Facetten der Unsicherheit
Nigerias Herausforderungen auf dem Weg zum Frieden
Aderemi Suleiman Ajala Nina Müller
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Im Oktober 2020 kam das öffentliche Leben in Lagos, der größten und wirtschaftlich bedeutendsten Stadt Nigerias, praktisch zum Erliegen. Das lag nicht in erster Linie an der Corona-Pandemie – tatsächlich hatte diese im Vergleich zu anderen Teilen der Welt hier geringfügige Auswirkungen –, sondern vor allem am Protest gegen Polizeigewalt, der seinen vorläufigen Höhepunkt fand, nachdem eine Spezialeinheit der Polizei einen unschuldigen Zivilisten getötet hatte. Die Demonstrantinnen und Demonstranten forderten, die "Special Anti-Robbery Squad" (SARS) aufzulösen. Die Antwort der Regierung erschöpfte sich in weiterer Gewalt. Wochenlang eskalierte die Lage. Die vor allem mithilfe Sozialer Medien dezentral durch Aktivistengruppen unter dem Hashtag #EndSARS organisierten Proteste weiteten sich rasch auf andere Teile des Landes aus und zeugten von der Unzufriedenheit insbesondere unter Jugendlichen, die energisch und nachdrücklich einen Wandel einforderten.
Verschiedenste Probleme prägen die aktuelle Situation des nigerianischen Staates und belasten seine Bürgerinnen und Bürger. So ist trotz massiver (Auslands-)Investitionen, beispielsweise in die öffentliche Verkehrsinfrastruktur – in Lagos wird aktuell etwa mit dem Lagos Light Rail ein neues Massentransportsystem gebaut –, die Stromversorgung landesweit immer noch unzureichend, was kleine und große Unternehmen ebenso in ihrer Entwicklung behindert wie die mangelnde Instandhaltung der Straßen. Zwar hat sich in Nigeria eine Startup-Szene in den Bereichen IT und Telekommunikation entwickelt, sodass das Land als lukrativer Markt gilt, und seit den 2010er Jahren verfügt eine wachsende Mittelschicht über eine hohe Kaufkraft. Doch das Bild der Straßen und Märkte in den Dörfern und Städten beherrschen Tagelöhner. Unterhalb der Armutsgrenze versuchen sie, ganze Familien zu ernähren. Kinderarbeit ist Teil des Alltags – ein Recht auf Bildung oder eine angemessene Fürsorge sind entfernte Visionen. Verbesserungen im Kleinen, auf einer ganz grundlegenden Ebene, die nicht so prestigeträchtig sind wie Infrastruktur-Großprojekte, fehlen ebenso wie Investitionen in den öffentlichen Dienst, in die Bildung, das Gesundheitswesen sowie in Sicherheit im weitesten Sinne.
Häufig heißt es in Nigeria, der Staat sei unsichtbar, wenn es darum gehe, grundlegende Infrastruktur bereitzustellen, etwa beim Wohnungsbau, oder zukunftsorientierte Investitionen zu tätigen. Das ist frustrierend für die Menschen im Land, und um das individuelle Überleben zu sichern, kommen unterschiedliche Strategien zum Einsatz. Die Dimensionen und Folgen von nicht-staatlichen Parallelstrukturen zum Justiz- oder Polizeisystem sind alltäglich sichtbar. Dadurch verschärfen sich der allgemeine Orientierungsverlust sowie die Probleme hinsichtlich der Gleichheit vor dem Gesetz und der Rechtsstaatlichkeit. Hinzu kommen weitere ungelöste Probleme wie Landkonflikte, die steigende Zahl an Entführungen und separatistische Bestrebungen in verschiedenen Regionen des Landes, dessen föderale Struktur ethnische Spannungen begünstigt, sowie ein unter verschiedenen Volksgruppen verbreitetes Gefühl, soziopolitisch marginalisiert zu sein. All dies führt zu weit verbreiteter Resignation in der nigerianischen Bevölkerung und die Regierung immer wieder an den Rand des Zusammenbruchs. Im Folgenden skizzieren wir einige dieser nigerianischen "Baustellen", die sich zu einem Bild der Unsicherheit in einem fragilen Staat zusammensetzen.
