Die Nato wurde 1949 gegründet, um den Frieden in Europa zu sichern und der ideologischen, wirtschaftlichen und territorialen Expansion der Sowjetunion entgegenzuwirken. Sie verstand sich als kollektives Verteidigungsbündnis im Kalten Krieg, mit dem man die Sicherheit ihrer Mitglieder gewährleisten und sie vor Bedrohungen schützen wollte, die in ihrer Wahrnehmung in erster Linie von der UdSSR und den Mitgliedern des Warschauer Pakts ausgingen.
In der Vergangenheit war die Allianz bei verschiedenen Einsätzen außerhalb des Bündnisgebiets aktiv, von denen sich einige mit regionalen Friedensmissionen und friedensfördernden Operationen deckten.
Ungeachtet der zahlreichen internationalen Operationen der Nato fallen die Meinungen über ihren derzeitigen Zweck und ihre Grenzen sehr unterschiedlich aus. Vor allem die Bedeutung der Allianz in einem sich wandelnden globalen Umfeld birgt Diskussionsstoff. Anders als früher, als die Daseinsberechtigung von Bündnissen durch die politisch-militärische Logik des Kalten Kriegs vorgegeben war, neigen Staaten heute zum unilateralen Handeln. Man fragt sich also, ob die Nato in einem globalen Umfeld funktionieren kann, in dem Anarchie die Norm ist. Außerdem steht zur Debatte, ob sie mit dem Ansatz, Sicherheitsbedrohungen außerhalb des eigenen Bündnisgebiets zu begegnen, die von Mitgliedern anderer Bündnisse oder kriegführenden Staaten ausgehen, bestehen wird. Dass die Allianz mit ihrer regionalen Ausrichtung auf Europa und Nordamerika zur Förderung des Friedens und der Sicherheit auf dem afrikanischen Kontinent beitragen kann, wird ebenfalls angezweifelt.
Tradition der Blockfreiheit und geopolitische Verortung Afrikas
Die Prinzipien der "Guten Nachbarschaft" (bon voisinage) bilden die ethische Grundlage für die Interaktion von Staaten in einem komplexen Sicherheitssystem.
Im Allgemeinen praktizieren Staaten, regionale und internationale Organisationen das Prinzip der Anerkennung,
Blickt man auf Afrika südlich der Sahara, ist die Zuordnung von Ländern zur SSA-Region oft durch nicht-afrikanische Akteure erfolgt und gilt etwa als Grundlage für Interventionen multilateraler Institutionen wie der Europäischen Union (EU) oder einzelner Staaten. Die SSA-Region, aber auch Afrika als Kontinent insgesamt, erfahren dabei unterschiedliche Zuschreibungsmuster,
Afrikanische Friedens- und Sicherheitsarchitektur
Mit dem Ende der Apartheid in Südafrika hatte die OAU 1994 ein bedeutendes Gründungsziel erreicht. Nach der Umwandlung der OAU in die AU wurde in ihrem Mandat und in ihren Zielen die Notwendigkeit gesehen, verschiedene Kooperationsbereiche zu erweitern. Mit der Einrichtung der "African Peace and Security Architecture" (APSA) der AU, wurde die Aufmerksamkeit auf regionale Initiativen für Frieden und Sicherheit in der Region gelenkt.
Die APSA stützt sich auf fünf Säulen: den Friedens- und Sicherheitsrat der AU, den Rat der Weisen, das kontinentale Frühwarnsystem, die afrikanische Bereitschaftstruppe und den Friedensfonds. Darüber hinaus arbeitet die AU bei der Bewältigung von Konflikten auf regionaler Ebene mit den Regionalen Wirtschaftsgemeinschaften (Regional Economic Communities, RECs) und den Regionalen Mechanismen (RM) zusammen, zum Beispiel mit der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC), der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS), der Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika (SADC) oder der Zwischenstaatlichen Entwicklungsbehörde (IGAD). Für politische Fragen verfügt die AU über das Panafrikanische Parlament, das mit nichtstaatlichen Akteuren oder zivilgesellschaftlichen Organisationen zusammenarbeitet, um Frieden und Sicherheit zu fördern.
