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Zwischen Annäherung und Misstrauen | bpb.de

Zwischen Annäherung und Misstrauen Die Nato aus panafrikanischer Perspektive

Anita Kiamba

/ 16 Minuten zu lesen

Seit dem Ende des Kalten Kriegs haben sich die Sicherheitsherausforderungen auf dem afrikanischen Kontinent verändert. Die Wahrnehmung der Nato fällt gemischt aus. Zugleich bestehen verschiedene Ebenen der Zusammenarbeit, insbesondere mit der Afrikanischen Union.

Die Nato wurde 1949 gegründet, um den Frieden in Europa zu sichern und der ideologischen, wirtschaftlichen und territorialen Expansion der Sowjetunion entgegenzuwirken. Sie verstand sich als kollektives Verteidigungsbündnis im Kalten Krieg, mit dem man die Sicherheit ihrer Mitglieder gewährleisten und sie vor Bedrohungen schützen wollte, die in ihrer Wahrnehmung in erster Linie von der UdSSR und den Mitgliedern des Warschauer Pakts ausgingen. Während der Warschauer Pakt 1991 aufgelöst wurde, existiert die Nato bis heute fort und ist nicht nur innerhalb, sondern auch außerhalb Europas präsent. Der Kreis ihrer Mitglieder hat sich im Lauf der Zeit erweitert, sodass nun auch unter anderem Staaten aus dem ehemaligen sowjetischen Einflussbereich unter dem Dach der kollektiven Verteidigung Platz finden. Die wachsende Zahl der Nato-Mitglieder trägt aktuellen Entwicklungen Rechnung, die den Frieden und die Sicherheit in Europa und anderen Regionen bedrohen. Mit dem Prinzip des gegenseitigen Beistands trägt die Nato mittelbar auch zur regionalen und internationalen Stabilität bei.

In der Vergangenheit war die Allianz bei verschiedenen Einsätzen außerhalb des Bündnisgebiets aktiv, von denen sich einige mit regionalen Friedensmissionen und friedensfördernden Operationen deckten. So war die Nato in Afrika maßgeblich an der Unterstützung der Operationen der Afrikanischen Union am Horn von Afrika beteiligt. Infolge des Somalia-Konflikts und der Präsenz der Terrorgruppe Al Shabab, die von Somalia auf benachbarte und relativ friedliche Staaten wie Kenia übergreift, handelt es sich hier bis heute um eine der sicherheitspolitisch instabilsten Regionen auf dem Kontinent. Eine weitere Mission der Nato in der Region bestand beispielsweise in der Sicherung der Meerenge von Bab al-Mandab, die das Rote Meer mit dem Golf von Aden verbindet.

Ungeachtet der zahlreichen internationalen Operationen der Nato fallen die Meinungen über ihren derzeitigen Zweck und ihre Grenzen sehr unterschiedlich aus. Vor allem die Bedeutung der Allianz in einem sich wandelnden globalen Umfeld birgt Diskussionsstoff. Anders als früher, als die Daseinsberechtigung von Bündnissen durch die politisch-militärische Logik des Kalten Kriegs vorgegeben war, neigen Staaten heute zum unilateralen Handeln. Man fragt sich also, ob die Nato in einem globalen Umfeld funktionieren kann, in dem Anarchie die Norm ist. Außerdem steht zur Debatte, ob sie mit dem Ansatz, Sicherheitsbedrohungen außerhalb des eigenen Bündnisgebiets zu begegnen, die von Mitgliedern anderer Bündnisse oder kriegführenden Staaten ausgehen, bestehen wird. Dass die Allianz mit ihrer regionalen Ausrichtung auf Europa und Nordamerika zur Förderung des Friedens und der Sicherheit auf dem afrikanischen Kontinent beitragen kann, wird ebenfalls angezweifelt.

