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Strafrechtliche Sanktionen in Deutschland Normative Grundlagen und Anwendungspraxis

Jörg Kinzig

/ 18 Minuten zu lesen

Mit dem Strafrecht hat der Staat die Möglichkeit, Straftäter für ihr Handeln zu sanktionieren. Welche Sanktionen stehen den deutschen Gerichten zur Verfügung? Wie werden sie angewendet? Und entfalten sie tatsächlich die beabsichtigten general- und spezialpräventiven Effekte?

Die Kriminalberichterstattung ist durch Schilderungen von Strafverfahren geprägt, in denen Angeklagten (schwere) Gewaltstraftaten vorgeworfen werden. Wird in diesen Fällen verurteilt, verhängen die Gerichte in der Regel mehrjährige oder gar lebenslange Freiheitsstrafen. Ein prominentes Beispiel ist das Strafverfahren gegen die NSU-Terroristin Beate Zschäpe, der das Oberlandesgericht (OLG) München im Juli 2018 unter anderem wegen mehrfachen Mordes eine lebenslange Freiheitsstrafe auferlegte.

Strafrechtliche Vorwürfe, an deren Ende nur eine Geldstrafe steht, sind dagegen in der Regel allenfalls für lokale Medien interessant. Ausnahmen bestehen vor allem dann, wenn eine überregional bekannte Persönlichkeit vor Gericht steht. Dies war in jüngerer Zeit etwa bei dem AfD-Politiker Björn Höcke der Fall. Höcke wurde zunächst im Mai 2024 vom Landgericht (LG) Halle wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen, Paragraf 86a Strafgesetzbuch (StGB), zu einer Geldstrafe von 13.000 Euro verurteilt. Wenige Wochen später sprach das LG Halle Höcke in einem zweiten Strafverfahren wegen eines weiteren Vorwurfs nach Paragraf 86a StGB schuldig: Dieses Mal betrug die Geldstrafe sogar 16.900 Euro.

Mit der Freiheits- und der Geldstrafe sind die beiden Hauptstrafen genannt, die das deutsche Strafrecht bereithält. Aber welche Sanktionen stehen den deutschen Gerichten noch zur Verfügung? Und wie werden sie in der Praxis angewendet? Auf diese Fragen versuche ich in den folgenden Ausführungen Antworten zu geben.

Zweispurigkeit des deutschen Strafrechts

Geregelt werden die Sanktionen des deutschen Strafrechts im StGB. Dessen Dritter Abschnitt, der die Paragrafen 38 bis 76b StGB umfasst, trägt die Überschrift „Rechtsfolgen der Tat“. Besonders wichtig ist darin die Unterscheidung zwischen den Strafen auf der einen und den Maßregeln der Besserung und Sicherung auf der anderen Seite (Abbildung): Dabei setzt die Verhängung einer Strafe das Vorliegen von Schuld voraus. Maßregeln der Besserung und Sicherung sind dagegen schuldunabhängig. Sie reagieren auf eine (vermutete) Gefährlichkeit des entsprechenden Straftäters. So kann eine psychisch kranke Person im Falle ihrer Schuldunfähigkeit (Paragraf 20 StGB) nicht bestraft werden. Neigt dieser Mensch aber etwa zu gefährlichen Gewalthandlungen, muss er stattdessen auf unbestimmte Zeit in einem psychiatrischen Krankenhaus (Paragraf 63 StGB) untergebracht werden.

Hinzuweisen ist zudem auf das in den Paragrafen 73 bis 76b StGB geregelte und im Jahr 2017 reformierte Rechtsinstitut der Einziehung. Mit ihr sollen unter anderem Gewinne aus Straftaten abgeschöpft werden. Dahinter steht die Überlegung, dass sich Straftaten finanziell nicht lohnen dürfen.

