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Lokale Verkehrswende Editorial Dürfen die denn alles?! Der E-Scooter als Versprechen und Menetekel Deutschlands Weg in die Automobilgesellschaft. Verkehrspolitik im Schatten des NS Urbane Verkehrswende. Die drängendsten Probleme und wichtigsten Lösungsansätze Von Vorreitern und Nachzüglern. Was bedeutet gute kommunale Verkehrspolitik? Die beste Alternative zum Auto ist … das Auto? Die Verkehrswende in ländlichen Räumen Die Mobilitätswende moderieren. Gelingensbedingungen für demokratische Aushandlung auf kommunaler Ebene

Urbane Verkehrswende Die drängendsten Probleme und wichtigsten Lösungsansätze

Anne Klein-Hitpaß Lisa Ruhrort

/ 18 Minuten zu lesen

Städte spielen eine zentrale Rolle bei der Reduktion klimaschädlicher Emissionen im Verkehr. Es gibt durchaus Lösungsansätze für eine Mobilitätswende, doch es braucht auch den politischen Willen, ausreichende Mittel in den Ausbau von ÖPNV und Radverkehr zu lenken.

Eine sich zuspitzende Klima- und Ressourcenkrise, die zunehmende Alterung der Gesellschaft mit einem wachsenden Mangel an Fachkräften, die Digitalisierung sowie neue Antriebstechnologien im Fahrzeugbereich werden sowohl auf der Seite des Verkehrsangebots als auch auf der Seite der Verkehrsnachfrage zu großen Veränderungen führen. So fasste unlängst der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesminister für Digitales und Verkehr in einer Stellungnahme die aktuellen Herausforderungen im Bereich der Mobilität zusammen. Diese Entwicklungen erfordern eine weitreichende Transformation von Gesellschaft und Industrie, von Städten und Gemeinden sowie auch unseres Verkehrssystems. Die erforderliche Verkehrswende ist sowohl in den Städten als auch auf dem Land eine drängende – und wie sich zeigt, auch konflikthafte – Aufgabe.

Zu den drängendsten Problemen in den Städten gehört gegenwärtig das Erfordernis von Klimaschutz und Klimaanpassung. Städte spielen eine zentrale Rolle bei der Reduktion klimaschädlicher Emissionen im Verkehr und müssen zugleich den urbanen Lebensraum auch unter veränderten klimatischen Bedingungen als lebenswert erhalten. Daneben kämpfen viele Städte mit verkehrlichen Probleme wie einer überlasteten Infrastruktur sowohl im motorisierten Individualverkehr (MIV) als auch im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Dies geht mit negativen Auswirkungen auf die städtische Umwelt, aber auch auf die Verkehrssicherheit sowie Lebens- und Aufenthaltsqualität einher.

Das Ziel einer Verkehrswende umfasst sowohl eine großflächige Verlagerung auf umweltschonende Verkehrsträger sowie die Vermeidung von unnötigem Verkehr bei gleichbleibender Mobilität. Hinzu kommt der Umstieg auf klimaneutrale Fahrzeugantriebe, die auf Basis erneuerbarer Energien genutzt werden. Bei der Umsetzung dieser Strategien sind Städte bedeutende Akteure. Verkehr sollte dabei nicht als isoliertes System gedacht werden. Der Verkehr ist vielmehr ein zentraler Treiber, der in der Vergangenheit das Gesicht der Städte mit geformt und beeinflusst hat. Eine Mobilitätswende ist somit eine zwingende Voraussetzung dafür, dass Städte in Zukunft funktionsfähig, klimagerecht und lebenswert bleiben.

Aktuell werden die Debatten über das Erfordernis einer Verkehrswende vor allem in den Städten geführt. Dort sind einerseits die Probleme drängender – eine steigende Anzahl von Autos und Pendler:innen konkurriert mit Stadtbewohner:innen, mit Radfahrenden und Fußgänger:innen um begrenzte Flächen. Die in diesem Zusammenhang propagierten Leitbilder wie das Narrativ der „lebenswerten Stadt“ oder Konzepte wie die „15 Minuten Stadt“ beziehen sich auf städtische Zukunftsvisionen und die Lebenswirklichkeiten von Stadtbewohner:innen. Maßnahmen zur Reduzierung des MIV sowie zur Verbesserung der Nahmobilität vollziehen sich räumlich sogar noch fokussierter auf die Innenstädte. Hier sind in größeren Städten und Metropolen erste erfolgreiche Ansätze erkennbar, wie beispielsweise etablierte Mobilitätsalternativen zum privaten Pkw, wie Car- und Bikesharing-Angebote oder die Einführung von Maßnahmen zur Parkraumbewirtschaftung bei gleichzeitigem Radwegeausbau.

