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Vom Monopol zu komplizierter Konkurrenz | Öffentlich-rechtlicher Rundfunk | bpb.de

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk Editorial Vom Monopol zu komplizierter Konkurrenz. 75 Jahre öffentlich-rechtlicher Rundfunk in Deutschland Der öffentlich-rechtliche Rundfunk zwischen Recht und Politik Zu teuer, zu abhängig, zu irrelevant? Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in internationaler Perspektive What next, Auntie Beeb? Die BBC vor ungewisser Zukunft "Wir müssen unbedingt debattenfähig bleiben". Ein Gespräch über Ausgewogenheit, "false balance" und falsche Vorstellungen von politischer Einflussnahme Medienvertrauen in Krisenzeiten. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Kontext aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen Der Osten als Chance. Ostdeutsche Perspektiven auf die Reformdebatte um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk Im Transit zwischen gestern und morgen. Zur Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

Vom Monopol zu komplizierter Konkurrenz 75 Jahre öffentlich-rechtlicher Rundfunk in Deutschland

Konrad Dussel

/ 19 Minuten zu lesen

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland hat seit dem Zweiten Weltkrieg eine beeindruckende Entwicklung genommen. Gleichwohl wird er Antworten finden müssen auf Veränderungen in der Medienlandschaft und die an ihn herangetragenen Reformerwartungen.

Bis 1945 hatte der nationalsozialistische Staat den Rundfunk in Deutschland fest vereinnahmt. Gezielt war das Radio zu einem Unterhaltungsmedium ausgebaut worden, das die Kulisse für sorgfältig geplante Propaganda bot; das noch kaum entwickelte Fernsehen war daneben nahezu bedeutungslos. Für die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs war es deshalb geradezu selbstverständlich, die vorhandenen Organisationsstrukturen zu zerschlagen, die technischen Gegebenheiten aber zu nutzen und sogleich eigene Programmangebote auszustrahlen. In Hamburg gelang es den Briten am 4. Mai 1945, nur wenige Stunden nach der Einstellung des nationalsozialistischen Sendebetriebs, mit ihrem neuen "Radio Hamburg" zu beginnen. In Berlin konnten die Sowjets am 13. Mai erste eigene deutsche Programme präsentieren.

Doch wie sollte es nun weitergehen? Die Sowjets sahen kein grundsätzliches Problem in der staatlichen Organisation des Rundfunks; so hielten sie es auch im eigenen Land. In abgeschwächter Form galt dies auch für die Franzosen, und selbst so mancher deutsche Politiker war der Meinung, dass der demokratische Staat durchaus berechtigt sei, demokratischen Rundfunk zu produzieren. US-Amerikaner und Briten hatten hingegen ganz andere Vorstellungen. Die Amerikaner waren ein kommerziell organisiertes Angebot gewohnt, in dem Werbung eine zentrale Rolle spielte. Mit den durch sie erzielten Einnahmen wurden die Programme finanziert, und Regierung wie Parteien hatten sich mit dieser Vorgabe zu arrangieren. Auf das kriegszerstörte Deutschland war dieser Ansatz jedoch nicht zu übertragen; nennenswerte Werbeeinnahmen waren selbst mittelfristig nicht zu erwarten. Vor diesem Hintergrund gewann das britische Modell seine Überzeugungskraft: Rundfunk als staatsfern organisierter öffentlicher Service, wie dies im Vereinigten Königreich mit der British Broadcasting Corporation (BBC) bereits seit rund zwei Jahrzehnten sehr erfolgreich verwirklicht wurde.

Grundlegung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

In Hamburg war der improvisierte Militärsender schnell zu einer Rundfunkanstalt für die gesamte britische Besatzungszone ausgebaut worden. Am 22. September 1945 nahm der neue Nordwestdeutsche Rundfunk (NWDR) unter britischer Leitung seine Arbeit auf. Von vornherein war dies nur als Übergangslösung gedacht, die eine Übertragung in deutsche Verantwortung vorbereiten sollte. Aber erst am 1. Januar 1948 war es so weit: Eine britische Verordnung etablierte den NWDR als "unabhängige Anstalt zur Verbreitung von Nachrichten und Darbietungen unterhaltender, bildender und belehrender Art", die ihre Programme "in voller Unabhängigkeit von Einflüssen des Staates und parteipolitischen Richtungen" präsentieren sollte.

Gewährleistet werden sollte dies durch zwei fundamentale Regelungen: zum einen durch von den Rundfunkhörern zu entrichtende Gebühren, zum anderen durch eine komplexe Organisation der Anstaltsleitung. Satzungsmäßige Organe des NWDR waren der Hauptausschuss mit 16 Mitgliedern, der von ihm gewählte siebenköpfige Verwaltungsrat und der durch diesen zu ernennende Generaldirektor.

