Betrachtet man das Krankenhaus als Organisation, befinden sich die Reinigung und ihre Akteur*innen in mehrfacher Hinsicht in einer Randstellung. Als eine der sogenannten nicht-medizinischen oder auch patientenfernen Dienstleistungen wird die Reinigung bereits sprachlich am Rand dessen verortet, was den Kern der Organisation ausmacht: die medizinische und pflegerische Versorgung der Patient*innen. Strukturell ist sie häufig in Servicegesellschaften oder Dienstleistungsunternehmen ausgelagert. Damit fällt sie nicht nur oftmals aus Tarifregelungen heraus; Reinigungskräfte unterstehen auch anderen Arbeitgeber*innen als beispielsweise Pflegende, mit denen sie täglich zusammenarbeiten.
Auch im sozialen Gefüge des Krankenhauses befinden sich Reinigungskräfte in einer Randstellung: Sie werden häufig buchstäblich übersehen oder zumindest wenig beachtet, ihre Arbeit wird kaum wertgeschätzt, und nicht wenige sind direkten (sexistischen, rassistischen) Diskriminierungen ausgesetzt.
Soziale Unsichtbarkeit und Prekarisierung
Es gibt einige Unterschiede zwischen der Krankenhausreinigung und übrigen Einsatzstellen für Reinigungskräfte:
Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zu Anerkennung und Entlohnung systemrelevanter Berufe stellt anhand der Magnitude Prestige Skala, einer auf repräsentativen Umfragen basierenden Ermittlung des Ansehens von Berufen in der deutschen Gesellschaft, fest, dass die nun als systemrelevant eingestuften Berufe
Von der sozialen Geringschätzung ihrer Arbeit berichteten mir auch die Reinigungskräfte, mit denen ich während meiner Forschung gesprochen habe. Sie erklärten mir, dass "manche Leute (…) das Reinigungspersonal als zweite Klasse" sehen oder Reinigungskräfte im Krankenhaus teilweise wahrgenommen würden, als seien sie "vom anderen Stern".
Die eigene Unsichtbarkeit im sozialen Gefüge des Krankenhauses, einer Station oder einer klinischen Abteilung beschreibt die Interviewpartnerin nicht nur als grundsätzlich kränkend oder verletzend, sondern als ständige zusätzliche Anstrengung in ihrem Arbeitsalltag, der ohnehin durch schwere körperliche Belastung geprägt ist. In dieser Missachtung der Reinigung sind zudem häufig sexistische, rassistische und klassistische Zuschreibungen enthalten.
Die Geringschätzung bezieht sich dabei häufig nicht so sehr grundlegend auf die Reinigung, vielmehr erkennen Klinikmitarbeiter*innen auf allen Hierarchieebenen durchaus deren Relevanz an und beklagen selbst die gegenüber früheren Zeiten geringere Qualität und die schlechten Arbeitsbedingungen in diesem Bereich. Reinigungskräfte werden hier jedoch häufig nicht als Kolleg*innen auf Augenhöhe wahrgenommen, sondern eher als "Opfer der Verhältnisse" – als von der jeweiligen Firma ausgebeutete Arbeitskräfte oder als Benachteiligte der Sparpolitiken im Gesundheitssystem.
Die geringe Wertschätzung der Reinigung auf sozialer wie struktureller Ebene ist eingebettet in die historisch gewachsene gesellschaftliche – vergeschlechtlichte, ethnisierte und rassifizierte – Arbeitsteilung, die reproduktive Arbeit im "privaten" von produktiver Arbeit im "öffentlichen" Raum trennt und hierarchisiert. Die Feminisierung und gleichzeitige Abwertung von "Hausarbeit" ist in historischer wie soziologischer Perspektive ein klassisches Thema der Geschlechterforschung.
Reinigungskräfte beklagen allerdings wiederholt, dass Schulungen zu Hygiene zu kurz kämen und berichten über Unsicherheiten oder nur informell weitergegebenes Wissen unter Kolleg*innen. Dies kritisieren sie auch deshalb, weil sie sich ihrer bedeutsamen Rolle für das Funktionieren der Gesundheitsversorgung durchaus bewusst sind. Dass dies auch in der Zeit der Pandemie zutrifft, spricht aus den wenigen Medienberichten im ersten Jahr der Pandemie, in denen Reinigungskräfte selbst zu Wort kamen. So betont etwa die Krankenhausreinigungskraft Gönül Uzunsakal in der SWR-Landesschau Baden-Württemberg, dass sie mit ihrer Arbeit "etwas Gutes tut" und begründet dies mit Verweis auf die Desinfektionsmaßnahmen: "Wir desinfizieren ja auch alles, alles was an den Patienten kommt."
Neben der sozialen ist die strukturelle Randstellung der Reinigung im Krankenhaus ein wesentlicher Faktor, wenn es um die Arbeitsbedingungen geht – und beides bedingt sich gegenseitig. In den meisten Kliniken in Deutschland ist die Reinigung in Tochterunternehmen oder Servicegesellschaften ausgelagert, was vielfältigen Prekarisierungsprozessen Vorschub leistet, sowohl was die Arbeitsbedingungen und Absicherung der Reinigungskräfte selbst als auch die Qualität der Arbeit angeht. Neben der meist unsicheren Beschäftigung und geringen Entlohnung stehen die Reinigungskräfte im Alltag unter hohem Zeitdruck, weil die zu reinigenden Flächen in der vorgeschriebenen Zeit kaum zu bewältigen sind. Wie Dan Zuberi in einer Studie zum Zusammenhang von Krankenhausinfektionen und Reinigung in Kanada deutlich macht,
Zwischen neuer Sichtbarkeit und alter Prekarität
In einer Interviewstudie insbesondere zur Situation prekärer Dienstleistungen in der Pandemie
Unter dem Stichwort "Systemrelevanz" erhielten seit Beginn der Corona-Pandemie viele Arbeitsbereiche öffentliche Aufmerksamkeit, die bislang nicht breit thematisiert worden waren. Als "systemrelevant" gelten Einrichtungen, die "unmittelbar oder mittelbar zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit wichtigen, teils lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen beitragen".
