Politische Gründungsakte sind umkämpft und dauern ihre Zeit. So war es auch bei der Bundeszentrale für Heimatdienst. Vom 25. November 1952 datiert der Gründungserlass, doch der Bundesinnenminister setzte nur den Schlusspunkt einer jahrelangen Gründungsphase: Der erste Referent der Bundeszentrale war da schon ein Dreivierteljahr im Dienst, und dass es die Einrichtung überhaupt geben sollte, hatte Bundeskanzler Konrad Adenauer noch viel früher entschieden. Im Herbst 1949 reagierte er auf den weit fortgeschrittenen Plan des Frankfurter "Office of Public Affairs", die frühere Reichszentrale für Heimatdienst in dezentraler Struktur und unter dem Einfluss der kommunalen Spitzenverbände wiederaufleben zu lassen. Eine vom Bund zwar finanzierte, aber von eigensinnigen Oberbürgermeistern kontrollierte Einrichtung – das kam für das Kanzleramt nicht infrage. Aus dessen Sicht roch das ganze Vorhaben ohnehin nach alliierter Reeducation, weil die USA das Frankfurter Institut maßgeblich finanziert hatten. Wenn es institutionelle politische Bildung geben sollte, dann unter dem direkten Einfluss der Bundesregierung. Paul Franken, den späteren Gründungsdirektor, traf Adenauer bereits im November 1949. Man kannte sich aus dem Netzwerk des rheinischen Katholizismus, und der Bundeskanzler suchte einen loyalen Pädagogen mit administrativem Geschick.
Nimmt man die 70-jährige Geschichte der Bundeszentrale in den Blick, gilt es Zäsuren wie diese zu definieren und Konjunkturen zu rekonstruieren. Dazu werden im Folgenden nicht die Inhalte ihrer Arbeit oder deren leitende Ideen fokussiert, sondern die Formen der politischen Steuerung. Am Beispiel der Bundeszentrale ist mithin nach den politischen Konjunkturen der politischen Bildung zu fragen. Über diese nämlich ist erstaunlich wenig bekannt. Das dürfte auch damit zu tun haben, dass die Geschichte der politischen Bildung meist aus dem Blickwinkel der Politikdidaktik geschrieben wird – verstanden entweder als Theoriegeschichte
Üblich ist das folgende Bild: Ungeachtet aller Traditionen der Zwischenkriegszeit markiert das Jahr 1945 einen tiefen Einschnitt. Der energische Aufbruch der Demokraten traf auf eine zielstrebige Demokratisierungspolitik der westlichen Besatzungsmächte, ehe das Politikfeld zu Beginn der Ära Adenauer wieder unter deutsche Regie gelangte. Das Freund-Feind-Denken des Kalten Krieges prägte dann eine methodisch konventionelle Praxis. Die antisemitische "Schmierwelle" rund um den Jahreswechsel 1959/60 war ein Einschnitt, weil sich die Politik jetzt verstärkt für die politische Bildung interessierte, während Expertinnen und Experten Verwissenschaftlichung predigten. Nach einem Jahrzehnt der intensiven Selbstreflexion setzte im Gefolge von "Achtundsechzig" eine Reformära ein, die unter den widersprüchlichen Vorzeichen von Professionalisierung und Politisierung stand. Erst der Beutelsbacher Konsens 1976 machte dann den Weg frei für einen pragmatischen Methodenpluralismus, der die Bildungspraxis bis heute prägt.
Diese Erfolgsgeschichte wird um einige überraschende Nuancen ergänzt, sofern man den wichtigsten Indikator für die politische Wertschätzung der Bundeszentrale betrachtet: Geld. Weil der Bundeshaushalt politische Prioritäten verlässlich abbildet, ist es instruktiv, zunächst auf die Etatposition der Bundeszentrale im Laufe ihres 70-jährigen Bestehens zu schauen.
In Abbildung 1 stechen drei Konjunkturen hervor. Die Auf- und Ausbauphase der Bundeszentrale endete am Ausgang der 1950er Jahre. Danach setzte in finanzieller Hinsicht ein stetiger Niedergang ein, den nur zwei kurze Gegenbewegungen zu Beginn und am Ende der 1970er Jahre unterbrachen. Dabei ist immer zu berücksichtigen, dass es sich hier um die relative Etatposition der Bundeszentrale handelt: In absoluten Werten nahm ihr Haushalt kontinuierlich zu – jedoch in deutlich geringerem Maß als das Wachstum der staatlichen Gesamtausgaben. Eine Trendumkehr gab es dann erst wieder in der jüngsten Vergangenheit: Erstmals überhaupt übertraf die in Geld gemessene politische Bedeutung der Bundeszentrale im Jahr 2020 die Rekordwerte der späten 1950er Jahre. Ob man von einem Indikator demokratiepolitischer Saturiertheit sprechen darf, sei dahingestellt – naheliegend wäre dies, denn das erste Hoch fällt mit der Zuspitzung des Kalten Krieges seit dem Sputnik-Schock zusammen, während die Sorge um populistische Gefährdungen der Demokratie den jüngsten Aufschwung antrieben. In jedem Fall bleibt ein stetiger, viereinhalb Jahrzehnte dauernder Rückgang der relativen Mittelzuweisungen erklärungsbedürftig. Von besonderem Interesse ist dabei die Frage, ob es einen Zusammenhang zwischen dieser Entwicklung und der eingangs erwähnten Erfolgsgeschichte einer politikdidaktischen Professionalisierung gegeben hat.