Über die Zusammensetzung des Hauptausschusses war lange zwischen Briten und Deutschen gerungen worden. Letztlich besaß er zwar eine gewisse Staatsferne, da nicht nur zwei Kirchenvertreter, sondern beispielsweise auch der Präsident der Staatlichen Musikhochschule in Köln oder der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes zu Mitgliedern ernannt wurden. Erheblicher Staatseinfluss war jedoch alleine schon dadurch garantiert, dass neben ihnen auch die Ministerpräsidenten der Länder Nordrhein-Westfalen, Niedersachen und Schleswig-Holstein sowie der Bürgermeister Hamburgs berufen wurden.

Der NWDR war eine durch britische Verordnung begründete zentralistische Anstalt für die gesamte britische Besatzungszone; er hatte auch den britischen Sektor in Berlin zu versorgen. Die Amerikaner beschritten einen anderen Weg. Sie übernahmen zwar grundsätzlich das britische Modell, setzten jedoch auf unterschiedliche Anstalten für jedes Land in ihrer Besatzungszone. Außerdem bestanden sie darauf, dass jede Anstalt durch ein deutsches, allerdings von ihnen zu genehmigendes Gesetz begründet werden sollte. Als erstes kam in diesem Sinne das "Gesetz über die Errichtung einer Anstalt des öffentlichen Rechts 'Der Bayerische Rundfunk'" vom 10. August 1948 zustande, als zweites das "Gesetz über den Hessischen Rundfunk" vom 2. Oktober 1948. Mit ihnen wurden die bis heute gültigen zentralen Begriffe für die öffentlich-rechtliche Rundfunkorganisation eingeführt: Rundfunkrat, Verwaltungsrat und Intendant. Ausdrücklich wurde in Paragraf 5 des hessischen Gesetzes der besondere Anspruch des 17-köpfigen Rundfunkrats formuliert: "Der Rundfunkrat vertritt die Allgemeinheit auf dem Gebiete des Rundfunks." In beiden Rundfunkräten wurde der Staat jeweils nur von einem Vertreter der Landesregierung repräsentiert, die Politik darüber hinaus jeweils durch fünf Abgeordnete des Landtags, in Bayern zudem durch drei des Senats. Ähnlich wie im Hauptausschuss des NWDR gab es daneben Vertreter der Religionsgemeinschaften, der Kultur und der Wirtschaft. Vom jeweils siebenköpfigen Verwaltungsrat waren nur vier Mitglieder vom Rundfunkrat zu wählen; die drei anderen waren qua Amt festgelegt. Dem Rundfunkrat war es vorbehalten, den Intendanten zu wählen.

Nach diesen Vorbildern entstanden auch das "Gesetz über die Errichtung und die Aufgaben einer Anstalt des öffentlichen Rechts – 'Radio Bremen'" und – nach langen Verhandlungen und zwei von den Amerikanern abgelehnten Vorläufern – das "Gesetz Nr. 1039 Radiogesetz" vom 6. April 1949, das den Süddeutschen Rundfunk (SDR) in Stuttgart begründete. Schon Ende 1948 war schließlich auch eine Anstalt für die gesamte französische Besatzungszone gegründet worden, der Südwestfunk (SWF) mit Sitz in Baden-Baden. Wie in Hamburg war auch hier die Grundlage durch eine einfache Verordnung durch den französischen Militärgouverneur mit der Verordnung Nr. 187 vom 30. Oktober 1948 geschaffen worden.

Die Zusammenarbeit der Sender, die schon 1946 begonnen hatte, wurde in der Folgezeit von den Intendanten der neuen öffentlich-rechtlichen Anstalten fortgesetzt. Am 5. August 1950 kamen sie in München zur konstituierenden Sitzung der "Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland" zusammen. Jahrelang wurde nur mit dieser ausladenden Bezeichnung gearbeitet; erst 1954 wurde die handlichere Abkürzung ARD eingeführt.

Nicht nur Radio, auch Fernsehen

"Rundfunk" – das war Ende der 1940er Jahre in Deutschland bloß Radio, und zwar auf der Mittelwelle mit nur einem Programm pro Anstalt. Angesichts der Fülle der möglichen Angebote und der verschiedenen Interessen der Hörerschaft war dies zweifellos sehr unbefriedigend. Die Anstalten suchten nach Alternativen und fanden sie durch Erschließung eines neuen Frequenzbereichs, der Ultrakurzwelle (UKW). Allerdings war dies mit einem doppelten Problem verbunden: Es bedurfte des Aufbaus neuer Sendeanlagen und auf Nutzerseite neuer Empfangsgeräte. Es dauerte Jahre, bis der UKW-Empfang zum Standard und damit die Programmauswahl erhöht werden konnte.

