Spätestens seit der Covid-19-Pandemie ist der Begriff "Triage" auch einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Rasch steigende Corona-Infektionszahlen und überfüllte Intensivstationen zwingen Ärzt:innen zu der Entscheidung, welche:r Patient:in ein Intensivbett bekommt, wer an ein Beatmungsgerät angeschlossen werden kann, wer nur auf einer Normalstation behandelt wird oder gar in häusliche Pflege übergeben werden muss. Mediziner:innen und Pflegepersonal stoßen an ihre physischen Grenzen, technische Geräte und Spitalsbetten fehlen. Bei Patient:innen, bei denen eine medizinische Behandlung völlig aussichtslos erscheint, wird in solch einer Situation dazu übergegangen, schmerzstillend anstatt intensivmedizinisch zu behandeln. Moralisch ist das eine unvorstellbare Belastung.
Doch die Triage ist nicht neu und in der Notfall- und Katastrophenmedizin ein unverzichtbares System zur Rettung möglichst vieler Betroffener. Denn wenn ein Missverhältnis zwischen Patient:innen und Behandlungskapazitäten besteht – sei es, weil es zu wenig Personal, Transportmöglichkeiten oder verfügbare Spitalsbetten gibt –, dann erzwingt die Situation ein Abgehen von der optimalen Individualmedizin zur optimierten Kollektivmedizin. Das Überleben eines möglichst großen Kollektivs hat dann Vorrang vor dem möglichst geringen Schaden des Individuums – und zwar ganz gleich, ob im Kontext von Kriegshandlungen, Naturkatastrophen, Großschadensereignissen, Terroranschlägen, Epidemien oder Pandemien. Alter, Bildung, Einkommen, sozialer Status oder die Art der Krankenversicherung dürfen dabei keine Rolle spielen.
Historischer Abriss
Der Begriff "Triage" stammt aus dem Französischen, bedeutet so viel wie "Auswahl" und wurde zunächst in der Militärmedizin verwendet.
Als 1792 die französischen Revolutionstruppen Speyer eroberten, wurden Larrey die damaligen Missstände in der Versorgung verwundeter Soldaten bitter vor Augen geführt. Die Verwundeten mussten bis zum Ende der Schlacht ohne Hilfeleistung auf dem Gefechtsfeld ausharren, oft viele Stunden lang. Wer nicht verblutete oder infolge eines Schocks gestorben war, blieb der Witterung ausgesetzt und wurde erst nach der Schlacht in die für die Verwundetenversorgung adaptierten, behelfsmäßig eingerichteten Lazarette transportiert. Dort zumindest sollten dann möglichst rasch chirurgische Eingriffe erfolgen. Doch die Straßen und Fahrwege waren durch Truppen und Fuhrwerke verstopft, somit war dieses Vorhaben unmöglich. Aufgrund all dieser Verzögerungen war es inzwischen auch Nacht geworden und die unbeleuchteten Straßen praktisch unpassierbar. Daher dauerte es bis zu 24 oder sogar 36 Stunden, bis Chirurgen mit ihrem Personal und Instrumenten zur Stelle waren. Kaum verwunderlich, dass zahllose Verwundete wegen unzureichender oder zu später ärztlicher Hilfeleistung ihren Verletzungen zum Opfer fielen.
Diese Erfahrung inspirierte Larrey zu der Idee, eine Ambulanz-Einrichtung zu organisieren, die rasche Hilfe direkt auf dem Schlachtfeld gewährleistete. Innerhalb weniger Jahre gelang es ihm, eine solche "fliegende Ambulanz" aufzustellen, die den Bewegungen der Truppen folgte. Dabei handelte es sich um Ärzte, die mit Pferdewägen auf das Schlachtfeld fuhren, die Verwundeten noch während der Kampfhandlungen einsammelten und vom Gefechtsfeld wegbrachten. Währenddessen verbanden sie bereits stark blutende Wunden und führten gegebenenfalls Notamputationen durch. Bei geübten Chirurgen dauerte eine Hand- oder Beinamputation im besten Fall nicht einmal eine Minute. So gelang es Larrey, die Todesrate auf zehn Prozent zu senken, weshalb er heute auch als "Vater der Notärzte" bezeichnet wird. Da er aber die Ärzte außerdem dazu drängte, zu entscheiden, welche Soldaten eine Amputation am ehesten überlebten und diese zuerst zu operieren, kann man ihn ebenso gut als "Vater der Triage" titulieren, auch wenn er den Begriff selbst noch nicht gebrauchte.
