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Medienvertrauen in Krisenzeiten | Öffentlich-rechtlicher Rundfunk | bpb.de

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk Editorial Vom Monopol zu komplizierter Konkurrenz. 75 Jahre öffentlich-rechtlicher Rundfunk in Deutschland Der öffentlich-rechtliche Rundfunk zwischen Recht und Politik Zu teuer, zu abhängig, zu irrelevant? Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in internationaler Perspektive What next, Auntie Beeb? Die BBC vor ungewisser Zukunft "Wir müssen unbedingt debattenfähig bleiben". Ein Gespräch über Ausgewogenheit, "false balance" und falsche Vorstellungen von politischer Einflussnahme Medienvertrauen in Krisenzeiten. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Kontext aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen Der Osten als Chance. Ostdeutsche Perspektiven auf die Reformdebatte um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk Im Transit zwischen gestern und morgen. Zur Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

Medienvertrauen in Krisenzeiten Der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Kontext aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen

Ilka Jakobs Nikolaus Jackob Tanjev Schultz Marc Ziegele Oliver Quiring Nayla Fawzi Christian Schemer Daniel Stegmann Christina Viehmann

/ 12 Minuten zu lesen

In Zeiten von Unsicherheit sind verlässliche Informationsquellen besonders wichtig. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk nimmt hier eine besondere Stellung ein. Nach wie vor erfreut er sich hoher Vertrauenswerte, Kritik und Skandale bleiben aber nicht folgenlos.

Die gesellschaftliche Lage in Deutschland ist seit Jahren von Krisen geprägt. Unterbrochen von einigen Ruhephasen folgten mehrere Krisen aufeinander: Ab 2008 stand die Welt unter dem Eindruck des Zusammenbruchs von Lehman Brothers und der nachfolgenden Finanzkrise. Es folgten die Probleme rund um die griechischen Staatsschulden, die in die Eurokrise übergingen (2010–2013). Das medial allgegenwärtige Krisennarrativ wurde nach einer kurzen Ruhephase um die sogenannte Flüchtlingskrise ergänzt, in der das Unwort des Jahres 2014 von der "Lügenpresse" wieder auflebte. Parallel zur Debatte um die angebliche (Vertrauens-)Krise der Medien diskutierte die Öffentlichkeit – unter dem Eindruck des Brexit, Donald Trumps Präsidentschaft in den USA und der Wahlerfolge populistischer Parteien in Europa – auch über den Zustand der Demokratie auf dem Globus. Im Februar 2020 folgte mit der Corona-Pandemie die nächste gesellschaftliche Erschütterung. Als die Pandemie abklang, kündigte sich eine weitere Großkrise an: der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine im Februar 2022, gefolgt von einer Energiekrise in Europa und weltweiter Inflation.

Für die Bürgerinnen und Bürger bedeuteten die vergangenen Jahre vor allem eines: andauernde Unsicherheit. Üblicherweise geht mit Unsicherheit ein erhöhtes Informationsbedürfnis einher. Über viele Aspekte der genannten Krisen können sich die meisten Menschen nicht aus erster Hand informieren – sie sind auf die Medien angewiesen. Damit die Medien dieser Vermittlerrolle in demokratischen Gesellschaften gerecht werden können, spielt das Vertrauen in sie von jeher eine wichige Rolle. Denn sie sollen idealerweise sicherstellen, dass die Bevölkerung über hinreichend verlässliche Informationen verfügt, um (politische) Entscheidungen treffen zu können. Die zentrale Rolle von Medien für die Informationsversorgung kulminiert in Krisenzeiten, in denen vertrauenswürdige Informationen für die Menschen von größter Relevanz sein können – etwa, wenn es darum geht, das eigene Gesundheitsrisiko einzuschätzen oder das Energiesparverhalten zu optimieren. Dabei kann die Mediennutzung nicht nur im individuellen Verhalten Einfluss auf die Krisenbewältigung nehmen, sondern auch kollektiv: In der Corona-Pandemie trug die Nutzung etablierter Medien beispielsweise zu einem größeren Gefühl von Zusammenhalt bei, während die Nutzung alternativer Medien einen gegenteiligen Effekt zeigte.

