Die Medienordnung in Deutschland ist wie kaum ein anderer Bereich durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geprägt, das insbesondere in den dreizehn Rundfunkurteilen
Dass diese Frage das Bundesverfassungsgericht immer wieder beschäftigte, lag auch daran, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk in seiner jetzigen Form keine deutsche Erfindung war, sondern nach 1945 durch die Vorstellungen der Briten und US-Amerikaner in ihren jeweiligen Besatzungszonen geprägt wurde. Angesichts der historischen Erfahrungen mit dem zentralistischen staatlichen Rundfunk (Reichsrundfunkgesellschaft) in der Weimarer Republik und seines nachfolgenden Missbrauchs durch die Nationalsozialisten als Propagandainstrument waren sich Briten und Amerikaner einig, einen demokratischen Rundfunk schaffen zu wollen, der weder dem Staat oder den Parteien noch einzelnen gesellschaftlichen Gruppen, etwa den Kapitalgebern, sondern der Allgemeinheit gehören sollte. Die von den Briten eingebrachte Staatsferne und Pluralität zur Gewährleistung umfassender und ausgewogener Information der Bürgerinnen und Bürger und der von den Amerikanern beigesteuerte Föderalismus bildeten das Fundament dieses neuen Rundfunks.
Allerdings war diese auf die Vorstellungen der Westalliierten zurückgehende Konstruktion von Anfang an umstritten. Beiden großen politischen Parteien der frühen Bundesrepublik, sowohl der SPD als auch und noch stärker der CDU, war das Modell einer Kontrolle durch "gesellschaftlich relevante Gruppen" ein Dorn im Auge; sie verlangten mehr oder weniger unverblümt einen stärkeren Einfluss der Parteien und des Staates in den Gremien, bis hin zu deren Besetzung in Übereinstimmung mit den Wahlergebnissen.
Bedeutung des Ersten Fernsehurteils
Die Karlsruher Richter begnügten sich in diesem Ersten Fernsehurteil nicht mit der Feststellung, dass dem Bund bereits die Kompetenz fehle, sich der Materie Rundfunk, auch in Form der Gründung einer privaten Gesellschaft, anzunehmen.
Ein zulässiger Weg war nach ihrer Ansicht der Aufbau föderaler öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten, die dem staatlichen Einfluss entzogen und höchstens einer begrenzten Rechtsaufsicht unterworfen sind.
Zudem verbietet nach Ansicht des Gerichts die Bestimmung des Artikels 5 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes, dass der Rundfunk dem Staat oder einer gesellschaftlichen Gruppe ausgeliefert werden darf. Dies schließt es aus, dass der Staat – auch in der Form einer privaten Gesellschaft – als Rundfunkveranstalter auftritt, wie es mit der Deutschland-Fernsehen-GmbH geplant war. Zudem darf er auch keinen beherrschenden Einfluss über ihm zuzurechnende Gremienmitglieder ausüben. Allerdings schließt es dieser Grundsatz der "Staatsfreiheit" nach Ansicht des Gerichts nicht aus, dass den Organen der Rundfunkanstalten ein "angemessener Anteil" staatlicher Vertreter angehört.
Mit dieser ersten Entscheidung in einer langen Reihe von Rundfunkurteilen begannen die Karlsruher Richter, die bundesdeutsche Rundfunkordnung entscheidend mitzuprägen. Ihr Beitrag zum Erhalt und der Fortentwicklung einer demokratischen, vielfältigen, der Demokratie verpflichteten und den kulturstaatlichen Auftrag berücksichtigenden Rundfunklandschaft kann gar nicht genug gewürdigt werden.
Die in den Entscheidungen entwickelten Vorgaben schränken allerdings den grundsätzlich weiten Gestaltungsspielraum
Fortbestehende Notwendigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Die Digitalisierung hat gravierende, teilweise disruptive Veränderungen für die gesamte Medienlandschaft und insbesondere den öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit sich gebracht. Mit ihr ist es möglich geworden, jedwede Kommunikationsinhalte auf verschiedenen Übertragungswegen zu verbreiten und für die Empfänger auf beliebigen Endgeräten verfügbar zu machen. Zudem sind neben das klassische Fernsehen eine riesige Zahl weiterer medialer Angebote getreten, deren Bedeutung sich dem Fernsehen mehr und mehr annähert.
