Vier Wochen nach dem Massaker der Hamas vom 7. Oktober 2023 im Süden Israels erschien im Feuilleton der „Süddeutschen Zeitung“ ein ganzseitiger Artikel, der aus der Vielzahl der Beiträge zum Thema herausstach. Die Autorin Nele Pollatschek skizzierte nicht allein geopolitische Folgen des Terrorangriffs und gewährte Einblicke in jüdische Gemeinschaften, die nun mit der bitteren Erkenntnis leben müssen, dass sie ihrer „Grundversicherung“ – Israel als sicherer Zufluchtsort – beraubt wurden. Zugleich protokollierte sie die Geschichte eines schmerzhaften Erwachens und stellte Zeugnisse derer zusammen, die sie die „internationale Linke“ nennt. Darunter finden sich über Social-Media-Kanäle geteilte Fotos von Paraglidern, versehen mit dem Satz „I stand with Palestine“, die Rede eines Professors der Cornell University, der erklärt, über den Terrorangriff der Hamas „hoch erfreut“ zu sein, sowie der Hinweis auf eine Petition, die von rund 30 Studierendenorganisationen der Harvard University initiiert wurde. Keine 24 Stunden nach dem Massaker erklärten Studierende der Elite-Universität, die Verantwortung für die mehr als 1.000 getöteten Zivilist:innen liege allein bei der israelischen Regierung. Die Hamas erwähnten sie nicht, deren Gräueltaten bezeichneten sie als „Ereignisse“.
Pollatschek war vom Ausbleiben der Anteilnahme, der Täter-Opfer-Umkehr und dem Versagen des politischen Urteilsvermögens derer, die sich gerne der eigenen Achtsamkeit rühmen, kaum weniger entsetzt als von den Taten selbst. Und sie fragte sich, wie sie früheren Bekundungen hatte Glauben schenken können: „Ich bin nicht wütend, ich bin nicht mal enttäuscht. Ich frage mich nur, wie wir so dumm sein konnten. Wie man denken konnte, es ginge der progressiven Linken um Menschenrechte, um universelle Werte.“
Wie lässt sich erklären, dass Lehrende und Studierende der renommiertesten Universitäten der USA, mithin jene, die auf höchstem Niveau ausgebildet und „sonst mit dem Checken von Privilegien beschäftigt“ sind,
Die Petition aus Harvard ist ein Hinweis darauf, dass das Projekt der Privilegienkritik in eine veritable Krise geraten ist. Soll die kritische Befassung mit Privilegien nicht zur Spielwiese sektiererischer politischer Auseinandersetzung werden, muss sie künftig in einem anderen Modus betrieben werden. Zu diesem Zweck werde ich im Folgenden zunächst die Dringlichkeit eines solchen Neustarts verdeutlichen und anschließend an die Anfänge der Privilegienkritik erinnern, um dann deren weitere Entwicklung zu kommentieren und abschließend Hinweise zu geben, was es beim Neustart zu beachten gilt.
Exkludierende Solidarität
Dass es sich bei den Reaktionen aus Harvard und anderen Universitäten nicht um Einzelfälle handelt, zeigt sich rasch, sobald man sich mit der Tradition des Antisemitismus in der Linken befasst.