Eine herausragende Rolle bei der Informationsversorgung spielt in der deutschen Medienlandschaft der öffentlich-rechtliche Rundfunk. Er verfügte über Jahrzehnte, aller Kritik zum Trotz, über eine hohe Reputation und ein positives Image. Doch aktuell steht auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Zeichen des Krisennarrativs: Als Mittler und Interpret wird er von manchen Akteuren für seine Darstellungen der verschiedenen Krisenlagen kritisiert – etwa zur Flüchtlingskrise, zu Corona und zum Krieg. Selbst erzeugt er seine eigenen Krisen, wie die Diskussionen rund um den Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) und den Norddeutschen Rundfunk (NDR) im Jahr 2022 zeigten. Folglich ist die Frage relevant, wie sich in Deutschland das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Medien und in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk entwickelt hat. Dazu stellen wir Befunde aus einer Langzeitstudie vor, in der das Vertrauen der Deutschen in die Medien im Allgemeinen und in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Speziellen seit 2015 untersucht wird.

Vertrauen in Medien und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk

Vertrauen in Medien wird als Beziehung zwischen zwei Interaktionspartnern verstanden: den Medien auf der einen Seite und den Nutzerinnen und Nutzern auf der anderen Seite. Das kann sich ganz allgemein auf "die Medien" beziehen; damit ist das System der medialen Informationsvermittlung als Ganzes gemeint, also die Nachrichtenmedien im Allgemeinen. Das Vertrauen bezieht sich hier auf die Medien als gesellschaftliche Institution. Medienvertrauen kann aber auch spezifischer sein und sich auf Mediengattungen beziehen, also den öffentlich-rechtlichen oder privaten Rundfunk, überregionale oder lokale Tageszeitungen oder auch reine Onlineangebote. Vertrauensobjekt ist dann eine spezifische Gruppe von Medienangeboten, die aufgrund der Zugehörigkeit zur selben Mediengattung als zusammengehörig betrachtet werden.

In diesem Beitrag steht vor allem das Vertrauen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Fokus. Dieser hat in Deutschland die Aufgabe, vielfältige journalistische Angebote in einem Umfang bereitzustellen, den andere Anbieter nicht gewährleisten können. Er hat einen Informations- und Bildungsauftrag. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland ist staatsfern konzipiert: Der Staat stellt zwar die Infrastruktur für den Rundfunk bereit, soll aber auf die Ausgestaltung des Programms und die Inhalte keinen Einfluss nehmen. Allerdings ist die praktische Umsetzung dieser Konzeption Gegenstand von Kritik. So wird etwa schon lange diskutiert, ob und in welcher Weise politische Parteien Einfluss auf die Programmgestaltung nehmen – entweder über die direkte Beeinflussung der Berichterstattung oder indirekt durch die Einflussnahme auf die Personalpolitik. Beispiele hierfür sind die Debatten um die Absetzung des ehemaligen ZDF-Intendanten Nikolaus Brender 2009 oder die vermeintlich zu große Nähe des NDR zur regionalen Politik in Schleswig-Holstein 2022. Auch wenn die Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland insgesamt hoch ist, ist er nicht unumstritten. So stehen unter anderem die Rundfunkgebühren beziehungsweise die Rundfunkbeiträge, die seit 2013 in Form einer Haushaltsabgabe erhoben werden, immer wieder in der Kritik. Auch werden regelmäßig Forderungen nach einer Abschaffung oder Zusammenlegung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beziehungsweise einzelner Sender vorgebracht – oder eine Reduktion seiner Strukturen und Angebote gefordert. Diese Kritik kommt oft, aber nicht ausschließlich, von populistischen Akteurinnen und Akteuren, zum Beispiel von der AfD oder aus der "Querdenker"-Bewegung. Skandale im öffentlich-rechtlichen Rundfunk tragen zum vielstimmigen Chor der Kritikerinnen und Kritiker bei: So stand 2022 der RBB im Fokus einer solchen Debatte. Seiner damaligen Intendantin Patricia Schlesinger, die schließlich ihr Amt aufgab, wurden Vetternwirtschaft, Vorteilsnahme und Verschwendung vorgeworfen – und schnell zog der Skandal Kreise und erfasste weitere Sendeanstalten. Nicht nur außerhalb, auch innerhalb der ARD und des öffentlich-rechtlichen Systems wurden die Rufe nach grundlegenden Reformen lauter.

Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen

Die Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen wird am Institut für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und am Institut für Sozialwissenschaften der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf durchgeführt. Eine erste Pilotstudie fand 2008 statt, seit 2015 gab es jedes Jahr im Herbst/Winter eine Befragungsstudie zum Medienvertrauen. Im Jahr 2021 setzte die Datenerhebung einmalig aus. Die Studie ist wissenschaftlich unabhängig und wird seit der aktuellen Welle (2022) von der Bundeszentrale für politische Bildung unterstützt. Die Unterstützung dient dazu, die Kosten des Umfrage-Dienstleisters zu tragen. Konzeption und Auswertung der Studie liegen in Händen der beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Untersucht werden die Entwicklung, Ursachen und Folgen von Medienvertrauen.

Für die Befragungswelle 2022 wurden im Dezember bundesweit 1200 Bürgerinnen und Bürger ab 18 Jahren in einer repräsentativen Telefonumfrage (CATI) durch das Meinungsforschungsinstitut Kantar befragt – ein kleiner Teil der Stichprobe wurde nach dem Jahreswechsel ergänzt (103 Interviews). Bei einer Sicherheitswahrscheinlichkeit von 95 Prozent beträgt die statistische Fehlertoleranz maximal 3 Prozentpunkte. Anlässlich der oben umrissenen Debatten über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk fragten wir in dieser Welle erstmals gezielt nach diesbezüglichen Einstellungen der Menschen.

Medienvertrauen in Krisenzeiten

Ganz allgemein gesprochen, gibt (und gab) es entgegen vielen mehr oder minder populären Mutmaßungen in Deutschland keine generelle Krise des Medienvertrauens. Im internationalen Vergleich rangiert das Vertrauen der Deutschen in ihre Medien nach wie vor auf einem hohen Niveau. Ende des Jahres 2022 stimmten 49 Prozent der Befragten der Aussage zu: "Wenn es um wirklich wichtige Dinge geht – etwa Umweltprobleme, Gesundheitsgefahren, politische Skandale und Krisen – kann man den Medien vertrauen" (Abbildung 1). In den Jahren vor der Pandemie schwankte der Wert zwischen 41 und 44 Prozent. Am Ende des Corona-Jahres 2020 hatte die Zustimmung bei 56 Prozent gelegen. Wie wir im Kontext der Pandemie vermuteten, war der damals gemessene Höchstwert eine Ausnahme: Im ersten Pandemie-Jahr war die Unsicherheit in der Bevölkerung immens. Die Corona-Krise stellte unter allen anderen Krisen eine Ausnahmesituation dar – das Ausmaß an Unsicherheit und persönlicher Betroffenheit war nie zuvor so hoch, und auch der Bedarf nach verlässlichen Informationen war so hoch wie nie zuvor. Die Bürgerinnen und Bürger nahmen die Informations- und Orientierungsleistung der Medien stärker als sonst in Anspruch und würdigten sie mit einem entsprechend gestiegenen Vertrauen. Nach dem Abklingen der Pandemie sank das Vertrauen jedoch nicht auf den Status quo ante zurück, sondern hielt sich deutlich über den langjährigen Werten der Jahre vor der Pandemie. Parallel dazu liegt der Anteil der Bürgerinnen und Bürger, die den Medien eher nicht oder gar nicht vertrauen, 2022 mit 20 Prozent etwas höher als im Corona-Jahr 2020. Aber auch hier wurde das vorpandemische Niveau von 2019 nicht erreicht. Dennoch hält knapp jede beziehungsweise jeder Fünfte die Medien für nicht vertrauenswürdig – der harte Kern der Kritikerinnen und Kritiker der Medien hat sich seit den Zeiten der sogenannten Flüchtlingskrise verfestigt und bleibt mehr oder weniger unverändert bestehen.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Krisenzeiten

Das Vertrauen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist trotz der jüngsten Diskussionen und Skandale hoch. Er rangiert im Ranking der vertrauenswürdigsten Mediengattungen nach wie vor auf Platz eins. Das Vertrauen ist 2022 gegenüber den Vorjahren jedoch zurückgegangen – ein Rückgang, der sich bei anderen Mediengattungen nicht gleichermaßen nachzeichnen lässt. Noch immer liegt der öffentlich-rechtliche Rundfunk vor den Lokalzeitungen sowie den überregionalen Zeitungen, der Abstand ist allerdings geringer geworden. 2022 hielten 62 Prozent der Deutschen das öffentlich-rechtliche Fernsehen (inklusive aller seiner im Internet verfügbaren Angebote) für sehr oder eher vertrauenswürdig (Abbildung 2) – 2020 waren es 70 Prozent, zuvor schwankte der Wert zwischen 65 und 72 Prozent. Zum Vergleich: Das private Fernsehen halten nur zwischen 17 und 29 Prozent der Befragten für sehr oder eher vertrauenswürdig.