Parallel dazu wurde das neue Medium Fernsehen eingeführt. Seine Grundzüge waren schon in den 1920er Jahren entwickelt worden, und seit den 1930ern wurden auch in Deutschland praktische Versuche unternommen. Sie wurden zwar durch das Kriegsende unterbrochen, aber die Techniker, die sie betrieben hatten, waren hartnäckig. In Hamburg gelang es im Sommer 1948 Werner Nestel, der 1947 Technischer Direktor des NWDR geworden war, Unterstützung für seine Pläne zu erlangen: Am 19. Juli stimmte die britische Militärregierung und am 13. August der Verwaltungsrat des NWDR dem Aufbau eines Fernsehversuchsbetriebs zu.

Schnell zeigte sich, dass es nicht möglich sein würde, dass alle sechs Anstalten wie beim Hörfunk auch beim Fernsehen jeweils ein eigenes Programm produzieren könnten. Das überstieg nicht nur die finanziellen Möglichkeiten der fünf kleineren Anstalten, es war selbst für die größte, den mit Abstand finanzstärksten NWDR, zu teuer. Man musste also zusammenarbeiten, und die Grundlage dazu schuf ein vom NWDR vorbereiteter Fernsehvertrag. Er wurde von den Intendanten am 27. März 1953 in Hannover unterzeichnet und begründete das "Deutsche Fernsehen". Zunächst sollte es nur ein tägliches Zwei-Stunden-Programm in Schwarzweiß geben; an Farbe dachte damals noch niemand. Alle Anstalten sollten dazu nach einem festen Schlüssel Beiträge liefern. Dieses Grundprinzip gilt bis heute, auch wenn es im Detail im Laufe der Jahrzehnte zahlreiche Veränderungen gab. Die Anfangsregel war einfach: Der NWDR sollte die eine Hälfte des Programms beisteuern, die fünf anderen Anstalten die andere mit Anteilen von jeweils zehn Prozent.

Der tatsächliche Start des "Deutschen Fernsehens" in der Bunderepublik ließ jedoch auf sich warten. Die Bundespost war nicht ohne Weiteres in der Lage, die Landesanstalten so weit miteinander zu verbinden, dass der Programmaustausch und damit die flächendeckende Programmausstrahlung technisch einigermaßen problemlos möglich war. Bloß im NWDR-Bereich gab es bereits seit dem 25. Dezember 1952 einen regelmäßigen Programmdienst – und auch das nur, weil in der DDR schon am 21. Dezember 1952 anlässlich Stalins 73. Geburtstag mit einem offiziellen regelmäßigen Versuchsprogramm begonnen worden war. Erst am 1. November 1954 konnte das "Deutsche Fernsehen" bundesweit beginnen.

Sein Erfolg stand nicht mehr infrage. Ereignisse wie die internationale Direktübertragung der Krönungsfeierlichkeiten für Queen Elisabeth II. am 2. Juni 1953 oder die Sendungen zur Fußballweltmeisterschaft 1954 in der Schweiz hatten eine ungeheure Nachfrage ausgelöst. Waren bis zum Jahresende 1952 gerade einmal 4.000 Geräte (mit Bildschirmgrößen von 22 × 22cm) verkauft worden, so gab es 1955 bereits 200.000 angemeldete Geräte. 1957 wurde schon die Millionengrenze überschritten.

Politische Probleme

Das Prinzip eines staatsfernen öffentlich-rechtlichen Rundfunks war in der deutschen Politik bloß widerstrebend akzeptiert und nur durch den Druck der Militärregierungen durchgesetzt worden. Als die Anstalten einmal gegründet waren und ihre Leistungsfähigkeit bewiesen hatten, wurde es jedoch nicht mehr grundsätzlich infrage gestellt. Aufgrund der technischen Gegebenheiten, die nur ein begrenztes Programmangebot in Hörfunk und Fernsehen ermöglichten, war an eine Pluralität der Anbieter wie bei der Presse nicht zu denken. Unter diesen Umständen schien es tatsächlich sinnvoller, stattdessen auf eine gewisse Binnenpluralität in den Anstalten zu setzen, verankert im zentralen Rundfunkrats-Prinzip.