Jemanden zum Tode zu verurteilen, ist nach der Einführung des Grundgesetzes im Jahr 1949 nicht mehr möglich. Artikel 102 GG bestimmt seitdem in bemerkenswerter Klarheit: „Die Todesstrafe ist abgeschafft.“ So war es in Westdeutschland Richard Schuh, an dem im Innenhof eines Tübinger Gefängnisses am 18. Februar 1949 wegen eines Raubmordes zum letzten Mal die Todesstrafe vollstreckt wurde. Dagegen dauerte es bis ins Jahr 1987, bis auch die DDR auf diese barbarische Sanktion verzichtete. Bis dahin sollen auf ihrem Gebiet rund 200 Personen hingerichtet worden sein.

Die Freiheitsstrafe: eine von zwei Hauptstrafen

Generelle Vorschriften über die Freiheitsstrafe finden sich im StGB im Wesentlichen nur in den Paragrafen 38 und 39. Paragraf 38 StGB unterscheidet zwischen einer zeitigen, also zeitlich begrenzten, und einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Frühere Differenzierungen nach Gefängnis- und Zuchthausstrafen wurden mit der Strafrechtsreform von 1970 abgeschafft. Seitdem existiert nur noch die sogenannte Einheitsfreiheitsstrafe.

Das Höchstmaß einer zeitigen Freiheitsstrafe beträgt 15 Jahre, ihr Mindestmaß einen Monat. Sonderregelungen gelten nach Paragraf 47 StGB für die Anordnung sogenannter kurzer Freiheitsstrafen unter sechs Monaten. Solche sollen nur in Ausnahmefällen verhängt werden. Leitend für diese Zurückhaltung ist der Gedanke, dass kurze Freiheitsstrafen als eher schädlich für die Resozialisierung des einzelnen Straftäters angesehen werden.

Wichtig ist zudem, dass die Vollstreckung von Freiheitsstrafen nur bis zu einer Höhe von einschließlich zwei Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Unabdingbare Voraussetzung für die Aussetzung einer Freiheitsstrafe ist das Vorliegen einer sogenannten positiven Legalprognose, also die Einschätzung, dass die betreffende Person in der Bewährungszeit (Paragraf 56a StGB) keine weitere Straftat mehr begehen wird (Paragraf 56 StGB). Wird die Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt, können dem Verurteilten Auflagen (Paragraf 56b StGB) oder Weisungen (Paragraf 56c StGB) erteilt werden. Dadurch wird auch der Eindruck vermieden, dass die Verurteilung quasi folgenlos bleibe.

Auf der anderen Seite der Skala steht die lebenslange Freiheitsstrafe. Nach dem Gesetz ist sie zwingend dann vorgesehen, wenn der Straftäter eines Mordes (Paragraf 211 StGB) schuldig gesprochen wird. Eine Aussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe ist frühestens nach 15 Jahren Strafvollzug möglich (Paragraf 57a StGB). Auch sie setzt eine positive Legalprognose voraus, also die gerichtliche Einschätzung, dass eine Aussetzung „unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann“. Ausgeschlossen ist eine Aussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe zudem dann, wenn „die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung gebietet“. Ob in einem konkreten Fall eine derartige besondere Schwere der Schuld gegeben ist, hat das sogenannte Tatgericht zu befinden, also das Gericht, das den Straftäter verurteilt. Am Beispiel des Falles Beate Zschäpe: Über die Verurteilung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe hinaus stellte hier das OLG München fest, dass Zschäpe, vornehmlich wegen der Beteiligung an der Ermordung mehrerer Menschen, auch eine besonders schwere Schuld auf sich geladen habe. Vor Ablauf der Mindestverbüßungszeit von 15 Jahren wird ein weiteres Gericht darüber zu befinden haben, wie lange Zschäpe über diesen Zeitraum hinaus mindestens im Gefängnis verbleiben muss.