Zudem geht mit den durch die Digitalisierung bewirkten Veränderungen eine zunehmende Fragmentierung der Gesellschaft einher. Dieser Trend wird durch Empfehlungen Dritter gestärkt, die zu vielbeachteten viralen Effekten führen. Die Folge dieser Fragmentierung ist, dass sich Communities bilden, die, gestützt auf die im Internet bereitstehenden Kommunikationsplattformen, vorwiegend untereinander kommunizieren und sich dem Austausch mit anderen Gruppen tendenziell verschließen. Dadurch entstehen sogenannte Echokammern beziehungsweise Filterblasen. Da sich in diesen digitalen Realitäten eigene Mentalitäten und Sichtweisen herausbilden, ist das Risiko hoch, dass sie sich von anderen Communities, insbesondere von den Eliten aus Wirtschaft, Gesellschaft und Wissenschaft, entfremden.
Zu diesen allgemeinen Entwicklungen treten Vorgänge bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten selbst hinzu, die mitunter dazu beitragen, den Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks infrage zu stellen – so zuletzt etwa beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB),
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
Schon im Zweiten Gebührenurteil vom 11. September 2007
Aus diesen Überlegungen ergibt sich, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht etwa entbehrlich geworden ist, sondern – ganz im Gegenteil – unverzichtbarer ist als je zuvor.
Auftrag und Finanzierung
Die Bestimmung des Artikels 5 Absatz 1 Satz 2 GG enthält nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
Zwischen der bedarfsgerechten Finanzierung und dem Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks besteht ein unmittelbarer Zusammenhang. Dieser beruht unter anderem darauf, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk wegen der ihm zustehenden Rundfunkfreiheit Programmautonomie besitzt. Daher steht ihm die Entscheidung über die zur Erfüllung des Funktionsauftrags als nötig angesehenen Inhalte und Formen des Programms zu. Bei der Festsetzung des Rundfunkbeitrags müssen Risiken einer mittelbaren Einflussnahme auf die Wahrnehmung des Programmauftrags ausgeschlossen werden, um die Programmfreiheit der Rundfunkanstalten zu sichern. Daher sind für die Beitragsfestsetzung die Grundsätze der Programmneutralität und der sogenannten Programmakzessorietät maßgeblich. Dies bedeutet, dass sich die Finanzierung nach dem Auftrag richten muss und nicht umgekehrt.
Spielraum des Gesetzgebers
Das hat allerdings nicht zur Folge, dass dem Gesetzgeber im Übrigen medienpolitische oder programmleitende Entscheidungen als solche versagt sind. Vielmehr sind gesetzliche Programmbegrenzungen keineswegs von vornherein ausgeschlossen.
Bei der Konkretisierung des Auftrags müssen die Länder die verfassungsrechtlichen Vorgaben beachten, die das Bundesverfassungsgericht aus der besonderen Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für eine ausgewogene, vielfältige und umfassende Information und damit für eine funktionsfähige Demokratie abgeleitet hat. Ganz allgemein gestehen die Karlsruher Richter in der Entscheidung zum ZDF-Staatsvertrag vom 25. März 2014
Obwohl gesetzgeberische Ansätze zur Umschreibung des Funktionsauftrags stets Gefahr laufen, in Widerspruch zu diesen verfassungsgerichtlichen Vorgaben zu geraten,
Mit dem Bundesverfassungsgericht
Insoweit erscheint es sachgerecht, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk gerade in der digitalen Welt die Entwicklungsmöglichkeiten einzuräumen beziehungsweise zu erhalten, die ihn im Wettbewerb publizistisch konkurrenzfähig bleiben lassen.
