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Das Recht auf Bildung im permanenten Krisenzustand | Schule | bpb.de

Schule Editorial Das Recht auf Bildung im permanenten Krisenzustand. Zur globalen Bildungssituation Was kostet es, nicht in Bildung zu investieren? Schule unter Pandemiebedingungen: "Lockdown" – "Hybridmodell" – "Normalbetrieb" Schule in der Pandemie: Erfahrungen aus Ostwürttemberg "Wir wollen wieder in die Schule". Schule als sozialen Ort (wieder)entdecken In der Schule angekommen? Zur Schulsituation geflüchteter Kinder und Jugendlicher Das Recht auf Bildung verwirklichen. Herausforderungen für Schule und Bildungspolitik in Deutschland

Das Recht auf Bildung im permanenten Krisenzustand Zur globalen Bildungssituation

Claudia Lohrenscheit

/ 13 Minuten zu lesen

    "Education is a powerful driver of development and one of the strongest instruments of reducing poverty and improving health, gender equality, peace and stability." (World Bank)

Bildung gilt vielen als Allheilmittel, als "Wunderwaffe" oder stärkster Treiber für Entwicklung und Wohlstand, wie es das Zitat der Weltbank beispielhaft illustriert. Ganz gleich, über welches Thema verhandelt wird und wie krisenhaft eine Situation auch sein mag, fehlende Bildung wird stets als Problem und Lösung gleichzeitig propagiert, und immer als eine der Maßnahmen empfohlen, die es dringend braucht. Dies gilt für sehr unterschiedliche Fragestellungen – sei es die Bekämpfung einer globalen Pandemie, die Prävention von Rassismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit oder wenn es heißt, das Bewusstsein für die Erderwärmung und den Klimawandel zu schärfen. Wenn es um Bildung geht, kann überdies jede und jeder mitreden, und tut es auch. Ob im privaten oder öffentlichen Bereich, von staatlichen oder privatwirtschaftlichen Agenturen, ob mit ausgewiesener Expertise oder ohne: Bildung ist ein "Megathema", zu dem ein kaum überschaubarer Korpus an Literatur existiert, und an dem eine unübersichtliche Vielfalt (inter)nationaler Akteure mitwirkt, wobei diejenigen, um die es vornehmlich geht, die Kinder und Jugendlichen, wenn überhaupt meist als letzte gehört werden.

In diesem Beitrag analysiere ich die globale Bildungssituation vor allem mit Blick auf die schulische Bildung anhand menschenrechtsbasierter Kriterien. Bildung ist aus dieser Perspektive nicht bloß ein Instrument oder eine Investition in "Humankapital" wie für die Weltbank, sondern zuallererst ein Menschenrecht, für dessen – auch krisenfeste – Realisierung es Grundlagen und Standards gibt, die auch für aktuelle Herausforderungen relevant sein können. Ein menschenrechtsbasierter Blick heißt dabei, immer auch auf die Gruppen von Kindern und Jugendlichen zu schauen, die diskriminiert oder benachteiligt oder von Bildung ganz ausgeschlossen werden. Derer gibt es viele. Aus globaler Perspektive gehören hierzu unter anderem Kinder, die arbeiten müssen, Mädchen und schwangere junge Frauen, Sinti und Roma, Kinder und Jugendliche mit Behinderungen oder geflüchtete Kinder – mit oder ohne ihre Familien. Bei uns in Deutschland spiegeln sich diese Verhältnisse teilweise wider, auch wenn hier die Schulpflicht für die meisten Kinder sicherstellt, dass sie eine Schule besuchen dürfen. Doch auch hier werden geflüchtete Kinder diskriminiert oder ausgeschlossen, Kinder mit Behinderungen nach wie vor abgesondert und solche aus armen Haushalten und Familien benachteiligt. Die Daten hierzu sind durch die Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation, UNESCO, und internationale Vergleichsstudien lange bekannt. Die Corona-Krise wirkt in dieser Situation wie ein Brennglas, denn sie zeigt die bereits vorhandenen Probleme nicht nur überdeutlich, sondern verstärkt sie auch noch.

