Am 7. Oktober 2023 verübte die Hamas einen mörderischen Anschlag auf Israel mit über 1200 Todesopfern und verschleppte mehr als 230 Menschen in den Gazastreifen. Bald darauf setzte sich Israel mit einer militärischen Großoffensive gegen die islamistische Terrororganisation zur Wehr. Ein Ende des Kriegs ist seither nicht in Sicht. Erneute Verhandlungen über die Freilassung der verbliebenen Geiseln, humanitäre Unterstützung der notleidenden Zivilbevölkerung in Gaza und eine Waffenruhe, etwa unter Vermittlung der USA, Ägyptens und Katars, blieben bislang wirkungslos. Vielmehr ist eine Ausweitung der Gewalt zu befürchten, beispielsweise im Libanon, von wo aus die irantreue schiitische Miliz Hizbullah Israel bedroht, und im Jemen, wo die sogenannten Huthi-Rebellen – ein weiterer Verbündeter Teherans –, gezielt internationale Handelsschiffe unter Beschuss nehmen. Längst geht es in der Region nicht mehr nur um den israelisch-palästinensischen Konflikt.
Als Scharnier zwischen dem östlichen Mittelmeer, der Arabischen Halbinsel und dem Persischen Golf ist der Nahe Osten, historisch betrachtet, ein Schauplatz ethno-religiöser Spannungen, hegemonialer Machtprojektionen und ungewöhnlicher Allianzen. Viele Länder und ihre Gesellschaften sind geprägt von einer gegensätzlichen Dynamik aus Fremdbestimmung und Selbstbehauptung, die zum Teil weit in die Kolonialzeit zurückreicht. Hinzu kommt die wiederkehrende Frage: Wie lässt sich Gewalt durch Verhandlungslösungen verlässlich einhegen?
Für Deutschland und Europa liegt der Nahe Osten nicht nur geografisch "vor der Haustür". Die dortigen Entwicklungen werden emotional auch auf hiesigen Straßen und Schulhöfen verhandelt, häufig verbunden mit israelbezogenem Antisemitismus und Muslimfeindlichkeit. Beides lässt sich nur dann effektiv bekämpfen, wenn man sich auch auf die regionalen Perspektiven einlässt.