Perspektivisch ist die Verkehrswende jedoch eine Herausforderung für Stadt und Land. Die räumlichen Verflechtungen überspannen in vielen Regionen urbane und ländliche Gebiete. Im Alltag bewegen sich viele Menschen täglich zwischen diesen Räumen – sei es als Pendler:innen, zum Einkaufen, Sport oder für die Pflege sozialer Beziehungen. Strategien für eine Mobilitätswende müssen perspektivisch auch für diese Zielgruppen überzeugend sein.

Zwar gibt es keine Blaupause für eine Strategie der Mobilitätswende, die auf alle Raumtypen und Nutzungsgruppen gleichermaßen passt. Dennoch gibt es eine Reihe von Handlungsansätzen für eine Veränderung des Mobilitätsverhaltens und der systemischen Voraussetzungen für Mobilität, die sich bewährt haben und die skaliert werden können. Im Folgenden werden wir zunächst die drängendsten Probleme aufzeigen, die durch eine Mobilitätswende zu adressieren sind. Der Fokus liegt dabei auf den urbanen Räumen. Anschließend widmen wir uns den wichtigsten Handlungsansätzen, mit denen Städte dem Ziel einer nachhaltigen Mobilität näher kommen können: Dazu gehören vor allem die Neugestaltung von öffentlichen Räumen, der Ausbau von attraktiven Alternativen im öffentlichen Verkehr sowie die Schaffung sicherer Infrastrukturen für den Radverkehr. Abschließend richten wir den Blick auf Weichenstellungen jenseits von Infrastrukturen und Angeboten und enden mit einem Ausblick auf die Realisierungschancen einer Mobilitätswende.

Herausforderungen

Eine der größten Herausforderungen im Verkehrssektor liegt im Bereich des Klimaschutzes: Kein anderer Sektor ist so weit entfernt von dem deutschen Klimaziel, die Treibhausgasemissionen in erforderlichem Ausmaß zu senken, wie der Verkehr. Sieht man von den Effekten der Corona-Pandemie ab, sind die Verkehrsemissionen in den vergangenen 25 Jahren kaum gesunken. Während fast alle anderen Sektoren Einsparungen verzeichnen können, werden im Verkehrssektor die fahrzeugtechnischen Effizienzgewinne durch eine nach wie vor wachsende (abzüglich des Pandemie-Effekts) Verkehrsleistung aufgezehrt.

Auch wenn Klimaschutz eine globale Aufgabe ist, die urbane wie ländliche Regionen betrifft, herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass insbesondere die Städte einen Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele leisten müssen. Vor allem für die Verlagerung und Vermeidung von Verkehr werden in den urbanen Räumen die größten Potenziale gesehen: In Städten ist eine Mobilität jenseits des privaten Pkw wesentlich leichter umsetzbar als auf dem Land. Daher sind hier auch die größten Anstrengungen erforderlich. Bisher geht der Trend jedoch eher in die entgegengesetzte Richtung. So werden Jahr für Jahr mehr Autos zugelassen – selbst in Städten mit einem starken Umweltverbund (also umweltfreundlichen Verkehrsmitteln) beziehungsweise Alternativen zum MIV wächst die Anzahl der Fahrzeuge. Dabei steigen die Entfernungen, die Menschen täglich zurücklegen, während die Anzahl der Wege konstant bleibt. Unsere Lebensstile werden also immer entfernungsintensiver. Das Auto ist hierbei ein zentraler Treiber: Wer ein Auto besitzt, fährt längere Strecken (Abbildung).