Tradition der Blockfreiheit und geopolitische Verortung Afrikas

Die Prinzipien der "Guten Nachbarschaft" (bon voisinage) bilden die ethische Grundlage für die Interaktion von Staaten in einem komplexen Sicherheitssystem. Darüber hinaus führte die Mitgliedschaft afrikanischer Staaten in der Bewegung der Blockfreien Staaten ("Non-Aligned Movement", NAM) nach der afro-asiatischen Konferenz von Bandung 1955 dazu, dass sich die Region während des Kalten Kriegs nicht eindeutig mit einer der beiden Supermächte verbündete. Überall in Afrika gab es Länder, die im Kontext der Dekolonisierung als sogenannte Ankerstaaten entweder mit den USA oder der Sowjetunion ein engeres Verhältnis pflegten. Sie wurden als "befreundete Nationen" wahrgenommen, das heißt, als Nationen, die mit der jeweiligen Supermacht und ihren Verbündeten zusammenarbeiteten und sie unterstützten. Auf diese Weise ließen sich die afrikanischen Staaten ideologisch, politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich als Unterstützer einer der beiden Parteien kennzeichnen. Im Gegenzug konnten sie beispielsweise über den Zugang zu europäischen Märkten verhandeln und erhielten militärische Unterstützung. Mit dem Ende des Kalten Kriegs lockerte sich auch die Bindung der afrikanischen Staaten an internationale Bündnisse. "Afrikanische Lösungen für afrikanische Probleme" wurde zum neuen Mantra. Dies ging einher mit umfangreichen organisatorischen und systemischen Reformen. Beispielsweise wurde die seit 1963 bestehende Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) 2002 zur Afrikanischen Union (AU) umgewandelt. Seit ihrer Gründung befasst sich diese Organisation mit bestehenden und neuen bewaffneten Konflikten in der Region und setzt sich für Frieden und Sicherheit ein, um ein für die regionale Entwicklung zuträgliches Umfeld zu schaffen.

Im Allgemeinen praktizieren Staaten, regionale und internationale Organisationen das Prinzip der Anerkennung, um ihre Bedeutung und Außenwahrnehmung zu festigen und die Ziele ihrer Außen- und Verteidigungspolitik aufeinander abzustimmen. Zu diesem Zweck werden Staaten auch bestimmten Regionen und Teilregionen zugeordnet. Von innen betrachtet bekräftigen Staaten ihre Zugehörigkeit zu einer Region meist aufgrund von geografischer Verortung, erstens durch Identifikation mit bestimmten kulturellen Merkmalen, zweitens durch die Mitgliedschaft in subregionalen oder regionalen Organisationen. In der Wahrnehmung externer Beobachter wird Afrika bekanntlich in Subsahara-Afrika (SSA) und den Maghreb (Nordafrika) unterteilt, der andere sozio-politische und sozio-kulturelle Merkmale als die SSA-Region aufweist. Dies ist nicht nur ein Beispiel für die Zuschreibung einer Subregion von außen, sondern auch für eine Region, die sich vom Rest Afrikas auch sicherheitspolitisch unterscheidet, obwohl sie geografisch in Afrika liegt und ihre Staaten Mitglieder der AU sind. Dieser Widerspruch wird auch in der Beteiligung an bilateralen oder multilateralen Initiativen und Engagements auf dem Kontinent erkennbar. Im Rahmen des Nato-Mittelmeerdialogs mit Partnerstaaten werden zum Beispiel Algerien, Ägypten, Mauretanien, Marokko und Tunesien berücksichtigt. Sie gelten für die Nato als Teil des Mittelmeerraums, liegen aber zugleich in Afrika.

Blickt man auf Afrika südlich der Sahara, ist die Zuordnung von Ländern zur SSA-Region oft durch nicht-afrikanische Akteure erfolgt und gilt etwa als Grundlage für Interventionen multilateraler Institutionen wie der Europäischen Union (EU) oder einzelner Staaten. Die SSA-Region, aber auch Afrika als Kontinent insgesamt, erfahren dabei unterschiedliche Zuschreibungsmuster, die von soziologischen, ethnokulturellen und sprachlichen bis hin zu ethnischen Merkmalen reichen. Manche von ihnen sind auch durch die koloniale Geschichte geprägt. So wurden beispielsweise politische Interventionsansätze in Bezug auf anglophone, frankophone und lusophone afrikanische Länder und deren sprachliche und politische Systeme formuliert; eine Kategorisierung, die früher von europäischen Nationen verwendet wurde, um ihr Engagement in Afrika zu definieren.