Die Debatte um Systemrelevanz erhöhte die mediale Aufmerksamkeit für manche Bereiche wie die Pflege stark, andere – wie die Reinigung – blieben weiterhin sehr viel weniger sichtbar.
Die Klinikreinigungskraft Erika Radisavljevic wird in einem Artikel von "Spiegel Online" so zitiert: "Wenn ich lese, dass viele Menschen und Politiker Beifall klatschen für die Krankenschwestern und die Ärzte – dann freut mich das. Aber ein wenig traurig bin ich dann auch. Keiner denkt dabei an uns Klinik-Putzfrauen. Natürlich ist unsere Arbeit nicht mit der des medizinischen Personals vergleichbar, die sind härter dran. Aber wir riskieren ja auch unsere Gesundheit und helfen mit, dass die Patienten und Klinikmitarbeiter gesund bleiben."
Mit ihrem Verweis auf ihre eigene Gesundheit und die Gefahr, denen sie und ihre Kolleg*innen sich täglich aussetzen, spricht sie die Verletzbarkeit an, die sich im Bereich der Reinigung erhöht hat. Die grundlegend bestehende Ansteckungsgefahr mit dem neuartigen Corona-Virus bei allen Tätigkeiten im Gesundheitssektor wurde in der Reinigung teilweise noch durch erschwerte Bedingungen wie mangelnde Schutzausrüstung oder den mangelnden Einbezug in Teststrategien erhöht. Laut einer Stellungnahme der Gewerkschaft Verdi sind diese Bedingungen in Zusammenhang mit der strukturellen Auslagerung, dem Outsourcing der Reinigung zu sehen: "Die Verantwortung für das Stellen von Schutzkleidung wird in manchen Fällen offensichtlich zwischen dem Dienstleister und dem Krankenhaus/der Pflegeeinrichtung hin- und hergeschoben. Und nicht immer sind die Kolleg*innen aus ausgegliederten Bereichen in die Testkonzepte sachgemäß einbezogen."
Eine Umfrage der IG BAU wiederum zeigt, dass Reinigungskräfte in medizinischen Einrichtungen wie Krankenhäusern von Arbeitgeber*innen besser geschützt werden als an anderen Einsatzorten wie Schulen oder Kitas, allein bei den Impfungen bestehe noch "Verbesserungsbedarf".
Auch wenn solche Veränderungen nicht allen Akteur*innen in der Reinigungsbranche gleichermaßen zugutekommen, kann doch eine generell größere Beachtung und stellenweise auch Anerkennung auf verschiedenen Ebenen verzeichnet werden. Auch dass die verschiedenen Aspekte in den Medienbeiträgen thematisiert werden, die den Reinigungsbereich seit Jahren betreffen, bedeutet zwar nicht eine automatische Verbesserung, lässt sich aber doch als positives Zeichen deuten. Der grundlegende Widerspruch zwischen der unbestrittenen Relevanz der Reinigung für die Krankenhaushygiene und der weitgehenden politischen, sozialen wie institutionellen Geringschätzung dieses Bereichs und seiner Akteur*innen ist deutlich geworden, und damit werden auch potenzielle Veränderungen möglich.
Von erhöhter Sichtbarkeit zu konkreten Verbesserungen?
Ob die erhöhte Aufmerksamkeit für die Krankenhausreinigung seit Beginn der Corona-Pandemie nun also dazu beiträgt, dass dieser Arbeitsbereich langfristig mehr Beachtung und vor allem dringend notwendige Verbesserungen in den Arbeitsbedingungen erfährt, bleibt abzuwarten. Um diese Zusammenhänge zu ergründen, bedarf es weiterer Forschung, die Reinigungskräfte als Akteur*innen mit ihrer Expertise ins Zentrum rückt.
Die coronabedingte Einschätzung als "systemrelevant" könnte als Anlass dienen, um schon lange überfällige Verbesserungen in Gang zu setzen oder zu verstärken. Durch die aktuelle Aufmerksamkeit besteht gegenwärtig ein Zeitfenster für praktische Veränderungen wie die Wiedereingliederung dieses Tätigkeitsbereichs in die Organisation Krankenhaus, eine flächendeckende bessere Bezahlung nach Tarif und arbeitsrechtliche Absicherungen. Zudem müssten sich die Arbeitsbedingungen ändern: Dem ständigen Personalabbau sollte etwas entgegengesetzt werden, damit die Hygiene besser gewahrt wird und die Arbeit auch körperlich besser und langfristig zu bewältigen ist.
Solche und weitere Veränderungen würden eine Aufwertung mit sich bringen. Werden Reinigungskräfte in die Teams der Stationen einbezogen, sind sie als Akteur*innen im sozialen Gefüge des Krankenhauses nicht länger zu übersehen und bekommen eine Stimme. Sie können mit Kolleg*innen aus der Pflege und anderen Arbeitsbereichen Absprachen treffen und auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Durch solch weitreichende strukturelle Veränderungen innerhalb der Organisation Krankenhaus könnte vermutlich eine schrittweise Aufwertung ihrer Arbeit zu erzielen sein. Auf diese Weise könnte die Reinigung ihre Randstellung verlassen und stärker im Inneren der Organisation Krankenhaus verortet werden.