Fragiler Sicherheitsapparat
Die Beziehung zwischen Staat und Gesellschaft in Nigeria ist entscheidend geprägt von den tiefgreifenden Mängeln in der nationalen Sicherheitsordnung. Diese reichen von fehlender Ausstattung der Sicherheitskräfte bis hin zu deren zweifelhafter moralischer Orientierung, die sich unter anderem in willkürlicher Gewaltanwendung und Bestechlichkeit äußern kann, und begründen ein grundsätzliches Misstrauen zwischen den uniformierten Vertretern der Staatsgewalt und den Bürgerinnen und Bürgern.
Das staatliche Sicherheitspersonal hat einerseits enorm weit gefasste Zuständigkeiten, scheint aber im Lichte dysfunktionaler, von Vetternwirtschaft geprägter Strukturen mehrheitlich von den damit einhergehenden Anforderungen sowie von den durch die Bürgerinnen und Bürger geäußerten Bedürfnissen überfordert zu sein. Vor allem seit den späten 1970er Jahren, die rund um den ersten Versuch einer Rückkehr Nigerias zur Demokratie mit der Zweiten Republik von 1979 bis 1983 eine Reihe von Regimewechseln mit sich brachten, sind Polizeibeamte mit massiver Gewalt konfrontiert, die aus verschiedenen ethnischen und religiösen Konflikten sowie in jüngerer Vergangenheit aus neuen und vielfältigen kriminellen Aktivitäten hervorgeht.
Seit dem Ende der Militärherrschaft 1999 haben sich die demokratischen Regierungen auf teil- und zeitweise erfolgreiche Polizeireformen konzentriert, die Menschenrechtsverletzungen einschließlich der Folter von Verdächtigen, außergerichtliche Hinrichtungen sowie fehlenden Opferschutz adressierten. Doch Nigerias Sicherheitsapparat leidet bereits auf der technischen Ebene unter unzulänglicher Ausrüstung, mangelhafter Qualitätskontrolle und Transparenz bei Einstellungen und Beförderungen, verspäteten Gehaltszahlungen sowie schlecht funktionierenden internen und externen Kontrollinstanzen. Eine allgemeine Unterfinanzierung sowie die defizitäre infrastrukturelle Organisation der Polizei gelten als wesentliche Gründe für die fehlende Professionalität der Beamten oder ihre Beteiligung an Korruptionsfällen. Vor diesem Hintergrund und in Verbindung mit dem Machtmissbrauch der Polizei während der Militärherrschaft genießt die in die Zuständigkeit des Zentralstaats fallende Nigerian Police Force (NPF) wenig Vertrauen in der Bevölkerung.
Eine weitere Herausforderung liegt in der Struktur des Sicherheitsapparates und der Aufteilung von Kompetenzen zwischen der nationalen, regionalen und lokalen Ebene: Nach Auffassung einiger Beobachter sollte nicht die nationale Regierung, sondern sollten die Bundesstaaten für die Polizei zuständig sein, um verfassungsgemäß einen echten Föderalismus umzusetzen. Andere plädieren für eine vollständige Neubewertung und Umstrukturierung der Sicherheitsarchitektur hin zu einem Polizeisystem mit einer nationalen, regionalen und lokalen Ebene zugunsten einer adäquateren und schnelleren operativen Struktur, die es erlaubt, auf lokale Kriminalität auch lokal zu reagieren.
Statt sich solchen grundsätzlichen Fragen zu stellen, wurden – neben den Spezialkräften innerhalb der NPF – seit Mitte der 1980er Jahre immer mehr staatliche Sicherheitsinstitutionen und -gremien etabliert und je nach aktuellen Prioritäten gefördert oder vernachlässigt. Diese Strukturen, zuständig etwa für Straßenverkehrssicherheit oder Drogenbekämpfung, sollen eigentlich die Lücken füllen, die durch die Mängel bei der Polizei entstehen. Tatsächlich verkompliziert der föderale Staatsaufbau hier die Situation, und es stellen sich Fragen nach Verantwortung und Legalität. Die zunehmende Übernahme von Aufgaben der inneren Sicherheit durch die Armee, wie etwa der Kampf gegen die Terrorgruppe "Boko Haram" im Nordosten des Landes sowie gegen die Milizen im Nigerdelta, zeigen, dass die Institutionen nicht funktionieren. Insofern kann die Sicherheitsarchitektur in Nigeria als stark fragmentiert und vernetzt zugleich beschrieben werden. Die damit zusammenhängenden Probleme haben sich aufgrund der anhaltenden Ignoranz der Behörden zu verschiedenen Sicherheitskrisen ausgewachsen. All dies führt zu einer auf den verschiedenen Ebenen der Sicherheit hochgradig fragilen Situation.
