In der Schule angekommen?
Zur Schulsituation geflüchteter Kinder und Jugendlicher
Lisa Pagel Laura Schmitz C. Katharina Spieß Ludovica Gambaro
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Mit den 2015 und später nach Deutschland geflüchteten Familien sind auch viele Kinder und Jugendliche im Schulalter eingereist. Obwohl diese Kinder mehrheitlich jünger waren – zumeist unter zehn Jahren –, kamen auch ältere Kinder und Jugendliche vielfach mit einem oder in selteneren Fällen beiden Elternteilen nach Deutschland. So betraf ein Anteil von etwa 10 Prozent aller 2015 und 2016 gestellten Asylerstanträge Kinder und Jugendliche zwischen 11 und 18 Jahren. Wie sieht die schulische Situation dieser Kinder und Jugendlichen aus? Inwiefern identifizieren sie sich mit ihrer Schule? Nutzen sie Hort- oder schulische Ganztagsangebote? Mit solchen Fragen befasst sich dieser Beitrag. Dabei steht die Schulsituation von geflüchteten Kindern und Jugendlichen in "Normalzeiten", das heißt in Zeiten vor der Corona-Pandemie, im Vordergrund.
Vorab lässt sich festhalten: Für Kinder und Jugendliche mit Fluchthintergrund sind schulische Angebote – seien es jene am Vormittag oder am Nachmittag oder über den ganzen Tag, seien es curriculare oder außercurriculare Aktivitäten – von großer Bedeutung. Sie schaffen Gelegenheiten, um die Integration dieser Kinder und Jugendlichen zu befördern, etwa die Möglichkeit, die deutsche Sprache zu sprechen oder zu hören und mit kulturellen Vorstellungen und Werten der deutschen Mehrheitsgesellschaft in Kontakt zu kommen, – zusätzlich dazu, dass schulische Lerninhalte vermittelt werden. Dies ist nicht nur kurzfristig für die Schullaufbahn bedeutsam, sondern auch für den Übergang in eine berufliche Ausbildung oder ein Studium.
Im Folgenden wird beschrieben, inwiefern Kinder und Jugendliche diese Angebote wahrnehmen. Über deren Wirkung auf die Integration liegen unseres Wissens nach noch keine systematischen und repräsentativen Untersuchungen vor. Somit soll mit einer Analyse der Inanspruchnahme verdeutlicht werden, wo bisher Möglichkeiten zur Integration gegeben sind und wo noch weitere Gelegenheiten geschaffen werden müssen. Dabei wird die Situation von geflüchteten Kindern und Jugendlichen mit der von anderen in Deutschland lebenden Gleichaltrigen verglichen: zum einen mit der von Kindern und Jugendlichen mit Migrations-, aber ohne Fluchthintergrund, zum anderen mit der von jenen ohne Migrationshintergrund. Die hier präsentierten Ergebnisse basieren mehrheitlich auf für Deutschland repräsentativen Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP), insbesondere der IAB-SOEP-Migrationsstichproben und der IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten.
Eine Interpretation der Ergebnisse muss einbeziehen, dass die Daten sich auf 2017 bis 2018 beziehen, das heißt, die Geflüchteten waren zum Befragungszeitpunkt mehrheitlich erst zwei bis drei Jahre in Deutschland. Außerdem muss die spezifische Situation dieser Kinder bereits bei der Einreise berücksichtig werden. Sie haben längere Fluchtwege mit ihren Familien hinter sich und häufig traumatische Erfahrungen vor oder während der Flucht gemacht. Viele von ihnen haben für einen längeren Zeitraum keine Schule (mehr) besucht und beginnen in deutschen Schulen häufig während eines bereits laufenden Schuljahres. Ohne Zweifel handelt es sich bei ihnen um eine besonders vulnerable Gruppe. Mit den Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie und insbesondere den Schulschließungen während des "Lockdowns" im Frühjahr 2020 sind für geflüchtete Kinder und Jugendliche schulische Angebote, ebenso wie für andere SchülerInnen, weggefallen. Was dies spezifisch für die geflüchteten Kinder und Jugendlichen bedeutet, wird in diesem Bericht ebenfalls diskutiert, ohne bisher repräsentative Grundlagen zur Hand zu haben.