Da sich ansonsten keine deutlichen Verschiebungen beim Vertrauen in bestimmte Mediengattungen zeigen, lässt sich der Rückgang beim Vertrauen in das öffentlich-rechtliche Fernsehen im Jahr 2022 vorsichtig als Reaktion auf die jüngsten Skandale und Reformdebatten deuten, die ein erheblicher Teil der Bevölkerung wahrgenommen hat. Konkret nach den "jüngsten Problemen und Skandalen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, beispielsweise um die rbb-Intendantin Schlesinger" gefragt, gab eine knappe Mehrheit (51 Prozent) an, sie hätte "viel" oder "sehr viel" von den Problemen und Skandalen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk mitbekommen. Nur 14 Prozent sagten, sie hätten davon gar nichts mitbekommen, und 33 Prozent antworteten "nicht viel" (2 Prozent "weiß nicht").

Viele Bürgerinnen und Bürger artikulieren auf unsere Fragen hin Reformbedarf: 40 Prozent stimmten der Aussage zu, der öffentlich-rechtliche Rundfunk sei zu aufgebläht und bürokratisch. Ähnliche Zustimmungswerte erreichten die Aussagen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk verschwenderisch mit den Rundfunkbeiträgen umgehe (38 Prozent) und dass er zu eng mit der Politik verflochten sei (37 Prozent). 30 Prozent der Befragten waren "eher" oder "voll und ganz" der Ansicht, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk streng genug kontrolliert werde, 40 Prozent wiederum meinten, dass er die Vielfalt der Meinungen in der Gesellschaft angemessen darstelle. Trotz solcher Kritik äußert eine große Mehrheit im Grundsatz Rückhalt: 72 Prozent stimmten der Aussage zu, dass die Informationsangebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wichtig seien. 62 Prozent stimmten der Aussage zu, der öffentlich-rechtliche Rundfunk leiste einen wichtigen Beitrag zur Demokratie. 54 Prozent waren mit den Informationsangeboten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zufrieden. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass eine Mehrheit den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als Institution im Prinzip gutheißt und bewahren will, seine konkreten Strukturen und Profile allerdings auf mehr oder weniger starke Kritik stoßen.

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Frage, ob die Wahrnehmung der Skandale die Bewertung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beeinflusst. Dazu stellen wir Personen, die angaben, von den Skandalen viel oder sehr viel mitbekommen zu haben, diejenigen Menschen gegenüber, die von sich sagten, nicht viel oder gar nichts von den Skandalen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk mitbekommen zu haben (Tabelle 1). Die Rückmeldungen beider Gruppen unterscheiden sich zum Teil sehr deutlich: Während diejenigen, die viel von den Skandalen mitbekommen haben, zu 52 Prozent angaben, der öffentlich-rechtliche Rundfunk sei zu aufgebläht und bürokratisch, wurde dieser Kritikpunkt von nur 28 Prozent derjenigen geäußert, die wenig oder nichts von den Skandalen wussten. Bei der Zustimmung zur Aussage, der öffentlich-rechtliche Rundfunk sei zu eng mit der Politik verflochten, unterschieden sich die beiden Gruppen jedoch kaum (38 vs. 35 Prozent). Generell gibt es keinen Zusammenhang zwischen der Wahrnehmung der Skandale und der Einstellung zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk – in vielen Punkten äußerten gerade diejenigen, die die Skandale medial nachverfolgt haben, sogar eher positive Urteile.