Auch zeitige Freiheitsstrafen können nach einer gewissen Zeit im Strafvollzug zur Bewährung ausgesetzt werden (Paragraf 57 StGB). Im Regelfall ist dies aber erst nach Verbüßung von zwei Dritteln der Freiheitsstrafe möglich. Wer etwa zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt wurde, kann auf eine Entlassung zur Bewährung frühestens nach sechs Jahren im Strafvollzug hoffen. Eine wichtige Voraussetzung ist auch hier eine positive Legalprognose. Ausnahmsweise ist die Aussetzung eines Strafrestes auch schon nach Ablauf der Hälfte der verhängten Freiheitsstrafe möglich. Dafür müssen aber verschiedene zusätzliche Voraussetzungen vorliegen: So muss die verurteilte Person erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßen („Erstverbüßerprivileg“), die zwei Jahre nicht übersteigen darf sowie mindestens sechs Monate im Strafvollzug gewesen sein. Zudem müssen in Tat, Persönlichkeit des Täters sowie seiner Entwicklung im Strafvollzug "besondere Umstände“ vorliegen.

Informationen über die Häufigkeit der genannten Sanktionen kann man der sogenannten Strafverfolgungsstatistik entnehmen, die zuletzt für das Jahr 2022 erschienen ist. Dabei erhielten von 604.715 nach allgemeinem Strafrecht verurteilten Personen 84.762 eine Freiheitsstrafe; das entspricht 14 Prozent. Aus Tabelle 1 ist ersichtlich, dass sich rund 90 Prozent der ausgeworfenen Freiheitsstrafen in einem Rahmen von bis zu zwei Jahren bewegen. Von diesen insgesamt 75.915 Freiheitsstrafen wurden 59.634, also 78,6 Prozent, tatsächlich zur Bewährung ausgesetzt. Hohe oder gar lebenslange Freiheitsstrafen werden dagegen eher selten verhängt.

Der weitaus häufigere Fall: die Geldstrafe

Weitaus häufiger als eine Freiheitsstrafe wird eine Geldstrafe angeordnet. 519.937 Personen wurden im Jahr 2022 dazu verurteilt. Damit wurde die Geldstrafe in diesem Jahr mehr als sechsmal so häufig wie die Freiheitsstrafe angeordnet.

Normiert ist die Geldstrafe in den Paragrafen 40 bis 43 StGB. Seit einer Reform Mitte der 1970er Jahre wird diese Sanktion nach dem sogenannten Tagessatzsystem gebildet. Dabei wird die Geldstrafe in drei Phasen festgesetzt: Zunächst ist nach der Schwere der Tat die Zahl der Tagessätze zu bestimmen. Sie muss mindestens fünf und darf grundsätzlich nicht mehr als 360 volle Tagessätze betragen (Paragraf 40 Absatz 1 Satz 2 StGB). Anschließend ist die Höhe der Tagessätze nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters zu bestimmen. Dabei geht das Gericht in der Regel von dem Nettoeinkommen aus, das der Täter durchschnittlich an einem Tag hat oder haben könnte. Ein Tagessatz wird auf mindestens einen und höchstens 30.000 Euro festgesetzt (Paragraf 40 Absatz 2 StGB).

Mit dieser Unterteilung in die Zahl und die Höhe des Tagessatzes soll erreicht werden, dass diejenigen Straftäter gleichmäßig belastet werden, deren Taten im Unrechts- und Schuldgehalt vergleichbar sind. Bei Taten gleicher Schwere soll die mit der Geldstrafe verbundene finanzielle Belastung möglichst identisch sein. Am Beispiel der erstinstanzlichen Verurteilungen von Björn Höcke: Im ersten Urteil gegen ihn betrug die Zahl der Tagessätze 100, die Höhe der Tagessätze 130 Euro. Zwei Dinge sind in diesem Zusammenhang bemerkenswert: Eine Geldstrafe wird nur dann nicht in das sogenannte Führungszeugnis aufgenommen, wenn sie sich auf höchstens 90 Tagessätze beläuft und wenn im Bundeszentralregister keine weitere Strafe eingetragen ist (Paragraf 32 Absatz 2 Nummer 5 Bundeszentralregistergesetz). Sollte das Urteil rechtskräftig werden, gälte Höcke demnach als vorbestraft. Aus der Höhe des Tagessatzes von 130 Euro lässt sich zudem ablesen, dass das LG Halle von einem Nettoeinkommen Höckes von rund 3.900 Euro ausgegangen ist (130 Euro mal 30 Tage). Im zweiten Urteil verhängte das LG Halle sogar 130 Tagessätze mit einer Tagessatzhöhe von 130 Euro. Während sich Höckes Einkommensverhältnisse nach Ansicht des LG Halle zwischen dem ersten und zweiten Urteil also nicht verändert haben, hat das Gericht die zweite Tat schwerer gewichtet, vermutlich, weil zu ihrem Zeitpunkt gegen Höcke bereits ein Strafverfahren wegen der ersten Tat eingeleitet worden und ihm dies auch bekannt war.

