Deutsch-israelische Beziehungen sind berühmt dafür, kompliziert oder heikel zu sein. Die "besonderen Beziehungen", wie sie immer wieder genannt werden, entstanden im Nachkriegsdeutschland im Schatten der Shoah.
Bis heute sind die Beziehungen der beiden Länder sowohl etabliert als auch missverstanden und auf fragilem Boden gebaut. Aus pragmatischer Sicht gab es nach dem Zweiten Weltkrieg auf beiden Seiten gute Gründe, realpolitisch zueinander zu finden. Die Begleitmusik der Rhetorik von Moral, Freundschaft und Versöhnung lag dabei allein auf deutscher Seite. Israelis hingegen neigten mit der Entstehung der Bundesrepublik als Rechtsnachfolger des nationalsozialistischen Regimes zum Boykott.
Seit ihrer Gründung 1949 strebte die Bundesrepublik Deutschland die Rückkehr in die internationale Gemeinschaft an – und Israel bemühte sich um die eigene Aufnahme. Kontakte zwischen Deutschland und Israel ließen sich daher auf Dauer nicht vermeiden. Da die Wirtschaft im jungen jüdischen Staat marode beziehungsweise nicht existent war, bei gleichzeitig sehr hohen Einwandererzahlen, war Israel dringend auf Hilfe von außen angewiesen. Die Bundesrepublik schien hier ein geeigneter "Partner"; von der DDR war hingegen keine Hilfeleistung zu erwarten, da sich der ostdeutsche Teilstaat als antifaschistisch begriff und damit auch als historisch unbelastet von der Verantwortung für den Völkermord. Im Rahmen des Ost-West-Konfliktes war die DDR schließlich dem von der Sowjetunion dominierten Block zuzuordnen und stellte die Beziehungen zu den Israel feindlich gesonnenen arabischen Staaten in den Vordergrund.
Erste Verhandlungen über Entschädigungszahlungen an Israel wurden von den amerikanisch-jüdischen Organisationen wie der Jewish Claims Conference und dem World Jewish Congress geführt. Nachdem es in Israel in den späten 1940er und frühen 1950er Jahren zu mehreren Boykottaufrufen gegen Deutschland gekommen war,
Nach langen Debatten in beiden Ländern wurde das Luxemburger Abkommen am 10. September 1952 verabschiedet. Es regelte Güterlieferungen und Zahlungen von Westdeutschland an Israel im Wert von über drei Milliarden D-Mark über einen Zeitraum von 14 Jahren. Mit diesem Schritt gewann die Bundesrepublik moralisches Kapital für die Wiederaufnahme in die internationale (westliche) Gemeinschaft – Adenauers erklärtermaßen wichtigstes Ziel während seiner Kanzlerschaft. Zudem entstand, als positiver Nebeneffekt für Deutschland, in Israel ein Absatzmarkt für deutsche Produkte und Ersatzteile, der sich auch langfristig für Deutschland als lukrativ erwies.
So sehr der Bundesregierung unter Adenauer an diesem "Wiedergutmachungsabkommen" lag, so wenig war der Bundeskanzler im Laufe der 1950er Jahre bereit, tatsächlich diplomatische Beziehungen zu Israel aufzunehmen. Als sich die Stimmung in Israel etwas zu Gunsten Deutschlands änderte, nachdem im Suezkrieg 1956 entgegen aller Befürchtungen die Zahlungen an Israel nicht eingestellt worden waren, ersuchte Ben-Gurion immer wieder um eine offizielle Formalisierung der Beziehungen bei seinem deutschen Gegenpart.
Anstatt auf die offiziellen Gesuche Ben-Gurions einzugehen, wurden unter strenger Geheimhaltung durch Verteidigungsminister Franz Josef Strauß und dem Generaldirektor des israelischen Verteidigungsministeriums Shimon Peres Waffenlieferungen vereinbart. Erst sieben Jahre später, 1964, deckte die deutsche Presse diesen Vorgang auf.
Während die Bundesrepublik in den 1960er Jahren ihr "Wirtschaftswunder" erfuhr, war Israel immer noch ein in der Region isoliertes und relativ armes Land. Die massiven Einwanderungswellen in den 1950er Jahren durch Juden und Jüdinnen aus dem Nahen Osten und Nordafrika sorgten zum einen für zahlreiche soziale Spannungen und zum anderen für eine weitere Schwächung des Bruttoinlandsprodukts pro Kopf.