Bildung für alle

"Bildung für alle" lautet seit vielen Jahren das Versprechen der internationalen Staatengemeinschaft, dass jedes Kind an jedem Ort der Welt zur Schule gehen kann. Dahinter steckt die zumindest rhetorische Einsicht, dass Bildung ein Schlüssel für persönliche Entfaltung, Entwicklung und Demokratie ist. Die gute Nachricht ist: Weltweit haben sich in den vergangenen knapp 30 Jahren die Schulbesuchsraten gesteigert, auch wenn Ressourcen und Zugänge zu Bildung nach wie vor extrem ungleich verteilt sind. Der aktuelle Weltbildungsbericht der UNESCO gibt an, dass heute "nur noch" etwa eine Viertelmilliarde Kinder und Jugendliche (258 Millionen) nicht zur Schule gehen, das entspricht 17 Prozent weltweit. Das sind fast 100 Millionen weniger als noch vor 20 Jahren. Doch entwickeln sich diese Zahlen in verschiedenen Regionen sehr unterschiedlich: Während Schulbesuchsraten in Asien, insbesondere in China, in den vergangenen Jahren gestiegen sind, nehmen sie vor allem auf dem afrikanischen Kontinent südlich der Sahara wieder ab.

Schulbesuchsraten als Indikator für Bildung sind allerdings sehr begrenzt und sagen noch nichts über die Bildungsqualität aus, etwa über die Bedingungen in den Schulen, ob etwa Kinder geschlagen werden, das Curriculum veraltet und an kolonialen Inhalten ausgerichtet ist, oder Lehrpersonal so schlecht entlohnt wird, dass der Beruf zum Nebenjob degeneriert. Von den über 80 Prozent der Kinder, die weltweit zur Schule gehen, haben die meisten noch nie davon gehört, dass es ihr Menschenrecht auf Bildung ist, um das es geht, und dass sie dieses Recht zudem noch genießen können sollten, oder dass Bildung womöglich Spaß machen darf. Fest steht: Für viele Kinder und Jugendliche bringt ein fehlender Schulzugang massive weitere Benachteiligungen in vielen anderen Bereichen mit sich, beispielsweise mit Blick auf Ernährung und Gesundheit, weil gesundes Trinkwasser und die regelmäßigen Schulmahlzeiten fehlen.

Die schlechte Nachricht ist, dass sich die internationale Staatengemeinschaft bereits vor 30 Jahren auf "Bildung für alle" verpflichtet hat, einem Ziel, dem sie bis heute nicht nahe genug gekommen ist. 1990 waren Regierungsvertreter*innen und Delegierte aus immerhin 155 Staaten, 20 multilateralen Organisationen und 150 Nichtregierungsorganisationen in Jomtien, Thailand zur ersten Weltbildungskonferenz zusammengekommen in der Hoffnung, in einem Zeitraum von zehn Jahren bis zum Millenniumswechsel 2000 zumindest eine universelle Grundbildung für alle zu erreichen. Diese Hoffnung wurde enttäuscht, und auch der nächste Versuch mit ähnlichen Absichtserklärungen beim zweiten Weltbildungsforum im April 2000 in Dakar, Senegal scheiterte, wobei die Zielgerade auf fünf Jahre verschoben wurde. Die Staatengemeinschaft verabschiedete den Aktionsplan "Bildung für alle" mit sechs spezifischen Zielen, die bis 2015 erreicht werden sollten. Die UNESCO wurde damit beauftragt, die Umsetzung des weltweiten Aktionsprogramms zu evaluieren, und musste 2015 die kritische Bilanz ziehen, dass nur jedes dritte Land die Ziele erreicht hatte. Das größte Hindernis ist und bleibt die mangelnde Finanzierung.