Nach dem Ende des Kalten Kriegs begann Afrika ebenso wie andere Regionen des internationalen Systems, sich auf neue Sicherheitsbedrohungen einzustellen. Insbesondere für SSA lassen sich hier politische Instabilität und Binnenkonflikte nennen. In einigen Fällen hatte die politische Instabilität zu wachsenden subregionalen und inneren Konflikten geführt, vorangetrieben von bewaffneten Gruppen, die nach politischer Anerkennung strebten und Druck auf die amtierenden Regierungen ausübten, um an der Verteilung der meist knappen Ressourcen beteiligt zu werden. In dieser Gemengelage fand der Ruf "Afrikanische Lösungen für afrikanische Probleme" in SSA breite Zustimmung.
Blickt man auf die Region in dieser Zeit, ist der Begriff der "Sicherheitsdilemmata" des Politikwissenschaftlers Mohammed Ayoob und seine Beschreibung der Sicherheitslage als eine Situation, in der Bedrohungen eher von innen als von außen kommen, zutreffend.
In Fällen, in denen der Frieden nicht gewahrt werden konnte, leiteten die AU oder die RECs friedensunterstützende Maßnahmen ein und weiteten gleichzeitig ihr Mandat auf Friedenskonsolidierung aus. Zu den erwähnenswerten AU-Missionen gehören die Mission in Somalia (AMISOM), in Burundi (AMIB) und im Südsudan (AMISS). Die AU nahm auch ihr Mandat zur Förderung von Demokratiemaßnahmen wahr, insbesondere in Ländern, in denen es zu Staatsstreichen kam, von Gabun und Niger bis zum Sudan und Guinea.
Seit der Eskalation regionaler Konflikte in Afrika in den 1990er Jahren wurde immer wieder über Mittel und Wege diskutiert, diese Konflikte zu verhindern und zu bewältigen, die oft auch auf den ganzen Staat oder die Nachbarländer übergriffen. Dabei erwiesen sich die subregionalen Organisationen in Hinblick auf Konfliktbewältigung in dieser Zeit oft als unfähig. Das hat sich mittlerweile geändert. Fast alle diese Organisationen sind zugleich RECs und haben sich im Laufe der Zeit dahingehend entwickelt, dass sie über Kapazitäten verfügen, um bewaffnete Konflikte beizulegen, einen drohenden Konflikt zu unterbinden oder die Eskalation eines laufenden Konflikts zu verhindern. Entsprechend sehen sich auch heute die Staaten in den Subregionen zunehmend veranlasst, im Sicherheitsbereich zusammenzuarbeiten. Diese Notwendigkeit wird zusätzlich durch den Wunsch der verschiedenen regionalen Akteure befördert, Konflikte zu lösen und eine Atmosphäre des Friedens und der Stabilität zu schaffen, um die wirtschaftliche Entwicklung nicht zu gefährden. Diese Mechanismen sind außerdem so konzipiert, dass Staaten ebenso wie subregionale, regionale und überregionale Organisationen gezielt reagieren können. Eines der Hauptorgane der AU ist beispielsweise der Friedens- und Sicherheitsrat (Peace and Security Council, PSC). Der PSC wird als "kollektives Sicherheits- und Frühwarnarrangement" bezeichnet, das eine "effiziente Reaktion auf Konflikte und Krisen" ermöglichen soll.
sicherheitspolitische Rolle der Nato in Afrika
Nato und AU als Partner
Die früheren Millenniums-Entwicklungsziele der Vereinten Nationen (Millennium Development Goals, MDGs) beziehungsweise die aktuellen Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs)
2020 definierten die Nato und die AU verschiedene Felder der Zusammenarbeit, darunter Ausbildung und Unterstützung, strukturelle Hilfe und operative Unterstützung in Bereichen, die die AU als vorrangig eingestuft hat.
