Die Charité ist mit über 290 Professorinnen und Professoren sowie über 8.000 Studierenden nicht nur das größte Universitätsklinikum Europas, sondern in Berlin auch einer der größten Arbeitgeber, bei dem in 17 Charité-Centren an vier Standorten mit über 3.000 Betten mehr als 16.000 Personen beschäftigt sind.
Die Geschichte der Charité ist eng mit der Geschichte der Stadt Berlin als Residenz- und Hauptstadt Preußens (seit 1710) und dem preußischen Militärwesen sowie mit der Berliner Bildungslandschaft verbunden. Darüber hinaus spiegelt sich in ihr die Professionalisierung und Akademisierung der Medizin. So wurden in Berlin, wo es noch keine Universität gab, 1713 das Anatomische Theater und 1724 das Collegium medico-chirurgicum gegründet, in denen "Ärzte und Chirurgen für die Armee" theoretisch ausgebildet werden sollten.
Dem steigenden Bedarf an der Ausbildung von Militärärzten unter anderem im Zusammenhang mit den Napoléonischen Kriegen (1792–1807) wurde begegnet mit der Gründung der Pépinière 1795 als einer ausschließlich militärmedizinischen Ausbildungseinrichtung, der Verlegung der im Hospital der Charité untergebrachten Personen in andere Einrichtungen nach außerhalb ab 1798 und der vorwiegenden Aufnahme von Patienten mit solchen Erkrankungen, die für eine praktische militärärztliche Ausbildung relevant schienen.
Im Nationalsozialismus
Durch Politik und Gesellschaft des Kaiserreichs geprägt, war ein Großteil der Ordinarien an der Charité deutschnational-republikfeindlich eingestellt, ein Großteil von ihnen begrüßte den Ersten Weltkrieg, und etwa 28 Prozent des Lehrkörpers nahm aktiv am Krieg teil.
Der Ausgang des Ersten Weltkrieges hatte gravierende Auswirkungen auf die Charité. Einsparungen in Forschung und Lehre sowie Gehaltseinbußen verstärkten bei wissenschaftlichem Personal und Professoren die Vorbehalte gegenüber der Weimarer Republik.
Allgemein blieben die seit dem Kaiserreich geschaffenen Strukturen erhalten. Zwar waren die Medizinalangelegenheiten 1910 vom preußischen Kultusministerium an das preußische Innenministerium abgegeben worden, sodass die Charité-Kliniken einerseits und die Universitätsinstitute und -kliniken andererseits jeweils unterschiedlichen Verwaltungen unterstellt waren. Diese traten in Hinblick auf gesundheits- wie auch hochschulpolitische Entscheidungen aber gemeinsam auf. Die Mitglieder der Medizinischen Fakultät der Berliner Universität stellten die übergroße Mehrheit der verantwortlichen Ärzte und Wissenschaftler an der Charité. Lediglich eine geringe Anzahl von weniger bedeutenden Abteilungen der Charité wurde nicht von Mitgliedern der Medizinischen Fakultät geleitet.
Die Universitätsmedizin war die zweitgrößte Fakultät der Berliner Universität und die größte und renommierteste im Deutschen Reich – ein Status, den sie bis 1944 behielt.
Deutliche Spuren hinterließ dieses Vorgehen spätestens in der 1933 einsetzenden Personalpolitik, mit der Universitätsangehörige, die dem neuen Regime kritisch gegenüberstanden oder die nach nationalsozialistischer Definition als "jüdisch" bezeichnet wurden, aus der Charité entfernt wurden. Aber schon bevor mit dem "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" vom 7. April 1933 hierfür ein passgenaues Instrumentarium zur Verfügung stand, hatte die Berliner Hochschulmedizin aus eigenem Antrieb und eigener Überzeugung mit Kündigungen, verweigerten Vertragsverlängerungen sowie Beurlaubungen zahlreiche Hochschullehrer ausgeschlossen. Aus dem amtierenden Lehrkörper wurden so ab Anfang 1933 141 von 331 Personen entfernt. Schließlich wurde auf diese Weise 42,6 Prozent des Personals aus ihren Stellen vertrieben.
Der Organisationsgrad in der NSDAP oder einer ihrer Gliederungen war unter den Medizinern insbesondere in der Gruppe der sich noch etablierenden jüngeren Generation besonders hoch. So waren im Wintersemester 1944/45 46 Prozent der Berliner Hochschullehrer Mitglied der NSDAP. Mitglieder der Charité trugen unter ihren Kitteln am Arbeitsplatz Uniformen. Von einer politischen Übernahme der Berliner Hochschulmedizin von außen kann jedoch nicht gesprochen werden, da ungebrochen "Qualifikationskriterien, Reputationsstandards und Milieus" die Voraussetzungen für Karrieren im Medizinbetrieb blieben.