Dieses grundsätzliche Einverständnis hinderte die zentralen Akteure allerdings nicht daran, diverse Veränderungen im Detail durchzusetzen, um die ursprüngliche Staatsferne ein Stück weit zu reduzieren. Hier spielten zunächst einmal Länderinteressen eine Rolle. Im Südwesten war die Lage besonders kompliziert: Hier war der SWF auf der Basis einer französischen Verordnung für die von der Besatzungsmacht neu geschaffenen Länder Rheinland-Pfalz, Baden und Württemberg-Hohenzollern entstanden. Das damalige Land Württemberg-Baden, in der amerikanischen Besatzungszone gelegen, wurde dagegen vom SDR aus Stuttgart versorgt. Als nun das neue Bundesland Baden-Württemberg entstehen sollte, konnte man sich nicht zu einer großzügigen Neuregelung und Zusammenlegung durchringen. In letzter Minute wurde der SWF durch einen Staatsvertrag in seiner bestehenden Form bestätigt. Die Fusion von SDR und SWF zum SWR, dem Südwestrundfunk, wurde erst 1998 vollzogen.

Im Norden und Nordwesten hatte man ein anderes Problem. Hier fühlte sich das Land Nordrhein-Westfalen nicht angemessen vom Hamburger NWDR versorgt. Schon 1953 war die ursprüngliche NWDR-Konstruktion ein Stück weit verändert worden. Nach komplizierten Verhandlungen konnte sich West-Berlin aus der großen früheren Zonen-Anstalt lösen. Am 5. November 1953 beschloss das Abgeordnetenhaus das "Gesetz über die Errichtung einer Rundfunkanstalt 'Sender Freies Berlin'". Anschließend wurde über die nächste Teilung verhandelt. Die entscheidende Weiche wurde gestellt, als der Landtag in Nordrhein-Westfalen am 12. Mai 1954 das Gesetz über die Gründung des Westdeutschen Rundfunks verabschiedete. Nun mussten die drei norddeutschen Länder Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein handeln. Am 16. Februar unterzeichneten sie den Staatsvertrag über die Gründung des NDR. Die Rundfunkräte wurden nun direkt von den Landtagen gewählt.

Aber über welche Möglichkeiten verfügte die Bundesregierung? Sollte sie sich tatsächlich völlig aus der Gestaltung von Hörfunk- und Fernsehprogrammen heraushalten müssen? Ihre Einflussmöglichkeiten bei den bestehenden Landesanstalten waren sehr begrenzt, weshalb sie sich über neue Angebote Gedanken machte. Für Bundeskanzler Konrad Adenauer und seine Berater ergaben sich hier vor allem zwei Ansatzpunkte: beim Auslandshörfunk und beim zu erwartenden zweiten nationalen Fernsehprogramm. Zwar dauerte es Jahre, bis die Deutsche Welle und der Deutschlandfunk als Bundesanstalten gegründet werden konnten, die Verhandlungen, die beim Fernsehen geführt werden mussten, waren aber noch viel komplizierter. Ziel Adenauers war die Gründung eines von der Regierung zu kontrollierenden "Deutschland-Fernsehens".

Dieser Plan stieß nicht nur bei den Landesanstalten, sondern auch bei den Länderregierungen auf erbitterten Widerstand. Nachdem Adenauer mit Bundesjustizminister Fritz Schäffer am 25. Juli 1960 den Gesellschaftsvertrag und die Satzung der "Deutschland-Fernsehen-GmbH" unterzeichnet hatte, erhoben die Länder Hamburg, Hessen, Bremen und Niedersachsen Klage beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, weil sie ihre Rechte verletzt sahen. Um nicht vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden, erließ das Gericht am 17. Dezember 1960 eine Einstweilige Verfügung, dass vor der Urteilsverkündung in der Hauptsache, die dann am 28. Februar 1961 erging, kein zweites nationales Fernsehprogramm ausgestrahlt werden dürfe. In seinem Maßstäbe setzenden Urteil wiesen die Karlsruher Richter Adenauers Pläne klar zurück: Das Grundgesetz schloss aus ihrer Sicht aus, dass der Staat Rundfunk veranstaltet. Öffentlich-rechtliche Anstalten waren für sie eine naheliegende, allerdings nicht die einzige Organisationsform. Sie ließen auch Alternativen zu, wenn in ihnen "alle gesellschaftlich relevanten Kräfte zu Wort kommen und die Freiheit der Berichterstattung unangetastet bleibt".

Vermehrung und Profilierung der Programme in den 1960er und 1970er Jahren

Das Bundesverfassungsgericht hatte Adenauers Fernseh-Pläne zunichte gemacht. Aber wie sollte das technisch mögliche zweite Fernsehprogramm Realität werden? Am 17. März 1961 entschieden sich die Ministerpräsidenten der Länder einstimmig dafür, diese Aufgabe nicht den Landesanstalten zu übertragen. Es sollte eine neue, von den Ländern gemeinsam getragene Anstalt entstehen. Am 6. Juni 1961 unterzeichneten sie den Staatsvertrag über das ZDF, das Zweite Deutsche Fernsehen.

