Der russische Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 markiert den endgültigen Abschied Moskaus von der europäischen Sicherheitsordnung, die auf Zusammenarbeit entlang von Prinzipien wie staatlicher Souveränität, der Unverletzlichkeit von Grenzen und einer friedlichen Konfliktlösung basierte. Seither sortiert sich die Sicherheitspolitik in Europa im Eiltempo neu: Schweden und Finnland geben ihre Neutralität auf und treten der Nato bei, die EU-Staaten liefern Waffen an die Ukraine, Deutschland investiert mit einem Sondervermögen in die Ausstattung der Bundeswehr. Statt auf Kooperation mit Russland stehen die Zeichen nunmehr auf Konfrontation.
Neben der notwendigen Reflexion darüber, wie es so weit kommen konnte und ob "der Westen" den russischen Präsidenten Wladimir Putin von der Invasion in die Ukraine hätte abhalten können, stellen sich vor diesem Hintergrund die großen Fragen der internationalen Sicherheitspolitik mit neuer Dringlichkeit: Wie kann die nukleare Aufrüstung effektiv begrenzt werden? Wie können die multilateralen Institutionen inklusiv gestaltet werden und insbesondere auch dann dauerhaft handlungsfähig bleiben, wenn kein Konsens zwischen den Großmächten herrscht? Wie schafft und erhält man Frieden?
Die vielzitierte "Zeitenwende" geht über einen Bruch in Europa weit hinaus. Sie bedeutet das Ende der kooperativen regelbasierten internationalen Ordnung, wie sie nach dem Kalten Krieg beschworen wurde, die nun einer neuen Form des Systemwettbewerbs in einem multipolaren Kontext weicht. So ringt die internationale Gemeinschaft in einer Zeit um ein neues Miteinander, in der sie nur mit Geschlossenheit und Konsequenz den sich zuspitzenden existenziellen globalen Krisen, allen voran der Bedrohung durch den Klimawandel und seine Folgen, wirksam entgegentreten kann.