Aufschwung in der Ära Adenauer
Politische Bildung oder Regierungspropaganda – in diesem Spannungsverhältnis vollzog sich die Gründung der Bundeszentrale, und die Auseinandersetzung um ihre Kontrolle riss danach nicht ab. Den politischen Steuerungsanspruch hatte Hans Ritter von Lex bereits im Frühsommer 1950 formuliert. Aus Sicht des Staatssekretärs im Bundesinnenministerium bestand die "wirksamste Form des Verfassungsschutzes" nämlich darin, den antidemokratischen Kräften eine "sachliche Aufklärung der breiten Massen über das Wesen der Demokratie" entgegenzustellen.
Schaut man hingegen auf die Programmarbeit der frühen Bundeszentrale, staunt man umso mehr über die Bandbreite der Themen: Natürlich, es ging um die Vermittlung von Wissen über die Institutionen der demokratischen Ordnung; auch hinterließ die Systemkonfrontation des Kalten Krieges deutliche Spuren im Programm. Aber daneben fragte man auch nach den sozialpsychologischen Grundlagen von Autoritätsfixierung und Antisemitismus; es gab eine nicht nur randständige Thematisierung des Nationalsozialismus (besonders des Widerstands) und durchaus auch des Holocaust. Mit den "Staatsbürgerlichen Informationen", dem "Parlament" und dessen Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte" deckte die Institution damals vor allem die Schulen ein. Über Reichweite und Erfolg wusste man wenig, und so stand stets der Verdacht im Raum, die teuren Produkte könnten "zu einem hohen Prozentsatz in den Papierkorb wandern".
Gründungsdirektor Paul Franken setzte mit der starken Betonung des Widerstands zwar einen inhaltlichen Akzent, kümmerte sich aber vorwiegend um den Ausbau im expandierenden Feld der staatlich-politischen Bildung. So mussten die Beziehungen zu den vielerorts in der Gründung befindlichen Landeszentralen etabliert, Einflussbereiche abgesteckt und Kooperationen entwickelt werden. Seinen Referenten ließ er viel Freiheit. Möglich war dies, weil er in Carl-Heinz Lüders einen Verbündeten im Innenministerium hatte, der ihm bis 1956 den Rücken freihielt. Der Beamte war als persönlicher Referent von Gustav Heinemann (CDU, Innenminister 1949–1950) ins Amt gekommen und wollte die Bundeszentrale aus dem "parteipolitischen Gegensatz" heraushalten. Darin spiegelte sich persönliche Lebenserfahrung, denn der 1913 geborene Lüders war als HJ-Führer für die "Weltanschauliche Führung" zuständig und NSDAP-Mitglied gewesen. 1944 war er in Kriegsgefangenschaft geraten und hatte ein britisches Umerziehungsprogramm durchlaufen, das Emigranten wie Waldemar von Knoeringen und Fritz Borinski mitkonzipiert hatten. Lüders verkörperte also die Anpassungs- und Lernbereitschaft seiner Generation, und die Fachaufsicht über die Bundeszentrale interpretierte er jetzt als größtmögliche "Selbstständigkeit und Unabhängigkeit vom Ministerium".
Heinemanns Nachfolger Robert Lehr (CDU) ließ Lüders gewähren, doch mit Gerhard Schröder (CDU) zog im Oktober 1953 ein Mann ins Innenministerium ein, der die Programmarbeit der Bundeszentrale unter direkte Kontrolle bringen wollte. Lüders erhielt zwei neue Kollegen, die jetzt für eine verstärkte "geistige Auseinandersetzung mit dem Kommunismus" sorgen sollten. Er selbst wurde im März 1956 aus dem Weg befördert. Antikommunismus wurde zum Kern der Programmarbeit, und es flossen Rekordsummen in die politische Bildung.