Eskalierende Landkonflikte
Dass die nigerianische Regierung ihrer verfassungsmäßigen Verantwortung nicht gerecht wird, Leben und Eigentum der Bürgerinnen und Bürger zu schützen, zeigen beispielsweise die anhaltenden Konflikte zwischen sesshaften Landwirten und nomadischen Hirten. Lange hatten diese eine vergleichsweise niedrige Intensität – es kam zu vereinzelten Übergriffen, Aufrufen zu Gewalt und Zerstörungen von Feldern –, und in der Regel vermochten Polizei und Justizsystem des Zentralstaates sowie die traditionellen Führungspersönlichkeiten der betroffenen Gemeinschaften angemessen zu reagieren. Doch in den vergangenen Jahren kommt es immer häufiger zu schweren Gewalttaten wie Entführungen, Morden, der Tötung von Vieh und der Vertreibung von Hirten. Beispielsweise in der südwestlichen Region haben sich die Konflikte – hier zwischen den Volksgruppen der Fulani und Yoruba – zu einer schweren Sicherheitskrise entwickelt. Diese Zuspitzung hat eine lange Vorgeschichte, in der unterschiedliche Herangehensweisen an die existenzsichernde Funktion von Grund und Boden für die Bauern- und die Hirtenökonomie eine ebenso wichtige Rolle spielen wie die strukturellen Defizite des Staates.
Die Yoruba sind die dominierende Volksgruppe im Südwesten Nigerias, der von tropischen Regenwäldern, großen Flüssen und dem Ozean geprägt ist. Sie betreiben überwiegend Landwirtschaft und bauen Süßkartoffeln, Maniok, Getreide und Hülsenfrüchte an sowie verschiedene Handelspflanzen wie Kakao, Kola- und Cashewnüsse. Land ist daher für sie unverzichtbares Produktionsmittel. Die Kontrolle über das Land lag lange bei den Gemeinden und die entsprechende Aufsicht bei den lokalen Führungspersönlichkeiten. Seit 1978 ist zwar gesetzlich festgelegt, dass der Staat den Zugang zu Land regelt, im Südwesten Nigerias sind die lokalen Gemeinschaften aber nach wie vor Eigentümer einzelner Landstriche und entscheiden über deren Nutzung.
Die Fulani hingegen sind ein nomadisches Hirtenvolk. Sie stammen aus der historischen Region Senegambia an der afrikanischen Westküste und leben heute als eine der größten Bevölkerungsgruppen Westafrikas in der Region verstreut – und in den meisten Staaten als Minderheit. Vor rund 200 Jahren kamen sie in das Gebiet des heutigen Nigeria, wo ihnen in einigen Städten Land von den Yoruba zugewiesen wurde. Jedoch konkurrieren seither die Vorstellungen von Landeigentum der Yoruba mit dem traditionellen Nomadentum der Fulani.
In den vergangenen Jahrzehnten haben das rasante Bevölkerungswachstum und die Verstädterung diese Konkurrenz um Land im Südwesten Nigerias verschärft. So kommt es unvermeidlich zu wechselseitigen Animositäten und Spannungen, wenn etwa Fulani ihre Herden in Yoruba-Gemeinden offen grasen lassen und so die Lebensgrundlage der dort lebenden Menschen zerstören. Mit dem Vordringen der Fulani-Hirten ins südliche Hinterland haben sich die Feindseligkeiten auf den gesamten Süden des Landes ausgeweitet.