Heute spielt bei der Beurteilung von Schwerstverletzten zusätzlich die sogenannte golden hour eine Rolle. Dies bedeutet, dass bei Schwerverwundeten innerhalb von rund einer Stunde mit einer medizinischen Therapie begonnen werden muss, um eine realistische Aussicht auf Erfolg zu haben. Da bereits Larrey die Dringlichkeit notfallchirurgischer Maßnahmen erkannt hatte, könnte er somit auch noch als Vater der golden hour angesehen werden.
Auf ein breiteres Fundament wurde das System der Triage vom russischen Chirurgen Nikolai Iwanowitsch Pirogow gestellt. Pirogow gilt heute – nicht zuletzt aufgrund seiner Erfahrungen als Militärarzt im Krimkrieg (1853–1856) – als einer der Begründer der Feldchirurgie. So entwickelte er eine spezielle Technik zur Fußamputation, die nach ihm benannte Pirogow-Operation.
Eng verbunden mit der Priorisierung des Pirogowschen Behandlungssystems ist der Begriff der "Krankenzerstreuung", der räumlichen Aufteilung der Verletzten oder Erkrankten, um überfüllte Verbandsplätze oder Lazarette unmittelbar im Frontbereich zu vermeiden. In Österreich war hier bereits ab dem 17. Jahrhundert Prinz Eugen ein wichtiger Vorreiter. Weil Sanitätsmaterial überhaupt nicht oder nicht rechtzeitig an die Kriegsschauplätze geliefert wurde beziehungsweise die Aufnahmekapazität der Feldlazarette zu gering war, versuchte er, die erkrankten und verletzten Soldaten möglichst rasch von der Front zu entfernen und in anliegende, nicht von den Kämpfen betroffene Gebiete der Privatpflege zu übergeben. Somit wurden Patienten im Hinterland, abseits der Schlachtfelder, nicht bloß auf mehrere Ärzte und Pflegepersonen aufgeteilt. Es wurden nun auch Privatpersonen zur Pflege herangezogen, sodass jeder betroffene Soldat eine möglichst rasche und intensive Behandlung und Pflege erhielt.
Das Pirogowsche System wurde 1866 von der preußischen Armee im Deutschen Krieg angewandt und auch von anderen Armeen übernommen.
Modelle der Triage
Die Triage ist bis heute nicht gesetzlich geregelt, was allerdings gerade im Zuge der Corona-Pandemie wünschenswert wäre. Für Einsatzorganisationen stehen jedoch sowohl im militärischen als auch im zivilen Kontext Richtlinien und Algorithmen zur Verfügung, die gerade am Beginn eines Notfallgeschehens oder einer Katastrophe ein wichtiges Hilfsmittel zur Orientierung für eine optimale Patientenversorgung sind.
Nach dem Zweiten Weltkrieg führte die Nordatlantische Allianz Sichtungskategorien ein, die sich auch über ihre Mitgliedstaaten hinaus für die Einordnung von Verletzungen bei Soldat:innen durchgesetzt haben. Dieses NATO-Schema teilt Verletzte in die folgenden vier Stufen ein:
T1 Sofortbehandlung: kritische Patient:innen, die noch am Notfallort einer dringenden medizinischen Behandlung bedürfen;
T2 verzögerte (heute: dringende) Behandlung: Patient:innen, die vor Ort möglichst rasch stabilisiert und schnellstens in ein Spital transportiert werden müssen;
T3 minimale Behandlung: Leichtverletzte, deren Behandlung auch zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen kann;
T4 abwartende Behandlung: Patient:innen (zum Beispiel solche mit Polytraumata), die erst dann behandelt werden können, wenn ausreichende Kapazitäten an Einsatzkräften zur Verfügung stehen beziehungsweise wenn durch ihre Behandlung keine Patient:innen, die zur Kategorie "Sofortbehandlung" gehören, in ihren Überlebenschancen beeinträchtigt werden. Die Überlebenschance der T4-Patient:innen ist daher sehr gering.