Ambivalenz der Professionalisierung
Antisemitische Übergriffe hatte es in den "Wirtschaftswunderjahren" immer wieder gegeben; aber die Schändung der Kölner Synagoge löste am Jahreswechsel 1959/60 eine Welle von 685 Nachahmertaten aus, die auch der internationalen Presse nicht verborgen blieben. Die Bundesregierung geriet in Erklärungsnot, und die massiven Investitionen in die antikommunistische Programmatik wirkten jetzt einseitig. Eigentlich zeigte sich in der Krise nur, dass die an professionellen Standards orientierte Arbeit der Bundeszentrale dem direkten politischen Durchgriff überlegen war. Hektisch sammelte das Innenministerium Belege dafür, dass man den Rechtsradikalismus nie übersehen hatte, und die Bundeszentrale konnte auf eine ganze Reihe von Veranstaltungen und Publikationen verweisen, die kürzlich noch als überflüssig gegolten hatten, jetzt aber hochwillkommen waren. Als der zuständige Referent jedoch öffentlich Selbstkritik anklingen ließ, las man das in Kanzleramt und Innenministerium als Attacke auf die Regierungspolitik.
So gehört zur Vorgeschichte des großen Aufbruchs am Ende der 1960er Jahre eben auch die lange Stagnation davor. Gewiss: Das Ministerium blockierte nicht sämtliche Neuerungen, und gerade die intensivierte Auseinandersetzung mit dem Rechtsradikalismus demonstriert, dass sich die Bundeszentrale programmpolitische Autonomie bewahrte. Aber die Politik lockerte die Zügel erst unter dem Eindruck von "Achtundsechzig": Innenminister Ernst Benda (CDU) wünschte sich jetzt "Mut zum Experiment", und der verbreitete Generationswechsel in den Bonner Amtsstuben tat ein Übriges. Auf Paul Franken folgte Hans Stercken, bis dato der Außenpolitiker im Bundespresseamt und während des Eichmann-Prozesses in Jerusalem einer der vielen aus Bonn entsandten Beobachter und Lobbyisten. Stercken stellte viele junge Akademiker ein, und erstmals gelang es, auch die Wirkung der eigenen Arbeit wissenschaftlich untersuchen zu lassen. Die sozialliberale Regierung gab zusätzliches Geld.
Nur erlahmte der Mut zum Experiment im selben Maße wie sich die bildungspolitische Debatte zum besonders umkämpften Konfliktfeld entwickelte. Symbol dafür war das teuerste Projekt dieser Reformphase: Die "PZ", ein von der Bundeszentrale gemeinsam mit Boulevardprofis konzipiertes Magazin, sprach erstmals Adressaten an, die politische Bildung normalerweise nicht erreichte. Wie erfolgreich dies gelang, untermauerte die Begleitforschung. Trotzdem wünschten sich Vertreter aller Parteien die politische Bildung seriöser, konventioneller, langweiliger. Als dann noch herauskam, dass einige radikale Studierende an der PZ mitgearbeitet hatten, brachte eine Mischung aus Unterwanderungsangst und massivem Druck aus dem Innenministerium das Vorhaben beinahe zu Fall.
Die überwiegend jungen Akteure der Bundeszentrale dürften von solchem Wankelmut in ihren professionellen Vorbehalten gegenüber der Politik eher bestärkt worden sein. Exemplarisch zeigte sich das im Umgang mit dem Linksterrorismus. Nachdem die Innenministerkonferenz im Dezember 1974 das Programm "Verfassungsschutz durch Aufklärung" beschlossen hatte,
Es dauerte bis zum "Deutschen Herbst" 1977, ehe der Haushaltsausschuss die Forderung an das Programm der Bundeszentrale auch mit zusätzlichen finanziellen Mitteln untermauerte. Maihofer gab wohl auch den Druck der Opposition weiter. Die Unionsparteien nutzten die "geistige Auseinandersetzung mit dem Extremismus" nämlich, um der sozialliberalen Regierung eine ideelle Nähe zum Linksterrorismus vorzuhalten.
Politische Blockade
Dieser Befund darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die extreme politische Polarisierung nicht nur in der politischen Steuerung, sondern auch innerhalb der Belegschaft der Bundeszentrale niederschlug. Bekanntlich begann die Politikdidaktik im Wahlherbst 1976 ("Freiheit statt Sozialismus") nach einem Minimalkonsens zu suchen. Der spätere Deutungsvorschlag des Politikwissenschaftlers Hans-Georg Wehling wies dann den Weg zum Beutelsbacher Konsens.
In dessen Unterlagen findet sich ein bezeichnendes Dokument – das damalige Telefonverzeichnis der Bundeszentrale. Hinter fast jedem Eintrag notierte Rommerskirchen die Parteizugehörigkeit und das mutmaßliche Wahlverhalten und entwarf ein Freund-Feind-Panorama. Demnach war die Stabsabteilung der FDP zuzuordnen; das Terrain der SPD waren Publizistik, Massenmedien und die Forschungsabteilung. Die Union kontrollierte neben der inneren Verwaltung die schulische und außerschulische politische Bildung.