Dem Strafzumessungsvorgang schließt sich als dritter Akt die Prüfung an, ob und welche Zahlungserleichterungen dem Verurteilten zu bewilligen sind (Paragraf 42 StGB). So kann das Gericht insbesondere eine Ratenzahlung ermöglichen.

Das Strafverfahren gegen Höcke hat übrigens eine (umstrittene) und bis dahin wenig beachtete weitere Sanktion („Nebenfolge“) ins Gedächtnis gerufen: Paragraf 45 StGB sieht unter bestimmten Voraussetzungen den Verlust der Amtsfähigkeit, der Wählbarkeit und des Stimmrechts vor. Wäre Höcke zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden, hätte ihm das Gericht die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen können (Paragrafen 92a, 45 Absatz 2 StGB).

Aus Tabelle 2 lässt sich ablesen, dass in nur rund zehn Prozent der Fälle 90 oder mehr Tagessätze verhängt werden, womit der Täter dann als vorbestraft gilt. Mehrheitlich – in 51,1 Prozent der Fälle – werden zwischen 31 und 90 Tagessätze angeordnet. Bei der Höhe der Tagessätze bewegen sich 40,6 Prozent der Fälle in einem Bereich zwischen 25 und 50 Euro. Das zeigt, dass eher einkommensschwache Personen vor den deutschen Strafgerichten stehen.

Neuerdings im Fokus: die Ersatzfreiheitsstrafe

An die Stelle einer uneinbringlichen Geldstrafe tritt nach Paragraf 43 Satz 1 StGB eine sogenannte Ersatzfreiheitsstrafe. Dabei liegt eine uneinbringliche Geldstrafe nur dann vor, wenn sie mittels ernsthafter, gegebenenfalls mehrfach unternommener Vollstreckungsversuche nicht beigetrieben werden kann. Der Verurteilte kann also nicht wählen, ob er die Geldstrafe bezahlen oder eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen will. Möglich ist aber, ihm zu gestatten, die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit („Schwitzen statt Sitzen“) abzuwenden (Artikel 293 Absatz 1 Satz 1 Einführungsgesetz zum StGB).

Der Umrechnungsmaßstab von einer ursprünglichen Geld- in eine Freiheitsstrafe ist in Paragraf 43 Satz 2 StGB zum 1. Februar 2024 einheitlich auf 2:1 nach zuvor 1:1 festgelegt worden: Zwei Tagessätze entsprechen einem Tag Freiheitsstrafe. Damit soll nach den Vorstellungen des Gesetzgebers eine substanzielle Reduzierung der zu vollstreckenden Ersatzfreiheitsstrafen erreicht werden. Immerhin befanden sich am 30. Juni 2022 4.411 Personen im Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe. Forderungen nach einer Streichung dieser Form der Strafe – schließlich wurde die betreffende Person vom Gericht gerade nicht zu einer Freiheits-, sondern nur zu einer Geldstrafe verurteilt – wurde im Gesetzgebungsverfahren eine Absage erteilt.

Im Kern kreist die Debatte, die auch nach der jüngsten Reform anhalten wird, um die Frage, wie auf die Bagatellkriminalität armer Menschen strafrechtlich reagiert werden sollte. Empirische Untersuchungen haben drei Situationen ermittelt, in denen eine Geldstrafe typischerweise nicht bezahlt wird: So kann die Lage der verurteilten Person zum einen „akut schwierig“ sein, weil sie etwa arbeitslos wurde oder ein Angehöriger verstorben ist. Sie kann zum anderen „dauerhaft ungeordnet“ sein, zum Beispiel bei Langzeitarbeitslosigkeit und einem Suchtproblem, oder schließlich gar „desolat“, wenn zusätzlich kein fester Wohnsitz vorhanden ist.

