Wenn heute von Privilegien die Rede ist, sind damit meist Vorteile oder Vorrechte gemeint, die jemand genießt, ohne dafür etwas geleistet haben zu müssen. Die Besserstellung wird insofern als ungerecht empfunden, als sie sich häufig vor allem aus einem zugeschriebenen oder angeborenen Merkmal ergibt. Dazu gehören beispielsweise Hautfarbe, Geschlecht, sexuelle Orientierung oder soziale Schichtzugehörigkeit. So gesehen ist Privilegierung also das Gegenstück von Benachteiligung – der Blick richtet sich jedoch auf die Begünstigten, deren gesellschaftliche Macht damit kritisch hinterfragt wird.
Als juristischer Begriff spielt das Privileg längst keine bedeutende Rolle mehr. Herausgebildet im Römischen Recht, war es in den europäischen Feudalgesellschaften des Mittelalters und der Frühen Neuzeit ein wesentliches Instrument der Herrschenden, um das allgemeine Recht durch Sonderrechte für bestimmte Gruppen zu ergänzen – mitunter auch, um Ungerechtigkeiten im Sinne der Allgemeinheit auszugleichen. Das herrschaftliche Privilegienregime endete mit der Aufklärung und der Französischen Revolution, in Deutschland endgültig mit der Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu Beginn des 20. Jahrhunderts. 1975 stellte das Bundesverfassungsgericht schließlich in aller Deutlichkeit fest: "Die Demokratie des Grundgesetzes ist eine grundsätzlich privilegienfeindliche Demokratie."
Auch wenn der Privilegienbegriff in erster Linie nur dank seiner Bedeutungserweiterung fortlebt: Die Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten, die mit ihm kritisiert werden, sind gesellschaftliche Realität. Solange etwa gute Bildung als Privileg gilt, weil sie von Herkunft und finanziellen Möglichkeiten abhängt, bleiben Chancengleichheit und Antidiskriminierung als gesellschaftliche Normen uneingelöste Versprechen. Gleiches gilt für viele andere Bereiche, die weiterhin von "unsichtbaren Privilegien" geprägt sind.