Die medizinische Fakultät konnte mit der Ausweitung bestehender Forschungsrichtungen wie der Krebsforschung und der Öffnung für neue Forschungsrichtungen wie Naturheilkunde, "Geomedizin" oder "Rassenhygiene" sowie mit Kooperationen mit verschiedenen Kaiser-Wilhelm-Instituten, der 1934 wiedereröffneten Militärärztlichen Akademie oder staatlichen Institutionen und Repräsentanten im neuen politischen Gefüge an Bedeutung gewinnen. Die enge Verbindung von Wissenschaft, Politik und Berliner Hochschulmedizin zeigt sich am deutlichsten in der Vergabe von Extraordinariaten, Honorarprofessuren und Lehraufträgen an prominente Vertreter von wissenschaftlichen wie staatlichen und militärischen Institutionen. Personen und Projekte der Berliner Universitätsmedizin waren in Planung und Umsetzung der nationalsozialistischen Gesundheits- und Wissenschaftspolitik eingebunden. Mitglieder der Charité verfügten über direkte Kontakte zu Regierungsmitgliedern bis hin zum Reichskanzler, waren selbst Funktionsträger in diesem Apparat oder Mitglieder einflussreicher Wissenschaftsagenturen, wie des Reichsforschungsrates oder der Deutschen Forschungsgemeinschaft.
Wissenschaftler der Charité legitimierten mit ihrer hochschulmedizinischen Expertise nicht nur die dem gesundheitspolitischen Handeln zugrundeliegenden Selektionsmechanismen, sondern nutzten auch den "Freiraum", den ihnen das politische System des Nationalsozialismus zur Verfügung stellte. Beispielsweise missbrauchte etwa der Anatom Hermann Stieve Leichname von hingerichteten Frauen des politischen Widerstands für seine Forschungen mit weiblichen Fortpflanzungsorganen; der Pädiater Georg Bessau betrieb Impfversuche an Kindern, die in der "Euthanasie"-Aktion ermordet werden sollten; der "Rassenhygieniker" Fritz Lenz entwickelte Methodik und Legitimation von "Rassenhygiene" und Bevölkerungspolitik; der Hygieniker Heinz Zeiss formulierte mit dem Konzept der "Geomedizin" Kriterien für Seuchen- und Bevölkerungspolitik in Osteuropa.
Vertreter von Psychiatrie, Gynäkologie und Innerer Klinik fungierten in Zusammenhang mit der Zwangssterilisation auch als sachverständige Beisitzer in den entscheidenden Erbgesundheits- und Erbgesundheitsobergerichten. In den beiden Chirurgischen Kliniken wie auch den Universitätsfrauenkliniken wurden Sterilisierungen sowie "rassenhygienisch" indizierte Abtreibungen durchgeführt. Darüber hinaus waren Hochschulmediziner als beratende Fachärzte, Generalärzte, Leiter von militärischen Medizinalämtern, Mitglieder von militärischen Planungsabteilungen oder wissenschaftlichen Senaten im Militär aktiv.
Es gab einzelne Professoren an der Berliner Hochschulmedizin, die sich exponiert hatten, die wissenschaftspolitisch besonders aktiv waren und so Kollegen, die insbesondere zu der Gruppe der außerordentlichen Professoren und Privatdozenten gehörten, Möglichkeiten eröffnet hatten, die diese bis nach 1945 nutzen konnten. Einzelne von ihnen mussten sich dafür im Nürnberger Ärzteprozess 1946/47, in dem 7 der 20 Angeklagten Mitglieder der Charité waren, verantworten. Rückblickend und in Reaktion auf den Prozess wurden ehedem wissenschaftliche Praxis, durchgeführt in Konzentrationslagern und diskutiert unter Kollegen, nun zu "Pseudowissenschaft" umdeklariert, Selbstmobilisierung und Kollaboration geleugnet oder verheimlicht und eine Dichotomie von Wissenschaft und Politik postuliert.
In SBZ und DDR
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges lagen Charité und Medizinische Fakultät der Universität in der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und unterstanden der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD), die großes Interesse an der Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit der Charité, der Entnazifizierung des Personals sowie der Eliminierung nationalsozialistischer Gesundheitsgesetzgebung und damit verbundener Strukturen hatte. Über 60 Prozent der Gebäude der Charité waren völlig zerstört, 20 Prozent von Trümmern bedeckt und nur ein geringer Teil unversehrt, sodass nicht einmal die Hälfte der ursprünglichen Zahl an Betten für die Versorgung der Bevölkerung zur Verfügung stand. Gleichzeitig hatte sich die gesundheitliche Situation der Bevölkerung infolge des Krieges verschlechtert, sodass der Bedarf an klinischen Einrichtungen von 1945 bis 1951 massiv anstieg. Aber erst in den 1960er Jahren waren Institute wieder rekonstruiert (Anatomisches Institut und Chirurgische Klinik) beziehungsweise Neubauten (Geschwulst-, Frauen-, Haut- und Kinderklinik, Institut für Physiologische Chemie) errichtet worden.