Sanktionen unterhalb der Schwelle zur Geldstrafe

Noch unterhalb der Schwelle der Geldstrafe liegt die in den Paragrafen 59 bis 59c StGB normierte Verwarnung mit Strafvorbehalt. Diese ist bei Straftaten geringen Gewichts ein Reaktionsmittel eigener Art. Sie wurde im Jahr 2022 nur 4.268 mal und damit sehr selten angeordnet. Sie eröffnet die Möglichkeit, Täter, die eine Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen verwirkt haben, schuldig zu sprechen, sie daneben zu verwarnen und die Verurteilung zu einer bereits bestimmten Strafe für die Dauer einer nach Paragraf 59a StGB festzusetzenden Bewährungszeit vorzubehalten. Bewährt sich der Täter innerhalb dieser Zeit nicht, so erfolgt die Verurteilung zu der schon bezeichneten Strafe; im Fall der Bewährung stellt dagegen das Gericht nach Ablauf der Bewährungszeit fest, dass es mit der Verwarnung sein Bewenden hat (Paragraf 59b Absatz 2 StGB). Im Unterschied zur Strafaussetzung (Paragraf 56 StGB) unterbleibt also vorerst die Verurteilung zu einer Strafe; sie entfällt gänzlich, wenn sich der Täter bewährt. Ein öffentlichkeitswirksames Beispiel aus der jüngsten Zeit ist der Fall des Fußballspielers Jérôme Boateng. Dieser wurde am 19. Juli 2024 wegen vorsätzlicher Körperverletzung verwarnt, und eine Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen zu je 5.000 Euro wurde vorbehalten. Das LG München I erteilte Boateng zudem die Auflage, insgesamt 100.000 Euro an zwei gemeinnützige Einrichtungen zu bezahlen (Paragraf 59a Absatz 2 Nummer 3 StGB). Mittlerweile ist das Urteil rechtskräftig.

Statt eine Verwarnung mit Strafvorbehalt auszusprechen, wird in der Praxis nicht selten das Strafverfahren nach Paragraf 153a Strafprozessordnung (StPO) gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt. Im Jahr 2023 war das in immerhin 141.666 Verfahren der Fall. Publik werden solche Einstellungen, die gerade nicht mit einer Verurteilung verbunden sind, in erster Linie bei einer Strafverfolgung Prominenter. Berühmtheit hat in diesem Zusammenhang der Fall Bernie Ecclestone erlangt: Gegen den früheren Formel-1-Manager endete im Jahr 2014 ein Strafverfahren wegen Bestechlichkeit, indem das LG München I gegen die Zahlung einer Rekordsumme von 100 Millionen US-Dollar eine Einstellung nach Paragraf 153a StPO verfügte. Charakteristisch für diese Form der Erledigung ist allerdings, dass die Einstellung schon im Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft vorgenommen wird. Dafür benötigt sie die Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts und die des Beschuldigten.

Nebenstrafe: Fahrverbot

Paragraf 44 StGB sieht zudem als eine sogenannte Nebenstrafe die Auferlegung eines Fahrverbots vor. Wird jemand zu einer Freiheits- oder einer Geldstrafe verurteilt, so kann ihm das Gericht für die Dauer von einem Monat bis zu sechs Monaten verbieten, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder oder einer bestimmten Art zu führen. Vom Fahrverbot ist die Entziehung der Fahrerlaubnis nach Paragraf 69 StGB zu unterscheiden. Letztere ist eine Maßregel der Besserung und Sicherung und führt dazu, dass die betreffende Person die Fahrerlaubnis – den „Führerschein“ – nach Ablauf der sogenannten Sperrfrist neu erwerben muss. Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist in der Praxis deutlich häufiger als das Fahrverbot. Während im Jahr 2022 bei 29.017 verurteilten erwachsenen Straftätern ein Fahrverbot verhängt wurde, wurde die Maßregel 90301 mal angeordnet.

