Wer auf die deutsche Wirtschafts- und Finanzpolitik der zurückliegenden Jahre blickt, dem kommen fast unvermeidlich zwei für den hiesigen Diskurs typische Figuren in den Sinn: die "schwäbische Hausfrau" und die "Schwarze Null". Um beide scheint es derzeit schlecht bestellt zu sein: Während privaten Haushalten wachsende Verschuldung droht, ist das Ziel eines ausgeglichenen Staatshaushalts angesichts des durch die Corona-Pandemie notwendig gewordenen massiven Anstiegs der öffentlichen Ausgaben in weite Ferne gerückt. Deutschland erlebt in diesem und wohl auch im nächsten Jahr eine Neuverschuldung, die nicht nur die schwäbische Hausfrau unruhig schlafen lassen dürfte.
Nicht wenige Beobachter in Europa dürften diese neue, aus der Not geborene Verschuldungsleidenschaft der deutschen Politik mit Interesse und Erleichterung beobachten – hat Deutschland manchen südeuropäischen Staaten doch bis zuletzt eine teilweise schmerzhafte Austeritätspolitik abverlangt. Selbst die heimische ordoliberale Orthodoxie sieht derzeit offenbar keine Alternative zu einer expansiveren Haushaltspolitik. Die Corona-Krise fordert auch im Bereich der Wirtschaftswissenschaften ihren Tribut.
Gleichwohl bleibt unklar, ob die "Schwarze Null" tatsächlich der Geschichte angehört. Ein ausgeglichener Haushalt bleibt mittelfristig auch angesichts der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse ein wirkmächtiges politisches Ziel. Das Ideal von deutscher Sparsamkeit und ausgeglichenen Haushalten, die Angst vor überbordender Verschuldung und die über viele Jahrzehnte erfolgreiche Politisierung von Sparsamkeit haben den politischen und gesellschaftlichen Diskurs in der Bundesrepublik zutiefst geprägt. Ein Comeback der "Schwarzen Null" ist nicht ausgeschlossen.