Vorbereitungsklassen versus Regelklassen
Für geflüchtete Kinder ab dem Alter von sechs Jahren besteht grundsätzlich Schulpflicht. Allerdings unterscheiden sich die entsprechenden Regelungen für AsylbewerberInnen je nach Bundesland, in dem die geflüchteten Kinder leben, sodass es einen Übergangszeitraum von bis zu sechs Monaten geben kann, in dem keine Schulpflicht, sondern höchstens ein Schulbesuchsrecht eingeräumt wird.
Da viele Geflüchtete bereits unterbrochene Bildungsbiografien haben, ist es empfehlenswert, sie schnellstmöglich in das deutsche Bildungssystem aufzunehmen. Dies wird über verschiedene schulorganisatorische Modelle versucht: Neben der sofortigen Beschulung in Regelklassen (idealerweise mit zusätzlicher Sprachförderung), werden viele neu zugewanderte SchülerInnen zunächst ganz oder teilweise in Vorbereitungsklassen unterrichtet. Diese Klassen mit regional unterschiedlichen Namen sollen neu zugewanderten SchülerInnen ohne ausreichende Deutschkenntnisse einen schnellen Spracherwerb ermöglichen und das Ankommen im Aufnahmeland erleichtern. Sie bestanden auch schon vor 2012, wurden aber 2013 stark ausgebaut. Die separate Beschulung soll dabei nur übergangsweise erfolgen. Die empirischen Befunde zeigen, dass mehr als ein Drittel der geflüchteten 12-, 14- und 17-Jährigen bei ihrem Schulbeginn in Deutschland sofort in Regelklassen lernten, während etwa zwei Drittel entweder ausschließlich oder zusätzlich in Vorbereitungsklassen lernten (Tabelle).
Welche Form der Beschulung für die Integration Geflüchteter am günstigsten ist, wird kontrovers diskutiert. Häufig wird die separierte Beschulung aufgrund von eingeschränkten Kontaktmöglichkeiten zu Einheimischen und der größeren Gefahr der Ausgrenzung und Stigmatisierung kritisiert. Andererseits kann in Vorbereitungsklassen gezielter auf die besonderen schulischen und emotionalen Bedürfnisse Geflüchteter eingegangen werden und Spracherwerb gezielter gefördert werden. Analysen zeigen, dass die Befürchtung einer dauerhaften Separierung Geflüchteter unbegründet scheint, da nur etwa ein Fünftel der Geflüchteten angibt, vor ihrem Wechsel in eine Regelklasse länger als ein Jahr in einer Vorbereitungsklasse gelernt zu haben. Allerdings lernten mit 44 Prozent fast die Hälfte aller geflüchteten Kinder und Jugendlichen zunächst ausschließlich in Vorbereitungsklassen und waren damit im Unterricht komplett getrennt von einheimischen Gleichaltrigen.
2018 lernten nur noch wenige geflüchtete SchülerInnen in Vorbereitungsklassen. Es ist zu vermuten, dass diese Zahl sich bis 2020 weiter reduziert hat. Dennoch hat ein bedeutender Anteil zum Zeitpunkt der Schulschließungen erst eine vergleichsweise kurze Zeit in einer regulären Klasse verbracht.
Subjektive Schulzugehörigkeit
Allgemein gilt, dass SchülerInnen, die sich in ihrer Schule akzeptiert und unterstützt fühlen, eine höhere Lernmotivation und ein höheres Selbstbewusstsein zeigen. Die Entwicklung eines solchen Schulzugehörigkeitsgefühls kann daher (auch) Geflüchteten die Schulintegration erleichtern. Der Großteil der Geflüchteten zeigt tatsächlich ein hohes Schulzugehörigkeitsgefühl, das im Mittel höher ist als bei den 15-jährigen TeilnehmerInnen der deutschen PISA-Studie 2018 (Abbildung 1). Zwischen 80 und 90 Prozent der Geflüchteten zeigen bei der Schulzugehörigkeit somit eine (starke) Zustimmung beziehungsweise bei negativ formulierten Aussagen eine (starke) Ablehnung.