Afrikanische Friedens- und Sicherheitsarchitektur

Mit dem Ende der Apartheid in Südafrika hatte die OAU 1994 ein bedeutendes Gründungsziel erreicht. Nach der Umwandlung der OAU in die AU wurde in ihrem Mandat und in ihren Zielen die Notwendigkeit gesehen, verschiedene Kooperationsbereiche zu erweitern. Mit der Einrichtung der "African Peace and Security Architecture" (APSA) der AU, wurde die Aufmerksamkeit auf regionale Initiativen für Frieden und Sicherheit in der Region gelenkt.

Die APSA stützt sich auf fünf Säulen: den Friedens- und Sicherheitsrat der AU, den Rat der Weisen, das kontinentale Frühwarnsystem, die afrikanische Bereitschaftstruppe und den Friedensfonds. Darüber hinaus arbeitet die AU bei der Bewältigung von Konflikten auf regionaler Ebene mit den Regionalen Wirtschaftsgemeinschaften (Regional Economic Communities, RECs) und den Regionalen Mechanismen (RM) zusammen, zum Beispiel mit der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC), der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS), der Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika (SADC) oder der Zwischenstaatlichen Entwicklungsbehörde (IGAD). Für politische Fragen verfügt die AU über das Panafrikanische Parlament, das mit nichtstaatlichen Akteuren oder zivilgesellschaftlichen Organisationen zusammenarbeitet, um Frieden und Sicherheit zu fördern.

Nach dem Ende des Kalten Kriegs begann Afrika ebenso wie andere Regionen des internationalen Systems, sich auf neue Sicherheitsbedrohungen einzustellen. Insbesondere für SSA lassen sich hier politische Instabilität und Binnenkonflikte nennen. In einigen Fällen hatte die politische Instabilität zu wachsenden subregionalen und inneren Konflikten geführt, vorangetrieben von bewaffneten Gruppen, die nach politischer Anerkennung strebten und Druck auf die amtierenden Regierungen ausübten, um an der Verteilung der meist knappen Ressourcen beteiligt zu werden. In dieser Gemengelage fand der Ruf "Afrikanische Lösungen für afrikanische Probleme" in SSA breite Zustimmung.

Blickt man auf die Region in dieser Zeit, ist der Begriff der "Sicherheitsdilemmata" des Politikwissenschaftlers Mohammed Ayoob und seine Beschreibung der Sicherheitslage als eine Situation, in der Bedrohungen eher von innen als von außen kommen, zutreffend. Der Völkermord in Ruanda 1994, die Epizentren westafrikanischer Konflikte in Liberia und Sierra Leone, die inneren Konflikte und die Zersplitterung im Sudan, die zur Unabhängigkeit des Südsudan führten, der langwierige Konflikt in der Demokratischen Republik Kongo oder auch die politische Instabilität in Somalia zeigten zugleich: Die Region SSA musste und muss umfassende Maßnahmen ergreifen, um die Herausforderungen für Frieden und Sicherheit zu bewältigen.

In Fällen, in denen der Frieden nicht gewahrt werden konnte, leiteten die AU oder die RECs friedensunterstützende Maßnahmen ein und weiteten gleichzeitig ihr Mandat auf Friedenskonsolidierung aus. Zu den erwähnenswerten AU-Missionen gehören die Mission in Somalia (AMISOM), in Burundi (AMIB) und im Südsudan (AMISS). Die AU nahm auch ihr Mandat zur Förderung von Demokratiemaßnahmen wahr, insbesondere in Ländern, in denen es zu Staatsstreichen kam, von Gabun und Niger bis zum Sudan und Guinea.