Neben Gebäuden und Material fehlte es der Charité an Personal. Zwar waren elf Ordinarien, Instituts- und Klinikdirektoren seit der Weimarer Republik dort weiterhin tätig. In der Breite jedoch gab es einen akuten Personalnotstand, der auch durch eine Abwanderung von Medizinern in die Westzonen verschärft wurde.
Angesichts dieser Situation konnte die im Alliierten Kontrollrat einhellig vereinbarte Personalpolitik der Zurückweisung von politisch Belasteten (Entnazifizierung) nur im Ansatz umgesetzt werden. So wurden Hochschullehrer trotz ihrer ehemaligen Mitgliedschaft in der NSDAP im Forschungs- und Lehrbetrieb sowie in der Krankenversorgung belassen oder wieder in diese eingestellt, wenn sie den Nachweis erbringen konnten, dass sie "sich fern jeder politisch-ideologischen Tendenz ausschließlich in den Dienst der Wissenschaft gestellt" hätten. So konnten etliche hochqualifizierte Dozenten, denen 1945/46 die Lehrbefugnis entzogen worden war, wieder in ihre alten Positionen zurückkehren und sich bis hin zur Erlangung einer Professur auch weiter qualifizieren. Bis 1952 lag der Anteil der in den medizinischen Fakultäten der DDR tätigen ehemaligen NSDAP-Mitglieder bei 42,9 Prozent.
Die Zuständigkeit für die Charité mit ihren Aufgabenbereichen Forschung, Lehre und Krankenversorgung lag nach Kriegsende kurzfristig beim Hochschulausschuss des Berliner Magistrats. Nachdem 1945 auf Befehl der SMAD die Deutsche Zentralverwaltung für Volksbildung (DVV) eingerichtet war, die bei Gründung der DDR 1949 in das Ministerium für Volksbildung einging, wurde die Charité als Bildungseinrichtung dieser zugeordnet. Der medizinische Bereich wurde, anders als die anderen Krankenhäuser in der Stadt, nicht dem Landesgesundheitsamt Berlin, sondern direkt der Deutschen Zentralverwaltung für Gesundheitswesen (DZVG), der Vorgängerinstitution des Ministerium für Gesundheitswesen unterstellt, was ihre Sonderstellung in Berlin verdeutlicht. Die Aufsicht über den klinischen Bereich hatte ein ärztlicher Direktor, Forschung und Lehre unterstanden dem Rektor der Humboldt-Universität.
Als Reaktion auf die "rassenhygienische" und bevölkerungspolitische Ausrichtung des NS-Staates, dessen Gesetzgebung in der Sowjetischen Besatzungszone in Gänze als Unrechtsgesetze annulliert wurde, sollte unter Bezugnahme auf Entwicklungen in der Weimarer Republik und auf Erfahrungen, die Remigranten aus den Ländern ihres Exils mitbrachten,
Die Garantie für die Umsetzung der neuen Programmatik und der damit formulierten veränderten Tätigkeitsfelder (von kurativer zu präventiver Perspektive) des Arztes sollten Funktionsträger der SED übernehmen. So wurde 1951 in der Medizinischen Fakultät eine Fakultätsparteiorganisation gebildet, 1960 in Grundorganisation Medizin umbenannt, der 1953 lediglich etwa 7 Prozent und 1989 etwa 14 Prozent der Mitglieder der Charité angehörten.
Einfluss auf die Entwicklung der Charité nahmen auch der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund, der als Träger der Sozialversicherung fungierte und dem 1982 etwa 95 Prozent der Mitarbeiter der Charité inklusive Professorinnen und Professoren angehörten, sowie das Ministerium für Staatssicherheit, das die Überwachung des Gesundheitswesens und der Humboldt-Universität, die Überprüfung von Personalangelegenheiten sowie "Reisekadern", von Kontakten in die Bundesrepublik und nach West-Berlin sowie die Zurückdrängung von Ausreisegesuchen und Verhinderung von "Republikfluchten" zur Aufgabe hatte.
In den 1950er Jahren war die Charité zu einem integralen Bestandteil der medizinischen Versorgung in Ost-Berlin geworden und stellte mit ihren 17 Kliniken etwa 15 Prozent der Betten der Berliner Krankenhäuser.
Nach der Wiedervereinigung
Mit dem Staatsvertrag über die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen Bundesrepublik und DDR 1990 übernahm die DDR das bundesdeutsche Gesundheitssystem, und mit dem Einigungsvertrag wurden die Strukturen der Bundesrepublik "annähernd modifikationslos" auf die DDR übertragen.
Die Diskussion um die Zukunft der Charité geschah im Zusammenhang mit einer Debatte über Umfang, Zuschnitt wie Ausrichtung der Berliner Hochschullandschaft im Allgemeinen und ihrer Hochschulmedizin im Besonderen. Die Charité sollte in Kooperation mit den im westlichen Teil der Stadt gelegenen Kliniken der Freien Universität erhalten und zu einer in Forschung und Lehre nach internationalen Standards konkurrenzfähigen Einrichtung weiterentwickelt werden.