In fast allen Ländern dieser Welt wird die Verfügbarkeit und die Nachfrage nach illegalen Drogen streng kontrolliert und durch Verbote auf wissenschaftliche oder medizinische Zwecke eingeschränkt. Maßgebend hierfür ist das sogenannte internationale Drogenkontrollregime, welches auf dem Einheitsabkommen über die Betäubungsmittel der Vereinten Nationen von 1961 gründet und durch die Konvention über psychotrope Substanzen von 1971 und die Konvention gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen von 1988 erweitert wird. Dieses Regime hat die Prohibition als globale Norm und die Rhetorik des Anfang der 1970er Jahre von den USA ausgerufenen "Krieges gegen die Drogen" institutionalisiert. Dabei geben die Konventionen das Modell für die nationale Drogenprohibition vor, und Vergehen werden in den meisten Staaten mit strafrechtlichen Mitteln sanktioniert.
Der Konsens über die Wirksamkeit einer auf Repression fußenden Drogenkontrolle wird allerdings in der jüngeren Vergangenheit durch die Verfolgung abweichender Ansätze auf die Probe gestellt. Auf der einen Seite haben vor allem westeuropäische Länder seit Ende der 1980er Jahre pragmatische Alternativen zu einer strikten Prohibition erprobt und sogenannte schadensreduzierende Maßnahmen (harm reduction) wie die Bereitstellung steriler Nadeln für den intravenösen Drogenkonsum oder die Verfügbarkeit von Substitutionstherapien für Opioidabhängige eingeführt.
Während solche Reformen die Legitimität des internationalen Drogenkontrollregimes nicht grundsätzlich infrage stellten, sieht dies mit Bezug auf die Legalisierung von Cannabis über den medizinischen Gebrauch hinaus anders aus. Damit verletzen Staaten wie Uruguay oder Kanada nunmehr offen die völkerrechtlichen Bestimmungen der Konventionen. Die Missachtung der Konventionen stellt das aktuelle Regime vor große Herausforderungen, und die Zukunftsfähigkeit der internationalen Drogenprohibition erscheint fraglich.
Ziele und Aufbau des internationalen Drogenkontrollregimes
Eine umfangreiche Verpflichtung, psychoaktive Substanzen wie Opium, Kokain oder Cannabis für illegal zu erklären und diese entsprechend zu verbieten, setzte sich erstmals mit dem 1961 beschlossenen Einheitsabkommen über die Betäubungsmittel durch. Diese Konvention zählt zu den einflussreichsten Abkommen der Vereinten Nationen, ihr gehören heute 186 der 193 Mitgliedstaaten an.
Der einheitliche rechtliche Rahmen, der mit der Konvention von 1961 eigentlich geschaffen werden sollte, musste schon einige Jahre später ergänzt werden: Zunächst wurde 1971 die Konvention über psychotrope Substanzen verabschiedet. Diese trägt dem verstärkten Aufkommen synthetischer Drogen wie Amphetaminen, Ecstasy oder LSD seit den 1960er Jahren Rechnung, die aufgrund des damaligen Schwerpunkts auf aus "Drogenpflanzen" gewonnenen Substanzen bisher noch keiner Kontrolle unterlagen. 1988 wurde zudem in Wien die Konvention gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen beschlossen. Diese stand maßgeblich im Zeichen des von US-Präsident Richard Nixon 1971 ausgerufenen war on drugs, der unter der Administration von Präsident Ronald Reagan bis 1989 zunehmend eskalierte.
Angesichts eines wachsenden Drogenschwarzmarktes und der Zunahme von organisierter Kriminalität sollte mit der Konvention von 1988 dem Problem des transnationalen illegalen Drogenhandels begegnet werden. Mit ihrer Verabschiedung wurde die Perspektive, Drogen als existenzielle Gefahr für die nationale Sicherheit und Frieden zu sehen, institutionell festgeschrieben, und repressive Maßnahmen entwickelten sich zunehmend zum Mittel der Wahl.
Zu den konkret beschlossenen Maßnahmen gehörten die Kontrolle der für die Drogenproduktion notwendigen Vorläuferstoffe, eine Bestrafung der Geldwäsche von aus dem Handel mit illegalen Drogen erzielten Erlösen und eine vertiefte Zusammenarbeit bei der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen. Mit Artikel 3 Absatz 2 kam es zudem erstmals zur Verpflichtung, die Nachfrage nach illegalen Drogen einzuschränken.