Seit der Eskalation regionaler Konflikte in Afrika in den 1990er Jahren wurde immer wieder über Mittel und Wege diskutiert, diese Konflikte zu verhindern und zu bewältigen, die oft auch auf den ganzen Staat oder die Nachbarländer übergriffen. Dabei erwiesen sich die subregionalen Organisationen in Hinblick auf Konfliktbewältigung in dieser Zeit oft als unfähig. Das hat sich mittlerweile geändert. Fast alle diese Organisationen sind zugleich RECs und haben sich im Laufe der Zeit dahingehend entwickelt, dass sie über Kapazitäten verfügen, um bewaffnete Konflikte beizulegen, einen drohenden Konflikt zu unterbinden oder die Eskalation eines laufenden Konflikts zu verhindern. Entsprechend sehen sich auch heute die Staaten in den Subregionen zunehmend veranlasst, im Sicherheitsbereich zusammenzuarbeiten. Diese Notwendigkeit wird zusätzlich durch den Wunsch der verschiedenen regionalen Akteure befördert, Konflikte zu lösen und eine Atmosphäre des Friedens und der Stabilität zu schaffen, um die wirtschaftliche Entwicklung nicht zu gefährden. Diese Mechanismen sind außerdem so konzipiert, dass Staaten ebenso wie subregionale, regionale und überregionale Organisationen gezielt reagieren können. Eines der Hauptorgane der AU ist beispielsweise der Friedens- und Sicherheitsrat (Peace and Security Council, PSC). Der PSC wird als "kollektives Sicherheits- und Frühwarnarrangement" bezeichnet, das eine "effiziente Reaktion auf Konflikte und Krisen" ermöglichen soll. Wie schon die OAU seinerzeit verfügt die AU über ein kontinentales Frühwarnsystem (Continental Early Warning System, CEWS) mit einem Beobachtungs- und Überwachungszentrum am Hauptsitz der AU (Addis Abeba), das die Aufgabe hat, Vorfälle und Ereignisse zu überwachen, die zu bewaffneten Konflikten führen könnten.

sicherheitspolitische Rolle der Nato in Afrika

Nato und AU als Partner

Die früheren Millenniums-Entwicklungsziele der Vereinten Nationen (Millennium Development Goals, MDGs) beziehungsweise die aktuellen Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) halten Entwicklungsländer dazu an, den Zusammenhang zwischen Sicherheit und stabilem Frieden zu berücksichtigen. Dementsprechend beziehen sich afrikanische Staaten ebenso wie die Staaten in anderen Entwicklungsregionen wie Asien, im Pazifikraum und Lateinamerika zunehmend auf die SDGs, wenn sie sich mit eigenen Sicherheitszielen befassen. Die Priorisierung dieser Bedürfnisse hat Einfluss auf die Partnerschaften, die afrikanische Länder mit anderen regionalen Sicherheitsorganisationen unterhalten. Mittlerweile geht man davon aus, dass der Umgang mit Bedrohungen nicht mehr ausschließlich in der Verantwortung eines einzelnen Staats liegt, vielmehr erfordert die zunehmende Bedrohung durch asymmetrische Konflikte und nichtstaatliche Akteure die Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Partnern.

2020 definierten die Nato und die AU verschiedene Felder der Zusammenarbeit, darunter Ausbildung und Unterstützung, strukturelle Hilfe und operative Unterstützung in Bereichen, die die AU als vorrangig eingestuft hat. Zu den Feldern, die die Nato ausbauen will, gehören der Aufbau von AU-Kapazitäten und die Verbesserung der Sichtbarkeit der Nato durch eine politische Partnerschaft, was sich etwa in der Unterzeichnung eines Abkommens im November 2019 zur Stärkung der Zusammenarbeit niederschlug. Zugleich unterhalten die AU-Mitgliedstaaten bereits bilaterale Beziehungen zu bestimmten Nato-Mitgliedern und sind auch mit multilateralen Institutionen wie der EU partnerschaftlich verbunden, etwa in Form von Programmen zur Stärkung der Demokratisierung und einer verantwortungsvollen Staatsführung. Das Risiko, dass es hier zu Doppelungen kommt, ist real. Bei der politischen Unterstützung afrikanischer Länder durch die Nato muss zukünftig geklärt werden, in welchem Umfang Kapazitäten neu aufgebaut und Unterstützung geleistet wird und ob es sich um eine multilaterale Unterstützung handelt, ob die Unterstützung auf der Grundlage der EU-AU-Unterstützung erfolgt oder ob sie bilateral ist. Schließlich kommt es auch auf die Unterstützung derer an, die in den jeweiligen Ländern innenpolitisch Verantwortung tragen.