Die Frage war jedoch, ob die technisch vorhandenen Möglichkeiten so lange ungenutzt bleiben sollten, bis das ZDF tatsächlich senden konnte. Die ARD erbot sich auszuhelfen, und so gab es bis zum 31. März 1963 tatsächlich ein zweites ARD-Fernsehprogramm; am 1. April konnte das ZDF auf Sendung gehen. Für das zweite ARD-Programm waren jedoch zusätzliche Ressourcen notwendig gewesen. Diese wurden von den Landesanstalten und den Ländern umso leichter bereitgestellt, als sich bereits die Möglichkeit eigener regionaler, dritter Fernsehprogramme abzeichnete. Am 22. September 1964 erfolgte der Programmstart von Bayern 3, am 5. Oktober folgte der Hessische Rundfunk, 1965 dann das gemeinsame Angebot von NDR, Radio Bremen (RB) und SFB sowie das eigene Programm des WDR. Im Südwesten verzögerte sich der Beginn des im Verbund von SWF, SDR und Saarländischem Rundfunk (SR) erstellten Südwest 3 bis zum 5. April 1969.

Während die Koordination von erstem und zweitem Fernsehprogramm von Anfang an umstritten war (und letztlich bis heute ist), war dies bei den dritten Programmen viel einfacher. Bei ihnen standen Bildung und Regionales im Vordergrund. Aber nicht nur die Fernsehprogramme waren aufeinander abzustimmen. Auch Hörfunk und Fernsehen durften nicht allzu sehr miteinander konkurrieren. Spätestens mit der Etablierung des zweiten Fernsehprogramms hatte sich nämlich für die Radio-Macher eine ganz neue Situation ergeben: Sie verloren ihre Haupthörzeit am Abend. Die wurde nun im Allgemeinen für das Fernsehen genutzt.

Hellsichtige Radio-Verantwortliche hatten dies bereits Ende der 1950er Jahre kommen sehen und damit begonnen, entsprechende Weichen zu stellen. Die aufgrund des immer verbreiteteren UKW-Empfangs möglichen zwei Hörfunkprogramme jeder Landesanstalt wurden zunehmend differenziert – in ein familienorientiertes, aktuelle Informationen mit unterhaltender Musik mischendes Programm und in ein spezielleres mit klassischer Musik und Jazz. Doch das war nur der Anfang. In den 1960er Jahren konnten nicht nur dritte UKW-Ketten in Betrieb genommen werden, auch der Radiogerätemarkt veränderte sich. Die Erfindung des Transistors und die Verbilligung von Batterien führten zum gerne genutzten, immer größeren Angebot von tragbaren Geräten. Außerdem nahm die Zahl der Autoradios immer mehr zu. Vor diesem Hintergrund verschmolzen zwei Entwicklungslinien: Anfang der 1970er Jahre wurde das Konzept der zielgruppenspezifischen "Servicewellen" entwickelt. Am 1. April 1971 begann der Bayerische Rundfunk mit "Bayern 3, die Servicewelle von Radio München", am 23. April 1972 folgte der Hessische Rundfunk mit "hr3, die Servicewelle aus Frankfurt". Nach und nach folgten auch die anderen Anstalten. Angesprochen werden sollten nicht nur die Autofahrer, sondern zunehmend auch jüngere Hörerinnen und Hörer. Und weil sich fast zeitgleich noch weitere Sendemöglichkeiten auf UKW ergaben, konnte auch mit einer weiteren Regionalisierung begonnen werden. Das Radio entwickelte sich zum Tages-Begleitmedium, während der Abend zur Domäne des Fernsehens wurde.

Private Konkurrenz seit den 1980er Jahren

Es wäre zu stark vereinfacht, wollte man die Neuerungen im öffentlich-rechtlichen Hörfunk nur auf die Konkurrenz des öffentlich-rechtlichen Fernsehens zurückführen. Vor allem die Landesanstalten im Westen – WDR, SWF und SR – hatten sich mit einer immer publikumswirksameren Konkurrenz auseinanderzusetzen: dem kommerziellen Angebot von Radio Luxemburg. Dessen Betreiber waren auf der Höhe der Zeit. Sie erkannten die Chancen im sich entwickelnden Satelliten-Fernsehen. Privates Fernsehen aus Luxemburg würde damit in weiten Teilen Westeuropas zu empfangen sein.