Alternative Ansätze
Der Anspruch, das illegale Angebot und die Nachfrage an Betäubungsmitteln drastisch zu reduzieren, wurde durch die internationale Gemeinschaft auf der Sondersitzung der Generalversammlung der Vereinten Nationen (United Nations General Assembly Special Session, UNGASS) zum Thema Drogen 1998 in New York erneut bekräftigt. In der verabschiedeten Resolution verpflichteten sich die Mitgliedstaaten auf weitreichende Maßnahmen zur Eliminierung – oder zumindest einer signifikanten Reduzierung – des illegalen Anbaus des Kokastrauchs, von Cannabispflanzen und Schlafmohn. Dies sollte bis 2008 erreicht werden.
Schadensreduzierung
Auch wenn es die drogenpolitischen Beschlüsse auf internationaler Ebene nicht direkt widerspiegeln: Der internationale Konsens über die repressive Drogenpolitik wird bereits seit den 1980er Jahren durch den Ansatz der harm reduction herausgefordert. In Reaktion auf die rapide Verbreitung von Krankheiten wie HIV/Aids oder Hepatitis C durch intravenösen Drogenkonsum mit verunreinigten Spritzen haben mehrere Länder Maßnahmen zur Schadensreduzierung eingeführt, die sich in Deutschland sowie in vielen anderen europäischen Staaten mittlerweile als zusätzliche Säule der Sucht- und Drogenpolitik etabliert haben. Dazu zählen unter anderem die Verteilung steriler Nadeln für den intravenösen Drogenkonsum, die Bewilligung von Substitutionsbehandlungen für Opioid-Abhängige, die Verschreibung von synthetischem Heroin oder die Einrichtung von Drogenkonsumräumen in mehreren europäischen Großstädten wie Frankfurt am Main oder Zürich. Da diese Maßnahmen vornehmlich auf eine Reduzierung der mit dem Drogenkonsum verbundenen gesellschaftlichen und gesundheitlichen Schäden und Risiken abzielen und eine Reduzierung des Drogenkonsum an sich nicht zwingend vorgesehen ist, haben sie auf internationaler Ebene immer wieder zu Spannungen über die Einhaltung der Vorgaben des Drogenkontrollregimes geführt.
Entsprechend kontrovers wird der Ansatz der Schadensreduzierung international diskutiert. So wurden Instrumente der harm reduction von Ländern wie Russland, Japan oder den USA als gegen die Konventionen verstoßend abgelehnt, und auch die mit der Überwachung der Einhaltung und Umsetzung der Konventionen beauftragten Organisationen haben sich wiederholt kritisch geäußert. Der Internationale Suchtstoffkontrollrat (International Narcotic Control Board, INCB) zum Beispiel hat in seinen jährlichen Berichten darauf hingewiesen, dass Maßnahmen wie die Einrichtung von Drogenkonsumräumen oder die Verschreibung von synthetischem Heroin mit den internationalen Verträgen unvereinbar sind.
Dekriminalisierung
Die Spannungen in der internationalen Drogenpolitik lassen sich darüber hinaus anhand der Dekriminalisierung von illegalen Substanzen, insbesondere der von Cannabis, aufzeigen. Mit Dekriminalisierung ist dabei gemeint, dass der Besitz für den persönlichen Konsum einer Substanz bei Erwachsenen nicht mehr als Straftat behandelt wird, womit bei geringen Verstößen die Möglichkeit einer Haftstrafe entfällt. Während ein Großteil der Staaten den Besitz von Cannabis für den persönlichen Konsum weiterhin strafrechtlich verfolgt, lässt sich vor allem seit Anfang der 2000er Jahre eine Welle an Reformen in Richtung Dekriminalisierung beobachten.
Ein viel beachtetes Beispiel in diesem Kontext ist die Drogenrechtsform in Portugal, mit der 2001 ein alternativer Kurs zur Kriminalisierungsstrategie eingeschlagen wurde. Schon in den 1990er Jahren sah sich das Land mit einer eskalierenden Drogenproblematik in Form von ansteigendem Konsum und zunehmender Verbreitung von HIV/Aids unter Drogenkonsumierenden konfrontiert. Als Reaktion entschied die sozialdemokratische Regierung unter Premierminister António Guterres, dem heutigen Generalsekretär der Vereinten Nationen, den Besitz von allen illegalen Drogen für den persönlichen Konsum umfangreich zu entkriminalisieren.
Auf der internationalen Ebene wurden die Bestrebungen mancher Staaten, die Drogenpolitik zu dekriminalisieren, anfänglich massiv kritisiert. In der Suchtstoffkommission zeigten sich insbesondere Länder mit einer restriktiven Drogenpolitik – wie Schweden, die USA oder Saudi-Arabien – besorgt über eine Aufweichung der internationalen Bestimmungen zur Drogenprohibition. Daneben wurden die Reformen auch von einigen "drogenproduzierenden Ländern" scharf kritisiert, da diese durch eine Dekriminalisierung der Nachfrage ihre Anstrengungen in der Reduzierung des illegalen Drogenanbaus konterkariert sahen. In ähnlicher Weise argumentierte auch der Internationale Suchtstoffkontrollrat, der in seinem jährlichem Bericht 2001 die Unvereinbarkeit einer Dekriminalisierung von Cannabis mit den Verpflichtungen der Konventionen herausstellte.