Multilaterales Engagement

Die Nato ist ein Bündnis, das dem gemeinsamen Schutz seiner Mitglieder dient und damit einhergehend das Ziel weltweiter politischer Sicherheit und Stabilität verfolgt. Die Förderung von Frieden und Sicherheit mit militärischen Mitteln ist nach den Erfahrungen der beiden Weltkriege ein Eckpfeiler für die euro-atlantische Stabilität geworden. Im Gegensatz dazu bestand für die afrikanischen Länder keine unmittelbare Notwendigkeit, Bündnisse zu schließen. Der Vorläufer der AU, die OAU, vertrat die Grundsätze der friedlichen Beilegung von Konflikten und der Nichteinmischung in die Innenpolitik von Staaten sowie die Achtung der Grenzen beziehungsweise der territorialen Unverletzlichkeit. Trotz dieser Grundsätze kam und kommt es in Teilen Afrikas immer wieder zu Kriegen. Da die Nato in der Vergangenheit und auch gegenwärtig mit inner- und zwischenstaatlichen Konflikten in Europa konfrontiert ist, sind ihre Erfahrungen prinzipiell aufschlussreich für andere Weltregionen. Das Nato-Verbindungsbüro am AU-Hauptsitz bietet etwa Unterstützung in Bereichen wie Politik, Frieden und Sicherheit. Darüber hinaus ist die Nato dazu übergegangen, dass ihre Mitglieder nach dem Rotationsprinzip diplomatische und militärische Beziehungen stellvertretend für die Allianz zur AU unterhalten.

Die AU erhält weiterhin bilaterale Unterstützung durch ihre Verbündeten, von denen einige Nato-Mitglieder sind, zum Beispiel Frankreich, den USA und dem Vereinigten Königreich. Zu dieser bilateralen Unterstützung kommt die multilaterale Unterstützung durch die Allianz selbst hinzu. So leistete die Nato beispielsweise 2005 finanzielle und logistische Unterstützung für die Mission der AU im Sudan (AMIS) sowie 2007 für die Mission in Somalia (AMISOM) und später für die AU-Übergangsregierung in Somalia 2022. Luft- und Seetransport sind nicht nur für die Nato von strategischer Bedeutung, sondern auch für die anhaltenden Bemühungen der AU, die selbstgesteckten Ziele und Zeitvorgaben zu erreichen.

Zur Unterstützung der AU bietet die Nato die Teilnahme an Lehrgängen ihres Schulungs- und Ausbildungszentrums in Oberammergau und ihrer Militärakademie in Rom an. Obwohl es in Afrika eine Reihe von militärischen Ausbildungszentren, Militärschulen und nationalen Militärakademien gibt, bieten die Nato-Einrichtungen den Mitgliedstaaten der AU die Möglichkeit, gemeinsame Schwerpunkte bei der Ausbildung zu ermitteln. Zudem erhalten die AU-Mitgliedstaaten Einblicke in alternative Perspektiven zu Sicherheitsfragen. Aufgrund der unterschiedlichen Bedingungen in Afrika gibt es spezielle Kurse für die REC, die bei der Förderung von Frieden und Sicherheit auf regionaler Ebene eine bedeutende Rolle spielen. Gerade auf dieser Ebene sind regionale Wirtschaftsgemeinschaften wie ECOWAS, SADC oder EAC in der Lage, spezifische Sicherheitsbedrohungen zu erkennen, zu bewerten und auf sie zu reagieren. Eine erfolgreiche Bewältigung neuer Konflikte ist nur möglich, wenn die REC und die AU entsprechend darauf vorbereitet sind. Deshalb hat die AU die Nato um Unterstützung gebeten, um sicherzustellen, dass die Logistikbasis der Afrikanischen Bereitschaftstruppe in Doula (Kamerun) voll einsatzfähig ist.

