Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Editorial | Krieg in der Ukraine | bpb.de

Krieg in der Ukraine Editorial Redaktionelle Anmerkung 24. Februar 2022: Ein Jahr danach Von erwartbaren und überraschenden Entwicklungen Fünf Lehren aus der russischen Invasion Aus Krisen lernen Wie lässt sich der Krieg in der Ukraine beenden? Frieden schaffen. Europas Verantwortung für eine gemeinsame Sicherheit Ende der Ostpolitik? Zur historischen Dimension der "Zeitenwende" Erfolg und Grenzen der Sanktionspolitik gegen Russland Wiederaufbau der Ukraine. Dimensionen, Status quo und innerukrainische Voraussetzungen Reden über den Krieg. Einige Anmerkungen zu Kontinuitäten im Sprechen über Krisen, Kriege und Aufrüstung

Editorial

Sascha Kneip

/ 2 Minuten zu lesen

Seit mehr als einem Jahr herrscht Krieg in der gesamten Ukraine. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen und von westlichen Geheimdiensten sind dem russischen Angriffskrieg bislang Zehntausende Frauen, Männer und Kinder in der ukrainischen Zivilgesellschaft und noch einmal deutlich mehr Soldaten auf beiden Kriegsseiten zum Opfer gefallen. Fast acht Millionen Menschen haben die Ukraine mittlerweile verlassen, weitere sechs Millionen wurden zu Binnenflüchtlingen. Der Alptraum, der für viele Menschen in der Ukraine bereits 2014 begann, hält unvermindert an. Sein Ende ist nicht abzusehen.

Selten war in der jüngeren europäischen Geschichte die Illegitimität eines kriegerischen Angriffs so eindeutig wie in diesem Fall, waren Aggressor und Opfer so klar identifizierbar. Die moralische Pflicht, den Angegriffenen zur Seite zu stehen, kann daher nicht infrage stehen. Dass aber über Ausmaß, Form und Ziel der Hilfe diskutiert, mitunter auch heftig polemisiert wird, gehört in einer offenen Gesellschaft zur Auseinandersetzung dazu. Auch die Frage, wie es zu diesem Krieg gekommen ist und welche Lehren daraus für die Zukunft gezogen werden können, ist legitimer Gegenstand konstruktiven Streits in einer liberalen Demokratie. Die jeweils andere Seite wahlweise als "Kriegstreiber" oder "Russlandversteher" zu diskreditieren, trägt gleichwohl kaum zur Verständigung bei.

Auch nach einem Jahr "Zeitenwende" tasten sich Politik, Wissenschaft und Gesellschaft mehr oder weniger langsam und vorsichtig an die neuen Realitäten heran. Dabei ist es eigentlich keine Schwäche der Demokratie, sondern ihre Stärke, dass sie sich für solch fundamentale Entscheidungen, wie sie heute von ihr verlangt werden, Zeit nimmt und Argumente abwägt. Dass die Menschen in der Ukraine für solche Abwägungsprozesse faktisch keine Zeit haben, gehört allerdings ebenfalls zur Wahrheit – und zeigt das ganze Dilemma demokratischer Politik in Zeiten des Krieges.