Doch nicht nur das Satelliten-Fernsehen sollte den Markt verändern. Auch die von der Deutschen Post begonnene Verlegung von Breitbandkabeln würde die bisherigen Frequenzengpässe bei der terrestrischen Übermittlung von Rundfunkprogrammen deutlich reduzieren. Ein zentrales Argument für die Monopolstellung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkorganisation geriet damit ins Wanken. Waren technisch mehr Programme möglich, konnte die bisherige Binnenpluralität in den Anstalten durch eine Außenpluralität der Anbieter ersetzt oder doch zumindest ergänzt werden. Von Anfang an gab es dabei zwei bis heute wichtige Wettbewerber: das von den Luxemburgern gemeinsam mit Bertelsmann 1983 gegründete RTL (damals noch RTL plus) sowie eine vom Münchner Medienunternehmer Leo Kirch organisierte rein deutsche Alternative, die nach einiger Zeit als Sat.1 firmierte.

Die medienpolitische Diskussion der 1980er Jahre war von äußerster Komplexität. Für Verfechter wie Gegner des traditionellen öffentlich-rechtlichen Monopols war es schwierig, zu einem staatsvertraglichen Kompromiss zu finden, der auch noch vor dem Bundesverfassungsgericht würde bestehen können. Eine Vorentscheidung war gefallen, als man sich darauf einigen konnte, in vier großen Kabelpilotprojekten die Auswirkungen der möglichen Programmvermehrung von Hörfunk und Fernsehen zu erforschen. Am 1. Januar 1984 startete das erste Projekt im Raum Ludwigshafen/Vorderpfalz. Per Kabel wurden 19 Fernseh- und 23 Hörfunkkanäle verbreitet, allerdings noch ganz überwiegend von öffentlich-rechtlichen Anbietern. Im Laufe von knapp zwei Jahren folgten die Projekte in München, Dortmund und Berlin.

Die Akzeptanz der Angebote setzte die Landesregierungen unter Druck. Am 3. April 1987 unterzeichneten sie schließlich den "Staatsvertrag zur Neuordnung des Rundfunkwesens", der die neue duale Rundfunkordnung begründete. Neben öffentlich-rechtlichen Anstalten wurden aber nun nicht einfach private Anbieter zugelassen. Deren Zulassung wurde vielmehr an einen neuen Typ öffentlich-rechtlicher Anstalten delegiert, die Landesmedienanstalten. Grundsätzlich sind diese seitdem für die Zulassung und Kontrolle privat veranstalteter Fernseh- und Hörfunkprogramme in ihrem jeweiligen Bundesland zuständig. Faktische Bedeutung hat dies vor allem im Bereich des regionalen und lokalen Hörfunks. Hier gab es im Laufe der vergangenen Jahrzehnte auch die wichtigsten Veränderungen.

Erweiterung auf die neuen Bundesländer

Der Verlust ihrer Monopolstellung war für die öffentlich-rechtlichen Anstalten keine Überraschung gewesen; man hatte sich jahrelang darauf vorbereiten können. Den Zusammenbruch der DDR Ende 1989 hatte dagegen niemand vorausgesehen. In kürzester Zeit musste im Rahmen der Wiedervereinigung auch das Rundfunkwesen in den neuen Bundesländern umorganisiert werden. Das alte System, organisiert in einem Staatlichen Komitee für Rundfunk und einem für Fernsehen, war aufzulösen. Als erstes wurden am 1. Dezember 1989 die bisherigen Leiter entlassen.

Aber wie sollte es weitergehen? In den nächsten Monaten wurden zwei Ansätze verfolgt: Im neuen Ministerium für Medienpolitik der DDR wurde zum einen an einem Gesetz gearbeitet, das den Rundfunk in die Gesetzgebungszuständigkeit der neuen Länder überführen sollte. Da die Details jedoch umstritten waren, dauerte es bis zum 13. September 1990, bis das "Rundfunküberleitungsgesetz" von der im März gewählten Volkskammer verabschiedet werden konnte. Am 31. August war jedoch zum anderen bereits der Einigungsvertrag unterzeichnet worden. Sein dem Rundfunk gewidmeter Artikel 36 schrieb die Rahmenbedingungen fest, unter denen sich die weitere Entwicklung zu vollziehen hatte. "Rundfunk der DDR" und "Deutscher Fernsehfunk" waren in eine "gemeinschaftliche staatsunabhängige rechtsfähige Einrichtung" zu überführen, die bis höchstens 31. Dezember 1991 tätig sein durfte. Die Regierungen der neuen Bundesländer hatten dafür zu sorgen, dass danach die Rundfunkversorgung in ihren Ländern sichergestellt war.