Was auf dem Spiel steht, wenn der Begriff des Privilegs seines normativen Gehalts entkleidet und zum Instrument einer unaufgeklärten politischen Praxis wird, hat David Baddiel in seinem jüngsten Buch gezeigt. In „Jews don’t count“ geht der britische Comedian, der aus einer jüdischen Familie stammt, der Frage nach, wie es sich erklären lässt, dass die Linke bei ihren Sympathiebekundungen die Jüdinnen und Juden stets übersieht. Aus der Vielzahl von Beispielen, die er anführt, sei hier nur eines genannt: 2019 hielt Dawn Butler, die designierte Ministerin für Frauen und Gleichberechtigung der Labour-Party, eine Rede, an deren Ende sie all jene aufführte, die sich der Unterstützung ihrer Partei gewiss sein könnten. Dabei ließ sie, so schien es, keine Gruppe aus, die zum Opfer von Diskriminierung werden kann: „Wenn Sie in einer Sozialwohnung leben, wenn Sie LGBT+ sind, wenn Sie hetero sind, wenn Sie Sinti und Roma sind (…), wenn Sie schwarz, wenn Sie weiß, wenn Sie asiatischer Herkunft sind, wenn Sie gebrechlich sind, wenn Sie keinen Treuhandfonds besitzen, wenn Sie nicht in Oxford oder Cambridge studiert haben, wenn Sie zur Arbeiterklasse gehören, (…) dann haben Sie eine Zukunft und verdienen Gleichbehandlung, Würde und Respekt.“
Das Bild, das er für diese Form exkludierender Solidarität findet, ist überaus treffend. Die „progressiven modernen Linken“ zögen um jene, für die sie sich politisch einsetzen, einen „heiligen Kreis“. Warum aber erhielten Jüdinnen und Juden dazu keinen Zugang? Warum könnten sie in Großbritannien kaum auf Unterstützung der identitätspolitischen Linken hoffen? Baddiel erklärt das wie folgt: „Juden [sind] die einzigen Opfer von Rassismus (…), denen von den Rassisten sowohl ein niedriger als auch ein hoher Status beigemessen wird. Juden werden von Rassisten auf die gleiche Weise stereotypisiert wie andere Minderheiten – als verlogen, diebisch, schmutzig, niederträchtig, stinkend –, aber eben auch als vermögend, privilegiert, mächtig, als geheime Herrscher über die Welt.“
In dieser alten antisemitischen Denkfigur zeigt sich nun die dringende Korrekturbedürftigkeit der zeitgenössischen Rede von Privilegien. War deren Kritik zunächst eine zentrale Forderung emanzipatorischer Bewegungen, die – wie etwa in der Französischen Revolution, im Abolitionismus und der Frauenbewegung – der Egalité zum Durchbruch verhelfen wollten und allen Ideologien der Ungleichheit den Kampf angesagt hatten,
Semantische Verschiebungen
Was den Begriff des Privilegs für politische Bewegungen attraktiv macht, ist die Tatsache, dass er sich im Prozess der gesellschaftlichen Modernisierung auf grundlegende Weise transformiert hat. In der Feudalgesellschaft war er als juristischer Terminus geläufig, der den Sachverhalt bezeichnete, dass einem Individuum oder einer Personengruppe eine Sonderbehandlung gewährt wurde – ein Privilegiengeber erteilte einem Privilegiennehmer ein besonderes Recht und sicherte ihm zugleich dessen Exklusivität zu.
Seine heutige charakteristische Färbung erhielt der Begriff des Privilegs während der Französischen Revolution. Hatte die Aufklärung schon die Gestaltbarkeit der gesellschaftlichen Verhältnisse in den Fokus gerückt und jene unter Erklärungsdruck gesetzt, die sich an eine soziale Ordnung klammerten, die noch von Willkürakten, Asymmetrien und Standesgrenzen geprägt war, wurde das Privileg im revolutionären Frankreich zum Schimpfwort – zum Synonym für skandalöse, unhaltbare Zustände. In aller Schärfe hatte dies der Theologe Emmanuel Sieyès 1788 und 1789 in zwei Streitschriften ausgeführt. So heißt es in dem Traktat „Was ist der dritte Stand?“: „Als Privilegierten bezeichne ich jeden Menschen, der aus dem gemeinsamen Recht heraustritt, sei es, weil er behauptet, nicht in allem dem gemeinsamen Recht unterworfen zu sein, sei es, weil er exklusive Rechte verlangt.“ Was davon zu halten sei, hatte er zuvor in der „Abhandlung über Privilegien“ unmissverständlich festgehalten: „Alle Privilegien sind also ihrem Wesen nach ungerecht, hassenswert und dem höchsten Zweck jeder staatlichen Gemeinschaft entgegengesetzt.“
