Die internationale politische Ökonomie illegaler Drogen – also das Zusammenspiel von Staaten, Märkten und verschiedenen einflussnehmenden Akteur:innen auf die globalisierten Lieferketten von Drogenproduktion, -handel und -konsum – ist eine komplexe Angelegenheit, deren Untersuchung und Darstellung schon deshalb schwierig ist, weil sie sich eben hauptsächlich im Illegalen und somit im Verborgenen abspielt. Zugleich gibt es kaum eine Debatte über die Drogenökonomie, die nicht in einer moralisch aufgeladenen Kontroverse über die Vor- und Nachteile der internationalen Verbotspolitik mündet. Verfechter:innen der Prohibition verweisen dabei vor allem auf die Gefährdungs- und Suchtpotenziale bestimmter psychotroper Substanzen
Im Folgenden werde ich die Strukturen und Akteur:innen dieser Märkte und ihrer Lieferketten näher in den Blick nehmen und der Frage nachgehen, wie die internationale Drogenökonomie trotz oder gerade wegen ihrer Illegalität "funktioniert" und erhalten wird.
Internationale Drogenkontrolle
Die heutige internationale Drogenökonomie ist maßgeblich durch das seit den 1960er Jahren errichtete System der internationalen Drogenkontrolle geprägt. Dieses fußt im Wesentlichen auf drei UN-Konventionen – dem Einheitsabkommen über die Betäubungsmittel von 1961, der Konvention über psychotrope Substanzen von 1971 und der Konvention gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Substanzen von 1988 –, deren Ziel darin besteht, jegliche Produktion und Distribution sowie den Konsum psychoaktiver Substanzen (außer für wissenschaftliche und medizinische Zwecke) zu verhindern.
Der effektivste Weg zur Reduktion des Drogenproblems, so die dahinterstehende Annahme, ist es, die Dimensionen der Märkte mittels Verbotspolitik zu minimieren. Während die internationalen Verträge vor allem auf die Einschränkung des Angebots zielen, wurde die Nachfragereduktion den nationalen Regierungen überlassen. Im Ergebnis hat sich ein globales Drogenkontrollregime etabliert, durch das die Erzeugung, der Handel und vielfach auch der Konsum von Cannabis, Kokain, Opiaten und synthetischen Drogen international geächtet sind und entsprechend kriminalisiert werden.
Der Prozess, der zur Entstehung dieses Rahmens geführt hat, kann als ein Zusammenwirken von Einschätzungen und Moralvorstellungen verstanden werden, bei dem sich insbesondere in den USA vorherrschende Werte, Interessen und Ansprüche durchsetzen konnten.
Umsätze und Gewinne
Angesichts der verborgenen Natur des illegalen Drogenhandels und dem damit einhergehenden Mangel an verlässlichen Daten zu Produktion, Preisen, exportierten, importierten und konsumierten Mengen sind genaue Zahlenangaben zu den globalen illegalen Drogenmärkten unmöglich. Die Vereinten Nationen schätzten das Volumen des globalen illegalen Drogenhandels 2005 auf 360 Milliarden US-Dollar jährlich.
Im Gegensatz zu legalen Waren spielen die Produktion- und Arbeitskosten bei illegalen Drogen eine untergeordnete Rolle. Stattdessen prägen andere Faktoren die Preissetzung. Ökonomische Analysen, die sich mit den Auswirkungen von Strafverfolgung auf Drogenpreise befassen, zeigen, dass ein Risikoaufschlag verrechnet wird, der sich aus der Illegalität der Ware ergibt.
Mit zunehmender Entfernung vom Anbauort beziehungsweise zunehmender Nähe zu den Endkund:innen im Globalen Norden steigen auch die Preisaufschläge. Der größte Profit wird somit im Globalen Norden gemacht. Beispielhaft sind hier Kokain und Heroin zu nennen, deren Produktionskosten im Globalen Süden einen Bruchteil des Endkundenpreises im Norden ausmachen; grob geschätzt handelt es sich um ein bis zwei Prozent. Gleichzeitig entfällt der Großteil der anfallenden Kosten auf lokale Vertriebsnetze in den Konsument:innenstaaten. Die Kosten für den transnationalen Schmuggel sind zwar deutlich höher als die Produktionskosten, schlagen aber vergleichsweise moderat zu Buche. Auch wenn einzelne Händler:innen durchaus Reichtümer anhäufen, verteilt sich der Großteil der inländischen Vertriebsumsätze in den Konsument:innenstaaten doch auf der untersten Ebene der Lieferkette, also auf die große Anzahl der Einzelhändler:innen.