Verfahren zur Festsetzung des Rundfunkbeitrags
Trotz des Grundsatzes der Programmakzessorietät wird derzeit besonders intensiv über die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und die "Beitragsstabilität" diskutiert, die sich einzelne Landespolitikerinnen und Landespolitiker auf die Fahnen geschrieben haben und die auch im Beschluss der Rundfunkkommission zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk vom 19./20. Januar 2023 auftaucht.
Besonders intensiv hat sich das Bundesverfassungsgericht mit der angemessenen Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und dem diesbezüglichen Gebührenfestsetzungsverfahren in den beiden Gebührenurteilen 1994 und 2007
Am Beginn des Verfahrens zur Festsetzung des Rundfunkbeitrags muss nach dieser Rechtsprechung die Bedarfsanmeldung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten stehen, die auf ihren Programmentscheidungen beruht und sich nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu richten hat. Auf der zweiten Stufe ist eine Überprüfung der Bedarfsanmeldung durch eine staats- und politikfrei besetzte Sachverständigenkommission, also durch die KEF, vorzunehmen. Diese kontrolliert, ob sich die Bedarfsanmeldungen innerhalb des rechtlich umgrenzten Rundfunkauftrages halten und der daraus abgeleitete Finanzbedarf zutreffend und in Einklang mit den Grundsätzen von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit ermittelt worden ist. Es handelt sich bei dieser Kontrolle also nicht um eine politische, sondern um eine fachliche Aufgabe. Die Kontrolle endet in einem konkreten Beitragsvorschlag auf der Grundlage des überprüften Finanzbedarfs (KEF-Bericht).
Die eigentliche Beitragsfestsetzung erfolgt dann auf der dritten Stufe durch einen Staatsvertrag, dem alle Landesparlamente zustimmen müssen. Allerdings sind Abweichungen von dem Beitragsvorschlag der KEF zulasten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter nur in begründeten Ausnahmefällen zulässig. Dabei erschöpfen sich die Abweichungsgründe im Wesentlichen in den Gesichtspunkten des Informationszugangs und der angemessenen Belastung der Rundfunkteilnehmer, also der Sozialverträglichkeit des Beitrags.
Diese Grundsätze hat das Bundesverfassungsgericht 2021
Das dreistufige Verfahren zur Festsetzung des Rundfunkbeitrags hat sich bisher insbesondere deshalb bewährt, weil sich die KEF als Garant für die Einhaltung von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit und damit der Interessen der Beitragszahler erwiesen hat. Dies lässt sich angesichts der Entwicklung der Beitragshöhe verdeutlichen:
Als am 1. Januar 2013 die Umstellung der Rundfunkgebühr auf den Rundfunkbeitrag erfolgte, betrug die Gebühr 17,98 Euro pro Monat. Diese Höhe wurde zunächst für den Rundfunkbeitrag unverändert beibehalten, ab dem 1. April 2015 auf 17,50 Euro abgesenkt und blieb bis 2021 stabil. Zum 1. Januar 2021 schlug die KEF eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags auf 18,36 Euro vor. Wegen der unterlassenen Zustimmung des Landtages von Sachsen-Anhalt trat der von allen Ländern unterzeichnete Staatsvertrag zunächst nicht in Kraft; dessen maßgebliche Bestimmungen setzte dann das Bundesverfassungsgericht nach erfolgreichen Verfassungsbeschwerden von ARD, ZDF und Deutschlandradio mittels Vollstreckungsanordnung mit Wirkung ab dem 20. Juli 2021 in Kraft.
An dem bisherigen Verfahren zur Festsetzung des Rundfunkbeitrages ist nicht nur aus diesem Grunde, sondern auch im Interesse der Staatsferne unbedingt festzuhalten, da ansonsten mittels Gewährung beziehungsweise Verweigerung einer Beitragserhöhung durch Landesregierungen oder Landesparlamente indirekt, aber besonders effektiv Einfluss auf das Programm genommen werden kann. Dies bedeutet nicht, dass die Länder keinen Einfluss besitzen. Vielmehr bestimmt der Auftrag die Finanzierung. Bei der Ausgestaltung des Auftrags besitzen die Länder durchaus Gestaltungsspielraum. Es liegt an ihnen, ob und in welcher Weise sie davon Gebrauch machen.