Die weiter zunehmende Motorisierung vollzieht sich in den Städten mit negativen Auswirkungen auf den öffentlichen Raum und die Aufenthaltsqualität. Autos nehmen mehr und mehr Platz in Anspruch, parken auf Gehwegen oder halten in zweiter Reihe. Sie dominieren vielfach das Bild unserer Innenstädte und beanspruchen Platz im Übermaß. Der städtische Raum kann mit der Anzahl der Autos nicht mitwachsen, mit der Folge zunehmender Flächenkonkurrenzen und negativen Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit. Jeder fünfte innerörtliche Unfall mit Personenschaden, bei denen Fußgänger:innen oder Radfahrende beteiligt sind, steht im Zusammenhang mit parkenden Autos.

Dabei ist der öffentliche Raum ein knappes Gut, mit hohem Wert für die Allgemeinheit – und von großem Nutzen für Maßnahmen zur Klimaanpassung. Die heute schon zu beobachtende Zunahme von Extremwetterereignissen mit zum Teil gravierenden Auswirkungen auf kommunale Infrastrukturen erfordern Anpassungsmaßnahmen. Hierfür werden Flächen benötigt, beispielsweise für die Begrünung und Verschattung von Straßenzügen, die Entsiegelung sowie weitere Maßnahmen auf dem Weg zur „Schwammstadt“. Statt öffentliche Stellplatzflächen fast kostenfrei für private Kraftfahrzeuge zu reservieren, die in Hitzesommern ganze Straßenzüge zusätzlich aufheizen, könnten diese Flächen für erforderliche Anpassungsstrategien genutzt werden, oder aber auch für den Umweltverbund, beispielsweise für Busspuren, Radwege oder ein attraktives Fußwegenetz.

Was gleichzeitig zu beobachten ist: Der Dominanz des Autos zum Trotz ist das Verkehrsangebot vieler Städte in den vergangenen Jahren vielfältiger und multimodaler geworden. Der Radverkehr hat beispielsweise deutlich zugenommen. Sharing-Möglichkeiten wie Car- und Bikesharing differenzieren sich aus, zu den Angeboten gehören mancherorts Flotten von Lastenrädern oder E-Bikes, zusätzlich ergänzen E-Scooter die Mobilitätsoptionen. Auch der ÖPNV wird vielerorts durch flexible On-Demand-Angebote ergänzt. Jedoch brauchen auch diese Mobilitätsformen Flächen im öffentlichen Raum, wodurch sich damit verbundene Konflikte weiter verschärfen.

In jüngerer Zeit wird darüber hinaus auch die soziale Dimension von Mobilität zunehmend kritisch diskutiert: Wie kann sichergestellt werden, dass auch in Zukunft möglichst alle sozialen Gruppen in der Stadt mobil sein können? Hierbei gilt es, Zielkonflikte zu bearbeiten – etwa zwischen den Interessen der Innenstadtbewohner:innen, die öffentliche Räume verstärkt als Bereiche für aktive Mobilität sowie als Lebensraum beanspruchen, und den Interessen der Menschen, die außerhalb der Innenstadt wohnen und arbeiten und das Auto für ihre tägliche Mobilität nutzen. Das Ziel, Mobilität ohne eigenes Auto zu ermöglichen, erscheint in jedem Fall als Grundvoraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe aller Menschen, da nicht alle Zugang zu einem Auto haben. Wie dieses Ziel jedoch auszugestalten ist, bleibt Gegenstand kontroverser gesellschaftlicher Debatten.

Lösungsansätze

Diese Diskrepanz zu überwinden, ist eine der drängendsten Aufgaben von Politik und Stadtplanung. Eine stärker integrierte Planung, die auf die Vermeidung von Verkehr ausgerichtet ist, ist eine Grundvoraussetzung nachhaltiger Mobilitätsentwicklung. Mehr als bisher muss der Verkehr im Zusammenspiel mit anderen Handlungsfeldern, etwa der Raum- und Siedlungsplanung, der Freiraumplanung oder der sozialen Gestaltung von Stadtquartieren gedacht werden. Ziel muss es sein, kompakte Stadtstrukturen zu schaffen beziehungsweise zu erhalten und zugleich öffentliche (Straßen-)Bereiche als Lebensräume für unterschiedliche Nutzungen besser zu erschließen. Konkret betrifft das zum Beispiel die Planung autoreduzierter Quartiere, in denen weniger oder keine Parkplätze je Wohneinheit vorgesehen werden (Stichwort Stellplatzschlüssel). Es betrifft aber beispielsweise auch die Frage, wie vermehrt verkehrsberuhigte Bereiche mit hoher Aufenthaltsqualität geschaffen werden können, die zugleich der Klimaanpassung dienen, wie zum Beispiel die „Superblocks“ in Barcelona oder die „Mini-Hollands“ in London.