Dieser historisch-politische Hintergrund wird seither aufgerufen, wenn Privilegien thematisiert und kritisiert werden. Moderne Gesellschaften westlicher Prägung beschreiben sich durchweg als meritokratisch: Gesellschaftliche Platzierungen sollen nicht länger aufgrund klangvoller Namen und weit zurückreichender Stammbäume vorgenommen werden, sondern allein individuell zurechenbare Leistungen berücksichtigen. Aus diesem Wettbewerb um wertvolle Bildungsabschlüsse und herausgehobene gesellschaftliche Positionen darf – so das Selbstverständnis – niemand aufgrund unveränderlicher zugeschriebener Merkmale ausgeschlossen werden. Anders formuliert: Soziale Herkunft und sexuelle Orientierung, Hautfarbe und Geschlecht, religiöse Bekenntnisse und andere Marker dürfen nicht länger berücksichtigt werden; sie sollen nicht zur Grundlage von Diskriminierung und Ausgrenzung werden. Entsprechend heißt es in einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1975 in aller Klarheit: „Die Demokratie des Grundgesetzes ist eine grundsätzlich privilegienfeindliche Demokratie.“
Dass eine Selbstthematisierung nicht die realen Verhältnisse abbildet, muss nicht eigens erläutert werden; sie ist nicht mehr (aber auch nicht weniger) als eine Form der (idealisierten) Selbstbeschreibung. Auch gegenwärtig kann keine Rede davon sein, dass die Gesellschaften des Globalen Nordens tatsächlich meritokratisch organisiert sind.
Die Frauenbewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts etwa pochte darauf, dass die versprochene Gleichheit endlich umgesetzt und juristisch wie auch ökonomisch ausbuchstabiert wird. Soziologen wie Ralf Dahrendorf und Pierre Bourdieu wiederum geißelten in den 1960er und 1970er Jahren die Bildungseinrichtungen für ihre feudalen Strukturen und suchten diese auf Bestenauslese zu verpflichten – also darauf, die verdeckte Weitergabe von Bildungsprivilegien endlich zu beenden und einen fairen Wettbewerb um Bildungsabschlüsse zu organisieren.
Partikularistische Identitätspolitik
Nur wenige Jahre nachdem Pierre Bourdieu, Jean-Claude Passeron und andere das französische Bildungssystem einer scharfen Kritik unterzogen und die politisch Verantwortlichen mit dem Vorwurf konfrontiert hatten, die Ideale der Französischen Revolution verraten zu haben,
Linke Identitätspolitik fußt somit auch auf der Erfahrung, dass sich die Solidarität zwischen diskriminierten Gruppen als wenig belastbar erwiesen hat. Weder die männlich dominierte Schwarze Befreiungsbewegung noch die von weißen, bürgerlichen Frauen geprägte feministische Bewegung war interessiert an dem Schicksal der Schwarzen Frauen, die als Betroffene rassistischer und patriarchaler Strukturen doppelt diskriminiert wurden. Und so wandten sich die Mitglieder des Combahee River Collective, das sich Mitte der 1970er in Boston gegründet hatte, von diesen Gruppen ab und wählten genau jene Kombination von Merkmalen, aufgrund derer sie diskriminiert wurden, zum Ausgangspunkt der eigenen Politisierung. In der Neuausrichtung des black feminism liegt daher auch eine bedeutsame Gelenkstelle der Geschichte emanzipatorischer Bewegungen.
Für die Entwicklung der Kritik von Privilegien war diese Bewegung von großer Bedeutung. Nicht allein für die politische Kultur war es wichtig, dass in den 1970er Jahren die „Pluralität partikularer Perspektiven“ und damit die mangelnde Repräsentation marginalisierter gesellschaftlicher Gruppen deutlich wurde.