Weil die UNESCO und andere UN-Organisationen nicht nachlassen in ihren Bemühungen, die Weltgemeinschaft zu bewegen, ist Bildung auch im Nachfolgeprogramm zu den Millennium Development Goals, der Globalen Agenda 2030 mit ihren Sustainable Development Goals (SDGs, Nachhaltigkeitsziele) wieder prominent vertreten. Das Bildungsziel der Agenda lautet, nunmehr bis 2030 inklusive, chancengerechte und hochwertige Bildung für alle Menschen sicherzustellen und lebenslanges Lernen zu fördern. Doch auch dieser Versuch wird aller Voraussicht nach scheitern. Aus multilateraler Perspektive liefern die Menschenrechtsorgane und Sonderorganisationen der Vereinten Nationen fundierte Daten zur globalen Bildungssituation. Sie zeigen mehr als deutlich den mangelnden politischen Willen der Regierungen weltweit, nicht nur der armen Länder, sondern zunehmend auch der reichen. Bildung bleibt unterfinanziert, und ein entfernter Traum für zu viele. Auch in Deutschland gibt es viele Defizite. So schreckte zum Beispiel ein Bericht der Bertelsmann Stiftung auf, die berechnet hatte, dass in den kommenden Jahren bis zu 35.000 Lehrer*innen an Grundschulen fehlen werden. Die Kultusministerkonferenz hatte schlichtweg übersehen, wie viele Lehrer*innen in den kommenden Jahren in den Ruhestand gehen, und dass es über eine Million mehr Schüler*innen geben wird, als von ihr prognostiziert.

Bildung als Menschenrecht

Die Daten aus den Weltbildungsberichten beziehen sich in der Regel nur auf die Schulbesuchsraten, obwohl die UNESCO als Monitoringstelle für die weltweite Realisierung des Menschenrechts auf Bildung auch weitere Themenschwerpunkte in den Blick nimmt, etwa Inklusion (2020), Flucht und Migration (2019) oder Umwelt und Nachhaltigkeit (2016). Das Recht auf Bildung umfasst jedoch mehr. Seine Fundierung als Menschenrecht korrespondiert mit den staatlichen Pflichten der Achtung, des Schutzes und der Gewährleistung von Bildungsrechten. Im Detail bedeutet dies, Regierungen sind in der Pflicht, Bildung frei verfügbar und ohne Unterschied für alle zugänglich zu machen sowie die Formen von Bildung (inklusive der Methoden und Lernmaterialien) orientiert an menschenrechtlichen Werten und angepasst an die Bedürfnisse der Lernenden umzusetzen.

Der UN-Sozialpaktausschuss hat diese Staatenpflichten in Kriterien gefasst, die als 4-A-Scheme bezeichnet werden: Bildung muss verfügbar (availability), zugänglich (accessibility), akzeptabel (acceptability) und angemessen (adaptability) sein. Dass diese Standards als übergeordnete Richtlinien für politisches Handeln – auch in Krisenzeiten – funktionieren können, zeigt ihre Anwendung mit Blick auf die Corona-Pandemie, die hier aus Platzgründen nur ansatzweise skizziert werden kann: Verfügbarkeit von Bildung bedeutet dann unter anderem auch digitale Verfügbarkeit, worauf Schulen und Lehrkräfte technisch und didaktisch vorbereitet sein müssen. Die Zugänglichkeit von Bildung heißt in der Pandemie einmal mehr, vor allem die Gruppen zu erreichen, die in besonders verletzlichen Situationen leben, beispielsweise behinderte oder geflüchtete Kinder und Jugendliche, die häufig in Wohnheimen oder Sammelunterkünften ohne ausreichend Schutz und Privatsphäre untergebracht sind, und selbst in reichen Staaten wie Deutschland ohne angemessenen Zugang zum Internet oder Fernunterricht auskommen müssen.

Bildung angemessen und akzeptabel zu organisieren, heißt angesichts der Pandemie-Bedingungen auch, dass Informationen über Gesundheit und Schule in kindgerechter Sprache verfasst werden, und dass die Bedingungen in den Familien angemessen Berücksichtigung finden, beispielsweise mit Blick auf den Zugang zu Computern und digitalen Medien insbesondere in ärmeren und räumlich stark begrenzten Haushalten; oder auch mit Blick auf körperliche Bedürfnisse wie Bewegung und Spiel. Hier wird deutlich, dass auch die UN-Kinderrechtskonvention mit ihren Schutz-, Förder- und Beteiligungsrechten zentral ist. Ihre obersten Prinzipien sind für jede Bildung unverzichtbar: Das beste Interesse des Kindes muss im Mittelpunkt stehen (Kindeswohl). Kein Kind darf diskriminiert werden (Gleichheitsgebot). Jedes Kind muss gehört werden (Partizipation und Teilhabe), und die Entwicklungstatsache des Kindes muss Berücksichtigung finden (Recht auf Leben und Entwicklung), wobei Kindheit die Spanne zwischen 0 und 18 Jahren umfasst. Diese Garantien sollten in Zeiten einer Pandemie umso mehr Bedeutung haben, dies betonen das UN-Kinderhilfswerk UNICEF und der UN-Kinderrechtsausschuss genauso wie zahlreiche Kinderrechtsorganisationen und -netzwerke auf nationaler wie internationaler Ebene.