Um dem Aufbau von neuen Kapazitäten Priorität einzuräumen, arbeiten die AU und die Nato weiterhin in verschiedenen Bereichen zusammen, die für eine Friedenssicherung von entscheidender Bedeutung sind. So fördert die Nato beispielsweise den Wissensaustausch in Bereichen wie dem maritimen Sektor, dem Informations- und Technologiesektor, dem Finanzsektor und dem Planungsmanagement, einschließlich Logistik und Personal.

Politische Wahrnehmung

Wenn sich die Nato mit aktuellen sicherheitspolitischen Gemengelagen auseinandersetzt, muss sie auch die spezifischen Herausforderungen auf dem afrikanischen Kontinent berücksichtigen. Das bilaterale Engagement von Staaten wie China, Russland und Indien bietet afrikanischen Ländern die Möglichkeit, militärische Ausrüstung zu erwerben und gemeinsame Übungen durchzuführen, sowie die Aussicht auf kontinuierliche Unterstützung. Die Zusammenarbeit der SSA-Region mit Verbündeten wie Russland und China könnte sich nachteilig auf die bilaterale und multilaterale Zusammenarbeit mit der Nato und ihren Mitgliedern auswirken. Da die Nato Russland und China als potenzielle Bedrohung ihrer Interessen vor Ort ansieht, haben deren wachsende Präsenz und zunehmender Einfluss in der Region die Dynamik an der politischen Front verändert. Zugleich werden jährliche Gipfeltreffen mit Russland und China von den Staaten der SSA-Region begrüßt, da sich beide nicht in die Innenpolitik einmischen. In Afrika nimmt man Russland und China als Staaten wahr, die in der Lage sind, sich in wichtigen Fragen zu engagieren und gleichzeitig den gegenseitigen Respekt auf politischer Ebene zu wahren. Obwohl die AU ihrer Verbindung zur Nato in vielen Bereichen – einschließlich der Demokratieförderung – Priorität einräumt, arbeitet sie in anderen Feldern mit Russland und China zusammen.

Die AU vertritt die Position, dass bei der Bewältigung von Streitigkeiten und Konflikten grundsätzlich friedensorientierte Methoden eingesetzt werden sollten. Die Anwendung von Gewalt, sofern nicht provoziert, wird dagegen als letztmögliches Mittel und als Angriff auf die territoriale Integrität und Souveränität eines Landes betrachtet. Vor diesem Hintergrund war aus Sicht der AU der Internationale Militäreinsatz in Libyen 2011 und die damit verbundene Nato-Operation "Unified Protector" problematisch. Da es sich bei Libyen um einen AU-Mitgliedstaat handelte, hätte man es bevorzugt, wenn anstelle der militärischen Intervention ausländischer Streitkräfte, in diesem Fall von Nato-Staaten geführt, das Rahmenwerk der AU für Frieden und Sicherheit zur Anwendung gekommen wäre. Entsprechend argumentierten AU und die SSA-Staaten, dass die Intervention nicht gerechtfertigt gewesen sei und unerwünschte Konsequenzen nach sich gezogen habe. Die Intervention von Nato-Staaten 2011 hat andererseits gezeigt, dass man seitens des Westens kein Vertrauen in die afrikanischen institutionellen Mechanismen der Entscheidungsfindung und Maßnahmen hat. Dabei sei angemerkt, dass die Entscheidungskapazitäten der AU auf gegenseitigem Respekt beruhen und man keine Möglichkeit sah, Muammar Gaddafi als libysches Staatsoberhaupt unter Druck zu setzen. Die Nato-Mitglieder wiederum hatten kein ernsthaftes Interesse an einer afrikanischen Lösung, als sie Gaddafi ins Visier nahmen. Schließlich zeigte die Intervention auch, dass aus dem Kreis der Nato-Staaten auf internationaler Ebene militärischen Ansätzen gegenüber friedensorientierten Lösungen oft Vorrang gegeben wird. Dieser Ansatz hat sich an anderer Stelle auch bewährt: So kann man die Nato-Operation "Ocean Shield" von 2009 bis 2016 vor der Küste Somalias als Erfolg bezeichnen, wo die Bedrohung durch Piraterie von Erdöltransporten inklusive Geiselnahmen von Schiffsbesatzungen ein virulentes Problem war. Die Operation hat nicht nur die Sicherheit in der Meerenge erhöht, sondern hat auch die illegale Finanzierung bewaffneter und terroristischer Gruppen eingeschränkt.