Hervorzuheben ist, dass ein deutlich höherer Anteil als bei der Vergleichsgruppe angibt, in der Schule leicht neue Freunde zu finden. Dieser besonders hohe Anteil ist bemerkenswert, da die meisten Kinder ihre engsten Freunde in der Schule kennenlernen. Enge Freundschaften zu Gleichaltrigen sind für geflüchtete Minderjährige von besonderer Bedeutung, da diese oft stark unter dem Verlust des Freundeskreises im Herkunftsland leiden. Außerdem fördern diese Freundschaften eine Orientierung an den Werten der Mehrheitsgesellschaft und steigern den Spracherwerb. Bei den Heranwachsenden ohne Migrationshintergrund fördern interethnische Freundschaften dafür unter anderem deren kulturelle Offenheit und das Überwinden von Vorurteilen. Ferner zeigt Abbildung 1, dass ein besonders hoher Anteil angibt, von anderen SchülerInnen gemocht zu werden. Vielen Schulen ist es demnach gelungen, neu zugewanderte Kinder und Jugendliche so in den Schulalltag zu integrieren, dass ein Großteil der Geflüchteten sich wohl fühlt und gut soziale Kontakte knüpfen kann. Da SchülerInnen mit Migrationshintergrund, aber ohne Fluchthintergrund typischerweise ein geringeres oder gleich hohes Schulzugehörigkeitsgefühl wie Gleichaltrige ohne Migrationshintergrund zeigen, ist dieser Befund für die Geflüchteten besonders hervorzuheben.
Dies zeigt aber auch, dass Schule insbesondere für geflüchtete Kinder und Jugendliche ein wichtiger Ort ist, an dem sie sich eingebunden fühlen, der ihnen durch die Schulschließungen unerwartet verschlossen blieb.
Besuch von ganztätigen Angeboten
Ein Schulbesuch am Vormittag erlaubt es SchülerInnen mit Fluchthintergrund – sofern sie Anschluss an eine Regelklasse haben – mit Gleichaltrigen ohne Fluchthintergrund in Kontakt zu kommen. Wenn sich diese Kinder und Jugendlichen darüber hinaus auch am Nachmittag mit Gleichaltrigen, die schon länger oder schon immer in Deutschland leben, austauschen können, kann dies den Integrationsprozess noch weiter unterstützen. Entsprechende Möglichkeiten bestehen zum einen, wenn ganztägige Schul- oder Hortangebote genutzt werden, da diese in der Regel jeden Wochentag besucht werden und somit grundsätzlich einen intensiven Austausch ermöglichen. Zum anderen ist dies möglich, wenn am Nachmittag diese Kinder und Jugendlichen mit anderen SchülerInnen in Schul-AGs zusammenkommen, die häufig ein- oder zweimal pro Woche stattfinden.
Mit dem Ausbau der ganztägigen Schulangebote in Deutschland wurde auch der Integrationsfunktion dieser Angebote für SchülerInnen mit Migrationshintergrund, insbesondere derer mit geringen Deutschkenntnissen, ein großes Potenzial zugeschrieben. Kinder und Jugendliche mit Fluchterfahrung könnten deshalb besonders von ganztätiger Schulbetreuung profitieren, gleichwohl die Befundlage für die besonderen Effekte ganztägiger Schulangebote auf Kinder mit Migrationshintergrund gemischt ist.
Für geflüchtete Kinder und Jugendliche zeigt sich, dass sie mit 51 Prozent zu einem besonders hohen Anteil ganztägige Schulangebote nutzen (Abbildung 2). Der Anteil bei Gleichaltrigen mit Migrationshintergrund liegt bei nur etwa 41 Prozent, bei der Gruppe ohne Migrationshintergrund bei nur 32 Prozent. In Hinblick auf die Hortnutzung von Zwölfjährigen zeichnet sich ein ähnliches Bild wie beim Ganztag in Schulen ab: Der Anteil der Kinder, die einen Hort besuchen, liegt bei Geflüchteten bei etwa 22 Prozent und damit höher als bei gleichaltrigen Kindern mit und ohne Migrationshintergrund.
Festzuhalten ist also, dass ganztägige Angebote die Integration von Schulkindern mit Fluchthintergrund grundsätzlich erleichtern können. Die Träger dieser Angebote sollten daher bei der Umsetzung integrationsfördernder Maßnahmen stärker und gezielt unterstützt werden. Länderübergreifende Standards als Referenzrahmen für sprachliche Bildung und Integration – bindend für Ganztags- aber auch Halbtagsschulen – könnten hier einen entscheidenden Beitrag leisten.
Der Befund, dass geflüchtete Kinder und Jugendliche besonders hohe Nutzungsquoten dieser ganztätigen Angebote aufweisen, verdeutlicht gleichzeitig, wie einschneidend die Schul- und Hortschließungen während des "Lockdowns" für diese SchülerInnen gewesen sein müssen. Schulen sind für geflüchtete Minderjährige nicht nur Orte, denen sie sich zugehörig fühlen, sondern auch vielfach Strukturen, die Orientierung und Beschäftigung für den gesamten Tag bieten.