Bei den synthetischen Drogen verhält es sich ähnlich, was den Preisaufschlag von der Produktion bis zum Kleinhandel angeht. Lediglich beim in den Konsument:innenstaaten des Globalen Nordens produzierten Cannabis ist die Verteilung der Profite anders. Zum einen sind hier die Vertriebsketten kürzer, da von der Erzeugung bis zum Verkauf an Konsumierende weniger Handelnde beteiligt sind. Zum anderen ist das Strafmaß für die Distribution von Cannabis im Vergleich zu anderen illegalen Drogen geringer.
In Summe ist es wichtig, sich zu vergegenwärtigen, dass auf illegalen Drogenmärkten jährlich viele Milliarden US-Dollar umgesetzt werden, die überwiegende Mehrheit der in den Drogenhandel Involvierten jedoch eher bescheidene Einkommen erzielt.
Produktion im Globalen Süden
Warum findet die Produktion von Kokain und Heroin in den ärmeren Staaten des Globalen Südens statt, während die Profite vorwiegend im Norden gemacht werden? Obwohl die Profitmargen relativ gering sind, ist der Anbau von sogenannten Drogenpflanzen wie Koka oder Schlafmohn für viele Landwirt:innen im Globalen Süden lukrativer als die Teilhabe an der legalen Agrarwirtschaft.
Darüber hinaus gibt es einen weiteren Faktor, der zum Anbau und Herstellung von illegalen Drogen beiträgt. Während der Anbau legaler Kulturen den Preisschwankungen der internationalen Ökonomie unterworfen ist, die durch das Zusammenspiel aus wechselnden Konsumwünschen und dem globalen Wettbewerb unter landwirtschaftlichen Produzent:innen geprägt ist, sind die Erträge aus den Drogenpflanzen im zeitlichen Verlauf kontinuierlich und hoch.
Die Einkünfte aus dem Drogenanbau haben auch für die nationalen Ökonomien der Produktionsstaaten einen wichtigen Stellenwert.
Globale Lieferketten, lokaler Vertrieb
Mit dem Voranschreiten der Globalisierung sind nicht nur legale Warenströme gefördert und erleichtert worden, sondern in unbeabsichtigter Weise auch der grenzüberschreitende Schmuggel von illegalen Gütern.
Die globale Lieferkette funktioniert dabei in der Regel wie folgt: Schmuggler:innen oder Drogenhändler:innen transportieren zunächst große Mengen an Drogen, zum Beispiel mehrere Kilogramm Kokain, über internationale Grenzen und verkaufen diese an Großhändler:innen weiter. Über weitere Zwischenhändler:innen gelangen die Drogen dann an eine Vielzahl von Einzelhändler:innen, die schließlich die Endkund:innen mit illegalen Substanzen versorgen.
Obwohl es je nach Standort und Kontext wichtige Unterschiede gibt, wie die illegalen Drogenmärkte organisiert sind, hält das populäre mediale Bild des alles kontrollierenden "Drogenbarons" oder "Drogenkartells" den Erkenntnissen der wissenschaftlich-empirischen Forschung nicht stand. Für die meisten Drogenmärkte gibt es keinerlei Anzeichen von Monopolbildung.
Diese Befunde werden durch eine ethnografische Studie zu Großhändler:innen in den USA gestützt: Während einige Akteur:innen nahe und beständige Partnerschaften haben, sind andere locker strukturiert und von wechselnden Allianzen geprägt.
An dieser Stelle muss mit einer weiteren gängigen Erzählung gebrochen werden: Während ein pauschaler Zusammenhang zwischen Drogenökonomie und Organisierter Kriminalität (OK) in der öffentlichen Wahrnehmung geradezu vorausgesetzt wird, kommen Forschungsperspektiven zu differenzierteren Einschätzungen.
Offene und geschlossene Märkte
Der Einzelhandel als Schnittstelle zwischen Drogendealer:innen und Konsumierenden ist der empirisch wohl am besten erforschte Bereich der globalen Lieferkette, der hier am Beispiel Europas abgehandelt werden soll. Um die Vielfalt der unterschiedlichen Ausprägungen des Einzelhandels zu berücksichtigen, kann er entlang eines Kontinuums von "offenen" und "geschlossenen" Drogenmärkten konzeptualisiert werden.