Ein wesentliches Instrument, um attraktive Städte mit lebenswerten und multifunktionalen öffentlichen Räumen zu schaffen, ist ein „stadtverträgliches Geschwindigkeitsniveau im Kfz-Verkehr“, das Straßen wesentlich sicherer, leiser und die Luft sauberer macht. Gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden, dem Deutschen Städtetag und dem Deutschen Städte- und Gemeindebund, fordern inzwischen über 1.000 deutsche Kommunen in einer „Initiative Lebenswerte Städte“ mit einer Petition einen straßenverkehrsrechtlichen Rahmen, der es ihnen ermöglicht, „Tempo 30 als verkehrlich, sozial, ökologische und baukulturell angemessene Höchstgeschwindigkeit dort anzuordnen, wo sie es für sinnvoll erachten – auch für ganze Straßenzüge im Hauptverkehrsstraßennetz“.

Die in diesem Zusammenhang vielfach postulierte Sorge, die Leistungsfähigkeit des Verkehrs würde durch Tempo 30 oder andere Maßnahmen der Verkehrsberuhigung eingeschränkt, lässt sich empirisch leicht ausräumen: In zahlreichen nationalen und internationalen Verkehrsprojekten wurde nachgewiesen, dass Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung nicht im befürchteten Verkehrskollaps enden, sondern – im Gegenteil – den Verkehr spürbar entlasten. Das Kfz-Verkehrsaufkommen verringert sich insgesamt, es kommt quasi zu einer „Verpuffung“ oder auch traffic evaporation, wie dieses Phänomen im internationalen Diskurs genannt wird.

Eine weitere Grundvoraussetzung für das Gelingen der Verkehrswende betrifft die gesellschaftlich geteilten Leitbilder und Visionen für die Stadt der Zukunft, in die die Verkehrs-, Quartiers- und Umbauprojekte einzubetten sind. Vielfach kennt die Bevölkerung die entsprechenden Leitbilder und Visionen bisher nicht. Maßnahmen zur Umgestaltung von Straßenräumen werden dann eher als Einzelmaßnahmen wahrgenommen, deren kurzfristige Nebenwirkungen – nämlich gewohnte Nutzungsmuster zu verändern – in den Vordergrund treten. Bisher scheinen Visionen einer Stadt mit weniger Autoverkehr stark diejenigen anzusprechen, die in hoch verdichteten Innenstadtbereichen leben. Dies spiegelt sich etwa in den Ergebnissen der Wiederholungswahl zum Abgeordnetenhaus in Berlin 2023 wider: In allen Innenstadtbezirken konnten die Grünen, die mit Verkehrswendeprojekten in den Wahlkampf gezogen waren, gute Ergebnisse erzielen, während in den Außenbezirken die CDU gut abschnitt, die mit einem verkehrswendekritischen Wahlprogramm angetreten war. Um einer solchen Polarisierung entgegenzuwirken, gilt es in Zukunft, in der Kommunikation die positiven (Neben-)Effekte (Co-Benefits) einer nachhaltigen Mobilität noch stärker herauszuarbeiten und diskursiv zu vermitteln. Dazu gehört insbesondere der Gesundheitsschutz: Inzwischen sind etwa die positiven gesundheitlichen Effekte des Radfahrens medizinisch gut belegt und könnten in einer Diskussion um „gesunde“ Städte eine prominentere Rolle spielen. Auch die positiven sozialen Effekte einer guten Erreichbarkeit von Zielen durch Menschen ohne Auto können zukünftig noch besser vermittelt werden.

Neben diesen grundsätzlichen Ansatzpunkten lassen sich drei Handlungsfelder benennen, die in den kommenden Jahren für eine Transformation urbaner Mobilität von herausragender Bedeutung sein werden: die Neuordnung des städtischen Parkens, der Ausbau des ÖPNV und der Ausbau des Radverkehrs.

