Am 24. Oktober in diesem Jahr wird die Bevölkerung in der Republik Moldau zu den Wahlurnen gebeten. Nicht nur will sich die proeuropäische Staatspräsidentin Maia Sandu nach einer vierjährigen Amtszeit zur Wiederwahl stellen, sondern es soll auch ein Referendum über die Frage abgehalten werden, ob die moldauischen Beitrittsbestrebungen zur Europäischen Union zum verbindlichen Verfassungsziel erhoben werden. Beiden Richtungsentscheidungen kommt eine wesentliche Bedeutung zu, sind sie doch eng mit dem gesellschaftlichen Zusammenhalt und der Zukunft des südeuropäischen Landes verknüpft. Die Debatte über die politische und wirtschaftliche Bündnisfrage wird dabei von schrillen, kremlnahen Kräften übertönt und zum Kulturkampf zwischen Ost und West ausgeweitet.
Die Republik Moldau, die an Rumänien und die Ukraine angrenzt, erklärte im Sommer 1991 ihre Unabhängigkeit von der Sowjetunion. Bereits in den Gründungsjahren rang das Land um seine territoriale Integrität: Die Region Transnistrien sagte sich in einem kurzen bewaffneten Konflikt völkerrechtswidrig von der Zentralregierung in Chișinău los; seitdem sind dort russische "Friedenstruppen" stationiert. Die Region Gagausien verblieb im Staat, sicherte sich aber weitgehende Autonomierechte. Zum Zugehörigkeitskonflikt kamen Armut, Auswanderungswellen und der Übergriff von Oligarchen auf die junge, nicht konsolidierte Demokratie hinzu. Mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine suchten 2022 Tausende Geflüchtete Schutz im Land, die Energiepreise stiegen, die Sicherheitslage bleibt weiterhin angespannt.
Die Menschen in Moldau werden im Narrativ der machtpolitischen Zwänge und Transformationsschmerzen oft vergessen. Viele treten trotz widriger Bedingungen für gesellschaftliche Verständigung, Toleranz und Freiheit ein. Sie nehmen das Schicksal ihres Landes in die Hand.