Offene Märkte sind dadurch charakterisiert, dass Drogen auf öffentlichen Plätzen angeboten werden, der Zugang für Kund:innen ist somit niederschwellig. Da sich Käufer:in und Verkäufer:in nicht kennen und sich üblicherweise nur einmal begegnen, aber für die Polizei sichtbar sind, dauert der Verkauf nur einen kurzen Moment. Der Zweck der Begegnung ist einzig die Drogenübergabe. Vertrauen wird hierbei keines aufgebaut, stattdessen ist das potenzielle Betrugsrisiko in Bezug auf Gewicht, Qualität und Preis groß. Diese Märkte sind in die "Kultur der Straße" eingebettet, einer kriminellen Subkultur, die vielerorts primär von marginalisierten Männern aus ethnischen Minderheiten aus dem Arbeitermilieu geprägt ist.
Am anderen Ende des Kontinuums befinden sich geschlossene Drogenmärkte, deren Entstehung mit dem Risiko polizeilicher Ermittlungen und der Entwicklung mobiler Telekommunikation zusammenhängt. Die Akteur:innen haben hier die Möglichkeit, ohne physische Präsenz in Kontakt zu treten, etwa per Telefon oder Messenger. Händler:innen sind somit nur für diejenigen Kund:innen zugänglich, die zuvor eine soziale Beziehung zu ihnen aufgebaut haben oder von einer Vertrauensperson vorgestellt worden sind. Da der Handel hinter verschlossenen Türen stattfindet, üblicherweise in privaten Wohnungen, gilt das Risiko der Entdeckung durch die Polizei als geringer. Insofern sind geschlossene Märkte häufig in subkulturelle Drogenkulturen der Mittelschicht eingebettet.
Zwischen beiden Marktformen befinden sich halböffentliche Märkte, die für diejenigen zugänglich sind, die die Händler:innen an Orten wie Bars, Cafés oder Clubs erkennen. Obwohl keine vorherigen persönlichen Kontakte notwendig sind, ist ein informelles Gespräch und eine diskrete Kaufabwicklung Teil des Prozederes. Gleichsam ist es mitunter schwierig, die handelnde Person zu "finden"; dabei ist das Entdeckungsrisiko geringer als auf der Straße oder im Park.
Einen weiteren Entwicklungsschritt haben digitale Kommunikationstechnologien mit sich gebracht. So gehört auch der Online-Drogenhandel zu den halböffentlichen Märkten. Drogen sind dort für jene zugänglich, die über die technischen Skills zur Bedienung von Verschlüsselungssoftware und das Wissen verfügen, wie sie eine Plattform auffinden und eine Bestellung aufgeben können.
Mitunter verschwimmen indes die Grenzen zwischen Konsument:innen- und Händler:innen-Rolle.
Schlussbetrachtung
Bei der Skizzierung der verschiedenen Ebenen der internationalen Drogenökonomie ist deutlich geworden, dass im Globalen Norden die mit Abstand meisten Gewinne erzielt werden, während die Produktion und der Schmuggel illegaler Drogen in Ländern des Globalen Südens mit einem hohen Armutsniveau und erodierender Staatlichkeit eine wichtige Einkommensquelle sind. Doch erst das Zusammenspiel beider Hemisphären im Rahmen des internationalen Drogenkontrollregimes bringt die internationale Drogenökonomie hervor. So besteht ein enger Zusammenhang zwischen Angebot im Globalen Süden und Nachfrage im Norden: Eine erfolgreich erzwungene Angebotsreduktion im Süden kann etwa zu einer Knappheit in Norden führen, wodurch die Preise für die jeweilige Droge steigen; der Preisanstieg wiederum bietet jedoch einen Anreiz, mehr anzubauen und zu produzieren.
Was das prohibitive internationale Drogenkontrollregime angeht, kann somit festgehalten werden, dass dieses trotz intensiver Interventionen das globale Drogenproblem weder angebots- noch nachfrageseitig zu lösen vermochte.
Der Blick auf die Lieferketten, den Handel und Vertrieb hat gezeigt, dass es "den" Drogenmarkt nicht gibt – Gestalt und Akteur:innen verändern und verhalten sich je nach struktureller Gegebenheit und Kontext und widersprechen dabei manch stereotyper Vorstellung. Dazu stellen die zunehmende Nutzung von Online-Drogenmärkten die Drogenprohibition vor neue Herausforderungen und erfordern mehr denn je nachhaltige Lösungsstrategien im Umgang mit Drogenangebot und -nachfrage im 21. Jahrhundert. Einen Beitrag kann sozialwissenschaftliche Forschung leisten, doch deren empirischer Zugang ist langwierig und bedarf entsprechend langfristiger Finanzierung.