Bildung und Schule in der Corona-Pandemie

Kaum ein anderes politisches Handlungsfeld ist so überreguliert und institutionalisiert wie die Schule, und gleichzeitig politisch so vernachlässigt. Dies zeigt sich umso mehr in Krisenzeiten. Die UN berichtet, dass durch die plötzliche Schließung von Schulen und Hochschulen zu Beginn der Pandemie 1,5 Milliarden Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in 191 Staaten weltweit der Zugang zu Bildung erschwert oder verwehrt war. Erfahrungen aus vorangegangenen Epidemien wie der Ebola-Krise von 2014 bis 2016 weisen darauf hin, dass ein solcher "Lockdown" von Schulen massive Konsequenzen hat: Kinder und Jugendliche sind erhöhten Risiken ausgesetzt, weil die Verbindung zu Schulen, Lehrer*innen, Sozialarbeiter*innen und Mitschüler*innen fehlen. Die aktuelle UN-Sonderberichterstatterin zum Recht auf Bildung, Koumbou Boly Barry, schätzt, dass bis zu zehn Millionen Mädchen nach dem Lockdown nicht mehr in die Schule zurückkehren, dass mehr Kinder, vor allem Mädchen, in Ehen sowie in schädliche Kinderarbeit gezwungen werden, und dass mehr Kinder Gefahr laufen, als Kindersoldat*innen oder durch Menschenhandel in die Zwangsprostitution rekrutiert zu werden. Auch die internationale Kinderrechtsorganisation Save the Children weist auf die erhöhten Gewaltrisiken durch die Schließung von Bildungs- und Betreuungseinrichtungen hin. Während der Ebola-Krise hatte sich etwa die Zahl der Schwangerschaften bei Teenagerinnen in manchen Regionen um bis zu 65 Prozent erhöht, und vor allem Mädchen und junge Frauen waren verstärkt sexualisierter Gewalt sowie Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmungsrechte ausgesetzt.

Hier zeigt sich die Verwobenheit der Menschenrechte, ihre Interdependenz. Kein Recht kann vernachlässigt werden, ohne nicht massive Auswirkung auf die Verwirklichung anderer Rechte zu haben. Bereits die erste Sonderberichterstatterin zum Recht auf Bildung, Katarina Tomasevski, wies wiederholt auf diesen Zusammenhang hin: "Leaving seven-year-olds to fend for themselves routinely drives them into child labour, child marriage, or child soldiering. The Right to education operates as a multiplier. It enhances all other human rights when guaranteed and forecloses the enjoyment of most, if not all, when denied". Wie keine andere hat Tomasevski für die weltweite Abschaffung der Schulgebühren gestritten, was in beziehungsweise nach der Corona-Pandemie noch größere Relevanz erhält. Familien, deren wirtschaftliche Existenz bedroht ist, werden sich Schulgebühren nicht mehr leisten können. Wenn sie mehrere Kinder im Schulalter haben, sind es die Mädchen, deren Recht auf Bildung zuerst beschnitten wird.