Als Leiter der "Einrichtung" wurden ein Rundfunkbeauftragter und ein 18-köpfiger Rundfunkbeirat eingesetzt. Eine Wahl des Rundfunkbeauftragten durch die Volkskammer kam nicht mehr zustande; er wurde auf Vorschlag des Bundeskanzlers durch Sprecher der neuen Länder gewählt. Die Entscheidung fiel auf Rudolf Mühlfenzl, den Präsidenten der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien und früheren Chefredakteur des Bayerischen Rundfunks. Mühlfenzl hatte nicht nur für die Fortführung des Betriebs, sondern gleichzeitig auch für eine drastische Reduzierung des Personals zu sorgen.

Parallel dazu mussten die Grundlagen für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den neuen Bundesländern geschaffen werden. Die damals formulierten Extrempositionen, entweder eine Fünf-Länder-Anstalt mit dem Namen "Ostdeutscher Rundfunk" zu gründen oder alle neuen Länder in bestehende ARD-Anstalten aufzunehmen, wurden nicht ernsthaft diskutiert. Am Ende entschied sich nur Mecklenburg-Vorpommern dafür, als viertes Land dem NDR beizutreten. Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen gründeten den Mitteldeutschen Rundfunk als Drei-Länder-Anstalt. Der Potsdamer Landtag votierte zunächst für eine eigene Anstalt, den Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg (ORB). Die Fusion der beiden Länder Berlin und Brandenburg scheiterte zwar 1996, nicht aber die ihrer beiden Rundfunkanstalten. Am 1. Mai 2003 trat der RBB, der Rundfunk Berlin-Brandenburg, an die Stelle von SFB und ORB.

Doch nicht nur auf der Landesebene waren neue Rundfunkstrukturen zu schaffen. Offen war auch, was mit dem westdeutschen Deutschlandfunk und dem ostdeutschen Deutschlandsender geschehen sollte. Und außerdem war da ja auch noch ein Überrest des Kalten Krieges, der RIAS, der "Rundfunk im amerikanischen Sektor", der von West-Berlin aus sendete. Aus allen drei Sendern wurde 1993 das neue "Deutschland Radio" geformt, allerdings weiterhin zweigeteilt in Deutschlandradio Berlin (heute: Deutschlandfunk Kultur) und Deutschlandfunk Köln.

Herausforderung Internet

Die rasante Entwicklung des Internets in den vergangenen drei Jahrzehnten setzt nicht nur die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, sondern auch die kommerziellen Fernseh- und Hörfunkanbieter unter enormen Druck. Immer leistungsfähigere Mobilfunknetze und die zunehmende Ersetzung veralteter Kupfer- durch moderne Glasfaserkabel ermöglichen immer mehr und immer bessere Bild- und Tonübertragungen auf alle möglichen Endgeräte. Der traditionelle Rundfunk mit seinen Informations- und Unterhaltungsangeboten zu genau festgelegten Sendezeiten gerät dadurch in zwei Kernbereichen in die Defensive. Wer einfach nur unterhalten werden will, kann im Video- wie Audiobereich auf etliche Streamingdienste zurückgreifen, die zu jeder beliebigen Zeit bereitstellen, was sie zu bieten haben.

Der Erfolg von Youtube, Netflix, Amazon Prime Video, aber auch Spotify und anderen blieb selbstverständlich weder den öffentlich-rechtlichen noch den privaten Programmanbietern verborgen, sodass sie mit vergleichbaren Angeboten aufzuwarten begannen. Vor allem die Mediatheken von ARD und ZDF erfreuen sich dabei beträchtlicher Beliebtheit – nicht unbedingt bei den regelmäßig-täglichen Nutzerinnen und Nutzern, aber bei jenen, die seltener, aber wohl gezielter zugreifen. Da können sie mit den großen Konkurrenten durchaus mithalten, wie jüngste Erhebungen zeigen.

Die Befriedigung von Unterhaltungsbedürfnissen allein rechtfertigt jedoch nicht die komplexe Konstruktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Seine eigentliche Domäne ist die seriöse Information in allen relevanten Bereichen, in Politik, Wirtschaft und Kultur, aber auch in Sport und Unterhaltung. Im direkten Vergleich zwischen seinen diesbezüglichen Angeboten und denen der traditionellen privaten Konkurrenz in Fernsehen und Hörfunk ist seine besondere Leistungsfähigkeit bis heute anerkannt. Doch auch hier sorgt das Internet für erhebliche Neuerungen. Zum einen nutzen journalistische Profis aus Tages- und Wochenpresse das Medium Internet, um ihre früheren Aktualitätsrückstände auszugleichen. Immer häufiger sind sie mit eigenen aktuellen Onlinediensten präsent – wenn auch zunehmend kostenpflichtig, weil wahrscheinlich nur so die wachsenden Einnahmeausfälle im Printbereich ausgeglichen werden können. Zum anderen ist es jedoch auch das immer mehr genutzte nichtprofessionelle Angebot an Informationen auf allen möglichen Social-Media-Kanälen, das alle Professionellen nicht nur irritiert, sondern zunehmend herausfordert. Vor diesem Hintergrund wird die gesellschaftliche Rolle des traditionellen Rundfunks – nicht nur in seiner öffentlich-rechtlichen Form – zunehmend hinterfragt.