Reformvorhaben

Derzeit ist unter den SSA-Staaten eine verstärkte Bekräftigung von Reformvorhaben zu beobachten, die auch die Intensität und den Umfang der Beziehungen zwischen SSA und Nato und ihren Mitgliedern bestimmen dürfte. AU-Initiativen wie etwa die "Agenda 2063" oder "Silencing the Guns 2020" sollen einen Fahrplan für die weitere Entwicklung und mehr Sicherheit auf dem afrikanischen Kontinent bieten. Im Umgang mit dem verfassungswidrigen Regierungswechsel 2023 in Gabun und den Bürgerkriegen in der erweiterten Sahelzone, einschließlich im Sudan, sowie mit internen Konflikten in einigen Staaten der Region der Großen Afrikanischen Seen könnte möglicherweise eine Unterstützung durch die Nato von Vorteil sein. Anstelle eines bilateralen Engagements von Nato-Mitgliedern wie Frankreich sollte sich die Allianz darum bemühen, der afrikanischen Seite zu vermitteln, dass sie für dauerhaften Frieden und Sicherheit eintreten will. Die Rolle der Nato könnte beispielsweise See- und Lufttransporte sowie logistische Unterstützung in Kamerun umfassen, das in unmittelbarer Nähe zu den von Bürgerkrieg betroffenen Ländern liegt.

Die SSA-Staaten und der afrikanische Kontinent insgesamt sind auf panafrikanische Werte und Strategien ausgerichtet. Demokratische Staatsführung ist Teil der SSA-Reformagenda für eine dynamische politische Öffentlichkeit. Auch die Erfahrung der Nato bei der Förderung demokratischer Prinzipien wäre für die SSA-Staaten, die durchaus Unterstützung bei politischen Reformen benötigen, sicher von großem Nutzen. In diesem Zusammenhang sollte man jedoch klarstellen, dass die SSA-Staaten im Mittelpunkt der Reformagenda stehen müssen, im Gegensatz zu früheren bilateralen Erfahrungen. Im Gegenzug sollten die SSA-Länder internationale Entwicklungsinitiativen nicht zu stark politisch aufladen, da dies faktisch oft zu Entwicklungsrückschritten führt. Man sollte sie in diesem Fall nicht als Einmischung in interne Angelegenheiten verstehen, sondern eher als Konsolidierung universeller demokratischer Grundsätze.

Neben dem Aufbau von Kapazitäten und logistischer Unterstützung kann die SSA-Region auch etwas über die komplizierte Lastenverteilung auf kontinentaler und subregionaler Ebene lernen. Die Aushandlung von Lastenverteilung für regionale Vorhaben stellt für diese Staaten eine nennenswerte Herausforderung dar. Oft sind in den öffentlichen Haushalten nur minimale Beträge dafür vorgesehen, Staaten sind miteinander verfeindet, und es bestehen unterschiedliche Prioritäten bei der Bewertung der Sicherheits- und Bedrohungslagen. Zugleich bestehen in den SSA-Ländern viele gemeinsame Interessen und Bedrohungen, die einen finanziellen und militärischen Beitrag erfordern, der für die Verhinderung und Eindämmung von bewaffneten Konflikten von Bedeutung ist. Diese gemeinsamen Interessen sollten stärker wiegen als die genannten Hemmnisse.

Schließlich herrscht in den SSA-Staaten der Eindruck vor, dass die Nato bestrebt sei, ihren Einfluss im südlichen Afrika auszubauen, um der offensichtlichen Anziehungskraft Chinas, Russlands und Indiens entgegenzuwirken. In der von den SSA-Staaten angestrebten neuen internationalen Ordnung ist Afrika nicht untätiger Partner, der Unterstützung und Führung von außen benötigt, sondern man versteht sich als selbstbestimmter Akteur mit gemeinsamen Interessen. Expansionismus, ob er nun vom Osten, Westen, Norden oder Süden ausgeht, steht daher im Widerspruch zu den derzeitigen afrikanischen Vorstellungen.