Doch herrschte in diesem Jahrzehnt noch immer ein starkes Spannungsverhältnis zwischen der sehr pragmatischen israelischen Regierungspolitik – die nach Ben-Gurions Rücktritt als Premierminister 1963 auch weiterhin in den Händen der Arbeiterpartei lag – und den Gefühlen und Ansichten der Mehrheit der israelischen Bevölkerung, die nach wie vor alles Deutsche ablehnte. Das zeigte sich auch darin, dass die zivilgesellschaftlichen Kontakte maßgeblich von deutscher Seite aus vorangetrieben wurden. Bereits ab den späten 1950er Jahren, und verstärkt nach Aufnahme diplomatischer Beziehungen, wuchsen die Netzwerke auf zivilgesellschaftlicher Ebene – im gewerkschaftlichen,
Die Wissenschaftsbeziehungen standen dabei zwischen dem staatlichen und zivilgesellschaftlichen Bereich: Ab 1959 bereits förderte die Bundesregierung das heute sehr renommierte Weizmann-Institut mit drei Millionen D-Mark,
Acht Jahre nach Aufnahme diplomatischer Beziehungen, im Juni 1973, reiste Willy Brandt (SPD) als erster deutscher Bundeskanzler zum offiziellen Staatsbesuch nach Israel. Zum ersten Mal in der israelischen Geschichte wurden zum Empfang am Flughafen die deutsche Flagge gehisst und die deutsche Nationalhymne gespielt. Obwohl sich Brandt, knapp drei Jahre nach seinem international beachteten Kniefall in Warschau, historisch sensibel zeigte und auch als Geste der Trauer und Anerkennung der Schuld einen Kranz in Yad Vashem niederlegte, prägte er gleichzeitig die "Normalisierung" der deutsch-israelischen Beziehungen.
Als der Holocaustüberlebende Menachem Begin bei den israelischen Parlamentswahlen 1977 mit seiner Likud-Partei und den Stimmen der Misrachim, also den Israelis mit Wurzeln in Asien oder Afrika, die knapp 30 Jahre währende links-aschkenasische
Die schlussendliche Abkehr von der historischen Schuld als Band zwischen den beiden Ländern schien dann Bundeskanzler Helmut Kohls (CDU) Besuch im Januar 1984 zu bedeuten, als er auf sich selbst bezogen von der "Gnade der späten Geburt" sprach und damit in den Augen zeitgenössischer Beobachter die seit 1949 akzeptierte "Kollektivverantwortung" aufgab.
Die DDR und Israel
In den Jahren zwischen 1948 und 1956 pflegten osteuropäische Länder fruchtbare kulturelle und politische Beziehungen zu Israel.
Denn ganz im Gegensatz zu der Entwicklung in Westdeutschland hatte die DDR kaum bis gar keine Kontakte zu Israel, zumindest keine offiziellen. Die Gründe dafür waren zweierlei: Zum einen sah sich die DDR als "antifaschistischer" Staat, der keine Rechtsnachfolge und damit auch keine Kollektivverantwortung für den Holocaust und die zwölf Jahre NS-Diktatur übernahm. Zum anderen war die DDR im Kalten Krieg klar in den sowjetischen Block integriert und gehörte damit zu jenem Staatenbund, der Israel als Feindstaat ansah. In den frühen 1950er Jahren hatte Israel, das damals noch stark auf seiner Identität als sozialistischer Kibbuz-Staat aufbaute, Beziehungen zu beiden deutschen Staaten sondiert. Schnell wurde allerdings klar, dass die DDR im Gegensatz zur Bundesregierung zu keinen Reparationsverhandlungen bereit war. Seit dem Suezkrieg von 1956, der die militärischen Auseinandersetzungen des Kalten Krieges auch auf den Nahen Osten ausweitete, wandte sich die politische Führung der DDR endgültig von Israel ab. In den folgenden Jahrzehnten bestanden die Bezüge vor allem in Polemiken gegen den jüdischen Staat, der als "unterdrückerischer Zionismus" mit Imperialismus und Kapitalismus gleichgesetzt wurde. Der gemeinsame Kampf gegen "Imperialismus, Kolonialismus, Neokolonialismus und Zionismus" schuf für die DDR Bündnispartner sowohl in der arabischen Welt als auch im Globalen Süden.
Während all dieser Jahrzehnte bemühte sich die jüdische Gemeinde in der DDR zumindest um kulturelle Kontakte und arbeitete weiter auf eine Lösung auch der Entschädigungszahlungen hin. Erst als sich in der Gorbatschow-Ära ab Mitte der 1980er Jahre eine Öffnung des Ostblocks andeutete und Israel als militärischer und politischer Akteur im Nahen Osten unvermeidbar schien, wurden politische Kontakte zu Israel für die DDR-Führung attraktiv. Nach dem Mauerfall 1989 und der deutschen Vereinigung 1990 wurde schließlich die demonstrative Feindschaft aufgegeben, und die Volkskammer erklärte am 12. April 1990: "Wir bitten die Juden in aller Welt um Verzeihung. Wir bitten das Volk in Israel um Verzeihung für Heuchelei und Feindseligkeit der offiziellen DDR-Politik gegenüber dem Staat Israel und für die Verfolgung und Entwürdigung jüdischer Mitbürger auch nach 1945 in unserem Lande."