Im Zeitverlauf hat sich diese ablehnende Haltung jedoch deutlich abgeschwächt. Mittlerweile schätzt der Suchtstoffkontrollrat die portugiesischen Drogenpolitik sogar als vertragskonform ein.
Legalisierung von Cannabis
Bewegten sich die Staaten mit der Umsetzung der beschriebenen alternativen Ansätze noch auf dem völkerrechtlichen Terrain der Konventionen, haben in jüngerer Vergangenheit – aufgrund der Unzufriedenheit mit der Funktionsweise und den Ergebnissen des Drogenkontrollregimes – vor allem einige lateinamerikanische Länder offen mit den Konventionen gebrochen.
Der Impuls für eine Legalisierung von Cannabis ging paradoxerweise von den USA aus, deren restriktive Nulltoleranzpolitik die Drogenpolitik international jahrzehntelang geprägt hatte. Seit 2012 wurde Cannabis mittlerweile in 15 US-Bundesstaaten legalisiert.
Obwohl sich der Suchtstoffkontrollrat in seinen jährlichen Berichten wiederholt besorgt über die Legalisierung von Cannabis geäußert hat und die Verletzung der in den Konventionen festgelegten Bestimmungen unmissverständlich kritisiert,
Auch der bereits seit Anfang der 2000er Jahre in Deutschland geführte Diskurs über eine Entkriminalisierung und Legalisierung von Cannabis hat durch die Entwicklungen auf internationaler Ebene neue Aktualität erfahren
Ob weitere Länder Uruguay und Kanada folgen werden, hängt sicherlich von Erfahrungen ab, die dort gemacht wurden und werden. Auch wenn es für eine umfangreiche Bewertung der Auswirkungen der Legalisierung noch zu früh ist, zeigen bisherige Studien ein gemischtes Bild – der genaue Effekt auf die öffentliche Gesundheit ist noch unklar. So konnten in Uruguay auf der einen Seite die Kontakte zwischen Konsumierenden und oftmals auch andere, harte Drogen verkaufenden Drogendealern deutlich reduziert werden. Seit den Reformen geraten Konsumierende kaum noch in Konflikt mit den Strafverfolgungsbehörden. Andererseits ist seit der Legalisierung ein Anstieg des Cannabiskonsums zu beobachten. Allerdings ist noch unklar, inwieweit sich dieser tatsächlich auf die Legalisierung zurückführen lässt, da sich zum Beispiel eine ähnliche Entwicklung für den Konsum für Kokain zeigt, das nicht legalisiert wurde.
Fazit und Ausblick
Auch wenn sich einige alternative Ansätze zur repressiven Nulltoleranzpolitik in einer Reihe von Ländern durchgesetzt haben, ist ein umfassender Wandel der internationalen Drogenpolitik derzeit nicht zu erwarten. So ist die bisherige Herangehensweise auf der jüngsten Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen zum Weltdrogenproblem (UNGASS 2016) durch die Staaten größtenteils bestätigt worden. Bei den Verhandlungen offenbarte sich dabei vor allem ein erheblicher Dissens über die generelle Ausrichtung der Drogenpolitik.
Aufbauend auf den Erfahrungen mit Maßnahmen der Schadensreduzierung setzten sich zum Beispiel die europäischen Länder für eine an den Prinzipien der öffentlichen Gesundheit und Menschenrechten orientierten Politik ein.
Angesichts der teilweise sehr weit auseinanderliegenden Wertvorstellungen über das Vorgehen in der Drogenpolitik wird eine umfassende Reform der Konventionen daher nur schwerlich zu erreichen sein. Insofern ist fraglich, inwieweit das jetzige Regime überhaupt noch in der Lage ist, die verschiedenen Vorstellungen über die zukünftige Ausrichtung zu vereinen. Eine Erneuerung oder Modernisierung des internationalen Drogenkontrollregimes wird sich somit voraussichtlich nur über die Umsetzung alternativer und fortschrittlicher Strategien in den einzelnen Staaten vollziehen können. Die zunehmende Ausrichtung nationaler Drogenpolitiken auf gesundheitspolitische Prinzipien und eine sich weiterverbreitende Dekriminalisierung und Legalisierung von Cannabis sind hierbei wahrscheinlich. Der zukünftige Stellenwert des Drogenkontrollregimes wird dabei entscheidend davon abhängen, wie die einzelnen Mitgliedstaaten und die entsprechenden internationalen Organisationen auf die jüngsten Spannungen über die Funktionsfähigkeit der Drogenprohibition reagieren werden.