Ausblick: Bedeutung und Grenzen des öffentlich-rechtlichen Auftrags

Die Gestaltung von Radio- und Fernsehprogrammen als öffentlichen Dienst zu organisieren, ist ein Ansatz, der sich in Deutschland seit 75 Jahren bewährt hat. Und nimmt man das Vorbild der am 1. Januar 1927 eingerichteten BBC hinzu, sind es fast einhundert Jahre. In seinem Zentrum steht eine möglichst verzerrungsfreie, um nicht zu sagen: objektive Nachrichten- und Informationsvermittlung. Kommerzielle und politische Interessen sollen so weit wie möglich ausgeschaltet werden. Gesichert wird dies vor allem durch eine allgemeine Gebühren- (heute: Beitrags-)Finanzierung, die Werbeeinnahmen nur eine Nebenrolle spielen lässt, sowie ein komplex organisiertes System der Programmgestaltungsverantwortlichkeit.

Wie in allen übrigen Lebensbereichen, in denen öffentliche Dienste zur Verfügung gestellt wurden oder noch immer zur Verfügung stehen, entbrannte auch beim Rundfunk die Diskussion darüber, ob damit ein Monopol verbunden sein muss, wenn Alternativen immer praktikabler werden. Als sich die Möglichkeiten der Programmausstrahlung deutlich erweiterten, wurde das Monopol der öffentlich-rechtlichen Anstalten durch ein duales System abgelöst. Durch das Internet wurde die frühe Vielfalt noch einmal deutlich vergrößert. Heute kann die Frage daher nur sein, wie weit der öffentlich-rechtliche Rundfunk noch zu schützen ist.

Die Antwort muss sorgfältig abgewogen werden. Das im Laufe der Jahrzehnte entstandene komplexe Geflecht öffentlich-rechtlicher Anstalten und ihrer zahlreichen, zum Teil hoch spezialisierten Angebote ist nur schwer zu entwirren und zu reduzieren. Der Anspruch auf Besitzstandswahrung hat hier – wie fast überall – bedeutendes Gewicht, nicht zuletzt angesichts mittlerweile vorhandener enormer materieller Werte. Gleichwohl sollte nicht vergessen werden, in welchem Maße die Voraussetzungen früherer Entscheidungen mittlerweile entfallen sind. Um nur an das zentrale Beispiel zu erinnern: Als das "Deutsche Fernsehen" von allen ARD-Anstalten gegründet werden musste, war an ein Regionalfernsehen nicht zu denken. Heute sind alle früheren, zeitlich damals recht begrenzten Dritten Programme grundsätzlich nicht nur bundesweit, sondern auch rund um die Uhr zu empfangen. Mit ihren umfassenden, nicht nur auf Information beschränkten Angeboten dürften sie die verfassungsrichterlich beschworene Pflicht zur "Grundversorgung" mehr als hinreichend erfüllen. Vor diesem Hintergrund sind, wenn man die "Dritten" in ihren Reichweiten und Ansprüchen nicht zurückfahren möchte, nicht nur "Das Erste", sondern auch das ZDF eigentlich kaum noch zu rechtfertigen. Für 3sat, Arte, Phoenix und Kika sowie die nur digitalen Angebote von ARD und ZDF gilt Ähnliches.

Durch die damit verbundenen Kosten steht das Fernsehen naheliegenderweise im Mittelpunkt der Diskussion. Letztlich sind die Verhältnisse im Radio aber nicht grundsätzlich anders. Auch hier sollte das öffentlich-rechtlich organisierte Angebot weiterhin seinen festen Platz haben. Sein Umfang sollte jedoch deutlich beschnitten und auf seine Kernbereiche begrenzt werden. Nur so ist letztlich die Beitragspflicht aller Haushalte zu rechtfertigen, also auch derer, die längst grundsätzlich nur noch private Angebote nutzen und davon höchstens bei besonderen Anlässen abweichen.

ist Medienhistoriker. Er lehrte als apl. Professor am Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte der Universität Mannheim.
E-Mail Link: konrad.dussel@t-online.de