Der Konflikt zwischen den beiden Gruppen hat auch eine ethnische und religiöse Dimension. So befürchten die Yoruba, dass die Fulani den Islam in der Region weiter verbreiten wollen. Seit der Wahl des aus der Volksgruppe der Fulani stammenden Muhammadu Buhari zum Staatspräsidenten 2015 vermuten die Yoruba hinter vielen Programmen und Maßnahmen der Regierung eine ethnopolitische Motivation. So wurde die Initiative der Regierung, nomadische Hirten durch die Schaffung sogenannter cattle colonies sesshaft zu machen, von den Yoruba als Versuch interpretiert, sich ihr Land anzueignen, um es den Fulani zu überlassen. Den Fulani-Hirten wurden zudem Straftaten vorgeworfen, etwa Entführungen, Überfälle, Morde und Vergewaltigungen. Während das staatliche Sicherheitssystem nicht in der Lage war, die Eskalation unter Kontrolle zu bringen, zeigte sich die nationale Regierung gleichgültig gegenüber den Anschuldigungen gegen die Fulani im Südwesten – in der Region ist die allgemein akzeptierte und populäre Erklärung dafür der Nepotismus des Präsidenten.
Im Laufe der Jahre hat Nigerias politisches Führungspersonal die Tendenz gezeigt, seine jeweilige Volksgruppe mit Blick auf die Wirkung politischer Maßnahmen und Programme zu bevorzugen beziehungsweise ihr gegenüber Nachsicht walten zu lassen. Das äußert sich auch darin, dass Mitglieder der eigenen Volksgruppe in politische Schlüsselpositionen gebracht werden. Daher wird in Nigeria jegliches Regierungshandeln durch eine ethnische Brille betrachtet. Für den Staat ist das wiederum gefährlich, denn unter dem Eindruck von Marginalisierung beziehungsweise des Anprangerns von Privilegien speist sich ethnischer Nationalismus, der insbesondere in einem vielfach als strukturell defizitär wahrgenommenen Staat wie Nigeria die nationale Integration und das Nationalbewusstsein untergräbt, bis hin zu sezessionistischen Bestrebungen.
Abwendung vom Staat
In der Tat hat sich der ethnische Nationalismus in Nigeria zunehmend radikalisiert und militarisiert. Unterschiedliche regional dominierende Volksgruppen wie die Yoruba im Südwesten, die Igbo im Südosten und die Tivs in der Mitte des Landes legen ihre nationalistische Agenda mit großem Eifer neu auf. Charakteristisch ist hierbei das Wachstum ethnonationalistischer Organisationen. Dazu gehören beispielsweise der O’odua People’s Congress (OPC) der Yoruba oder das Movement for the Actualization of the Sovereign State of Biafra (MASSOB) und die Indigenous People of Biafra (IPOB) der Igbo, die eine politische Abspaltung ihrer jeweiligen ethnischen Gruppe vom Zentralstaat anstreben.
Insbesondere unter den Igbo, die sich 1967 mit der Ausrufung der Republik Biafra unabhängig erklärten, was den drei Jahre währenden Nigerianischen Bürgerkrieg nach sich zog, sind die Rufe nach einer Sezession seit 2015 wieder lauter geworden. Wenige Monate nach der Amtsübernahme Buharis als Staatspräsident führte die Festnahme des IPOB-Anführers und Leiters von Radio Biafra, Nnamdi Kanu, im Bundesstaat Anambra zu Demonstrationen und Ausschreitungen, woraufhin die Regierung Truppen entsandte und viele Menschen verletzt und getötet wurden. Im Lichte des auch in der Folge brutalen Vorgehens des Staates gegen probiafranische Äußerungen hat die Zahl der Angriffe auf staatliche Sicherheitskräfte in den vergangenen Jahren zugenommen. Erst im April 2021 griffen mutmaßlich bewaffnete IPOB-Angehörige ein Gefängnis in Owerri im Bundesstaat Imo an und ermöglichten durch diesen von der Regierung als terroristisch eingestuften Akt fast 2000 Gefangenen den Ausbruch. Bis auf einige Amnestieangebote hat die Regierung keine langfristige Strategie für die Befriedung der Region oder die Verbesserung der Lebensbedingungen vorgelegt. Ihr wenig kreativer Ansatz im Umgang mit den von Biafra inspirierten separatistischen Bewegungen fand jüngst in der Kriminalisierung der Nutzung von Twitter seinen Höhepunkt.