Privilegierte sind für jene Strukturen, deren sie ihre unberechtigte Bevorzugung verdanken, meist eigentümlich blind. Sie bestreiten zwar nicht die Existenz gesellschaftlicher Verteilungskämpfe, wähnen sich aber nicht in diese involviert, beschreiben sich als unmarkierte Beobachter:innen. Dieses „Nichtwissen“ sei daher, das zeigt Mills am Beispiel des Rassismus, nicht zwingend ein Ausdruck von „Unaufrichtigkeit oder Heuchelei“.
„Olympische Spiele“
Ruft man sich die Mischung aus Blindheit und Unkenntnis, aus Ignoranz und Herablassung in Erinnerung, mit der viele Vertreter:innen der Dominanzgesellschaft Repräsentant:innen sozialer Bewegungen gegenübertraten, die um Anerkennung ihrer partikularen Perspektiven und „abweichenden Lebensentwürfe“ kämpften, kann es nicht verwundern, dass diese an die etablierten Formen der Interessenvertretung keine großen Hoffnungen knüpften. Schwule, Lesben, Schwarze Frauen, von Klassismus Betroffene oder etwa Jüdinnen und Juden organisierten sich daher bevorzugt in eigenen Gruppen. Parallel wurde von Vertreter:innen der Gender Studies und der Postcolonial Studies der Universalismus westlicher Prägung einer scharfen Kritik unterzogen.
Damit geriet auch die Kategorie des Allgemeinen in die Krise. Sie wurde von Theoretiker:innen und Aktivist:innen, die am Poststrukturalismus geschult waren, nach allen Regeln der Kunst dekonstruiert. Dies führte zu einem „kollektiven Lernprozess“, der die politische Debatte auf ein neues Niveau hob: „Man weiß heute, dass das Allgemeine und Universelle, wie es seit der Aufklärung postuliert wurde, eurozentristisch, weiß und männlich war und diese verhehlte Markierung bis in die Gegenwart hinein aufrechterhält.“
So wichtig dieser Prozess der Dekonstruktion hegemonialer Leitbilder war (und ist), hat er doch auch dazu geführt, dass die Kritik der unterschiedlichen Privilegien seither weitgehend getrennt voneinander betrieben wird. Sie folgt der beschriebenen Logik des Identitären. Und dies, obwohl Peggy McIntosh, jene weiße Sozialwissenschaftlerin, die Ende der 1980er Jahre die Metapher vom „unsichtbaren Rucksack“ prägte, um die Funktionsweise von Privilegien zu illustrieren, nicht nur von white privilege, sondern auch von male privilege sprach – und überdies von Privilegiensystemen.
In der Folge entstand das, was die Schwarze feministische Autorin Roxane Gay „Olympische Spiele der Privilegien“ genannt hat: Fixiert auf jene Formen der Diskriminierung, die die eigene Community konstituieren, scheinen bei den Betroffenen nur noch geringe Ressourcen dafür zur Verfügung zu stehen, sich für die Schicksale anderer zu interessieren. Die Tatsache, zum Opfer der Privilegierung einer bestimmten Gruppe zu werden, wird dann kaum einmal zu einer geteilten Erfahrung, die verschiedene Gruppen verbinden könnte, sondern führt ungleich häufiger zu einem fatalen Wettstreit, in dem unterschiedliche Formen der Benachteiligung miteinander verrechnet werden. „Wer würde im Kampf der Privilegien gewinnen, der queere weiße Mann oder die queere asiatische Frau? Wer würde gewinnen, der weiße Mann aus der Arbeiterklasse oder die reiche mexikanische Frau mit Behinderung?“
Folgenreicher Irrtum
Versucht man nun, die eingangs erwähnte Petition der Harvard-Studierenden in ihrer grotesken Logik zu verstehen und sie zugleich als Hinweis auf die Notwendigkeit einer Neubestimmung der Privilegienkritik zu interpretieren, gilt es, das Zusammenspiel unterschiedlicher Entwicklungen zu berücksichtigen.
Zunächst ist festzuhalten, dass die Kritik an der kolonialen Vergangenheit des Globalen Nordens dazu geführt hat, dass in vielen studentischen Gruppen und aktivistischen Milieus der Rekurs auf universalistische Modelle kategorisch abgelehnt wird. Verallgemeinerungsfähigkeit gilt in diesen Kreisen nicht länger als ein Gütekriterium kritischer Positionierungen.