Städtisches Parken

Das erste Handlungsfeld betrifft die Neuordnung des städtischen Parkens. Aus jahrzehntelanger Forschung ist klar, dass tiefgreifende Veränderungen des Mobilitätsverhaltens nur mit einer Kombination aus Push- und Pull-Maßnahmen erreicht werden können – also durch Maßnahmen, die einen entweder „unangenehm schubsen“ (zum Beispiel Gebühren) oder „attraktiv anziehen“ (zum Beispiel ein besseres Angebot). Soziotechnische Systeme wie der Verkehr zeichnen sich durch ein hohes Maß an Pfadabhängigkeit aus. Ein Beispiel ist die ständig wachsende Zahl an Pkw, die in Deutschland zugelassen sind. In einem bestehenden System sind die regulatorischen und infrastrukturellen Bedingungen so beschaffen, dass sie die dominante technische Lösung, in diesem Fall das private Auto, begünstigen, sodass es als das attraktivste Verkehrsmittel erscheint.

Die regulatorischen Rahmenbedingungen des Parkens bieten hierfür ein gutes Beispiel: Über Jahrzehnte wurden die Städte so umgestaltet, dass möglichst viel Platz für das Abstellen von Autos geschaffen wurde. Das Parken war bisher in weiten Teilen einer überwiegenden Anzahl von Städten kostenfrei oder es wurden so geringe Gebühren erhoben, dass andere Mobilitätsoptionen wie der ÖPNV im Vergleich teuer erschienen. Der öffentliche Raum wird so stark durch das Auto dominiert, dass andere Nutzungen erschwert werden. Hierin liegt ein Schlüssel für eine Veränderung des urbanen Verkehrssystems. Wenn mehr öffentliche Räume für andere Nutzungen, wie etwa Stadtgrün, Spielmöglichkeiten, Raum für Sport und Bewegung inklusive des Fahrradfahrens, zur Verfügung gestellt werden, können die Alternativen zum Auto wesentlich attraktiver werden.

Diese Bedeutung wird von den Städten zunehmend wahrgenommen und mündet in einer vermehrten Umsetzung und wachsenden Bedeutung von Maßnahmen zur Parkraumbewirtschaftung. Mittlerweile ist sie ein etabliertes Instrument, das hilft, Verkehr besser zu steuern und zu mehr Flächengerechtigkeit beizutragen. Verallgemeinernd kann man sagen, dass sich seit einigen Jahren alle größeren Städte mehr oder weniger ambitioniert dem Thema Parkraummanagement widmen, sei es vorrangig durch die Einrichtung von Anwohnerparkzonen, die Parkraumbewirtschaftung in den Innenstädten oder auch „nur“ im Rahmen von temporären Verkehrsversuchen.

Von der neuen Möglichkeit, die Parkgebühren für Anwohnende deutlich zu erhöhen, machen die deutschen Städte in unterschiedlichem Maße Gebrauch. Insgesamt ist jedoch für die weit überwiegende Zahl der Städte weiterhin zu konstatieren, dass das Parken noch vergleichsweise günstig, in vielen Fällen sogar kostenfrei ist – oder anders ausgedrückt: noch nicht den Wert des öffentlichen Raumes widerspiegelt. Dort, wo die Städte Preise für das Anwohnerparken signifikant erhöht haben, ist zu beobachten, dass vermehrt private Stellplätze wie Garagen oder Hinterhöfe genutzt und so öffentliche Flächen entlastet wurden.

Öffentlicher Personennahverkehr

Das zweite zentrale Handlungsfeld, das in den kommenden Jahren über das Gelingen der Verkehrswende mitentscheidet, betrifft den Ausbau des ÖPNV. Verschiedene Szenarien legen nahe, dass es notwendig ist, die Verkehrsleistung im ÖPNV mittelfristig zu verdoppeln, will man die Klimaschutzziele erreichen. Dies erfordert eine flächendeckende Angebotsoffensive, um die ÖPNV-Nutzung wesentlich attraktiver zu machen. Neben dem Ausbau des Angebots und mehr Kapazitäten im Nahverkehr bedarf es zusätzlicher und moderner Fahrzeuge sowie in weniger dicht besiedelten Regionen bedarfsgerechter Verkehrsangebote, die jenseits der Hauptachsen ohne festen Fahrplan und Fahrtroute nach Bedarf zur Verfügung stehen und damit helfen, Umstiege zu vermeiden. Ein Beispiel hierfür ist das „sprinti“-Angebot in der Region Hannover: ein On-Demand-Verkehr zum ÖPNV-Tarif, der in allen Umlandgemeinden der Region verkehrt und der die Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln jenseits der Hauptachsen deutlich verbessert. Die Attraktivität und die Zuverlässigkeit der Angebote sind entscheidend, soll der öffentliche Verkehr seine vielfach postulierte Anforderung, dass „Rückgrat der Verkehrswende“ zu sein, erfüllen.