Aufgrund des Kontrollverlusts staatlicher Institutionen sind immer mehr nebenstaatliche und informelle Initiativen zur Selbstverteidigung entstanden, die den ohnehin schwachen staatlichen Sicherheitsapparat weiter unterminieren. So gründeten die Yoruba im Südwesten etwa private regionale Sicherheitsorganisationen, die Angriffe gegen die Fulani-Hirten in den südwestlichen Wäldern koordinierten, und im zentral gelegenen Bundesstaat Benue ermutigte die Regionalregierung Einzelpersonen, Schusswaffen zur Selbstverteidigung mit sich zu führen, obgleich die Bundesregierung die private Verwendung von Feuerwaffen verboten hat. In den 1990er und 2000er Jahren hat insbesondere die Anzahl informeller Bürgerwehren, sogenannter vigilantes, zugenommen, zu denen teilweise militarisierte Gruppen wie die Bakassi Boys zählen, die als instabile Organisationen schwer einzuordnen sind, aber als Ausdruck lokal verwurzelter paralleler Sicherheits- und Justizsysteme gewertet werden können. Aufgrund ihres informellen Status beschreiben sie sich selbst und gelten sie gemeinhin als unkorrumpierbar.
Solche Gruppen sind wesentlicher Bestandteil des Sicherheitssystems für Wohnviertel. Zum Teil leben ihre Mitglieder nicht in den Gegenden, die sie bewachen, andere sind vor Ort ansässig (local vigilante oder night guard). Oftmals haben sie eine persönliche Verbindung zu dem Wohnviertel und verkörpern so das genaue Gegenbild zum typischen Polizeibeamten, von dem häufig angenommen wird, er handle eigennützig und habe kein Interesse daran, seine eigentliche Aufgabe zu erfüllen. Der Umgang der vigilantes mit Verdächtigen ist zwar nicht legal, aber in seiner Unmittelbarkeit und Effektivität überaus akzeptiert – zumindest im Vergleich zu den frustrierenden alltäglichen Erfahrungen der Menschen mit der Polizei.
Kein Ende?
Seit der Demokratisierung des Landes 1999 hat die Unsicherheit in Nigeria in dem Maße zugenommen, wie die Regierung an Fähigkeit einbüßte, die Unversehrtheit menschlichen Lebens und Eigentums sowie die Freizügigkeit zwischen den Regionen zu garantieren, und mit der aktuellen, hoch aufgeladenen Atmosphäre in Nigeria scheint ein weiterer Höhepunkt erreicht. Für die meisten Bürgerinnen und Bürger schafft der Staat keine menschenwürdigen Bedingungen für ein friedliches Leben jenseits eines alltäglichen Überlebenskampfes, und in dem permanenten Chaos brechen viele mit dem Nationalstaat und nimmt der zivile Ungehorsam stetig zu.
Zugleich erfordern transnationale Konflikte wie der Ressourcenkonflikt im ölreichen und mittlerweile verseuchten Nigerdelta, wo Ölfirmen mit Aktivisten streiten, die für eine Beteiligung an den Öleinnahmen und -gewinnen eintreten, und in der nordöstlichen Grenzregion, wo die islamistische Terrororganisation "Boko Haram" wütet, die unter anderem Schulkinder entführt und ihre Geiseln tötet, wenn das für ihre Freilassung geforderte Lösegeld nicht sofort bezahlt werden kann, ein ebenso grundlegendes wie weitreichendes Eingreifen des Staates wie die Konflikte zwischen Bauern und Hirten auf lokaler Ebene. Die durch die Krisenherde ausgelöste Binnenmigration hat Auswirkungen auf das gesamte Land und birgt vor dem Hintergrund der Folgen des Klimawandels und des allgemeinen Bevölkerungswachstums weiteres Konfliktpotenzial.
Übersetzung aus dem Englischen: Jan Fredriksson, Senden.
ist Professor für Anthropologie und Entwicklung an der University of Ibadan, Nigeria. Von 2015 bis 2018 war er Sonderberater des nigerianischen Parlaments. E-Mail Link: asajala@yahoo.co.uk
ist promovierte Ethnologin mit den Schwerpunkten Sicherheitsarchitektur und -akteure in Nigeria und Bürger-Polizei-Interaktionen in Deutschland. E-Mail Link: mue.nina@gmail.com
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