Ein Fahrverbot ist in der Regel geboten („Regelfahrverbot“), wenn bei einer Trunkenheitsfahrt die Entziehung der Fahrerlaubnis unterbleibt (Paragraf 44 Absatz 1 Satz 3 StGB). Typisches Anwendungsfeld für Fahrverbote als Nebenstrafen sind Verkehrsdelikte. Jedoch wurde im Jahr 2017 die zuvor strenge Anbindung des Fahrverbots an eine Straßenverkehrsstraftat aufgegeben. Seitdem kommen Fahrverbote namentlich auch „zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung“ in Betracht; zudem dann, wenn „hierdurch die Verhängung einer Freiheitsstrafe oder deren Vollstreckung vermieden werden kann“ (Paragraf 44 Absatz 1 Satz 2 StGB).

Stationäre Maßregeln der Besserung und Sicherung

Wie bereits erwähnt, kennt das deutsche Strafrecht drei stationäre Maßregeln der Besserung und Sicherung.

Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (Paragraf 63 StGB) richtet sich an psychisch kranke Straftäter. Voraussetzung dafür ist, dass jemand bei einer Straftat vermindert schuldfähig (Paragraf 21 StGB) oder gar schuldunfähig (Paragraf 20 StGB) war. Daneben muss die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergeben, dass von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtwidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Als ein Beispiel aus jüngerer Zeit kann die Unterbringung eines Deutschen dienen, der im Oktober 2023 einen syrischen Asylbewerber unvermittelt von der Brüstung der Steinernen Brücke in Regensburg in den Abgrund stieß. Laut Pressemeldungen lag bei dem Angreifer eine bipolare Störung mit depressiven und manischen Episoden vor, die zu seiner Schuldunfähigkeit führte.

Die Voraussetzungen für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sind überaus komplex. Um jemand dort zu inhaftieren, müssen – vereinfach formuliert – vier Voraussetzungen vorliegen (Paragraf 64 StGB): Die Person muss erstens einen Hang haben, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen; zweitens muss die Person wegen einer rechtswidrigen Tat, die überwiegend auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt werden, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist; drittens muss die Gefahr bestehen, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird; und viertens muss eine aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte begründete Erwartung eines Behandlungserfolges innerhalb einer bestimmten Frist bestehen. Die Unterbringung nach Paragraf 64 StGB wurde kürzlich mit dem Ziel reformiert, dass weniger Personen in dieser Maßregel untergebracht werden, da die entsprechenden Kliniken überfüllt sind.

Noch komplizierter sind die Anforderungen für die Sicherungsverwahrung, die mittlerweile in den Varianten der traditionellen (Paragraf 66 StGB), der vorbehaltenen (Paragraf 66a StGB) und der nachträglichen Sicherungsverwahrung (Paragraf 66b StGB) existiert. Deswegen soll hier nur ihr Zweck beleuchtet werden. Er liegt „allein in der zukünftigen Sicherung der Gesellschaft und ihrer Mitglieder vor einzelnen, aufgrund ihres bisherigen Verhaltens als hochgefährlich eingeschätzten Tätern“. Sie richtet sich in erster Linie an schwere Rückfalltäter mit erheblichen Vorstrafen, die bereits im Strafvollzug gewesen sind. Zentral für eine Anordnung der Sicherungsverwahrung ist die Prognose, dass der Täter „infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist“ (Paragraf 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 StGB). Wichtig ist zudem zu wissen, dass die Sicherungsverwahrung zu einer Freiheitsstrafe hinzutritt, aber erst nach ihr vollzogen wird. So hat ein Täter erst seine Freiheitsstrafe zu verbüßen, bevor er gegebenenfalls in Sicherungsverwahrung muss. Dabei muss nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2011 auch im Vollzug der Sicherungsverwahrung darauf hingearbeitet werden, dass die Gefährlichkeit des Untergebrachten gemindert und er möglichst bald entlassen werden kann.