Eine besondere Rolle spielen hier die Pendelwege, die in den Ballungsräumen einen erheblichen Teil der Verkehrsleistung ausmachen. Jeder vierte zurückgelegte Weg und mehr als ein Drittel der zurückgelegten Kilometer sind beruflich bedingt. Allein die Wege von und zur Arbeit machen 16 Prozent aller Wege und 21 Prozent der Verkehrsleistung aus. Dies sind zumeist Distanzen über 15 Kilometer, bei denen der Autoverkehrsanteil bisher bei rund 80 Prozent liegt. Der Besetzungsgrad, also die Zahl der jeweils mitfahrenden Passagiere, ist auf diesen Wegen mit durchschnittlich 1,2 zudem besonders niedrig, was zu höheren Pro-Kopf-Emissionen führt. Die Einführung des Deutschlandtickets war dahingehend ein Schritt in die richtige Richtung, indem das Problem komplizierter Tarife und uneinheitlicher Vertriebswege überraschend schnell gelöst wurde. Zugleich steht das Ticket aber auch für das bisher ungelöste Problem, wie der notwendige Ausbau des ÖPNV-Angebots zukunftssicher finanziert werden kann. Im Streit zwischen Bund und Ländern um die Weiterfinanzierung des Tickets zeigt sich, dass keine klare Verantwortungszuschreibung für diese Aufgabe besteht.

Neben dem Ausbau des klassischen Linienverkehrs braucht es zudem attraktive Zusatzbausteine, die den ÖPNV auch jenseits der urbanen Kernbereiche zu einer echten Alternative für breitere Kundengruppen machen können. Dazu gehören flächendeckende On-Demand-Verkehre ebenso wie Bike- und Carsharing-Angebote, die über die Innenstädte hinausreichen. So plant zum Beispiel der Münchner Verkehrsverbund aktuell eine Ausschreibung eines Bikesharing-Angebots für das gesamte Verbundgebiet. Dieser notwenige Ausbau eines multioptionalen Nahverkehrssystems wird jedoch absehbar mit hohen Kosten verbunden sein. Hier stellt sich, wie auch bei der Finanzierung des Deutschlandtickets, die Frage, inwieweit der politische Wille vorhanden ist, ausreichende Mittel in das ÖPNV-System zu lenken, um die Ziele einer klimafreundlichen Mobilität zu erreichen.

Fahrradverkehr

Das dritte zentrale Handlungsfeld, dass für die urbane Mobilitätswende von herausragender Bedeutung ist, ist der Ausbau des Radverkehrs. Das Fahrrad spielt eine entscheidende Rolle für nachhaltige städtische Verkehrssysteme und für die urbane Verkehrswende. Radverkehr ist nicht nur leise und günstig, sondern auch platzsparend und gesundheitsfördernd. Zusammen mit dem Fußverkehr ist der Radverkehr die umwelt- und klimaschonendste Art der Fortbewegung. Durch einen konsequenten Ausbau einer attraktiven Infrastruktur kann der Anteil des Radverkehrs signifikant gesteigert werden, wie nicht nur der Blick in die Niederlande zeigt. Die empirischen Befunde sind eindeutig: Dort, wo die Radinfrastruktur gepflegt und ausgebaut wird, erhöht sich der Anteil des Radverkehrs am Verkehrsmittelmix. Entsprechend ist die Bedeutung des Fahrrads in den vergangenen Jahren auch in Deutschland deutlich gestiegen. Mit dem Rad werden nicht nur immer mehr Wege, sondern immer auch größere Distanzen zurückgelegt.

Bei allen positiven Befunden ist jedoch auch festzustellen, dass der Zuwachs des Radverkehrs in der Vergangenheit oft nicht wegen, sondern trotz der vorhandenen Radinfrastruktur erfolgt ist. Hier vollzieht sich ein Wandel: Der Bund investiert heute mehr Mittel in den Radverkehr als je zuvor. Die Städte treiben den Ausbau ihrer Radinfrastruktur stark voran. Wird das Radfahren in Zukunft weiter durch einen angemessenen Bau einer sicheren Radinfrastruktur gefördert, ist davon auszugehen, dass der Radverkehr weiter an Bedeutung gewinnen wird. Dafür ist eine angebotsorientierte Infrastruktur mit lückenlosen Radverkehrsnetzen notwendig.