Um zu überprüfen, in welchen Fällen die Wahrnehmung der Skandale die Bewertung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks überzufällig und signifikant beeinflusst, haben wir zur statistischen Absicherung multivariate Regressionsanalysen gerechnet. Die jeweilige Bewertungsdimension (zum Beispiel "Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist zu aufgebläht und bürokratisch") ging dabei jeweils als abhängige, also zu erklärende Variable in die Berechnung ein. Die Frage, ob die Menschen viel oder wenig/nichts von den Skandalen mitbekommen hatten, wurde als unabhängige Variable, also als Erklärvariable, in die Analyse aufgenommen. Als Kontrollvariablen wurden die Nutzungshäufigkeit des öffentlich-rechtlichen Fernsehens sowie Alter, Bildung und Geschlecht einbezogen. Auf diese Weise ließ sich bei zwei der Bewertungsdimensionen in der multivariaten Kontrolle ein statistisch signifikanter Zusammenhang finden – und zwar bei den Aussagen "Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist zu aufgebläht und bürokratisch" und "Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird streng genug kontrolliert": Diejenigen, die mehr von den Skandalen mitbekommen hatten, bewerteten den öffentlich-rechtlichen Rundfunk hinsichtlich der Einschätzung als "aufgebläht und bürokratisch" schlechter und bezüglich der Frage, ob er streng genug kontrolliert würde, besser. Tatsächlich ist es nicht ganz trivial, aus den zum Teil nur geringen Prozentwertunterschieden größere Unterschiede in den Wahrnehmungen des Publikums herauszulesen. Auch gilt es jeweils die multivariate Betrachtung zu berücksichtigen. Und schließlich treffen die verwendeten Statements inhaltlich sehr unterschiedliche Aussagen über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk: So sind vor allem die nicht signifikanten Aussagen eher genereller Natur und haben weniger mit der Wahrnehmung der konkreten Skandale zu tun. Aus den durchaus komplexen Anforderungen bei der Interpretation dieser Befunde folgt sicherlich weiterer Forschungsbedarf.

Abschließend dürfte besonders die Frage von Interesse sein, welche Faktoren generell zu einer größeren Vertrauenszuschreibung an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk beitragen. Auch hier bietet sich eine multivariate Betrachtung im Rahmen einer Regressionsanalyse an: Auf diese Weise soll der Einfluss verschiedener möglicher Erklärungen auf das Entstehen eines hohen beziehungsweise niedrigen Vertrauens in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gemeinsam betrachtet werden. Die Vertrauenswürdigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks war somit die abhängige Variable, unabhängige Variablen waren die Frage, wie viel die Menschen von den Skandalen mitbekommen haben, die Nutzungshäufigkeit des öffentlich-rechtlichen Fernsehens sowie Alter, Geschlecht und Bildung. Die größte Erklärungskraft geht dabei von der Nutzung aus: Wer öffentlich-rechtliches Fernsehen häufiger nutzt, vertraut ihm auch stärker. Ebenfalls groß ist der Einfluss des Alters – jüngere Menschen haben ein größeres Vertrauen. Eine höhere formale Bildung führt ebenfalls zu mehr Vertrauen. Diese Befunde stehen im Einklang mit bisheriger Forschung zum Vertrauen in die Medien als gesellschaftliche Institution. Die Wahrnehmung der Skandale beeinflusst die Einschätzung der Vertrauenswürdigkeit des öffentlich-rechtlichen Fernsehens nicht, ebenso wenig wie das Geschlecht.

Fazit

In Krisenzeiten müssen sich die Menschen ganz besonders auf die Medien verlassen können. In Deutschland tun die Bürgerinnen und Bürger das auch zu einem großen Anteil – sowohl in ruhigeren Phasen, als auch in Hochphasen von Krisen haben sie das Gefühl, sich auf die Informationen aus den Medien verlassen zu können. Es hat sich jedoch über die Jahre ein harter und nicht zu vernachlässigender Kern an eindeutig misstrauischen Bürgerinnen und Bürgern verfestigt.

Eine besondere Rolle spielt in der deutschen Medienlandschaft der öffentlich-rechtliche Rundfunk. Er genießt eine prinzipiell hohe Reputation und ein positives Image. Ein Großteil der Bürgerinnen und Bürger findet ihn vertrauenswürdig und weiß seine besondere Informations- und Orientierungsfunktion in unserer Gesellschaft zu schätzen. Ein leichter Vertrauensrückgang im Jahr 2022 weist den Daten der Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen zufolge zwar darauf hin, dass die Skandale im öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht spurlos an diesem vorübergegangen sind. Einen wirklichen Vertrauenseinbruch gab es aber nicht – und die Wahrnehmung der Skandale beeinflusste die Bewertung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nur zum Teil, etwa hinsichtlich der konkreten Kritikpunkte einer zu großen Bürokratie und fehlender Kontrolle, jedoch nicht im Hinblick auf seine grundlegende Legitimität oder Vertrauenswürdigkeit. Einen wesentlich größeren Einfluss auf die Bewertung und auf die Vertrauenseinschätzung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks haben die Nutzungserfahrungen der Menschen. Jedoch gehört gerade bei den jüngeren Menschen der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht mehr standardmäßig zum Medienrepertoire. Zwar besteht für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland kein Grund zu umfassender Besorgnis – auf Vorschusslorbeeren ausruhen kann er sich jedoch nicht.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Peter Van Aelst et al., Does a Crisis Change News Habits? A Comparative Study of the Effects of COVID-19 on News Media Use in 17 European Countries, in: Digital Journalism 9/2021, S. 1208–1238.

