Als im November 2020 das US-amerikanische Unternehmen Pfizer und die deutsche Firma Biontech die hohe Wirksamkeit des von ihnen entwickelten Impfstoffes gegen das neuartige Corona-Virus bekanntgaben, war die Begeisterung über die Aufsteigergeschichte zweier Migrantenkinder aus Deutschland groß. Dabei habe einer der Mitgründer von Biontech, Uğur Şahin, seinerzeit eine Empfehlung für die Hauptschule bekommen und erst die Intervention eines Nachbarn seine Gymnasiallaufbahn ermöglicht, wie in diesem Zusammenhang erzählt wurde. Auch heute noch hängen Bildungskarrieren hierzulande stärker als in anderen Staaten von bestimmten Herkünften und Hintergründen statt vom individuellen Potenzial ab.
Die pandemiebedingten Schulschließungen ab März diesen Jahres haben jene Schüler besonders getroffen, die bereits "vor Corona" zu den Benachteiligten zählten: Kinder und Jugendliche ohne eigenes Zimmer oder eigenen Schreibtisch, um in Ruhe zu lernen, ohne (stabile) Internetverbindung und Endgeräte, um digital vermitteltem Unterricht zu folgen, mit Eltern, die aus verschiedenen Gründen keine Zeit oder nicht die Mittel haben, Struktur und Unterstützung bei Selbstlernprozessen zu geben, oder es manchmal nicht schaffen, regelmäßig Mahlzeiten bereitzustellen. Selbst diejenigen, die alle Voraussetzungen hatten oder sich selbst zu helfen wussten, waren froh, als die Schulen wieder schrittweise für den Präsenzbetrieb öffneten.
Schule ist mehr als ein Ort der Wissensvermittlung, das hat die Pandemie verdeutlicht. Und so ist die Bereitschaft der Kultusministerinnen, die Schulen in der zweiten Infektionswelle offenzuhalten, sehr hoch. Ob genug getan wird, um die Gesundheit von Schülerinnen- wie Lehrerschaft zu schützen und den Beitrag der "Massenveranstaltung" Schule zum Infektionsgeschehen zu mindern, ist umstritten. Das Menschenrecht auf Bildung, das viele Voraussetzungen für die Wahrnehmung anderer Rechte schafft, gilt es in Zeiten der Pandemie in Deutschland und weltweit bestmöglich zu wahren. "Nach Corona" muss mehr getan werden, um dieses Recht für alle zu verwirklichen – ohne dabei dem Irrglauben zu verfallen, Bildung allein könne alle gesellschaftlichen Probleme lösen.