Multilaterales Engagement
Die Nato ist ein Bündnis, das dem gemeinsamen Schutz seiner Mitglieder dient und damit einhergehend das Ziel weltweiter politischer Sicherheit und Stabilität verfolgt. Die Förderung von Frieden und Sicherheit mit militärischen Mitteln ist nach den Erfahrungen der beiden Weltkriege ein Eckpfeiler für die euro-atlantische Stabilität geworden. Im Gegensatz dazu bestand für die afrikanischen Länder keine unmittelbare Notwendigkeit, Bündnisse zu schließen. Der Vorläufer der AU, die OAU, vertrat die Grundsätze der friedlichen Beilegung von Konflikten und der Nichteinmischung in die Innenpolitik von Staaten sowie die Achtung der Grenzen beziehungsweise der territorialen Unverletzlichkeit.
Die AU erhält weiterhin bilaterale Unterstützung durch ihre Verbündeten, von denen einige Nato-Mitglieder sind, zum Beispiel Frankreich, den USA und dem Vereinigten Königreich. Zu dieser bilateralen Unterstützung kommt die multilaterale Unterstützung durch die Allianz selbst hinzu. So leistete die Nato beispielsweise 2005 finanzielle und logistische Unterstützung für die Mission der AU im Sudan (AMIS) sowie 2007 für die Mission in Somalia (AMISOM) und später für die AU-Übergangsregierung in Somalia 2022. Luft- und Seetransport sind nicht nur für die Nato von strategischer Bedeutung, sondern auch für die anhaltenden Bemühungen der AU, die selbstgesteckten Ziele und Zeitvorgaben zu erreichen.
Zur Unterstützung der AU bietet die Nato die Teilnahme an Lehrgängen ihres Schulungs- und Ausbildungszentrums in Oberammergau und ihrer Militärakademie in Rom an. Obwohl es in Afrika eine Reihe von militärischen Ausbildungszentren, Militärschulen und nationalen Militärakademien gibt, bieten die Nato-Einrichtungen den Mitgliedstaaten der AU die Möglichkeit, gemeinsame Schwerpunkte bei der Ausbildung zu ermitteln. Zudem erhalten die AU-Mitgliedstaaten Einblicke in alternative Perspektiven zu Sicherheitsfragen. Aufgrund der unterschiedlichen Bedingungen in Afrika gibt es spezielle Kurse für die REC, die bei der Förderung von Frieden und Sicherheit auf regionaler Ebene eine bedeutende Rolle spielen. Gerade auf dieser Ebene sind regionale Wirtschaftsgemeinschaften wie ECOWAS, SADC oder EAC in der Lage, spezifische Sicherheitsbedrohungen zu erkennen, zu bewerten und auf sie zu reagieren. Eine erfolgreiche Bewältigung neuer Konflikte ist nur möglich, wenn die REC und die AU entsprechend darauf vorbereitet sind.
Um dem Aufbau von neuen Kapazitäten Priorität einzuräumen, arbeiten die AU und die Nato weiterhin in verschiedenen Bereichen zusammen, die für eine Friedenssicherung von entscheidender Bedeutung sind. So fördert die Nato beispielsweise den Wissensaustausch in Bereichen wie dem maritimen Sektor, dem Informations- und Technologiesektor, dem Finanzsektor und dem Planungsmanagement, einschließlich Logistik und Personal.