Aus dem Englischen von Heike Schlatterer, Pforzheim

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Bruno Simma, NATO, the UN and the Use of Force: Legal Aspects, in: European Journal of International Law 10/1999, S. 1–22.

  2. Vgl. Ivo Daalder/James Goldgeier, Global NATO, in: Foreign Affairs 5/2006, S. 105–113.

  3. Vgl. Margriet Drent/Robert J. Hendriks/Dick Zandee, New Threats, New EU and NATO Responses, Den Haag 2015.

  4. Vgl. Ivan Dinev Ivanov, Transforming NATO: New Allies, Missions, and Capabilities, Lexington 2011.

  5. Vgl. Kristin Archick/Paul Gallis, NATO and the European Union, Washington, D.C. 2004.

  6. Vgl. Arie Marcelo Kacowicz, Zones of Peace in the Third World: South America and West Africa in Comparative Perspective, New York 1998.

  7. Vgl. Baba Schalk/Christelle J. Auriacombe/Dirk J. Brynard, Successes and Failures of the Organization of African Unity: Lessons for the Future of the African Union, in: Journal of Public Administration 40/2005, S. 496–511.

  8. Vgl. Philip Towle, The Strategy of War by Proxy, in: The RUSI Journal 1/1981, S. 21–26.

  9. Vgl. Robert Harkavy, The Changing International System and the Arms Trade, in: The Annals of the American Academy of Political and Social Science 1/1994, S. 11–28.

  10. Vgl. Alan Henrikson, Facing across Borders: The Diplomacy of Bon Voisinage, in: International Political Science Review 2/2000, S. 121–147.

  11. Vgl. Abdennour Benantar, NATO, Maghreb and Europe, in: Mediterranean Politics 2/2006, S. 167–188.

  12. Vgl. Erik Ringmar, Introduction, in: ders., International Politics of Recognition, London 2015, S. 3–23.

  13. Vgl. Mohammed Ayoob, The Security Problematic of the Third World, in: World Politics 2/1991, S. 257–283.

  14. Vgl. Artikel 2, Protocol Relating to the Establishment of the Peace and Security Council of the African Union (2002).

  15. Vgl. United Nations, The 17 Goals, 2023, Externer Link: https://sdgs.un.org/goals.

  16. Vgl. Tatah Mentan, Africa: Facing Human Security Challenges in the 21st Century, Jaunde 2014.

  17. Vgl. Nato, Cooperation with the African Union, 27.4.2023, Externer Link: http://www.nato.int/cps/en/natohq/topics_8191.htm.

  18. Vgl. dies., NATO-African Union Plan Closer Collaboration, 4.11.2019, Externer Link: http://www.nato.int/cps/en/natohq/news_170512.htm.

  19. Vgl. OAU, Constitutive Act of the African Union (1963).

  20. Vgl. Glen Segell, The First NATO Mission to Africa: Darfur, in: South African Journal of Military Studies 2/2008, S. 1–18.

  21. Vgl. Kenneth Waltz, A Strategy for the Rapid Deployment Force, in: International Security 4/1981, S. 49–73.

  22. Vgl. William Boettcher, Military Intervention Decisions Regarding Humanitarian Crisis: Framing Induced Risk Behavior, in: The Journal of Conflict Resolution 3/2004, S. 331–355.

  23. Vgl. African Union, Linking Agenda 2063 and the SDGs, o.D., Externer Link: https://au.int/agenda2063/sdgs.

  24. Vgl. Timothy Murithi, The African Union: Pan-Africanism, Peacebuilding and Development, London 2017.

  25. Vgl. Ida Oma, Explaining States’ Burden-Sharing Behavior Within NATO, in: Cooperation and Conflict 4/2012, S. 562–573.

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ist promovierte Politikwissenschaftlerin und Senior Lecturer am Institut für Diplomatie und Internationale Studien an der University of Nairobi, Kenia.
E-Mail Link: akiamba@uonbi.ac.ke