Krise, welche Krise?
Die Blockade war gelöst, doch der Abwärtstrend hielt an. Der deutsch-deutsche Einigungsprozess unterbrach ihn nur kurz. Auch die Bundeszentrale beteiligte sich in einer regelrechten Materialschlacht an der Etablierung demokratischer Strukturen in der früheren DDR.
Die stetig schrumpfende finanzielle Ausstattung war aber nur ein Symptom. Hatten Demokratie und Marktwirtschaft nicht gerade erst ihre historische Überlegenheit demonstriert? Solchen Positionen mochte sich Schiele zwar nicht anschließen, und er hatte auch nicht nur den Osten im Sinn, wenn er von einer unzureichend gefestigten Demokratie sprach. Doch als größte Herausforderungen kamen ihm neben knappen Kassen damals nur Abstrakta in den Sinn: Individualisierung, Medienwandel, Globalisierung, ökologische Probleme, internationaler Terrorismus, Migration.
Für den bald darauf einsetzenden Boom der politischen Bildung waren sie allesamt wichtig. Was damals fehlte, war aber ein verbreitetes Bewusstsein für die Gefährdung der Demokratie. Dies begann sich 2014 zu ändern: Pegida-Demonstrationen, der Zulauf rechtspopulistischer Parteien in Europa und der Einzug der AfD in die Parlamente, die massive Zuspitzung der Debatte in der sogenannten Flüchtlingskrise und angesichts eines global agierenden Terrorismus, 2016 schließlich das Brexit-Votum und die Wahl Donald Trumps – dies alles schuf ein demokratiepolitisches Krisenbewusstsein, das es in dieser Form seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben hatte. Die Zukunft der liberaldemokratischen Ordnung schien infrage zu stehen, und entsprechend sprunghaft wuchs jetzt das politische Interesse an der politischen Bildung: Ausstattungsmängel, Etatkürzungen und Stellenstreichungen waren passé. Das galt in Hannover, wo der Landtag im April 2016 die neuerliche Einrichtung einer Landeszentrale für politische Bildung beschloss, und es galt ebenso für die Bundeszentrale. Am Tiefpunkt der Krise hatte sie nur noch 198 Beschäftigte gehabt. Bis 2015 wuchs diese Zahl zunächst stetig auf 231 Personen, um dann sprunghaft zuzunehmen – allein 2021 kamen 59 neue Stellen und ein Standort in Gera hinzu. Diese Entwicklung spiegelt sich auch im Etat, der sich seit 2010 beinahe verdreifacht hat.
Die Geschichte der Bundeszentrale für politische Bildung erschöpft sich nicht in der Entwicklung ihrer politischen Kontrolle oder gar in den Dimensionen der finanziellen Ausstattung. Der damit verbundene Perspektivwechsel hat aber einen unbestreitbaren Vorteil: Er ermöglicht eine Gesamtschau auf 70 Jahre und unterstreicht zugleich, dass die Geschichte der Bundeszentrale mit der Entwicklung der Politikdidaktik vielfältig verflochten ist, mit ihr aber nicht übereinstimmt. Jedenfalls fällt auf, dass die Etablierung und Ausdifferenzierung fachwissenschaftlicher Standards in Ausbildung, Forschung und Bildungspraxis in den Jahrzehnten der Bildungsexpansion für die Bundeszentrale keine Erfolgsgeschichte war. Vielmehr begann ein schleichender und jahrzehntelanger Bedeutungsverlust, der an der Jahrtausendwende in eine veritable Krise münden sollte. Das politische Ringen um Einfluss auf die Programmarbeit und eine Reform der Leitungsstruktur mit auf lange Sicht dysfunktionalen Folgen trugen dazu kräftig bei. Bei den Akteuren innerhalb der Bundeszentrale wuchs zugleich ein Bewusstsein für die Widersprüche teils äußerst kurzlebiger politischer Steuerungsansprüche, und deren Zurückweisung entsprang nicht nur politischen Überzeugungen, sondern immer auch einem professionellen Selbstverständnis. Zwar hat die aktuelle Demokratieerziehung keine Ähnlichkeiten mit dem Antikommunismus der späten Ära Adenauer, und auch die methodischen Standards haben sich selbstverständlich grundlegend gewandelt. Aber es gibt doch ein insofern übereinstimmendes Strukturmerkmal, als beide Boom-Phasen auf ein politisches Krisenbewusstsein, auf das verbreitete Gefühl einer existenziellen Bedrohung der demokratischen Ordnung zurückgingen.