Politische Wahrnehmung
Wenn sich die Nato mit aktuellen sicherheitspolitischen Gemengelagen auseinandersetzt, muss sie auch die spezifischen Herausforderungen auf dem afrikanischen Kontinent berücksichtigen. Das bilaterale Engagement von Staaten wie China, Russland und Indien bietet afrikanischen Ländern die Möglichkeit, militärische Ausrüstung zu erwerben und gemeinsame Übungen durchzuführen, sowie die Aussicht auf kontinuierliche Unterstützung. Die Zusammenarbeit der SSA-Region mit Verbündeten wie Russland und China könnte sich nachteilig auf die bilaterale und multilaterale Zusammenarbeit mit der Nato und ihren Mitgliedern auswirken. Da die Nato Russland und China als potenzielle Bedrohung ihrer Interessen vor Ort ansieht, haben deren wachsende Präsenz und zunehmender Einfluss in der Region die Dynamik an der politischen Front verändert. Zugleich werden jährliche Gipfeltreffen mit Russland und China von den Staaten der SSA-Region begrüßt, da sich beide nicht in die Innenpolitik einmischen. In Afrika nimmt man Russland und China als Staaten wahr, die in der Lage sind, sich in wichtigen Fragen zu engagieren und gleichzeitig den gegenseitigen Respekt auf politischer Ebene zu wahren. Obwohl die AU ihrer Verbindung zur Nato in vielen Bereichen – einschließlich der Demokratieförderung – Priorität einräumt, arbeitet sie in anderen Feldern mit Russland und China zusammen.
Die AU vertritt die Position, dass bei der Bewältigung von Streitigkeiten und Konflikten grundsätzlich friedensorientierte Methoden eingesetzt werden sollten. Die Anwendung von Gewalt, sofern nicht provoziert, wird dagegen als letztmögliches Mittel und als Angriff auf die territoriale Integrität und Souveränität eines Landes betrachtet. Vor diesem Hintergrund war aus Sicht der AU der Internationale Militäreinsatz in Libyen 2011 und die damit verbundene Nato-Operation "Unified Protector" problematisch. Da es sich bei Libyen um einen AU-Mitgliedstaat handelte, hätte man es bevorzugt, wenn anstelle der militärischen Intervention ausländischer Streitkräfte, in diesem Fall von Nato-Staaten geführt, das Rahmenwerk der AU für Frieden und Sicherheit zur Anwendung gekommen wäre. Entsprechend argumentierten AU und die SSA-Staaten, dass die Intervention nicht gerechtfertigt gewesen sei und unerwünschte Konsequenzen nach sich gezogen habe.
Reformvorhaben
Derzeit ist unter den SSA-Staaten eine verstärkte Bekräftigung von Reformvorhaben zu beobachten, die auch die Intensität und den Umfang der Beziehungen zwischen SSA und Nato und ihren Mitgliedern bestimmen dürfte. AU-Initiativen wie etwa die "Agenda 2063" oder "Silencing the Guns 2020" sollen einen Fahrplan für die weitere Entwicklung und mehr Sicherheit auf dem afrikanischen Kontinent bieten.
Die SSA-Staaten und der afrikanische Kontinent insgesamt sind auf panafrikanische Werte und Strategien ausgerichtet.
Neben dem Aufbau von Kapazitäten und logistischer Unterstützung kann die SSA-Region auch etwas über die komplizierte Lastenverteilung
Schließlich herrscht in den SSA-Staaten der Eindruck vor, dass die Nato bestrebt sei, ihren Einfluss im südlichen Afrika auszubauen, um der offensichtlichen Anziehungskraft Chinas, Russlands und Indiens entgegenzuwirken. In der von den SSA-Staaten angestrebten neuen internationalen Ordnung ist Afrika nicht untätiger Partner, der Unterstützung und Führung von außen benötigt, sondern man versteht sich als selbstbestimmter Akteur mit gemeinsamen Interessen. Expansionismus, ob er nun vom Osten, Westen, Norden oder Süden ausgeht, steht daher im Widerspruch zu den derzeitigen afrikanischen Vorstellungen.
Aus dem Englischen von Heike Schlatterer, Pforzheim