollziehen lässt. Diese wurde ab 1952 mit Finanzierung des Bundesinnenministeriums herausgegeben, verstand sich aber als überparteiliches Informationsforum in allen politischen Belangen, die Frauen betrafen. Hier wurden der Prozentsatz weiblicher Repräsentation im Bundestag wie in den Länderparlamenten und Behörden akribisch dokumentiert, für eine weibliche Ministerin auf Bundesebene gestritten, Gesetzesinitiativen wie das Gleichberechtigungsgesetz diskutiert und umfassende Reformen des Zivil- und Strafrechts gefordert und erläutert. Herausgeberin war der Dachverband der Frauenorganisationen in der Bundesrepublik, zunächst unter dem sperrigen Namen "Informationsdienst für Frauenfragen", ab 1969 dann als "Deutscher Frauenrat". Diesem gehörten 1962 insgesamt 81 Frauenorganisationen an, die in den 1950er und 1960er Jahren etwa sechs Millionen Mitglieder vertraten.
Bereits während der Wahlen zum Bundestag 1953 und 1957 und der anschließenden Regierungsbildung kämpften die Frauenorganisationen bei Kanzler und Parteispitzen für mehr Repräsentation von Frauen. Als Adenauer im Oktober 1953 zur Bildung seines zweiten Kabinetts schritt, schickten sämtliche Frauenorganisationen Telegramme und forderten ihn zur besseren Berücksichtigung von Frauen auf. "Informationen für die Frau" druckte die Interventionen im Anschluss ab: Während ein Großteil der Organisationen für mehr Frauen in der Regierung plädierten, sprachen sich andere für ein Familienministerium aus, so etwa der Deutsche Akademikerinnenbund, der Deutsche Frauenring und die Evangelische Frauenarbeit. Zwar richtete Adenauer ein solches Ministerium tatsächlich ein, berief jedoch den ultra-konservativen Katholiken Franz-Josef Wuermeling zum Minister – und verweigerte den Frauen auch sonst eine Beteiligung an der Regierung.
Vier Jahre später, 1957, erhöhten Parlamentarierinnen und Frauenorganisationen den Druck und wurden schon während des Wahlkampfs im Juni 1957 mit der Bitte vorstellig, "in der neuen Regierung Frauen vertreten zu sehen". Aber Adenauer verweigerte sich weiterhin, sodass die Frauenverbände mit weiteren Schreiben intervenierten und im September 1957 erklärten: "Einmütig und eindeutig erklären wir, daß wir es für nicht vertretbar halten, wenn den Frauen auch jetzt wieder die Mitwirkung an der Regierung vorenthalten wird. Wir fordern daher nachdrücklich, daß zumindest eine Frau ein echtes Ressort erhält." Einen Monat später warnten sie ihn, dass er Gefahr liefe, die Frauen und speziell die Frauenverbände durch "Nichtachtung ihres staatsbürgerlichen Bemühens und des Einsatzes der Frauen aus allen Kreisen der Bevölkerung" endgültig zu verprellen. Zudem fürchteten sie "eine starke Gefährdung der Bereitschaft zur weiteren staatsbürgerlichen Betätigung". Auch der Bundesfrauenausschuss der CDU unter Polit-Veteranin Helene Weber und die "Arbeitsgemeinschaft der überkonfessionellen und überparteilichen Frauenorganisationen Deutschlands" legten nach und sandten noch Ende Oktober Telegramme, um Adenauer zum Einlenken zu bewegen. Auch sie argumentierten mit der absehbaren Enttäuschung der Frauen und ihrer möglichen Abkehr von der Demokratie und verwiesen darauf, "dass die weiblichen Wähler das Wahlergebnis maßgeblich bestimmt haben". Adenauer jedoch blieb hart und verweigerte die Berufung einer Ministerin, wobei er die Beantwortung der zahlreichen Eingaben der Frauenorganisationen seinem Unterstaatssekretär überließ, der eine kühle und nichtssagende Ablehnung formulierte.
