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Editorial | Risikokompetenz | bpb.de

Risikokompetenz Editorial Von magischen Praktiken zu systemischen Risiken. Geschichte und Bedeutung des Risikobegriffs Reden über Risiken. Risikokommunikation in krisenhaften Zeiten Institutionelles Risikomanagement Psychologie des Risikos. Warum eine freie Gesellschaft risikokompetente Bürger braucht Urteilskraft und Risiko. Von der Sehnsucht nach Konformität in Krisenzeiten Über den Umgang mit Risiken in der Politik

Editorial

Sascha Kneip

/ 2 Minuten zu lesen

Seit es den Menschen gibt, ist er mit Gefahren und Unsicherheiten konfrontiert. War die frühe Menschheit vor allem durch Umwelt- und Naturgefahren bedroht, treten in der Moderne selbstverursachte Gefahren hinzu. "In der fortgeschrittenen Moderne", so schreibt der Soziologe Ulrich Beck in seinem Klassiker "Risikogesellschaft" von 1986, "geht die gesellschaftliche Produktion von Reichtum systematisch einher mit der gesellschaftlichen Produktion von Risiken". Während wir durch die Aneignung von Wissen im Prinzip mit Gefahren wie Krankheit, Erdbeben oder Hochwasser umzugehen gelernt haben, scheint die Bearbeitung selbstproduzierter Risiken – atomare Strahlung, Schadstoffe in Luft und Lebensmitteln, Massenvernichtungswaffen oder menschengemachter Klimawandel – ungleich schwieriger zu sein.

Dabei gehört es zu den Merkmalen des modernen Risikobegriffs, dass er auf eigene Handlungsmöglichkeiten verweist. Unsicherheiten werden nicht mehr als hinzunehmende Gefahren begriffen, sondern als durch Kalkulieren, Entscheiden und aktives Handeln beeinflussbare Größe. Risiken sind in diesem Sinne grundsätzlich beherrschbar. Dies setzt allerdings einiges voraus: Rationalität und Urteilskraft, eine angemessene Kommunikation über alternative Handlungsmöglichkeiten, Resilienz im Angesicht existenzieller Risiken und nicht zuletzt ein Verständnis für die neue Qualität systemischer Risiken, die sich durch ihre komplexen Ursache- und Wirkungszusammenhänge einfachen Problemlösungen entziehen.

Ein angemessener Umgang mit Risiken erfordert nicht nur individuelle, sondern auch kollektive Risikokompetenzen. Wie die jüngsten Krisen – Finanzmarktkrise, Coronapandemie, Klimakrise, Krieg in Syrien und in der Ukraine – gezeigt haben, führt die nicht immer optimale Reaktion auf Krisen und Risiken zu gesellschaftlichen Problemlagen und Konflikten, die für die Demokratie selbst zum Risiko werden können. Ein offener, Bürgerinnen und Bürger einbeziehender Diskurs über Unsicherheiten, Herausforderungen und Risiken sowie ein rationaler, wohl abgewogener Umgang mit ihnen ist wichtiger denn je.

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