Nach der Wiedervereinigung
Mit der Vereinigung der beiden deutschen Staaten war ein zentrales Ziel der bundesdeutschen Politik nach dem Zweiten Weltkrieg erreicht. Indem das über 40 Jahre lang getrennte Land auch durch die Anerkennung der historischen Schuld wieder zusammenwuchs, untermauerte es in den Augen seiner Nachbarn die eigene wirtschaftliche Vormachtstellung in Europa. Nicht nur in den Nachbarländern, sondern auch in Israel, vor allem in den israelischen Medien und von Überlebendenverbänden, wurden der Mauerfall und die Vereinigung vornehmlich skeptisch beobachtet.
Ein weiteres kritisches Ereignis für das deutsch-israelische Verhältnis war der Zweite Golfkrieg 1992: Ab dem 18. Januar 1991 flogen irakische Kurzstreckenraketen auf Tel Aviv. Sechs Wochen lang zitterte die Bevölkerung vor einem befürchteten Giftgasangriff. Da Deutschland zuvor Chemikalien an den Irak geliefert hatte, die zur Produktion chemischer Waffen genutzt werden konnten, wurden in Israel Holocaust-Assoziationen geweckt. Um zu bekräftigen, dass Deutschland auch als vereinigter Staat für das Existenzrecht Israels eintrete, verpflichtete sich die Bundesregierung zu einer Schenkung von drei U-Booten. Dieses Versprechen wurde mit der Auslieferung der ersten beiden Boote 1999 und 2000 eingelöst.
In Fortführung der Grassroots-Aktivitäten aus den 1980er Jahren, in denen jüdische Gemeinden und Überlebende, unterstützt durch eine neue kritische Post-68er-Generation, Gedenken und Aufarbeitung gefordert hatten, etablierte sich in Deutschland in den 1990er Jahren auch auf staatlicher Ebene eine neue Erinnerungskultur. Erstmals wurde ernsthaft über die Schaffung eines zentralen Holocaust-Denkmals diskutiert,
In diesem Klima der gesellschaftlichen Weiteraufarbeitung der Vergangenheit wurde politisch ebenfalls auf den Ausbau der deutsch-israelischen "Freundschaft" gesetzt. Diese bezeichnete sowohl die sicherheitspolitische und militärische Unterstützung Israels als auch den weiteren konsequenten Ausbau der zivilgesellschaftlichen Beziehungen. Nicht nur die jeweiligen Staatspräsidenten reisten nun regelmäßiger in das andere Land,
In den Folgejahren verfestigten sich die deutsch-israelischen Beziehungen weiter, etwa im wissenschaftlichen
Debatten im 21. Jahrhundert
Der deutlichste Ausdruck für die gewachsenen deutsch-israelischen Beziehungen war die vielbeachtete Rede der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor der Knesset 2008, in der sie betonte, dass Israels Sicherheit "niemals verhandelbar", sondern "Teil der Staatsräson" der Bundesrepublik sei.
Mit dem verstärkten Zuzug junger Israelis nach Berlin seit den frühen 2000er Jahren – insbesondere nach breiten Sozialprotesten in Israel 2011/12 – scheint sich ein "normalisierter" Austausch zwischen beiden Gesellschaften zu verstetigen.
Während in den vergangenen Jahren antisemitische Einstellungen in Deutschland und Europa wieder auf dem Vormarsch sind,
Im fortschreitenden 21. Jahrhundert zeigt sich so im deutsch-israelischen Verhältnis eine zunehmende Diskrepanz: Während in der bundesdeutschen Bevölkerung in den 1960/70er Jahren eine große Begeisterung für den jüdischen Staat herrschte, stehen die Deutschen nach aktuellen Umfragen Israel eher kritisch gegenüber.
Insbesondere die jüngeren Generationen kennen und begegnen sich aber immer weniger. Während in den vergangenen zehn Jahren die Jugend in Deutschland eher nach links gerückt ist und sich für internationale Debatten im Rahmen der postkolonialen Bewegungen interessiert, ist in Israel, gerade auch unter Jugendlichen, eine Hinwendung nach rechts zu beobachten. Dieser Rechtsruck manifestierte sich in dramatischer Weise in den Wahlen von November 2022 und der Bildung einer neuen Regierung im Dezember, die so weit rechts steht und so religiös und antiliberal beeinflusst ist wie keine andere vor ihr. Während das deutsch-israelische Verhältnis auf vielen Ebenen historisch gewachsen ist, zeigt sich hier eine neue Herausforderung für die bilateralen Beziehungen. Bisher standen diese unter der Prämisse Israels als liberal-demokratischer Staat mit einer lebendigen Zivilgesellschaft, dem rechtlich verankerten Schutz von Minderheiten und den zumindest in Teilen früherer Regierungen immer noch angestrebten Versuchen einer Zweistaatenlösung. Unter den Vorzeichen einer Aufkündigung dieser Prämisse im Jahr 2023 könnte sich auch die Positionierung Deutschlands als starker Partner Israels in Europa neu justieren. Die deutsch-israelischen Beziehungen balancierten bereits im 20. Jahrhundert auf einem schmalen Grat, bevor sie sich etablierten und schließlich normalisierten. Dieser Umstand wird sich so nicht wiederholen, doch handelt es sich um eine neue, unter Umständen gefährliche Situation.