Bei der nächsten Bundestagswahl im Jahr 1961 organisierten sich die Frauenverbände noch besser und machten die Forderung nach mehr politischer Partizipation und Repräsentation von Frauen zu zentralen Wahlkampfanliegen. Beispielsweise organisierte der Deutsche Frauenring, der in vielen Bundesländern über Landes- und Ortsverbände verfügte, eine großangelegte Aktion zum Thema "Mitverantwortung und Meinungsbildung der Frau – Bundestagswahl 1961". Zahlreiche Tagungen wurden durchgeführt, Sachverständige und Kandidat:innen befragt.
Nach der Wahl insistierte der Informationsdienst für Frauenfragen im Namen seiner sechs Millionen Mitglieder auf der Ernennung einer Ministerin, und CDU-Frauen unter der Führung Helene Webers veranstalteten das erste politisch motivierte Sit-in in der Geschichte der Bundesrepublik – vor den Türen des Bundeskanzleramts. Zugleich wehrten sich die Verbände gegen den Plan eines eigenen "Frauenministeriums" in weiblicher Hand, da sie darin eine Marginalisierung ihrer Forderung nach politischer Repräsentation sahen. Diesmal beugte sich Adenauer dem Druck und ernannte die Juristin und CDU-Politikerin Elisabeth Schwarzhaupt zur Gesundheitsministerin – wobei er bezeichnenderweise lieber ein neues Ministerium schuf, anstatt eine Frau mit der Leitung eines etablierten Ressorts zu betrauen. Zur Bundestagswahl 1965 traten die Frauenverbände dann noch selbstbewusster auf: Die Vorsitzende des Informationsdienstes für Frauenfragen ließ alle Parteivorsitzenden und die Vorsitzenden der Bundesfrauenausschüsse bereits Ende 1964 wissen, dass die Frauen erwarteten, "daß Frauen in ausreichendem Maße auf den Landeslisten aufgestellt werden" und künftig "keine Regierung ohne Frauen gebildet wird".
Fazit
Bei der Adressierung von Frauen in Bundestagswahlkämpfen der 1950er und 1960er Jahre zeigt sich eine gleich mehrfache Spannung. Die Analyse der Plakatwerbung offenbart, dass Frauen zunächst als Mütter und Kriegsopfer, dann als Familienverantwortliche adressiert wurden. Ab Mitte der 1960er Jahre versuchte die CDU eine Modernisierung ihrer Kampagne und sprach Frauen als Teil der modernen Gesellschaft an, nahm dies aber schnell zugunsten des klassischen Kanzlerwahlkampfes zurück. Alle Parteien setzten weiterhin auf "die richtigen Männer", eine gleichberechtigte Thematisierung auch der Wählerinnen fand selbst 1969 nicht statt. Insbesondere die SPD agierte widersprüchlich: In ihren Grundsatzpapieren klar und eindeutig für die Gleichberechtigung, richtete die Partei ihre Wahlkämpfe stark auf Männer als politische Akteure aus – unter Nutzung von Slogans, die auch von der konservativen Fraktion hätten stammen können. An den Wahlprogrammen zeigte sich, dass bis 1953 bei allen Parteien die Bereitschaft bestand, die Gleichberechtigung von Frauen anzuerkennen, wobei vor allem die SPD hervorstach. Darauf folgte eine Re-Familiarisierung der Frau in den Wahlprogrammen der 1950er und frühen 1960er Jahre. Erst ab Ende der 1960er setzte sich allmählich ein Fokus auf gesellschaftliche Reformen auch mit Blick auf die Geschlechterordnung durch.
Die Frauenorganisationen wiesen einen hohen Organisationsgrad auf und professionalisierten ihren Kampf für Frauenrechte im Untersuchungszeitraum stetig. Insbesondere die langjährigen Regierungsparteien CDU und CSU nahmen hiervon zunächst wenig Notiz – die erste weibliche Ministerin musste bis 1961 hart erkämpft werden. Wie die Auswertung der "Informationen für die Frau" gezeigt hat, gab es in der Frage der Beteiligung von Frauen jenseits schöner Plakate in der politischen Praxis starke Beharrungskräfte. Zwischen den Forderungen der Frauen nach Gleichberechtigung und der Beteiligung von Frauen am politischen Geschäft durch die großen Parteien bestand bis 1969 eine erhebliche Spannung. Als die SPD im Wahlkampf 1969 die "richtigen Männer" anbot und damit die Wahl gewann, standen in allen Parteien "richtige Frauen" schon längst bereit.