Teilnahme an extracurricularen Schulaktivitäten
Neben ganztägigen Schul- und Hortangeboten sind SchülerInnen häufig zur Teilnahme an extracurricularen Schulaktivitäten am Nachmittag in der Schule: Schul-AGs schaffen Begegnungsräume, in denen Austausch mit Gleichaltrigen stattfindet.
Wie stark werden extracurriculare Schulangebote von geflüchteten Kindern und Jugendlichen genutzt? Es liegen Ergebnisse für die Teilnahme an Musik-, Theater-, Sport-, Schulzeitungs- und sonstigen AGs sowie Aktivitäten als Schul- oder KlassensprecherInnen vor. Insgesamt liegt die Teilnahmequote bei geflüchteten Jugendlichen für mindestens eine dieser Aktivitäten bei 32 Prozent, während sie bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund bei nahezu 51 Prozent und bei Jugendlichen ohne Migrationshintergrund sogar bei 63 Prozent liegt (Abbildung 3). Im Bereich der extracurricularen Aktivitäten sind geflüchtete SchülerInnen bisher also eher schwach vertreten.
Der Teilnahme an sportlichen Aktivitäten kommt unter integrationspolitischen Gesichtspunkten eine besondere Bedeutung zu. Aufgrund der geringeren Sprachbarrieren beim Sport und der Möglichkeit, im Team zu agieren, können diese als besondere Chance gesehen werden, Integration zu fördern. Während nur 9 Prozent der geflüchteten Jugendlichen an einer Sport-AG teilnehmen, sind es 17 Prozent der Jugendlichen mit Migrationshintergrund und 18 Prozent der Jugendlichen ohne Migrationshintergrund. Hier besteht also Aufholpotenzial insbesondere bei geflüchteten Mädchen, von denen nur knapp 4 Prozent Sport-AGs besuchen. Dies zeigt, dass das Anliegen des Aktionsplans Integration der Bundesregierung, den Mädchen- und Frauenanteil in schulischen Sportangeboten zu steigern, noch nicht hinreichend umgesetzt werden konnte.
Insgesamt lässt sich festhalten, dass geflüchtete Kinder und Jugendliche nur etwa halb so oft wie ihre MitschülerInnen ohne Migrationshintergrund an außercurricularen Angeboten in der Schule teilnehmen. Hinzu kommt, dass Kinder und Jugendliche mit Fluchthintergrund auch in Sport- und sonstigen Vereinen außerhalb der Schulen nicht in dem Ausmaß vertreten sind wie andere Gleichaltrige. Auch hier besteht also Handlungsbedarf.
Unabhängig davon dürfte der Ausfall dieser Aktivitäten während des "Lockdowns" für Kinder und Jugendliche mit Fluchthintergrund gravierend gewesen sein. Insbesondere für SchülerInnen, die noch in Gemeinschaftsunterkünften leben, bieten entsprechende Nachmittagsaktivitäten eine gute Gelegenheit, mit anderen Gleichaltrigen zusammenzukommen.
Situation während des "Lockdowns"
Gleichwohl sich noch keine empirisch fundierten repräsentativen und systematischen Aussagen über die Wirkungen der Schul- und Hortschließungen spezifisch für SchülerInnen mit Fluchthintergrund machen lassen, können aufgrund der dargestellten Befunde erwartbare Wirkungen skizziert werden: Da Schule besonders für SchülerInnen mit Fluchthintergrund ein sehr wichtiger Bestandteil ihres Lebens ist, trifft sie der mit dem "Lockdown" verbundene Wegfall des wiedergewonnen Alltags vermutlich besonders schwer. Schule hat für Geflüchtete eine strukturierende und stabilisierende Funktion, die dazu beitragen kann, die mentale Gesundheit der geflüchteten Kinder und Jugendlichen zu stärken. Für neu zugewanderte Kinder und Jugendliche bildet die Schule einen wichtigen Akkulturationskontext, der einen Kontakt zur Aufnahmegesellschaft und den sozialen Austausch mit Gleichaltrigen ermöglicht, die schon länger in Deutschland leben. Während der Schulschließungen und der Kontaktbeschränkungen fiel dieser wichtige und stabilisierende Kontext weg.