Die Corona-Krise zeigt in dramatischer Weise die Schwächen der Bildungssysteme weltweit, die auch zuvor schon bekannt waren. In zu vielen Ländern heißt Schule auch heute noch: marode Gebäude, überfüllte Klassenräume, hohe Kosten für Schulgebühren, -uniformen und -bücher, fehlende oder kaputte Sanitäranlagen und fehlender Zugang zu sauberem Wasser. Vor diesem Hintergrund warnt Koumbou Boly Barry davor, dass sich durch die Pandemie die Ungleichheit beim Zugang zu Bildung weiter verschärft. In ihrem Sonderbericht an den UN-Menschenrechtsrat im Juni 2020 hat sie darauf hingewiesen, dass während der plötzlichen Umstellung auf digitales Lernen und virtuellen Unterricht massenhaft Kinder abgehängt wurden: Etwa die Hälfte aller Schüler*innen weltweit hat zu Hause keinen Zugang zu Computern und fast ebenso viele haben keinen Internetanschluss. In einkommensschwachen Ländern in Subsahara-Afrika sind diese Zahlen erwartungsgemäß noch höher. Hier haben über Dreiviertel der Schüler*innen keinen Internetzugang, und viele leben in Gebieten, die auch das Mobilfunknetz nicht abdeckt. Dieses Abgehängt-Sein gilt darüber hinaus auch für viele Lehrkräfte. Die internationale Bildungsgewerkschaft Education International gibt an, dass nur etwa ein Drittel der dort vertretenen Lehrer*innen sich technisch und curricular ausreichend vorbereitet und unterstützt fühlten, um angemessen auf die neue Situation zu reagieren. Nur in Ausnahmefällen wurden sie bei Entscheidungen zur Öffnung oder Schließung von Schulen konsultiert. Sie waren zudem – vor allem in privaten Bildungsinstitutionen – durch unsichere oder nur sehr begrenzt laufende Verträge, die mit Beginn der Pandemie nicht verlängert wurden, zum Teil in ihrer Existenz bedroht.

Bei aller Offenheit für neue digitale Lehr- und Lernformen und allen Chancen, die sich damit bieten können, glaubt niemand ernsthaft daran, dass virtuelle Formate das Schulleben in Präsenz auch nur annähernd ersetzen könnten. Koumbou Boly Barry würdigt deshalb in ihrem Sonderbericht auch die vielen verschiedene Formen des Fernunterrichts, die in den Staaten weltweit während der Pandemie erprobt wurden. Das sind High-tech-Lösungen (wie Online-Unterricht und Videokonferenzen) sowie Low-tech-Modelle, die beispielsweise das Radio oder Bildungsfernsehen genutzt haben; und eben genauso gut auch No-tech-Lösungen, bei denen Schüler*innen mit Dokumenten und Lernmaterialien per Versand oder durch persönliche Übergabe versorgt wurden. Gerade bei diesem letzten Modell ist es dem unermüdlichen Einsatz der Lehrer*innen zu verdanken, dass Lernprozesse nicht gänzlich abbrachen, und der Kontakt zu den Schüler*innen gehalten werden konnte. Auch ihre Sicherheit und ihr Schutz ist Teil des Rechts auf Bildung. Sie gehen hohe Risiken ein, wenn sie den Unterricht bei wieder steigenden Infektionszahlen aufrechterhalten. Und sie verdienen Respekt.

Build back better

Build back better – Macht Bildung in Zukunft besser, ist allerorten zu vernehmen. Für die Menschenrechtsarbeit sind unendliche Geduld, Hartnäckigkeit und unhaltbarer Optimismus genauso unverzichtbar wie die Wut über die herrschenden Verhältnisse. Das Menschenrecht auf Bildung braucht daher weltweit Mitstreiter*innen – auf allen Ebenen – mit einem langen Atem und mit dem Mut, trotz anhaltender Bildungskrise daran festzuhalten, dass jeder junge Mensch lernen darf und die eigene Persönlichkeit frei entfalten kann.

Dass auch unter widrigen Verhältnissen unbedingte Solidarität mit Kindern und ihrem Recht auf Bildung etwas bewirken kann, zeigt dieses Beispiel: Mitten in der Corona-Pandemie kündigt UNICEF an, eine Schule zu gründen für alle Kinder und Jugendlichen, die mit oder ohne ihre Familien geflüchtet sind und nun auf der griechischen Insel Lesbos meist unter katastrophalen Bedingungen leben müssen. Bildung bedeutet ihnen alles. Bisher konnte UNICEF nur etwa 10 Prozent der Schüler*innen mit ihren Bildungsprojekten auf Lesbos versorgen. Nicht zuletzt die Aussagen der Kinder und Jugendlichen selbst, die daran teilnehmen konnten, haben dazu beigetragen, dass nun Zelte aufgebaut werden, die für alle Kinder Platz zum Lernen bieten: "Wenn ich hier bin, fühle ich mich gut und sicher. (…) Wenn ich hier bin, vergesse ich, dass ich im Lager wohne."

ist Professorin für Internationale Soziale Arbeit und Menschenrechte an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Coburg. E-Mail Link: claudia.lohrenscheit@hs-coburg.de