Dieses Sichtungssystem war also am Kriterium der Dringlichkeit orientiert, und es war die Aufgabe der Mediziner:innen, aufgrund des Zustands der Patient:innen und der Möglichkeiten der Hilfeleistung die Stufe selbst festzulegen. Ein damals reglementiertes Farbleitsystem (T1 rot, T2 gelb, T3 grün und T4 blau) ist bis heute aktuell und dient mittels Personenleittaschen zur Kennzeichnung der Patient:innen. Darüber hinaus gibt es bei allen Modellen noch die Gruppe der Unverletzten und jene der Toten.
Für den zivilen Katastrophenfall wurde 1983 das STaRT-Schema (Simple Triage and Rapid Treatment, "Einfache Triage und schnelle Versorgung") in Kalifornien entwickelt, das vielfach in der Rettungsmedizin angewandt wird. Dabei werden ohne medizinische Hilfsmittel die Gehfähigkeit, Atmung, Durchblutung und der neurologische Status der Patient:innen überprüft. Das erfolgt durch die Beurteilung der Fähigkeit oder Unfähigkeit der Patient:innen, einfachen Befehlen Folge zu leisten. Aus diesen Kriterien ergibt sich entweder die Notwendigkeit einer Sofortbehandlung noch am Einsatzort oder die Transportpriorität. Die Gruppe der Leichtverletzten umfasst zunächst alle Personen, die aus eigener Kraft den unmittelbaren Schadensraum gehend verlassen können. Diese Betroffenen werden anschließend aber noch einmal evaluiert und gegebenenfalls wird der Gesundheitszustand neu beurteilt.
Da dieses System nicht uneingeschränkt für die Beurteilung von Kindern geeignet war, wurde es 1995 für die Altersgruppe der Ein- bis Achtjährigen angepasst (JumpSTaRT beziehungsweise STaRT für Kinder). Liegt bei einem Kind ein Atemstillstand vor, aber der Puls ist noch tastbar, werden fünf Beatmungen durchgeführt. Sollten diese Erfolg zeigen, wird das Kind in die Sichtungskategorie T1 eingeordnet. Atmet das Kind, aber der Puls ist nicht tastbar oder reagiert es nicht angemessen auf Schmerzreiz, erfolgt ebenfalls eine Einreihung in die T1-Gruppe.
2004 wurde das STaRT- beziehungsweise JumpSTaRT-Schema als mSTaRT von der Berufsfeuerwehr München in Kooperation mit der Ludwig-Maximilians-Universität München zu einem umfassenden Algorithmus, der auf alle Altersgruppen anwendbar ist, modifiziert. Ziel ist eine noch schnellere Einteilung der Patient:innen in die entsprechende Triagegruppe. Sobald eine Aussage positiv beantwortet werden kann, wird auf eine weitere Bearbeitung der Checkliste aus Zeitgründen verzichtet. Sofort behandelt werden müssen alle Patient:innen ohne Atmung, jedoch mit Puls; alle Patient:innen mit einer zu hohen oder zu niedrigen Atemfrequenz; mit einer blutspritzenden Wunde; jene, bei denen kein Radialispuls tastbar ist; sowie jene, die einfache Befehle nicht befolgen können oder an einem Inhalationstrauma leiden. Als nicht dringlich gelten alle Gehfähigen. Patient:innen, die noch keiner Sichtungskategorie zugeordnet sind, fallen unter "dringliche Behandlung".
Aufgrund der Aktualität von Covid-19 und der ständig drohenden Gefahr der Triage auf den Intensivstationen sind die Sichtungssysteme in Krankenhäusern zuletzt verstärkt ins Interesse gerückt. Zu den am weitesten verbreiteten Methoden zählen das Manchester-Triage-System und der Emergency Severity Index.
Beim 1994 entwickelten Manchester-Triage-System handelt es sich um ein standardisiertes Verfahren zur Einschätzung von Patient:innen in der Notfallaufnahme, wobei dort die Behandlungsprioritäten festgelegt werden. Da man sich in einem Krankenhaus befindet, wird davon ausgegangen, dass alle Patient:innen in adäquater Zeit behandelt werden können. Im Unterschied zur Rettungsmedizin fällt damit die Sichtungskategorie T4 weg. Deutschland nutzt das System seit 2004, Österreich seit 2009.
Beim Emergency Severity Index handelt es sich um einen fünfstufigen Triage-Algorithmus, der 1990 an der Harvard Medical School in Boston entwickelt wurde, mit dem Ziel, Patient:innen in kritischem Zustand, die sofort notfallmedizinisch begutachtet werden müssen, von allen anderen zu unterscheiden, die verzögert behandelt werden können, ohne Schaden zu erleiden. Dabei wird bestimmt, ob lebensrettende Interventionen notwendig sind, ob es sich um eine Hochrisikosituation handelt, etwa ob die Patient:innen lethargisch oder desorientiert sind oder über starke Schmerzen klagen. Für alle anderen Patient:innen besteht kein zeitliches Risiko.