  2. Vgl. Christina Viehmann/Marc Ziegele/Oliver Quiring, Communication, Cohesion, and Corona: The Impact of People’s Use of Different Information Sources on their Sense of Societal Cohesion in Times of Crises, in: Journalism Studies 23/2022, S. 629–649.

  3. Vgl. Eva Holtmannspötter/Angela Rühle, Medienleistungen in den Augen des Publikums, in: Media Perspektiven 9/2022, S. 446–456.

  4. Vgl. Nikolaus Jackob et al., Medienvertrauen in Deutschland, Bonn 2023.

  5. Vgl. Klaus Beck, Das Mediensystem Deutschlands. Strukturen, Märkte, Regulierungen, Wiesbaden 2018.

  6. Vgl. Jackob et al. (Anm. 4).

  7. Vgl. Christian Buß/Anton Rainer, Das Gift des Misstrauens, in: Der Spiegel, 17.9.2022, S. 76f.

  8. Vgl. Tom Buhrow, Wir müssen die große Reform wagen, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 3.11.2022, S. 13; "Es braucht eine Umverteilung", Doppelinterview mit Eva-Maria Lemke und Olaf Sundermeyer, in: Journalist, Oktober 2022, S. 26–33; "Wenn wir das tun, wird es Halligalli geben", Spiegel-Gespräch mit Tom Buhrow und Kai Gniffke, in: Der Spiegel, 17.12.2022, S. 64ff.

  9. Vgl. Reuters Institute, Digital News Report 2022, Juni 2022, Externer Link: https://reutersinstitute.politics.ox.ac.uk/sites/default/files/2022-06/Digital_News-Report_2022.pdf.

  10. Vgl. Ilka Jakobs et al., Medienvertrauen in Krisenzeiten. Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen 2020, in: Media Perspektiven 3/2021, S. 152–162.

  11. Vgl. Tanjev Schultz et al., Medienvertrauen nach Pandemie und "Zeitenwende". Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen 2022, in: Media Perspektiven 8/2023, S. 1–17.

  12. Vgl. ebd.

  13. F(5,1144)=33860***; korrigiertes R-Quadrat=.125.

  14. Vgl. Ilka Jakobs et al., Welche Personenmerkmale sagen Medienvertrauen voraus? Der Einfluss von Charakteristika der Rezipientinnen und Rezipienten auf Vertrauen in Medien im Zeitverlauf, in: Publizistik 66/2021, S. 463–487.

  15. Vgl. Anne Schulz/David A.L. Levy/Rasmus Kleis Nielsen, Old, Educated and Politically Diverse: The Audience of Public Service News, Reuters Institute Report, Oxford 2019, Externer Link: https://reutersinstitute.politics.ox.ac.uk/sites/default/files/2019-09/The_audience_of_public_service_news_FINAL.pdf.

Lizenz

Dieser Text ist unter der Creative Commons Lizenz "CC BY-NC-ND 3.0 DE - Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland" veröffentlicht. Autoren/-innen: Ilka Jakobs, Nikolaus Jackob, Tanjev Schultz, Marc Ziegele, Oliver Quiring, Nayla Fawzi, Christian Schemer, Daniel Stegmann, Christina Viehmann für Aus Politik und Zeitgeschichte/bpb.de

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ist promovierte Kommunikationswissenschaftlerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.
E-Mail Link: ilka.jakobs@uni-mainz.de

ist apl. Professor und Geschäftsführer des Instituts für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.
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ist Professor für Journalismus am Journalistischen Seminar der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.
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ist Juniorprofessor für Politische Online-Kommunikation an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.
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ist Professor für Kommunikationswissenschaft am Institut für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.
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ist Professorin für Demokratie und Digitale Kommunikation am Institut für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.
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ist Professor für Allgemeine Kommunikationsforschung am Institut für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.
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