Im Dezember 321 teilte der römische Kaiser Konstantin I. ("der Große") den Kölner Ratsherren mit, dass es fortan gesetzlich möglich sei, auch jüdische Bürger in den Stadtrat zu berufen. Sein Brief gilt als die älteste schriftliche Quelle, die jüdisches Leben auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands belegt. Er ist somit auch die Grundlage dafür, dass 2021 das Festjahr "1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland" begangen wird – was auch der Anlass für diese Ausgabe ist.
Unabhängig von der Datierung jüdischer Anfänge auf heutigem deutschen Gebiet ist es ein großes Glück, dass sich nach der Shoah überhaupt wieder ein vielfältiges jüdisches Leben in Deutschland entwickelt hat. Über die Feierlichkeiten sollte indes nicht vergessen werden, dass dieses keineswegs überall selbstverständlich und sichtbar, sondern vielfach nur "unsichtbar" und unter Polizeischutz stattfindet. Eine selbstbewusste Generation junger Jüdinnen und Juden spricht diese Zustände immer wieder offensiv an und setzt sich auf diese Weise für gesellschaftliche Vielfalt insgesamt ein. Sie steht damit in einer langen Tradition vielgestaltiger Einflüsse, ohne die dieses Land wesentlich ärmer wäre.
Die Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe hat die Redaktion im Rahmen eines Call for Papers in einem anonymisierten Verfahren aus zahlreichen eingesandten Exposés ausgewählt. Die historische und gegenwärtige Vielfalt des jüdischen Lebens in Deutschland lässt sich mit sieben Beiträgen selbstverständlich nicht einmal ansatzweise widerspiegeln. Aber jeder einzelne bietet Schlaglichter und Einsichten, die zur weiteren Beschäftigung einladen sollen.