Terrorismus und "Reverse Triage"
Im Nachgang der islamistisch motivierten Terroranschläge vom 13. November 2015 in Paris wurden grundlegende Überlegungen dazu angestellt, wie man bei Rettungseinsätzen nach Terroranschlägen im Rahmen der Triage vorgehen soll, immer im Bewusstsein eines möglichen second hits, also eines Folgeanschlags auf Einsatzkräfte.
Im Rahmen solcher Einsätze kann das System der "Reverse Triage" unter Einbeziehung des Eigenschutzes ein bedeutendes Mittel sein, um möglichst viele Menschenleben zu retten. Dieses System folgt dem Prinzip, alle Un- und Leichtverletzten möglichst rasch vom Einsatzort wegzubringen, damit sie die Behandlung der Schwerverletzten nicht behindern. Außerdem können die Un- und Leichtverletzten am raschesten aus einer möglichen Gefahrenzone herausgeholt werden, wodurch ihr Überleben am ehesten sichergestellt werden kann. Den frühen Ansichten des Krankenzerstreuungssystems kann hier ebenfalls Rechnung getragen werden, da die Gruppe der Leichtverletzten auf möglichst viele und gegebenenfalls auch weiter entfernt liegende Spitäler aufgeteilt werden kann.
Triage in der Praxis: Beispiel Österreich
Die Basis der Triage in Deutschland wie auch in Österreich bildet das STaRT-System. In Österreich wird die Triage im Katastrophenfall oder bei Großschadensereignissen mit einer hohen Anzahl an Betroffenen, zum Beispiel bei Zugunfällen, Hochwasserereignissen oder Lawinenkatastrophen, von Mediziner:innen oder Sanitäter:innen, im bevorzugten Fall von Notfallsanitäter:innen unternommen. Ziel dabei ist, die richtigen Patient:innen mit dem richtigen Transportmittel in das richtige Krankenhaus oder die entsprechende Abteilung zu bringen – und das möglichst ohne sie später in anderes Spital verlegen zu müssen (Sekundärverlegung). Je nach Erfordernis kann die Triage beziehungsweise eine sogenannte Vorsichtung direkt an der Schadensstelle, an Übergabestellen, wo Patient:innen beispielsweise von der Feuerwehr an die Rettungskräfte übergeben werden, an der Patient:innensammelstelle, an der eingerichteten Triagestelle oder im Behandlungsraum erfolgen. Eine Vorsichtung erfolgt im Regelfall an der Schadensstelle. Für die Beurteilung, ob die Patient:innen gehfähig sind, eine ausreichende Atmung aufweisen und stillbare starke Blutungen zu erkennen sind, oder ob sie als T1- oder T2-Patient:innen zu klassifizieren sind, darf nicht länger als eine Minute benötigt werden.
Beginnt die Triage im Schadensraum, so erfolgt dort ehestmöglich die Priorisierung der Rettung und die Beantwortung der Frage, welcher Betroffene aufgrund seines Gesundheitszustands möglichst rasch aus dem Schadensraum herausgeholt werden muss. Sollte es sich beim Schadensraum um eine Gefahrenzone handeln, erfolgt die Begutachtung sowie die darauffolgende Rettung der Patient:innen mit Unterstützung anderer Einsatzorganisationen wie zum Beispiel der Feuerwehr oder der Bergrettung. Nach der Priorisierung erfolgt die Zuteilung zu unterschiedlichen Behandlungsstellen, wo die entsprechenden medizinischen und sanitätshilflichen Maßnahmen erfolgen. Die Behandlungsstellen sollen in einem sicheren Bereich, aber dennoch möglichst nahe der Triagestelle errichtet werden, um die Wege für die Patient:innen kurz zu halten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine ursprüngliche Triageentscheidung gegebenenfalls korrigiert oder aktualisiert werden muss, auch je nach Verfügbarkeit von Ärzt:innen und Sanitätsmannschaften.