Es kommt hinzu, dass das Streben nach Anerkennung, das für weite Teile der Identitätspolitik charakteristisch ist, ökonomische Zusammenhänge in den Hintergrund treten lässt – und diese nach derselben Logik behandelt. Dies aber ist ein folgenreicher Irrtum, so der Literaturwissenschaftler Walter Benn Michaels: Während es „einleuchten mag, sich Kulturen als verschieden und doch gleich vorzustellen, kann es nicht einleuchten, sich Klassen ebenso vorzustellen. Angeordnet auf einer vertikalen Achse – oben, mittel, unten –, bezeichnen Klassen nichts anderes als ein Verhältnis von Ungleichheit.“
Schließlich lässt sich kaum noch übersehen, dass die Privilegienkritik zu einem Elitenprojekt zu verkommen droht. Als besonders versiert erweisen sich dabei, wenig überraschend, die Studierenden der renommiertesten Universitäten: Sie beweisen ihre Eloquenz bei der „Beichte“ der eigenen Privilegien – und ihren „Klassen-Rassismus“ (Bourdieu) in der Gnadenlosigkeit, mit der sie jene bloßstellen, die weniger souverän die semantischen Versatzstücke aufrufen.
Das Verbindende suchen
Vor diesem Hintergrund möchte ich abschließend auf drei Herausforderungen hinweisen. Sie gilt es zu berücksichtigen, damit die Kritik von Privilegien, die von ihrer Brisanz und Dringlichkeit nichts eingebüßt hat, auf jenem Niveau betrieben werden kann, das notwendig ist, um den zeitgenössischen Konflikten und gesellschaftlichen Verwerfungen angemessen begegnen zu können.
Erstens ist es unverzichtbar, die Suche nach den Ursachen der eklatant ungleichen Verteilung von Privilegien zu intensivieren. An die Stelle von folgenlosen „Schuldeingeständnissen“ und dem Verrechnen unterschiedlicher Formen der Benachteiligung hat die theoriegeleitete Erforschung jener Strukturen zu treten, die Privilegierungen immer wieder aufs Neue produzieren.
Zweitens muss neu über Bündnisfähigkeit nachgedacht werden.
Drittens wäre daran zu erinnern, dass jene Regime der Ungleichheit, die Privilegien zuteilen und entziehen, von keinerlei höherer Logik gesteuert werden. Hier regiert die nackte Kontingenz, die grausame Beliebigkeit. Was für den Antisemitismus gilt – er komme, so ein Bonmot, wenn notwendig, auch ohne Jüdinnen und Juden aus –, trifft auch auf andere Ideologien der Ungleichheit zu. „Der Grund für seine Privilegierung“, so der Theatermacher Milo Rau, „ist zufällig. Jeder muss damit rechnen, irgendwann als Teil einer Minderheit diskriminiert zu werden.“
Auch aus diesem Grund gilt: Beim Kampf gegen Privilegierungen sind alle gefragt, nicht nur jene, die aufgrund der herrschenden Verhältnisse aktuell diskriminiert, stigmatisiert und ausgegrenzt werden (und auf Beistand angewiesen sind). Jeder und jedem sollte daran gelegen sein, dabei eine Perspektive einzunehmen, die über Partikularinteressen hinausweist. Protestbewegungen derer, die in besonderer Weise betroffen sind – also jeweils spezifische Formen der Interessenvertretung –, werden dadurch keineswegs obsolet. Sie bleiben notwendig. Gleichwohl gilt es, beim Neustart der Privilegienkritik universalistische Perspektiven wie auch solidarische Praktiken zu entwickeln, also das zu kultivieren, was der Philosoph Gilles Deleuze einmal „Horizontwahrnehmung“ nannte: an der Seite der unterdrückten Gruppen zu stehen und allen hegemonialen Bestrebungen entgegenzutreten.