Wenn Streik uns im Alltag begegnet, dann meist als Störung: Die Allgemeinheit bekommt Arbeitsniederlegungen in der Regel nur dann empfindlich zu spüren, wenn in Bereichen der Daseinsvorsorge gestreikt wird, etwa im Verkehrssektor, in Gesundheitseinrichtungen, bei der Müllabfuhr oder in Kindertagesstätten. Niemand ist begeistert, wenn von „Notbetrieb“ oder „Ersatzfahrplan“ die Rede ist. Insbesondere die Lokführerstreiks haben in den vergangenen Jahren für Aufregung gesorgt und die Nerven vieler Bahnreisender strapaziert. Entsprechend zügig folgten die Rufe nach einer Einschränkung des Streikrechts.
Grundlage des Streikrechts in Deutschland ist die grundgesetzlich geschützte Koalitionsfreiheit. Sie versetzt Gewerkschaften in die Lage, in Tarifauseinandersetzungen Druck auf die Arbeitgeber auszuüben, um Forderungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durchzusetzen – etwa nach höheren Löhnen, kürzeren Arbeitszeiten oder besserer sozialer Absicherung. Viele Rechte, die wir heute für selbstverständlich halten, zum Beispiel die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, wurden auf diese Weise hart erkämpft. Ohne das Streikrecht, urteilte das Bundesarbeitsgericht 1980, seien Tarifverhandlungen nicht mehr als „kollektives Betteln“. Kurzum: Streiks sind ein wichtiges Instrument der Tarifautonomie, in die der Staat nicht ohne Weiteres eingreifen kann.
Gleichwohl hat auch das Streikrecht Grenzen. Zum einen müssen Gewerkschaften – ebenso wie Arbeitgeberverbände – auf die „Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen“ ausgerichtet sein. Zum anderen gilt das Ultima-ratio-Prinzip: Streiks sollen immer nur das letzte Mittel sein, wenn auf dem Verhandlungsweg keine Einigung zu erzielen ist. In einer zunehmend fragmentierten Tarifvertragslandschaft mit einer gewachsenen Zahl an Spartengewerkschaften sind Einigungen nicht einfacher geworden. Zugleich aber zeigt sich im Willen zum Kompromiss und zur sozialpartnerschaftlichen Einigung der Wert demokratischer Aushandlung.