Ankunft eines an Covid-19 erkrankten Patienten im Beatmungszelt der Universitätsklinik Genua im März 2020. (© picture-alliance, IPP | italyphotopress)
Ankunft eines an Covid-19 erkrankten Patienten im Beatmungszelt der Universitätsklinik Genua im März 2020. (© picture-alliance, IPP | italyphotopress)
Sobald die Transporttauglichkeit der Patient:innen erreicht ist, wird über das geeignete Transportmittel (Rettungsfahrzeug, Notarzteinsatzfahrzeug, Notarzthubschrauber) und die erforderliche Krankenhauskategorie entschieden (etwa Neurochirurgie, Gefäßchirurgie, Verbrennungsintensivstation, Kinderabteilung). Grundsätzlich sind die Aufnahmekapazitäten von Patient:innen mit bestimmten Verletzungsmustern in den einzelnen Spitälern für den Großschadens- oder Katastrophenfall geregelt. Sollten die Aufnahmekapazitäten in den Spitälern jedoch überlastet sein, so muss am Einsatzort die Reihenfolge der Transporte festgelegt werden. Dabei wird die Priorität des Abtransports mit den Buchstaben A für hohe Transportpriorität und B für niedrige Transportpriorität nochmals abgestuft.
Die Triage-Maßnahmen an einem Schadensort wie bei einem Unfall mit einem vollbesetzen Reisezug oder einem Brand in einem Hochhaus sind indes nicht gleichzusetzen mit der Triage auf Intensivstationen im Rahmen der Covid-19-Pandemie. Eine Triagierung von Covid-Patient:innen ist dann notwendig, wenn die maximale Kapazität der Intensivbetten erreicht ist und keine weiteren personellen oder materiellen Voraussetzungen geschaffen werden können, um die Bettenanzahl auszuweiten – eine Situation, wie Italien sie zu Beginn der Pandemie 2020 erlebte. In Österreich betrug die durchschnittliche Verweildauer von Covid-Patient:innen auf Intensivstationen 2020 zwei Wochen. Aufgrund der Virus-Mutationen sind die Patient:innen derzeit rund vier Wochen intensivpflichtig. Im schlimmsten Fall zwingt dies Ärzt:innen, bei der Einlieferung von Patient:innen zu entscheiden, ob diese bessere Überlebenschancen haben als solche, die bereits auf Intensivstationen betreut werden und den neuen Patient:innen nun das Beatmungsbett überlassen müssen. Im Prinzip ist dies ähnlich einer Umtriagierung von T1 auf T4. Um diese höchst belastenden Entscheidungen in der Priorisierung der Patient:innenbehandlung möglichst zu vermeiden, versucht man derzeit in Österreich, Patient:innen, sofern sie transportfähig sind, aus jenen Bundesländern, die den kritischen Wert auf den Intensivstationen erreicht haben, mit dem Hubschrauber in andere Bundesländer oder sogar ins Ausland zu verlegen. Auch Österreich hatte, als die Spitalskapazitäten noch ausreichten, Patient:innen aus der Slowakei übernommen und behandelt.
Leben statt sterben
Grundsätzlich ging es (Militär-)Ärzten schon allein aufgrund des Hippokratischen Eids immer darum, möglichst viele Menschenleben zu retten. Larrey legte Wert darauf, alle Verwundeten zu begutachten und erst dann nach dem Schweregrad der Verletzung zu entscheiden, wer zuerst gerettet wird, ungeachtet des militärischen Rangs oder der sozialen Stellung. In der Militärmedizin war aber auch die rasche Wiederherstellung der Einsatzfähigkeit der Soldaten ein entscheidendes Kriterium. Im Laufe der Kriegsgeschichte setzte sich allerdings die Einsicht durch, dass man Soldaten, die für ihr Land (und für die jeweilige Führungsspitze) in den Krieg zogen, eine bestmögliche Versorgung zuteilwerden lassen muss. Das gipfelte nicht zuletzt etwa im Ersten Weltkrieg in der Behandlung von Invaliden mit Prothesen oder in der beruflichen Umschulung von Zivilisten, die im Kriegseinsatz dauerhaft geschädigt worden waren.
Allen vorgestellten Triage-Modellen ist gemein, dass sie helfen sollen, in Notsituationen binnen kürzester Zeit ethisch entscheiden zu können. Und obwohl die Triage in der unmittelbaren Anwendung für Einsatzkräfte eine immense psychische Belastung bedeutet, ist sie ein probates Mittel, um in einer Ausnahmesituation möglichst viele Menschenleben zu retten.