Der Blick ins Nachbarland Niederlande zeigt darüber hinaus, dass Radfahren nicht nur eine Option für den verdichteten urbanen Bereich, sondern – nicht nur dank der E-Bikes – auch für den Pendlerverkehr geeignet ist. Hierfür braucht es jedoch attraktive Radwegenetze sowie Radschnellwege, die auch über Gemeindegrenzen hinweg Städte mit dem Stadtrand oder Umlandgemeinden miteinander verbinden. Die Niederlande können ebenfalls als Vorbild dienen, wenn es um die Verknüpfung des öffentlichen Verkehrs und insbesondere des Schienenverkehrs mit dem Radverkehr geht: Attraktive und sichere Radabstellanlagen an Bahnhöfen sind dort Standard. Fahrradverleihsysteme ergänzen das System, indem sie insbesondere am Zielort eine praktische Option für die „letzte Meile“ bieten.

Jenseits von Infrastruktur und Angeboten

Die Transformation des urbanen Verkehrssystems lässt sich also durchaus konkret skizzieren – es gibt jedoch vielfältige Hindernisse, die der Umsetzung einer umfassenden Strategie der Mobilitätswende entgegenstehen. Im Bereich des ÖPNV geht es vor allem um finanzielle Hürden, etwa um Fragen der Angebotsfinanzierung. Bei der Einführung von Maßnahmen zur Parkraumbewirtschaftung sowie beim Ausbau der Fahrradinfrastruktur geht es um Fragen der Flächenverteilung und der gesellschaftlichen Akzeptanz. Hier entstehen unvermeidlich Konflikte, da bisherige Nutzungen, Routinen und auch Privilegien – meist von Pkw-Nutzenden – gestört oder entzogen werden. Die Umsetzung der Maßnahmen berührt Verteilungsfragen, die Konflikte und bisweilen lautstarke Proteste hervorrufen. Dennoch gilt: Nur mit einer integrierten „Push- und Pull-Strategie“ können relevante Verkehrsverlagerungen erreicht werden und städtische Verkehrssysteme zukunftsfähig umgebaut werden. Viele Städte haben sich in den vergangenen Jahren auf den Weg gemacht, solche Strategien umzusetzen – mit unterschiedlichem Erfolg: Während etwa Hannover stringent eine Verkehrspolitik zur Reduzierung des Autoverkehrs verfolgt, erlebte Berlin mit den Neuwahlen 2023 einen verkehrspolitischen Richtungswechsel, der wieder stärker die Interessen der Autofahrenden priorisiert.

Aktuell erscheint die Mobilitätswende vom politischen Diskurs wenig begünstigt – sowohl auf Bundesebene als auch in vielen Städten. Die dabei zutage tretenden Konflikte sollten jedoch nicht als Scheitern wahrgenommen werden. Veränderungen rufen Widerstände hervor. Wie Beispiele zeigen, legen sich diese jedoch oftmals nach der Umsetzung. Konflikte sollten dazu genutzt werden, den Diskurs zu suchen und über die städtischen Zielvorstellungen und Visionen in den Dialog zu treten.

Jenseits von Infrastrukturmaßnahmen und neuen Angeboten gibt es jedoch Weichenstellungen, die eine Transformation in Richtung nachhaltiger Mobilität beschleunigen könnten. Ein zentraler Ansatzpunkt wäre die Neugestaltung und Beschleunigung kommunaler Planungsprozesse: Die vielfach noch hierarchische Organisation von Kommunalverwaltungen mit ihren linearen Abläufen erschwert ein agiles Projektmanagement, das für eine schnellere Umsetzung erforderlich ist. Die Planung und Umsetzung von kommunalen Verkehrswendemaßnahmen, beispielsweise ein flächendeckendes Parkraummanagement oder der Ausbau eines Radwegenetzes, nimmt – aller Dringlichkeit zum Trotz – in den Kommunen oft noch zu viel Zeit in Anspruch. Die Beschleunigung und auch die effiziente Umsetzung von Planungsprozessen sind daher dringend geboten. Einige Städte machen aktuell schon vor, wie sich durch agile Projektstrukturen Planung und Umsetzung etwa von Fahrradstraßen (Hannover) oder Fahrradschutzstreifen (Berlin) deutlich beschleunigen lassen. Der Erfolg beschleunigter kommunaler Verwaltungsprozesse liegt, so zeigen mehrere Untersuchungen des Deutschen Instituts für Urbanistik, vor allem in vier Punkten:

Erstens können kommunalpolitische Grundsatzbeschlüsse und Rahmenverträge für Beschaffungen Abstimmungsschleifen reduzieren, aufwändige Vergaben erleichtern und so den Zeitaufwand reduzieren.

Zweitens können in agilen Projekteinheiten Prozesse rascher und effektiver bearbeitet werden. Zentral dabei ist, dass wesentliche Verwaltungsstellen in Projekteinheiten zusammenarbeiten, die über ausreichend Entscheidungsbefugnisse verfügen und Prozessschritte parallel und nicht hintereinander bearbeiten.

Drittens und gerade in Zeiten zunehmenden Fachkräftemangels relevant: Fachkräfte werden auf die Kernaufgaben konzentriert. Befragungen in Kommunen haben gezeigt, dass Personal in spezialisierten Aufgabenbereichen zu oft mit fachfremden Aufgaben betraut sind. So beschäftigen sich beispielsweise für den Radwegebau eingestellte Ingenieure mit Fragen von Kommunikation und Bürgerbeteiligung. Diese Aufgaben sollten innerhalb der Verwaltung delegiert oder an Spezialist:innen vergeben werden.

Viertens können digitale Anwendungen zu mehr Transparenz und zu effektiveren Abläufen führen. Dazu gehören beispielsweise ein internes Datenmanagement sowie abteilungsübergreifende Planungstools.

Durch die Einführung solcher Strukturen können, sofern die politische Unterstützung gewährleistet ist, notwendige Maßnahmen zur Priorisierung umweltschonender Verkehrsträger wesentlich schneller umgesetzt werden. Solche Prozessinnovationen erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass ein Umbau in Richtung eines klimaneutralen urbanen Mobilitätssystems gelingt.

Um dies zu ermöglichen, spielt nicht zuletzt die Bundesebene eine wichtige Rolle. Die Bundesregierung hat im Herbst 2023 eine Reform des Straßenverkehrsgesetzes auf den Weg gebracht. Diese soll den Handlungsspielraum der Kommunen für die Gestaltung des Verkehrs erweitern, indem umwelt- und klimabezogene Ziele sowie städtebauliche Belange explizit neben das Ziel der „Sicherheit und Ordnung des Verkehrs“ treten sollen. Darüber hinaus sieht die Reform unter anderem Erleichterungen bei der Einführung von Parkraumbewirtschaftungsmaßnahmen und der Anordnung von Tempo-30-Zonen vor. Durch diese Änderungen würden den Kommunen Gestaltungsmöglichkeiten gegeben, die sie für den Umbau städtischer Verkehrssysteme dringend benötigen. Der vom Deutschen Bundestag verabschiedete Gesetzesentwurf wurde allerdings im November 2023 vom Bundesrat als zu weitgehend abgelehnt. Dieses Ergebnis ist aus Sicht vieler Städte, Gemeinden und Landkreise enttäuschend. Durch das vorläufige Scheitern der Reform sind die Handlungsspielräume der Kommunen weiterhin stark eingeschränkt. Der Rückenwind, den sie für den notwendigen Transformationsprozess benötigen, bleibt ihnen vorerst verwehrt. An der Notwendigkeit einer Reform des Straßenverkehrsgesetzes hat sich jedoch nichts geändert, um auf kommunaler Ebene die Weichen für eine nachhaltige Mobilität zu stellen und bisherige Hindernisse auf diesem Weg abzubauen. Das Erfordernis einer Verkehrswende ist so dringend wie zuvor.

ist Geografin und leitet den Forschungsbereich „Mobilität“ am Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) in Berlin.

ist promovierte Sozialwissenschaftlerin und Leiterin des Teams „Stadt- und Regionalverkehr“ im Forschungsbereich „Mobilität“ am Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) in Berlin.