Viele Kinder und Jugendliche mit Fluchthintergrund haben aufgrund der konflikthaften Situation in ihren Herkunftsländern und durch die Flucht unterbrochene Bildungsverläufe. Es ist zu vermuten, dass der während der Schulschließungen weggefallene Unterricht den vorhandenen Unterschied im Wissensstand der geflüchteten SchülerInnen zu ihren MitschülerInnen noch vergrößert und den Spracherwerb der Unterrichtssprache Deutsch verlangsamt hat. Davon betroffen sind insbesondere auch Kinder, die zuvor in Ganztagsschulen oder Horten auch am Nachmittag mit der Mehrheitsgesellschaft Kontakt hatten.
Auf der einen Seite kann davon ausgegangen werden, dass geflüchtete Kinder und Jugendliche mehr Erfahrungen mit einer familialen Isolation haben, da ihre entferntere Familie und Freunde des Herkunftslands – wenn überhaupt – nur über digitale Medien erreicht werden können, und der "Lockdown" somit für sie keine so neuartige Situation darstellte wie für Kinder und Jugendliche ohne diesen Hintergrund. Andererseits können die Schulschließungen geflüchtete Kinder und Jugendliche auch besonders getroffen haben, da ihre neu geknüpften Kontakte noch nicht so gefestigt waren wie langjährige Freundschaften und dadurch schneller weggebrochen sein könnten.
Hinzu kommt, dass geflüchtete Kinder und Jugendliche in ihren Familien vermutlich vielfach schlechtere Voraussetzungen für ein "Homeschooling" haben als Gleichaltrige. Dazu zählen eine fehlende technische Ausstattung mit Hard- und Software und ein adäquater Internetanschluss und damit einhergehend auch eine eingeschränkte Erreichbarkeit der Familien auf den üblichen Kommunikationswegen der Schulen. Hinzu können geringe Deutschkenntnisse der Eltern und fehlendes Wissen über das deutsche Bildungssystem kommen, was dazu führen kann, dass geflüchtete SchülerInnen durch ihre Eltern weniger Unterstützung erhalten als Gleichaltrige. Beengte Wohnverhältnisse, in denen nicht immer ein ruhiger Ort vorhanden ist, an dem sie für die Schule arbeiten können, könnten die Situation zusätzlich erschwert haben. Einige Kinder und Jugendliche leben zudem noch immer in Gemeinschaftsunterkünften, in denen die Voraussetzungen für erfolgreiches "Homeschooling" besonders ungünstig sind. Vor diesem Hintergrund war es sehr sinnvoll, dass mancherorts, beispielsweise in Berlin, Kinder und Jugendliche mit Fluchthintergrund früh mit berücksichtigt wurden in der Ausweitung der Notbetreuung und der schrittweisen Öffnung der Schulen.
Als eine besonders vulnerable Gruppe müssen geflüchtete Kinder und Jugendliche bei eventuellen weiteren (Teil-)Schulschließungen und neuerlichen "Lockdowns" besonders im Fokus stehen. Sollten erneut längere Phasen des "Fernunterrichts" verordnet werden, darf die Sprachförderung dieser Gruppe nicht zu kurz kommen. Auch im Hinblick auf weitere Maßnahmen, die Lernausfälle während des "Lockdowns" kompensieren sollen, ist es wichtig, die Gruppe der Geflüchteten im Blick zu behalten. Individuelle Förderung muss insbesondere auch diesen SchülerInnen zukommen, da es sich um eine Gruppe handelt, die bereits vor der Corona-Pandemie auf Förderung und Unterstützung besonders angewiesen waren. Auch bei der nun beschleunigten Digitalisierungswelle muss Integration mitgedacht werden – etwa durch die Bereitstellung digitaler Lernmittel für diejenigen, die sie sich nicht leisten können –, damit Unterricht mit der Digitalisierung bedarfsgerechter statt exklusiver wird. Investitionen sind in vielen Bereichen für geflüchtete SchülerInnen notwendig. Aber eines steht fest: Gesellschaftspolitisch als auch gesamtwirtschaftlich wird es künftig noch mehr kosten, wenn wir es heute verpassen, die Integration der nach Deutschland geflüchteten SchülerInnen ausreichend zu fördern.
ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Infrastruktureinrichtung Sozio-oekonomisches Panel am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin. E-Mail Link: lpagel@diw.de
ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Bildung und Familie am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin. E-Mail Link: lschmitz@diw.de
ist Leiterin der Abteilung Bildung und Familie am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin und Professorin an der Freien Universität Berlin. E-Mail Link: kspiess@diw.de
ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Bildung und Familie am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin und an der Universität Tübingen. E-Mail Link: lgambaro@diw.de
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