Im Gegensatz zur zeitigen Freiheitsstrafe, die – wie bereits gesehen – limitiert ist, werden die stationären Maßregeln der Besserung und Sicherung auf unbestimmte Zeit angeordnet. Dabei darf die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt zwei Jahre nicht übersteigen (Paragraf 67d Absatz 1 Satz 1 StGB). Im Übrigen werden die Unterbringungen zur Bewährung ausgesetzt und der Maßregelinsasse entlassen, „wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird“ (Paragraf 67d Absatz 2 Satz 1 StGB).

Von den stationären Maßregeln der Besserung und Sicherung wurde im Jahr 2022 – also noch vor der Reform – die Unterbringung nach Paragraf 64 StGB am häufigsten angeordnet (3.081 mal). Die Unterbringung nach Paragraf 63 StGB wurde 957 Personen auferlegt, die traditionelle Sicherungsverwahrung 68 Straftätern.

Ambulante Maßregeln der Besserung und Sicherung

Unter die drei ambulanten Maßregeln der Besserung und Sicherung fällt die bereits erwähnte Entziehung der Fahrerlaubnis (Paragrafen 69 bis 69b StGB), die von großer praktischer Bedeutung ist. Um sie anzuordnen, muss der Täter zunächst eine rechtswidrige Tat verübt haben. Diese muss entweder beim Führen eines Kfz oder im Zusammenhang damit oder unter Verletzung der Pflichten eines Kfz-Führers begangen werden. Zudem muss sich aus der Tat ergeben, dass der Täter zum Führen von Kfz ungeeignet ist. Die Tat muss also Indiz für den Eignungsmangel sein (Paragraf 69 Absatz 1 StGB). Zusätzlich listet das Gesetz einige Straftaten auf (Paragraf 69 Abs. 2 StGB), bei denen der Täter in der Regel als ungeeignet zum Führen von Kfz anzusehen ist. Dazu zählen etwa die Gefährdung des Straßenverkehrs (Paragraf 315c StGB), die Trunkenheit im Verkehr (Paragraf 316 StGB), aber auch das unerlaubte Entfernen vom Unfallort (Paragraf 142 StGB), obwohl der Täter weiß oder wissen kann, dass bei dem Unfall ein Mensch getötet oder nicht unerheblich verletzt worden oder an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist.

Zudem hat das Gericht bei der Entziehung der Fahrerlaubnis eine sogenannte Sperrfrist festzusetzen, die von sechs Monaten bis zu fünf Jahren und ausnahmsweise sogar lebenslang dauern kann (Paragraf 69b Absatz 1 StGB). Während dieser Sperrfrist darf die Fahrerlaubnisbehörde keinen neuen Führerschein erteilen.

Große Bedeutung haben auch die Vorschriften über eine weitere Maßregel erlangt: die Führungsaufsicht (Paragrafen 67h bis 68g StGB). Derzeit wird von mehr als 38.000 Personen ausgegangen, die bundesweit unter Führungsaufsicht stehen. Mit der Führungsaufsicht wird bezweckt, gefährliche oder gefährdete, in der Regel aus dem Straf- oder Maßregelvollzug entlassene Personen bei der Gestaltung ihres Lebens in der Freiheit über gewisse kritische Zeiträume hinweg zu unterstützen, sie zu betreuen sowie zu überwachen, um sie von künftigen Straftaten abzuhalten. Die Führungsaufsicht hat also eine Doppelfunktion: Mit ihr sollen sowohl eine Resozialisierungshilfe gewährt als auch Sicherungsaufgaben zum Schutz der Allgemeinheit wahrgenommen werden.

Um dies zu erreichen, sind insbesondere sogenannte Weisungen vorgesehen (Paragraf 68b StGB). Sie reichen vom Verbot bestimmter Tätigkeiten bis (in Ausnahmefällen) zur Anordnung einer elektronischen Aufenthaltsüberwachung, also der Verpflichtung zum Tragen einer „Elektronischen Fußfessel“. Wird gegen diese Weisungen verstoßen, kann dies eine eigene Straftat darstellen (Paragraf 145a StGB). Zudem kann bei einem gröblichen oder beharrlichen Verstoß gegen eine Weisung die Aussetzung einer Maßregel widerrufen werden (Paragraf 67g StGB).

Zuletzt ist die Möglichkeit eines Berufsverbots zu erwähnen, das in den Paragrafen 70 bis 70b StGB geregelt ist, in der Praxis aber nur selten angeordnet wird (2022: 60 mal).

Und die Wirkung dieser Sanktionen?

Alle beschriebenen Sanktionen greifen tief in die Rechte derjenigen Menschen ein, denen sie auferlegt werden. Wie diese Maßnahmen wirken und ob dadurch die mit ihnen beabsichtigten general- und spezialpräventiven Effekte erreicht werden, wird in der Öffentlichkeit jedoch nur wenig thematisiert.

Auskunft darüber kann am ehesten die sogenannte Rückfallstatistik geben. Sie wurde zuletzt im Jahr 2020 von einem Forschungsteam veröffentlicht und funktioniert folgendermaßen: Für ein sogenanntes Bezugsjahr (in der Vergangenheit konkret für die Jahre 2004, 2007, 2010 und 2013) wurden alle in diesen Jahren strafrechtlich Sanktionierten oder aus der Haft Entlassenen für einen festgelegten Risikozeitraum daraufhin überprüft, ob sie wieder straffällig geworden sind. Dies geschah anhand der personenbezogenen Eintragungen im Zentral- und Erziehungsregister, also anhand offizieller Registrierungen. Nicht als rückfällig erfasst werden kann mit dieser Methode demnach eine Person, die zwar erneut straffällig, aber nicht entdeckt wurde, und deren Verhalten sozusagen im Dunkelfeld verblieben ist. Bei den freiheitsentziehenden Maßnahmen, also bei Strafen und Maßregeln, ist für die Berechnung im Wesentlichen maßgebliches Datum die Entlassung aus dem Straf- oder Maßregelvollzug. Bei ambulanten Sanktionen, vor allem also bei Geldstrafen, aber auch bei der Aussetzung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung, ist dagegen das Datum der Entscheidung relevant.

Nachverfolgt wurde jeweils ein dreijähriger Risikozeitraum, während für die erste Erhebung aus dem Jahr 2004 bereits ein Risikozeitraum von zwölf Jahren überschaut werden kann. Besonders interessant ist es, die Rückfälligkeit in Abhängigkeit von bestimmten Faktoren zu ermitteln. Dazu gehören etwa die Sanktionsart der Bezugsentscheidung (etwa Freiheits- oder Geldstrafe), das zugrundeliegende Delikt oder bereits vorhandene Vorstrafen. Auch kann mit diesem Datensatz die einschlägige Rückfälligkeit berechnet werden, etwa ganz konkret die Frage, ob Sexualstraftäter überproportional erneut mit Sexualstraftaten auffällig werden, was übrigens nicht der Fall ist.

Zu den vielfältigen Ergebnissen dieser Statistik hier nur so viel: Tendenziell weisen Freiheitsstrafen ohne Bewährung die höchste Rückfallrate auf. Dann folgen Freiheitsstrafen mit Bewährung. Am besten schneiden Geldstrafen ab. Freilich sind bei diesem Ergebnis Selektionseffekte zu berücksichtigen, da es sich bei Strafgefangenen um eine „Negativauslese“ handelt. Dennoch wird in der Kriminologie von der sogenannten Austauschbarkeit der Sanktionen gesprochen. Damit ist gemeint, dass die Art der Sanktion, etwa ob eine Freiheitsstrafe mit Bewährung oder nur eine Geldstrafe verhängt wird, in weiten Bereichen der Strafrechtspflege für die Wirkung auf den Straftäter ohne Bedeutung ist.

ist Professor für Kriminologie, Straf- und Sanktionenrecht an der Eberhard Karls Universität Tübingen und Direktor des dortigen Instituts für Kriminologie.